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DOI: 10.1055/s-0045-1801990
Mental Health Surveillance am Robert Koch-Institut – Potenziale der Beobachtung der psychischen Gesundheit der Bevölkerung
Auf Bundesebene leistet das Robert Koch-Institut (RKI) Berichterstattung zur Lage der psychischen Gesundheit und ihrer Veränderung in der Bevölkerung. Der Vortrag informiert über aktuelle Ansätze und diskutiert deren Potenziale.
Die WHO Europa sieht die Surveillance gesundheitlicher Entwicklungen als eine von zehn „Essential Public Health Operations“. Darauf aufbauend empfiehlt auch das Zukunftsforum Public Health Surveillance als einen Kernbereich einer Public Health Strategie für Deutschland.
Für eine systematische Beobachtung der psychischen Gesundheit mit verschiedenen Datenquellen wurde 2019 mit dem Aufbau einer Mental Health Surveillance am RKI begonnen (1). Auf der Basis eines Scoping-Reviews zu Kennwerten von Public Mental Health entwickelten Expertinnen und Experten in einem strukturierten Konsentierungsprozess ein Indikatorenset und ein Rahmenkonzept als Grundlage für die Surveillance.
Als im Kontext der COVID-19-Pandemie dringender Informationsbedarf auch zu kurzfristigen Veränderungen der psychischen Gesundheit entstand, wurden ein monatliches Literaturreview zur Evidenzlage (2) sowie eine hochfrequente Beobachtung mit Befragungsdaten und ein monatlich aktualisiertes Dashboard entwickelt (3). Zusätzlich wurden Trends administrativer Prävalenzen psychischer Störungen in der ambulanten vertragsärztlichen (einschließlich -psychotherapeutischen) Versorgung 2012-2023 untersucht (4).
Befragungsdaten zeigten mehrfach Verschlechterungen der psychischen Gesundheit Erwachsener seit 2019 bzw. 2021 bis Ende 2023. Der Trend zeigt sich auch im Literaturreview, das zugleich auf Evidenzlücken aufmerksam macht. Die Entwicklungen sind in allen Geschlechts-, Alters und Bildungsgruppen feststellbar mit einer wachsenden sozialen Ungleichheit zwischen Einkommens- und Bildungsgruppen. Vergleiche mit früheren Daten seit 2008 deuten darauf hin, dass der Anstieg erst ca. 2020 begann (5). Administrative Prävalenzen psychischer Störungen nahmen in der ambulanten Versorgung zwischen 2012 und 2022 überwiegend stetig zu, wobei Trends sich zwischen einzelnen psychischen Störungen und Bevölkerungsgruppen unterscheiden und seit 2018 vermehrt schwankten. Unterschiede zwischen den Geschlechtern und Altersgruppen verringerten sich 2012-2023 durch stärkere Zuwächse bei Männern und den jüngeren Altersgruppen. Im Jahr 2023 stieg die administrative Prävalenz zuletzt wieder an. Dabei fällt die Altersgruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf, deren Anteil mit der Diagnose einer psychischen Störung in den letzten Jahren konstant und stärker als in anderen Altersgruppen zunahm.
Seit 2024 entsteht mit dem RKI-Gesundheitspanel eine dauerhaft nutzbare Datengrundlage für die Surveillance relevanter Indikatoren körperlicher und psychischer Gesundheit und deren Determinanten. Im neuen Health Information System werden für ausgewählte Indikatoren psychischer Gesundheit aktuelle Ergebnisse bereitgestellt. Wie in einer Nutzendenbefragung auch mit Vertreterinnen und Vertretern von Ländern und Kommunen diskutiert wurde, bietet der Ansatz der Mental Health Surveillance auf Bundesebene Potenziale, unter anderem für Vergleiche mit eigenen Daten oder auch die Einschätzung der Relevanz psychischer Gesundheit für die Bevölkerungsgesundheit allgemein. Zukünftig wünschenswert wären eine Regionalisierung von Ergebnissen sowie eine stärkere Berücksichtigung schwerer psychischer Störungen.
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Publication History
Article published online:
11 March 2025
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