Pneumologie 2018; 72(03): 185
DOI: 10.1055/s-0044-101559
Pneumo-Fokus
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Recruitmentmanöver mit Titration des PEEP erhöht die Mortalität bei ARDS

Writing Group for the Alveolar Recruitment for Acute Respiratory Distress Syndrome Trial (ART) Investigators, Cavalcanti AB et al.
Effect of Lung Recruitment and Titrated Positive End-Expiratory Pressure (PEEP) vs. Low PEEP on Mortality in Patients With Acute Respiratory Distress Syndrome: A Randomized Clinical Trial.

JAMA 2017;
318: 1335-1345 doi:10.1001/jama.2017.14171
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Publication History

Publication Date:
07 March 2018 (online)

 

Das akute Lungenversagen (ARDS) ist ein akut lebensbedrohliches Krankheitsbild mit hoher Letalität. Durch Beatmung versucht man den Patienten zu stabilisieren, aber: Wie hoch soll der positiv endexspiratorische Druck (PEEP) sein? Diese Studie zeigt: Recruitmentmanöver (RM) in Kombination mit Titration des PEEP erhöhen die 28-Tages-Mortalität bei moderatem bis schwerem ARDS im Vergleich zur konventionellen Niedrig-PEEP-Strategie.


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Methode

Die multizentrische, randomisierte, klinische Studie wurde zwischen 2011 und 2017 an 120 intensivmedizinischen Einrichtungen in neun Ländern durchgeführt und umfasste insgesamt 1010 Patienten mit moderater bis schwerer ARDS von weniger als 72 Stunden Dauer. Die Teilnehmer wurden auf zwei Gruppen randomisiert: Einen experimentellen Ast mit RM und Titration des PEEP gemäß der optimalen Atemwegscompliance (n = 501; Versuchsgruppe) und einen Ast mit konventioneller Niedrig-PEEP-Strategie nach ARDSNet (n = 509; Kontrollgruppe). Alle Teilnehmer erhielten volumenkontrollierte Beatmung, bis sie entwöhnt waren. Abgesehen von den untersuchten Interventionen (RM und titrierter PEEP), war das Beatmungsprotokoll in beiden Gruppen identisch. Die Versuchsgruppe war einem maximalen PEEP von 45 cm H2O und Atemwegsdrücken von 60 cm H2O während der RM ausgesetzt.

Der primäre Endpunkt war die allgemeine 28-Tage-Mortalität. Die sekundären Endpunkte umfassten: die Länge des Aufenthalts in der Intensivmedizin und im Hospital, die Zahl beatmungsfreier Tage von Tag 1 bis 28, Pneumothorax mit Drainagebedarf innerhalb sieben Tagen, Barotrauma innerhalb sieben Tagen und Mortalität in Intensivstation bzw. Hospital und 6-Monats-Mortalität.


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Ergebnisse

Von den insgesamt 1010 Patienten, die an der Studie teilnahmen, waren 37,5 % Frauen; das mittlere Alter aller Teilnehmer betrug 50,9 (SD 17,4) Jahre. Nach 28 Tagen waren 55,3 % (277 von 501) der Patienten in der Versuchsgruppe und 49,3 % (251 von 509) der Patienten in der Kontrollgruppe verstorben (Hazard Ratio [HR]: 1,20; 95 % CI; 1,01–1,42; P = ,041). Die allgemeine Mortalität innerhalb von sechs Monaten war in der experimentellen Gruppe auch signifikant höher als in der Kontrollgruppe (65,3 vs. 59,9 %) (HR: 1,18; 95 % CI; 1,01–1,38; P = ,04).

Signifikante Unterschiede zwischen der experimentellen und der Kontrollgruppe wurden auch in folgenden Parametern gefunden: durchschnittliche Anzahl beatmungsfreier Tage bis Tag 28 (5,3 Tage Versuchs- vs. 6,4 Tage Kontrollgruppe; 95 % CI; –2,1 bis –0,1; P = ,03), Pneumothorax mit Drainagebedarf innerhalb von sieben Tagen (3,2 vs. 1,2 %; 95 % CI; 0,2–3,8; P = ,03) und Barotrauma innerhalb von sieben Tagen (5,6 vs. 1,6 %; 95 % CI; 1,5 – 6,5; P = ,001).

Keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen wurden bei den folgenden Parametern festgestellt: Verweildauer in der Intensivmedizin, Dauer der Hospitalisierung, Mortalität auf der Intensivstation oder im Krankenhaus.

Fazit

Die Studie versuchte, die Frage zu klären, wie man ARDS-Patienten am besten beatmet, ohne unerwünschte Nebenwirkungen hervorzurufen. Die überraschenden Ergebnisse können so interpretiert werden, dass hohe Beatmungsdrücke während der Recruitmentmanöver nicht nur keinen Nutzen bringen, sondern vielmehr die bereits geschädigte Lunge zusätzlich belasten – was vermutlich der Grund für die beobachteten Effekte ist.

Dr. Markus Numberger, Kandel


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