Hintergrund: Aufgrund seiner strukturellen Merkmale ist der maritime Sektor dezidierten Risiken
im Bereich der übertragbaren Krankheiten ausgesetzt. In Deutschland sind fünf Häfen
(Bremen/Bremerhaven, Hamburg, Kiel, Rostock, Wilhelmshaven) zur Durchsetzung der Internationalen
Gesundheitsvorschriften (IGV) benannt und müssen über bestimmte Kernkapazitäten verfügen,
um auf grenzüberschreitende Gesundheitsgefahren sofort reagieren zu können. Im Zuge
einer gemeinsamen externen Evaluierung unter Leitung der Weltgesundheitsorganisation
(WHO) wurde hierbei die Notwendigkeit einer Stärkung zentraler Strukturen in Deutschland
festgestellt. Übergeordnetes Ziel der Studie "Gesunde Häfen – gemeinsam stark (GESA)"
ist es daher, erforderliche Kapazitäten für die maritime Gesundheitssicherheit zu
harmonisieren, stärken und zu verstetigen.
Methoden: Im Rahmen der Erhebung des Ist-Zustands von Strukturen und Prozessen (Arbeitspaket
1) wurden qualitative Interviews mit den Hafenärztlichen Diensten sowie mit relevanten
Akteursgruppen, darunter Hafenbehörden, Terminalbetreiber, Lotsen, Agenten, Seemannsmissionen,
die Bundes- und Wasserschutzpolizei, das Havariekommando und Feuerwehren, durchgeführt.
Die zu untersuchenden Parameter beinhalten unter anderem die Zusammenarbeit zwischen
den beteiligten Akteursgruppen, spezifische Tätigkeiten und Einsatzabläufe, Erfahrungen
mit vergangenen Infektionsgeschehen, Übungspraxis sowie Handlungsbedarfe. Zudem erfolgte
eine Dokumentenanalyse mit Sichtung vorhandener Notfallpläne und Standardarbeitsanweisungen.
Ergebnisse: Im Wesentlichen hat die COVID-19-Pandemie nach anfänglichen Herausforderungen zu
eingespielten Arbeitsabläufen und Schnittstellen zwischen den beteiligten Akteursgruppen
und den Hafenärztlichen Diensten geführt. Es besteht der Bedarf an einem gesteigerten
persönlichen Austausch der beteiligten Akteursgruppen, nachhaltiger Übungspraxis,
sowie einer größeren Sensibilisierung für relevante Infektionserkrankungen und ihren
Spezifika. Zudem werden mehr Transparenz und die Vereinheitlichung von Regularien
bei gesundheitlichen Notlagen internationaler Tragweite gewünscht.
Diskussion: Aufgrund des verhältnismäßig seltenen Auftretens von grenzüberschreitenden Infektionsereignissen
an Bord von Schiffen, hat die gezielte Vorbereitung innerhalb der Akteursgruppen in
der Regel eine geringe Priorität gegenüber anderen Arbeitsschwerpunkten. Hierdurch
sind zeitliche und finanzielle Kapazitäten oft begrenzt. Hinzu kommen unterschiedliche
Gegebenheiten an den Häfen, die zu weiteren Abweichungen bei der Umsetzung der Kernkapazitäten
führen. Das partizipative Studiendesign zielt hier auf eine praxisorientierte und
realitätsnahe Erarbeitung von Best Practices ab, um auf Grundlage des Ist-Zustands
im späteren Studienverlauf gemeinsam mit den IGV-Häfen übergreifende Konzepte zu entwickeln
und diese in Plangesprächen zu erproben. Durch die Etablierung von Schulungsformaten
soll die Weiterführung der entwickelten Konzepte sichergestellt werden.