Z Gastroenterol 2024; 62(09): e634-e635
DOI: 10.1055/s-0044-1789743
Abstracts │ DGVS/DGAV
Kurzvorträge
Erkrankungen des Pankreas: Grundlagen und Verlauf Freitag, 04. Oktober 2024, 15:45 – 16:49, Seminarraum 14+15

Pathologische zentrale Schmerzverarbeitung bei Patienten mit duktalem Adenokarzinom des Pankreas

C. Bandhauer
1   Universitätsklinikum Halle- Wittenberg, Klinik für Innere Medizin I, Halle, Deutschland
,
M. Damm
1   Universitätsklinikum Halle- Wittenberg, Klinik für Innere Medizin I, Halle, Deutschland
,
M. Faghih
2   Johns Hopkins Medical Institutions, Division of Gastroenterology, Department of Medicine, Baltimore, Vereinigte Staaten
3   Johns Hopkins Medical Institutions, Pancreatitis Center, Department of Medicine, Baltimore, Vereinigte Staaten
,
J. Jäger
1   Universitätsklinikum Halle- Wittenberg, Klinik für Innere Medizin I, Halle, Deutschland
,
S. S Olesen
4   Aalborg University Hospital, Centre for Pancreatic Diseases and Mech-Sense, Department of Gastroenterology and Hepatology, Aalborg, Dänemark
,
D. A Laheru
5   Johns Hopkins University School of Medicine, The Sidney Kimmel Comprehensive Cancer Center, Baltimore, Vereinigte Staaten
,
L. Zheng
5   Johns Hopkins University School of Medicine, The Sidney Kimmel Comprehensive Cancer Center, Baltimore, Vereinigte Staaten
,
A. E. Philips
6   University of Pittsburgh School of Medicine, Division of Gastroenterology, Hepatology, and Nutrition, Pittsburgh, Vereinigte Staaten
,
D. Yadav
6   University of Pittsburgh School of Medicine, Division of Gastroenterology, Hepatology, and Nutrition, Pittsburgh, Vereinigte Staaten
,
A. M Drewes
4   Aalborg University Hospital, Centre for Pancreatic Diseases and Mech-Sense, Department of Gastroenterology and Hepatology, Aalborg, Dänemark
,
J. Rosendahl
1   Universitätsklinikum Halle- Wittenberg, Klinik für Innere Medizin I, Halle, Deutschland
,
V. K. Singh
2   Johns Hopkins Medical Institutions, Division of Gastroenterology, Department of Medicine, Baltimore, Vereinigte Staaten
3   Johns Hopkins Medical Institutions, Pancreatitis Center, Department of Medicine, Baltimore, Vereinigte Staaten
› Institutsangaben
 
 

    Einleitung: Das duktale Adenokarzinom des Pankreas (PDAC) ist häufig mit Schmerzen und dadurch bedingter Reduktion der Lebensqualität vergesellschaftet. Trotz dieses bedeutenden Problems hat sich die Schmerztherapie in den letzten Jahren nicht relevant weiterentwickelt.

    Ziele: Durch pankreasspezifische quantitative sensorische Testung (P-QST), bei der nach standardisierter Stimulation die evozierte Schmerzreaktion erfasst wird, soll eine Charakterisierung der Schmerzverarbeitung bei Patienten mit PDAC erfolgen.

    Methodik: Im Rahmen einer multizentrischen Querschnittsstudie wurden Patienten mit schmerzhaftem PDAC und gesunde Probanden mittels P-QST charakterisiert. P-QST umfasste die quantifizierbare Applikation von Druck am pankreasspezifischen Dermatom T10 (Rücken und Abdomen), sowie in C5, L1 und L4, der bei steigender Intensität schließlich einen Schmerzreiz auslöst. Zudem wurde die Dauer des Tolerierens und Schmerzintensität nach Eintauchen der Hand in Eiswasser bestimmt. Die physiologische zentrale Schmerzsuppression wurde z.B. durch wiederholte Nadelstich-Stimulation untersucht.

    Ergebnis: Es wurden 104 Patienten mit schmerzhaftem PDAC und 122 gesunde Kontrollpersonen untersucht ([Tabelle 1]). PDAC-Patienten wiesen im Vergleich zu den Kontrollen insgesamt signifikant niedrigere Schwellen für die Detektion und Toleranz von Druckschmerz auf. Der Eiswasserversuch wurde von PDAC-Patienten signifikant kürzer toleriert. Zudem war die wiederholte Nadelstich-Stimulation signifikant schmerzhafter. 19% der Patienten wiesen eine segmentale, d.h. auf Pankreasregion bezogene, Hyperalgesie und 19% eine ausgebreitete, d.h auch außerhalb der Pankreasregion bestehende, Hyperalgesie auf. Diese Phänotypen der pathologischen Schmerzverarbeitung waren signifikant häufiger bei PDAC-Patienten im Vergleich zur Kontrollgruppe (p<0.001). Die ausgedehnte Hyperalgesie war bei Patienten mit größerem Primärtumor signifikant häufiger als bei kleineren Tumoren (T1/2: 6% vs T3/4: 26%, p=0.04). Im Bezug auf die Lokalisation des Primärtumors (Kopf vs Korpus/Schwanz), sowie auf das Vorhandensein von Metastasen gab es keine Unterschiede.

    Tabelle 1 Vergleich der quantitativen sensorischen Testung gesunder Probanden und Patienten mit duktalem Adenokarzinom des Pankeas (PDAC).

    Gesunde Probanden (n=122)

    PDAC (n=104)

    P-Wert

    Eiswasserversuch (Dauer in Sekunden, Median (IQR))

    120 (60)

    89 (80)

    0.0046

    Konditionierte Schmerzmodulation, Median % (IQR)

    18.9 (20.5)

    15.7 (30.8)

    0.3583

    Druckschmerz Detektionsschwelle, Mittelwert kPa (SD)

    C5

    282 (146)

    264 (135)

    0.3406

    T10 Rücken

    465 (241)

    429 (185)

    0.2219

    T10 Abdomen

    252 (142)

    197 (93)

    0.0008

    L1

    310 (149)

    236 (107)

    <0.0001

    L4

    456 (204)

    436 (215)

    0.4570

    Summe

    1766 (767)

    1561 (618)

    0.0302

    Ratio

    1.03 (0.21)

    1.04 (0.24)

    0.6995

    Druckschmerz Toleranzschwelle, Mittelwert kPa (SD)

    C5

    569 (315)

    426 (232)

    0.0002

    T10 Rücken

    798 (399)

    650 (260)

    0.0014

    T10 Abdomen

    423 (222)

    301 (159)

    <0.0001

    L1

    482 (225)

    379 (174)

    0.0002

    L4

    730 (327)

    611 (264)

    0.0032

    Summe

    2987 (1316)

    2365 (936)

    <0.0001

    Ratio

    1.03 (0.22)

    1.02 (0.21)

    0.6480

    Nadelstich-Stimulation, Median VAS (IQR)

    Unterarm

    1.0 (2.0)

    1.0 (3.0)

    0.0333

    Abdomen

    1.0 (2.0)

    1.0 (2.0)

    0.0063

    P-QST Phänotyp, n (%)

    Normal

    102 (84)

    64 (62)

    <0.0001

    Segmentale Hyperalgesie

    15 (12)

    20 (19)

    Ausgebreitete Hyperalgesie

    5 (4)

    20 (19)

    Abkürzungen: IQR: Interquartilsabstand; kPa: Kilopascal; SD: Standardabweichung; P-QST: pankreasspezifische quantitative sensorische Testung.

    Schlussfolgerung: Erstmalig konnte gezeigt werden, dass eine pathologische Schmerzverarbeitung bei ca. 40% der PDAC-Patienten mit Schmerzen vorliegt. Weitere Studien zum prädiktiven Stellenwert von P-QST hinsichtlich des Ansprechens auf bestimmte analgetische Maßnahmen wären der nächste Schritt hin zu einer individualisierten und gezielten Schmerztherapie.


    Publikationsverlauf

    Artikel online veröffentlicht:
    26. September 2024

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