Zeitschrift für Palliativmedizin 2024; 25(05): e44-e45
DOI: 10.1055/s-0044-1788449
Abstracts │ DGP
Versorgungsqualität, Fehlerkultur und Outcome-Parameter

Abhängigkeitsproblematik bei palliativ betreuten Patienten – eine deutschlandweite Erhebung über Substanzabusus in der Palliativversorgung

J Eersink
1   Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Marburg, Klinik für Anästhesie und Intensivtherapie, Marburg
,
J Maul
1   Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Marburg, Klinik für Anästhesie und Intensivtherapie, Marburg
,
A Makdsi
1   Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Marburg, Klinik für Anästhesie und Intensivtherapie, Marburg
,
M Gschnell
2   Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Marburg, Klinik für Dermatologie und Allergologie, Hauttumorzentrum, Marburg
,
A Morin
1   Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Marburg, Klinik für Anästhesie und Intensivtherapie, Marburg
,
C Volberg
1   Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Marburg, Klinik für Anästhesie und Intensivtherapie, Marburg
3   Philipps-Universität Marburg, Dekanat Humanmedizin, AG Ethik in der Medizin, Marburg
› Author Affiliations
 

Hintergrund In der Palliativmedizin steht die Symptomkontrolle und damit Verbesserung der Lebensqualität der Patienten im Vordergrund. Um dies zu erreichen, werden oftmals Medikamente eingesetzt, die ein Suchtpotential besitzen. Aufgrund diverser Fallberichte über eine durch palliativmedizinische Behandlung hergeführte Abhängigkeit, soll diese Studie darstellen, inwieweit Behandler das Problem der Abhängigkeit bei palliativen Patienten einschätzen.

Methode Es wurde ein 23 Fragen umfassender Fragebogen erstellt und an alle auf der Webseite der deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin aufgelisteten Palliativstationen (n=334) und SAPV-Dienste (n=366) verschickt. Die Antworten wurden deskriptiv ausgewertet.

Ergebnisse Insgesamt sind 116 Antworten von Palliativstationen (34,7%) und 129 Antworten von SAPV-Diensten (35,2%) in die Auswertung eingegangen. Die Hälfte der Teilnehmer von Palliativstationen und SAPV-Diensten gibt an, dass schätzungsweise 1-5% ihrer Patienten an einer Medikamentenabhängigkeit leiden. Der Großteil der Befragten (Palliativstationen 72,4%, SAPV 65,9%) schätzt, dass 1-5% ihrer Patienten Drogen konsumieren. 62,9% der Palliativstationen und 69,8% der SAPV-Dienste screenen ihre Patienten nicht regelhaft auf das Vorliegen einer Suchterkrankung. Demgegenüber untersuchen nur 0,9% der Palliativstationen und 3,1% der SAPV-Dienste regelmäßig auf eine Suchterkrankung. Bei Vorliegen einer Suchtproblematik führen 55,2% der Palliativstationen und 65,9% der SAPV-Dienste keine Maßnahmen durch. Der Großteil der Befragten bezeichnet die eigene Einstellung zur Verordnung von Medikamenten mit einem Abhängigkeitspotential als liberal (Palliativstationen 71,6%, SAPV-Dienste 70,5%) bis sehr liberal (Palliativstation 12,9%, SAPV-Dienste 13,2%). 78,4% der Befragten von Palliativstationen und 85% aus der SAPV geben an, dass sie das Suchtpotential eines Medikaments wenig bis sehr wenig bei der Verschreibung beeinflusst. Mehr Fortbildungsangebote zum Thema Sucht in der Palliativmedizin wünschen sich 67,2% Teilnehmende der Palliativstationen und 62,0% aus der SAPV.

Schlussfolgerung Laut den vorliegenden Daten wird die Abhängigkeit von Substanzen oder Medikamenten nicht als Problem in der Palliativmedizin gesehen. Hier ist jedoch einzuschränken, dass fast keine Palliativstation oder SAPV Patienten auf das Vorliegen einer Abhängigkeit screent. Hier sollte in der Zukunft weitere Forschung betrieben werden um verlässliche Zahlen zum Vorliegen von Suchterkrankungen in der Palliativversorgung zu generieren. Durch neue Therapien können Patienten deutlich länger leben und werden eher "chronisch palliativ". Deshalb gilt es Patienten mit einem Risiko für Suchterkrankungen vor iatrogen induziertem Substanzmissbrauch zu schützen.



Publication History

Article published online:
26 August 2024

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