Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-0044-1781831
HIV-PrEP für Sexarbeitende in Gesundheitsämtern – Bedarfe und Umsetzbarkeit im Rahmen des IfSG
Authors
Hintergrund: Die HIV-Präexpositionsprophylaxe (PrEP) ist eine hocheffektive Präventionsmethode, bei der HIV-negative Menschen vorbeugend HIV-Medikamente einnehmen, um sich vor einer HIV-Infektion zu schützen. In Deutschland wird die PrEP bisher fast ausschließlich von MSM genutzt [1]. Bei Sexarbeitenden (SW) ist kein allgemein erhöhtes HIV-Risiko nachgewiesen, jedoch kann das individuelle Risiko durch andere Merkmale wie prekäre Lebenslagen, intravenösen Drogenkonsum oder männliche bzw. transweibliche geschlechtliche Identität deutlich abweichen. Hier wird dargestellt, warum es in Gesundheitsämtern für SW Angebote zur Beratung und ggf. Verschreibung von PrEP geben sollte und wie der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) diese wichtige Funktion erfüllen kann.
Methoden: Erkenntnisse zu den Bedarfen von SW bezüglich PrEP und bezüglich ÖGD liefert die jüngste qualitative Studie der Deutschen Aidshilfe. Von 10/2022 bis 04/2023 haben Peer-Forschende 80 Sexarbeitende mit unterschiedlichen Lebens- und Arbeitshintergründen im Rahmen von 11 Fokusgruppen (FG) in 5 unterschiedlichen Sprachen befragt. Zudem wird das Infektionsschutzgesetz (IfSG) mit Blick auf die PrEP betrachtet und die Umsetzbarkeit beleuchtet.
Ergebnisse: Die Analyse von Bedarfen der SW ergab, dass den meisten an der Studie teilnehmenden SW die PrEP bisher unbekannt war, das Interesse hierzu jedoch hoch. Gesundheitsämter sind für SW eine sehr wichtige Informationsquelle zu gesundheitlichen Themen. Für einige SW ist das Gesundheitsamt der einzige Ort, an dem sie Gesundheitsleistungen erhalten, vor allem SW ohne Zugang in eine deutsche Krankenversicherung. In 5 FG (cis- und transweibliche SW aus Bulgarien, Thailand und Lateinamerika sowie mit illegalisiertem Substanzkonsum und schwarze SW) erklärten SW es für selbstverständlich bzw. wünschenswert, dass Information und Beratung zur PrEP sowie PrEP-Vergabe in Gesundheitsämtern stattfindet. Dies sollte im Kontext der Untersuchungen auf HIV und sexuell übertragbaren Infektionen (STI) sowie bei der gesundheitlichen Beratung nach §10 ProstSchG erfolgen. Ein Teil der SW gab an, nicht in der Lage zu sein, die Kosten für die PrEP bei einer Verordnung auf Privatrezept selbst zu tragen.
Ein Ziel des IfSG ist es, übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorzubeugen. Laut IfSG haben die nach Landesrecht zuständigen Stellen über Möglichkeiten des allgemeinen und individuellen Infektionsschutzes zu informieren. Bezüglich HIV und STI sind in der Regel die Gesundheitsämter zuständig. Auch dem Ziel des §10 ProstSchG entspricht diese Informationsnotwendigkeit (Bringschuld) durch den ÖGD. In vielen großen Gesundheitsämtern sind Rahmenbedingungen vorhanden, die als wichtige Erfolgsfaktoren für die PrEP-Vergabe identifiziert werden: die niedrigschwellige Verfügbarkeit des Angebots, die Thematisierung von Sexarbeit, die Anwesenheit von Sprachmittlung sowie die Unabhängigkeit des Angebots von einer Krankenversicherung. Die Erfahrungen aus den Gesundheitsämtern, in denen die PrEP bereits explizit SW über den ÖGD zugänglich gemacht wird (z.B. Berlin und Hamburg), zeigen: Die PrEP-Beratung, die ärztliche Beratung sowie Verordnung können erlernt werden. Zusätzlich zu den HIV/STI Tests, die in vielen Gesundheitsämtern kostenlos angeboten werden können, muss entsprechend den deutschen Leitlinien zum PrEP-Einsatz eine Serum-Kreatinin Bestimmung erfolgen sowie regelmäßige Untersuchungen und Folgeberatungen durchgeführt werden. Die Kosten für die Medikamente werden in der Regel von den Nutzer:innen selbst getragen (ca. 50€ im Monat).
Schlussfolgerungen: Information über die PrEP als Möglichkeit zur Vermeidung einer HIV-Infektion sollte SW systematisch in Gesundheitsämtern (in den Beratungen nach §19 IfSG und nach §10 ProstSchG) angeboten werden. Die PrEP sollte für SW mit erhöhten Risiken über den ÖGD erhältlich sein, dies scheint vor allem sinnvoll für Menschen mit erschwertem Zugang in eine Krankenversicherung. Weiterer Handlungsbedarf besteht bei der Kostenübernahme der Medikamente für Menschen in prekären Lebenslagen.
-
References
- 1 Schmidt D., Kollan C., Schewe K.. et al. Evaluation der Einführung der HIV-Präexpositionsprophylaxe als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (EvE-PrEP). Bundesgesundheitsbl 2023; 66: 1008-1018
Publication History
Article published online:
10 April 2024
© 2024. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
-
References
- 1 Schmidt D., Kollan C., Schewe K.. et al. Evaluation der Einführung der HIV-Präexpositionsprophylaxe als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (EvE-PrEP). Bundesgesundheitsbl 2023; 66: 1008-1018
