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DOI: 10.1055/s-0044-1781944
Die COVID-19-Patient*innen der Münchner Krankenhäuser
Hintergrund und Zielsetzung: Die SARS-CoV-2-Pandemie hat die Gesundheitssysteme, insbesondere Krankenhäuser und Intensivstationen (ICU), mit einer noch nie dagewesenen Belastung konfrontiert. In der Landeshauptstadt München wurde ein digitaler Runder Tisch mit allen Münchner Kliniken eingerichtet, um das Zusammenspiel und den Informationsfluss untereinander zu verbessern. Um die Situation zum Infektionsgeschehen und Patient*innenaufkommen in den Krankenhäusern besser verstehen zu können, wurden monatlich kumulierte Krankenhausdaten von COVID-19 positiven Patient*innen in München erhoben und analysiert. Der mit den Daten mögliche Blick zurück auf die Jahre 2020-22 erlaubt, die Herausforderung in den Krankenhäusern in der Hochzeit der Pandemie für die Zukunft zu dokumentieren.
Methoden: Mit den Münchner Kliniken wurde eine Auswertung von Krankenhausdaten vereinbart. Grundlage stellten die gemäß § 21 Krankenhausentgeltgesetz routinemäßig erfassten Daten dar. Diese unter Berücksichtigung des Bayerischen Datenschutzgesetzes erhobenen Informationen wurden von den Krankenhäusern in Form von anonymisierten Sekundärdaten zusammengeführt und weitergeleitet.
Der Datenbestand umfasst alle Patient*innen mit einer bestätigten COVID-19-Infektion, die zwischen dem 01.02.2020 und 31.12.2022 (letzte Datenübermittelung) in einem Münchner Krankenhaus behandelt wurden. Es werden somit fast vollständig die ersten drei Jahre der SARS-CoV-2-Pandemie in München abdeckt. Die Auswertung der Daten erlaubt einen Blick auf die Patient*innenstruktur, den Behandlungsort (Normalstation/Intensivstation), die Behandlungsdauer und die Mortalität im Verlauf der Pandemie. Das Mortalitätsrisiko wird unter Berücksichtigung der Phasen der Pandemie und von Patient*innenmerkmalen geschätzt. Angegeben werden die Odds Ratios (OR) und die zugehörigen 95-%-Konfidenzintervalle (95-%-KI).
Ergebnis und Schlussfolgerung: Bis Ende 2022 wurde bei 28.418 Patient*innen mit COVID-19 Diagnose in den Münchner Kliniken die Behandlung beendet. Von diesen benötigten 5.461 (19.2%) eine Behandlung auf der Intensivstation und 2.881 (10,1%) Patient*innen verstarben im Verlauf der Behandlung im Krankenhaus. Die höchste Belegung war in der 5. (KW 52/21 – 21/22) und 6. Welle (ab KW 22/22) der SARS-CoV-2-Pandemie. Ein ausgeprägtes Sommerplateau mit niedrigen Belegungszahlen gab es nur im Sommer 2020, im Sommer 2021 gab es nur eine kurze Phase mit niedriger Belegung, im Sommer 2022 gab es keine Kalenderwoche mit weniger als 100 Neuaufnahmen.
Ein großer Teil der Patient*innen war alter als 60 (17.340, 61,0%), ein relevanter Teil alter als 80 (7.488, 26,4%). Das mittlere Alter der Patient*innen variierte im Verlauf der Pandemie, das höchste mittlere Alter konnte in München in der 2. Welle beobachtet werden, dass niedrigste in der 3. und 4. Welle. Der Anteil der Patientinnen betrug dabei 47,2%. Bei gemeinsamer Betrachtung von Alter und Geschlecht zeigt sich bei Patientinnen in den mittleren Alterskategorien eine erhöhte Hospitalisierung. Das Vorliegen einer Schwangerschaft scheint dabei von Bedeutung gewesen zu sein.
Die Liegedauer im Krankenhaus hing vom Behandlungsort ab. Patient*innen, bei denen eine Behandlung auf der Intensivstation notwendig war, lagen im Mittel deutlich länger im Krankenhaus als Patient*innen, die nur auf der Normalstation behandelt wurden. Bei der mittleren Liegedauer gab es im Verlauf der Pandemie nur vergleichsweise geringe Änderungen, ab der 5. Welle kam es jedoch zu einer leichten Reduktion. Der Anteil der Patient*innen, bei denen eine Behandlung auf der Intensivstation notwendig war, sank im Verlauf der Pandemie. Verstorbene Patient*innen wurden im Mittel länger als 10 Tage im Krankenhaus versorgt.
Das Mortalitätsrisiko wurde maßgeblich vom Alter bestimmt. Höheres Alter bedeutete ein deutlich erhöhtes Risiko zu versterben (z.B. OR von 23,5 bei der Altersgruppe 81 – 90 im Vergleich zur Referenzkategorie 0 – 40). Ein weiterer bedeutender Faktor war die Behandlung auf der Intensivstation und eine durchgeführte Beatmung während der Behandlung (OR 12,95). Das Vorliegen einer onkologischen Erkrankung ging ebenfalls mit einen erhöhten Mortalitätsrisiko (OR 2,97) einher. Bei den Wellen zeigt sich, dass in der 2. (OR 1,69), 3. (OR 1,20) und 4. Welle (OR 1,34) ein höheres Mortalitätsrisiko im Vergleich zur ersten Welle bestand. In der 5. (OR 0.57) und 6. Welle (OR 0,52) gab es eine relativ deutliche Verringerung des Risikos.
Eine Schätzung des Mortalitätsrisikos ohne Berücksichtigung weiterer Patient*innenmerkmale führt zu scheinbar inhaltlich anderen Ergebnissen. Das Mortalitätsrisiko war danach nur in der 2. Welle (OR 1,57) erhöht, in allen anderen Wellen bestand ein vergleichbares oder niedrigeres Risiko als in der ersten Welle. Die sich ändernde Patient*innenstruktur im Verlauf der Wellen ist maßgeblich dafür verantwortlich. In der dritten Welle waren die Patient*innen im Mittel jünger. Eine detaillierte Betrachtung zeigt auch, dass in München für jüngere Patient*innen die 3. Welle mit einem erhöhten Risiko zu versterben einherging.
Die Auswertung der COVID-19 Fälle der Münchner Kliniken dokumentiert die enorme Belastung des Gesundheitssystem in den Hochphasen der Pandemie. Obwohl es in der 5. und 6. Welle eine Reduktion des Risikos bei den Patient*innen gab, war aufgrund des insgesamt höheren Fallgeschehens die Belastung des Gesundheitssystems weiterhin sehr hoch. Während gewisse Größen relativ konstant im Laufe der Wellen geblieben sind, zeigen sich z.B. beim Patient*innenalter durchaus Veränderungen, die nicht direkt in dieser Art hätten antizipiert werden können.
Publication History
Article published online:
10 April 2024
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Georg Thieme Verlag
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