Gesundheitswesen 2024; 86(S 02): S62-S63
DOI: 10.1055/s-0044-1781765
Abstracts | BVÖGD, BZÖG, DGÖG
25.04.2024
Infektionsschutz – Block 1 08:30 – 10:10 | Saal X.3

Anstieg der Hepatitis B- und C-Meldungen in Mannheim: Potentiale und Pitfalls bei der Ursachenanalyse und Präventionsarbeit

K. Schwöbel
1   Stadt Mannheim, Jugendamt und Gesundheitsamt, R1,12, Mannheim
,
M. Weiler
1   Stadt Mannheim, Jugendamt und Gesundheitsamt, R1,12, Mannheim
,
E. Fernandez
1   Stadt Mannheim, Jugendamt und Gesundheitsamt, R1,12, Mannheim
,
S. Aysel-Bakirci
1   Stadt Mannheim, Jugendamt und Gesundheitsamt, R1,12, Mannheim
,
I. Ehrhard
1   Stadt Mannheim, Jugendamt und Gesundheitsamt, R1,12, Mannheim
,
P. Schäfer
1   Stadt Mannheim, Jugendamt und Gesundheitsamt, R1,12, Mannheim
,
N. Oster
1   Stadt Mannheim, Jugendamt und Gesundheitsamt, R1,12, Mannheim
› Author Affiliations
 
 

    Hintergrund: Im Jahr 2016 formulierte die WHO eine globale Strategie zur Eliminierung von Virushepatitis B und C. In den vergangenen Jahren wird bundesweit ein Anstieg von Hepatitis B- und C-Fällen beobachtet. Diskutiert werden als Gründe hierfür die Änderungen der Meldepflicht 2017 und der RKI-Referenzdefinition 2019, die Einführung des kostenlosen HBV- und HCV-Screenings 2021 für alle gesetzlich Krankenversicherten ab 35 Jahren sowie die Migrationsbewegung aus der Ukraine. Eine Ursachenanalyse des RKI ergab keine umfassende Erklärung für diesen Anstieg. In Mannheim sind zwischen 2019 und 2022 die bevölkerungsbezogenen Meldezahlen für Hepatitis B um das 2,4-fache und für Hepatitis C um das 1,2-Fache gestiegen. Aufgabe der Gesundheitsämter ist die Prävention und Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten. Das IfSG formuliert in §19 besondere Maßnahmen für von sexuell übertragbaren Krankheiten (STI) bedrohte Menschen. Dieses Projekt soll am Beispiel Mannheims die Ursachen für die zunehmende Häufung von HBV- und HCV-Meldungen auf kommunaler Ebene analysieren sowie die Chancen und Hindernisse der fallbezogenen Präventions- und Bekämpfungsarbeit zu Hepatitis B und C aufzeigen.

    Methoden: Anlässe für eine Hepatitis B- bzw. und C-Diagnostik werden ab 2022 retro- und prospektiv ermittelt und der Anteil der Meldungen, die sich auf das kostenlose Screeningangebot der GKV zurückführen lassen, bestimmt. Meldungen werden hinsichtlich ihrer Aussage, ob Infektiosität und Therapieindikation bestehen, bewertet und der Anteil an aktiven HBV- /HCV-Meldungen, die aus dem kostenlosen Screeningangebot resultieren, ermittelt. Für verschiedene Befundkonstellationen werden Maßnahmenstrategien zur Primär- und Sekundärprävention festgelegt, die auf die Zuführung der Betroffenen zu einer Therapie sowie auf den Schutz ihrer engen Kontaktpersonen zielen.

    Vorläufige und erwartete Ergebnisse: 2019 bis 2022 stiegen in Mannheim die bevölkerungsbezogenen Inzidenzen für Hepatitis B von 16,2 auf 39,0 und für Hepatitis C von 16,5 auf 20,3 an. Anhand der Meldungen bis KW 41 lässt sich für 2023 eine weitere Zunahme der HBV- und HCV-Meldungen absehen. Dabei erhöhte sich zwischen 2019 und 2022 der Anteil an HBV-Meldungen bei über 35-Jährigen um das 3,1-Fache und damit signifikant stärker als bei jüngeren Menschen (1,2-Fache). Für HCV-Meldungen ist im selben Zeitraum bei über 35-Jährigen ein Anstieg der Meldezahlen auf das 1,3-Fache und für jüngere Personen auf das 1,1-Fache zu beobachten. Es wird erwartet, dass sich durch weitere Ergebnisse die Untersuchungsanlässe und betroffenen Gruppen noch genauer beschreiben lassen.

    Labormeldungen zu HBV und HCV lassen häufig keine eindeutige virologische Bewertung von Infektiosität und Stadium der HBV- bzw. HCV-Infektion zu, wenngleich sie der gesetzlichen Vorgabe, alle Nachweise zu melden, formal entsprechen. Hierdurch wird die Ermittlungs-, Präventions- und Bekämpfungsarbeit oft erschwert.

    Bisheriges Fazit: Die bisherigen Ergebnisse der Untersuchung weisen darauf hin, dass die Einführung des kostenlosen Screenings für gesetzlich Krankenversicherte ab 35 Jahren den Großteil der Zunahme an HBV- Meldungen erklären könnte, nicht jedoch den deutlich geringeren Anstieg der HBV-Meldungen bei Jüngeren. Für HCV-Meldungen ist die Steigerung der Meldungen bei über 35-Jährigen deutlich geringer ausgeprägt und ähnlich wie bei jüngeren.

    Die aktuell in Mannheim beobachtete Meldepraxis der Labore ist häufig formal korrekt, macht aber eine virologisch-infektiologische Bewertung der Meldungen vor allem aufgrund fehlender negativer Teilbefunde schwierig. Hier wäre eine konkretere Formulierung der Meldepflicht in dem Sinn, dass, im Falle eines positiven Testergebnisses der HBV- bzw. HCV-Diagnostik, der gesamte virologische Befund einschließlich virologisch-fachärztlicher Bewertung gemeldet werden muss, hilfreich.


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    Publication History

    Article published online:
    10 April 2024

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