Herr Dr. Hermanns, Ihr Büro Dr. Ulrich Hermanns Ausstellung Medien Transfer GmbH wurde
im Frühjahr 2017 mit der Konzeption, Planung und Umsetzung einer Publikumsausstellung
im Röntgen-Geburtshaus beauftragt. Doch Ihre Beziehung zu diesem Erinnerungsort hat
bereits eine längere Vorgeschichte, oder?
Das stimmt, wir haben bereits 2014 ein erstes Konzept für die Nutzung und Ausstattung
des Hauses erarbeitet, mit dem zugleich Unterstützer, Förderer und Sponsoren angesprochen
werden sollten. Gemeinsam mit der Deutschen Röntgengesellschaft und dem Deutschen
Röntgen-Museum entstanden eine Broschüre und ein Film, mit denen die künftige Nutzung
und die Angebote des Hauses anschaulich wurden.
Seit rund 20 Jahren konzipieren und realisieren Sie Ausstellungen und eröffnen neue
Zugänge insbesondere zu kulturhistorischen Orten. Was macht aus Ihrer Sicht das Geburtshaus
von Wilhelm Conrad Röntgen zu einem besonderen, vielleicht auch einzigartigen Ort?
Es ist das Gefühl eines besonderen Nucleus, wenn man das Haus sieht und betritt. Es
liegt in der Altstadt von Remscheid/Lennep leicht erhöht, es ist ein Eckhaus, man
geht von unten kommend darauf zu, und es zieht einen irgendwie magisch an. Es hat
eine Ausstrahlung. Das setzt sich im Inneren fort. Auch wenn Röntgen hier nur eine
kurze Zeit seines Lebens verbrachte, bleibt der Geburtsort doch für jeden Menschen
immer etwas Einmaliges; und die Möglichkeit der künftigen Besucher, an diesem Ursprung
teilzuhaben, ist ein besonderes Erlebnis.
Das Geburtshaus soll zukünftig ein aktiver Ort für Informationsvermittlung, gedanklichen
Austausch und geistige Arbeit sein. Vor diesem Hintergrund nimmt die von Ihnen verantwortete
Publikumsausstellung zur Person Röntgen im Erdgeschoss des Gebäudes einen besonderen
Stellenwert ein. Welcher Leitgedanke bzw. welcher zentraler Ansatz liegt Ihrem Ausstellungskonzept
zugrunde?
Das Konzept unterstützt diesen auch emotionalen Moment der Begegnung: Der Begegnung
mit einer Biografie und Lebensleistung, die fast jeder Mensch auf der Welt zumindest
durch den Vorgang des Röntgens selber schon erfahren hat. Der Begegnung mit dem Haus,
der Person Wilhelm Conrad Röntgens und seiner Familie – und mit anderen Besuchern,
die dorthin kommen, um sich in dieser speziellen Atmosphäre auszutauschen.
Wie haben Sie die Historie und Beschaffenheit der Ausstellungsräume, insbesondere
aber deren verhältnismäßig geringe Grundfläche, konzeptionell verarbeitet?
Das Konzept konzentriert sich auf wenige Interventionen in den Räumen. Sie widmen
sich ganz der Person Röntgens, seiner Biografie und seinen Netzwerken, lassen aber
den authentischen Räumen noch Luft zum Atmen. Technische Aspekte sind nicht das Thema,
diese werden erlebnisreich im fußläufig entfernten Röntgen-Museum präsentiert. Die
beiden Häuser ergänzen sich also in idealer Weise. Wichtig sind uns Aspekte der Barrierefreiheit,
die in den kleinen Räumen eine Mobilität aber auch differenzierte kognitive Ansprache
ermöglicht.
Welche Themen, Aspekte, Merkmale aus dem Leben und Wirken von Wilhelm Conrad Röntgen
möchten Sie in der Ausstellung besonders hervorheben?
Wer war der Mensch Röntgen, wer waren seine Familie, Freunde, Kollegen und Bewunderer?
Wir erschließen den Besuchern das weltweite Netzwerk, das er zu Lebzeiten pflegte.
Die Besucher treffen hier in Lennep die führenden Denker der damaligen Zeit – in einer
Nussschale sozusagen. Und dies anhand ausgewählter Originale, die das Archiv des Museums
wie einen Schatz hütet, aber für diese Ausstellung dankenswerterweise zur Verfügung
stellt. Dafür müssen spezielle konservatorische und sicherheitsrelevante Vorkehrungen
getroffen werden.
Haben Sie für sich bereits ein besonderes Highlight ausgemacht, etwas, worauf Sie
sich in der Ausstellung besonders freuen?
Ich finde die Briefe sehr spannend, die ihn aus unterschiedlichen Beweggründen und
von verschiedenen Seiten erreichten. Es haben sich nicht sehr viele erhalten, da sein
wissenschaftlicher Nachlass auf seinen testamentarischen Wunsch hin verbrannt wurde.
Mit den Briefen wenden sich hochrangige Kollegen und Würdenträger an ihn, aber auch
Krankenschwestern, die von Ihren Erfahrungen berichten, z. B. während des Ersten Weltkriegs.
Es gibt zudem zauberhafte Tonaufnahmen seiner Haushälterin Käthchen Fuchs, die in
späteren Jahren recht munter von ihrem nicht immer einfachen Leben im Hause von Herrn
und Frau Röntgen berichtet.
Wollen Sie auch digitale, interaktive Formate in die Ausstellung einbinden?
Wir bereiten verschiedene digitale Angebote vor, damit die Besucher das Haus, die
Personennetzwerke und die originalen Dokumente kennenlernen können. Mittels Virtual-Reality
können sie sich einfach und anschaulich die handgeschriebenen Dokumente erschließen.
Die Medien treten aber hinter der Aura der originalen Exponate zurück, sie haben dienende
Funktion.
Stichwort Umsetzung – das Geburtshaus soll ja spätestens im ersten Quartal 2019 fertiggestellt
sein. Wie sieht der Zeitplan für den Ausstellungsbereich aus?
Er wurden in Abstimmung mit der Deutschen Röntgengesellschaft, dem Deutschen Röntgen-Museum,
der Architektin Sophie Welke, die die Sanierung betreut, und der Denkmalpflege wichtige
Entscheidungen für die Ausstattung der Räume getroffen, sodass wir jetzt in die finale
Ausarbeitung gehen. Auf sie folgen im Frühjahr und Sommer 2018 die technische Produktion
und Realisierung. Wir streben eine Eröffnung im Spätherbst 2018 an, aber Qualität
geht uns vor Schnelligkeit, da sind wir uns mit allen Beteiligten einig.
Blick in den Raum „Das Haus und die Familie“, © Dr. Ulrich Hermanns GmbH, Münster
Blick in den Raum „Die Schatzkammer“, © Dr. Ulrich Hermanns GmbH, Münster