Fortschr Neurol Psychiatr 2018; 86(03): 172-177
DOI: 10.1055/s-0044-101607
Diskussion
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

ICD-11: Neurokognitive Störungen

ICD-11: Neurocognitive Disorders
Frank Jessen
1   Universitätsklinikum Köln, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
,
Lutz Frölich
2   CIMH Geriatric Psychiatry
› Author Affiliations
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Publication History

12/31/2017

01/23/2018

Publication Date:
05 April 2018 (online)

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Zusammenfassung

Die Sektion Neurokognitive Störungen im Kapitel 06 (Mental, Behavioural or Neurodevelopmental Disorders) löst in der 11. Revision der ICD (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems), aktuell in der Beta-Version vorliegend, das Kapitel F0 des ICD-10 ab. Es sind hier unter anderem wesentliche Veränderungen in der Konzeptualisierung von neurodegenerativen Erkrankungen gegenüber der vorherigen Version vorgenommen worden. Zusätzlich werden die neurodegenerativen Erkrankungen in dem Kapitel 08, (Diseases of the Nervous System) klassifiziert. Positiv ist, dass im Kapitel 06 das Konzept der „organischen“ Störungen verlassen wurde und stattdessen auf erworbene Erkrankungen mit kognitiven Störungen als Leitsymptom fokussiert.

Neben dem Delir und dem amnestischen Syndrom finden sich hier die Demenzen und die leichte neurokognitive Störung. Die ätiologische Klassifikation der Demenzen richtet sich weiterhin nach syndromalen Kategorien aus. Eine Würdigung der neuen Biomarker-basierten ätiologischen Klassifikation der Alzheimer Krankheit ist bisher nicht integriert. Die leichte neurokognitive Störung konnte zunächst keiner Ätiologie zugeordnet werden. Dies ist nun ergänzt worden und es besteht die Möglichkeit, die leichte neurokognitive Störung z. B. mit der Alzheimer Krankheit zu assoziieren. Im Kapitel 08 des ICD-11 ist die Alzheimer Krankheit direkt kodierbar, ohne dass diese mit einem spezifischen klinischen Syndrom verknüpft wird. Allerdings fehlt auch in diesem Kapitel der Bezug zu Biomarkern, so dass unklar ist, wie die Alzheimer Krankheit diagnostiziert werden soll. Gleiches gilt für andere neurodegenerative Erkrankungen. Die alte syndromale Herangehensweise im Kapitel 06 ist aus Sicht der Versorgung und der weltweiten Gültigkeit der ICD nachvollziehbar, da in vielen Regionen der Welt keine Biomarker für neurodegenerative Erkrankungen zur Verfügung stehen und weil es bis heute nur syndromale Therapien gibt, welche auch nur im Demenzstadium der Erkrankung wirksam ist. Gleichzeitig ist diese Klassifikation aber auch limitiert, da sie keinen molekular-diagnostischen Zugang bietet, was mit der Einführung Pathologie-spezifischer Therapien in der Zukunft nicht vereinbar ist.

Abstract

The section 06 (Mental, Behavioural or Neurodevelopmental Disorders) of the current version Beta Draft (Mortality and Morbidity Statistics, 16.12.2017) of the ICD 11 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) replaces the F0-section of the ICD-10. Several changes, particularly with regard to the classification of neurodegenerative disorders have been introduced. It can be considered a progress that the concept of „organic“ syndromes has been dropped and that the section focusses on acquired conditions with cognition as the main area of symptoms. Regarding dementia, the 06 section still uses a syndromal approach of for example dementia due to Alzheimer disease (AD). The development of biomarkers and the molecular concept of AD is not incorporated, yet. In section 08 (Diseases of the Nervous System) Alzheimer disease without reference to symptoms can be classified, however, this section also misses reference to biomarkers, which leaves uncertainty of how the diagnosis should be made.

In section 06 the condition of minor neurocognitive disorder was originally only defined as a syndrome without reference to a disease. This has been modified and it is now possible to classify the condition in association with a disease (e. g. AD), however, also without reference to biomarkers.

The syndromal approach of section 06 is of value, since in many parts of the world, there is no access to AD biomarkers and all current therapies are tested and in some cases approved for Alzheimer dementia rather than AD as a molecular condition. The lack of any reference to AD biomarkers within ICD-11 so far, however, is a highly relevant limitation with the development of treatments, which target specific components of pathology (e. g. anti-amyloid treatment).