JuKiP - Ihr Fachmagazin für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 2018; 07(02): 85
DOI: 10.1055/s-0044-101134
BHK
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Mitteilungen für die Mitglieder des Bundesverband Häusliche Kinderkrankenpflege e.V.

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Publication Date:
06 April 2018 (online)

Delegation von Pflegemaßnahmen an die Eltern – was geht?

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Im ambulanten Alltag und Klinikalltag stellt sich immer deutlicher die Frage, ob pflegerische (oder auch sonstige medizinische) Maßnahmen auf die Eltern übertragen werden dürfen bzw. sollen. Die Erfahrungen zeigen, dass pflegende Eltern ihre Kinder in häuslicher Umgebung mit Kompetenz und Professionalität versorgen. Hieran anknüpfend wird regelmäßig auch die Mitaufnahme der Eltern bei stationärer Betreuung der Kinder als notwendige Voraussetzung für deren Behandlung und Klinikbetreuung angesehen.

Derzeit existieren (noch) keine Urteile, in denen Pflegepersonal wegen der Übertragung von Pflegeleistungen auf Eltern verurteilt wurde.

Im Sinne einer familienzentrierten und patientenorientierten Pflege ist es notwendig, dass Eltern Informationsangebote erhalten, darüber hinaus die individuelle Versorgung des Kindes erlernen und in der emotionalen Bewältigung von Krisensituationen Unterstützung bekommen.

Die Unterstützungsbedürfnisse werden formuliert und eingefordert: Während die Mütter ihre Kompetenzen in der eigenständigen Versorgung des Kindes ausbauen, versuchen beide Eltern Fertigkeiten im Umgang mit ihrem Kind zu erlernen, möchten in wichtige Entscheidungsprozesse einbezogen werden und Vertrauen in die Pflegekräfte gewinnen können.

Aus medizinethischer Sicht kann zusammengefasst werden, dass in der Pflegepraxis die Einbindung und Übertragung von Maßnahmen der Eltern unabdingbar ist.

Die rechtlichen Regelungen, die insoweit für die Delegation pflegerischer/ärztlicher Maßnahmen auf die Eltern einschlägig sind, finden sich im Wesentlichen in §§ 1627 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), 1666 BGB sowie 1631 BGB. Gemäß § 1627 BGB haben die Eltern die elterliche Sorge in eigener Verantwortung und im gegenseitigen Einvernehmen zum Wohle des Kindes auszuüben. Gemäß § 1666 BGB sind gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls möglich. Das gilt insbesondere dann, wenn die Eltern sich weigern, medizinisch zwingend indizierte Maßnahmen/Operationen beim Kind durchführen zu lassen.

Expressis verbis regelt § 1631 BGB, dass die Personensorge der Eltern insbesondere die Pflicht und das Recht umfasst, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen.

Grundsätzlich ist zwischen Assistenz, Delegation und Substitution zu unterscheiden.

Assistenz ist die Hilfeleistung in Verantwortung des anordnenden Arztes oder Pflegers. Die Delegation ist dagegen die Übertragung der Durchführungskompetenz zur Ausübung pflegerischer/medizinischer Tätigkeit in eigener Verantwortung. Bei der Delegation wird also das „Wie“ der Maßnahme übertragen.

Bei der Substitution ist weitergehend die Übertragung der Entscheidungskompetenz erfolgt, d. h. die Entscheidung, ob überhaupt eine Maßnahme ergriffen wird, wird übertragen.

Die Delegation an die Eltern ist entsprechend der Delegation an nichtärztliche Gesundheitsberufe abhängig von der Schwierigkeit/Gefährlichkeit/Vorhersehbarkeit der Maßnahme. Daneben ist diese Delegation auch abhängig von der Anleitung, der Überwachung und naturgemäß der Kompetenz der Eltern. Sie ist weiter abhängig von der Erreichbarkeit des Arztes bzw. Pflegepersonals.

Obwohl (wie eingangs erwähnt) noch keine Urteile zur Delegation pflegerischer Maßnahmen auf die Eltern vorliegen, kann im Grundsatz auf eine Entscheidung des OLG Oldenburg vom 28.10.2015 (GesR 6/2016, S. 353) Bezug genommen werden, in der ausgeurteilt wurde: „Hat der Krankenpfleger eines Fünfjährigen, der mit Schüttelfrost und hohem Fieber in ein Krankenhaus eingeliefert wurde, nachts erkannt, dass bei dem Patienten Hautveränderungen aufgetreten sind, und dennoch keinen Arzt hinzugezogen, stellt dies einen groben Behandlungsfehler dar … Hat sich durch Erbrechen eines fünfjährigen Patienten nachts dessen Infusionsnadel gelöst, liegt ein grober Behandlungsfehler des Pflegers vor, wenn dieser die gelöste Infusionsnadel und die damit verbundene Unterbrechung der durchgeführten Infusionstherapie bemerkt und dennoch nicht den diensthabenden Arzt verständigt hat.“

Wenn diese Entscheidungen, die den Sorgfaltsmaßstab für das Pflegepersonal näher definieren, herangezogen werden, so kann und darf die Delegation/Substitution der pflegerischen (oder sonstigen medizinischen) Maßnahmen auf die Eltern nur dann erfolgen, wenn eine patientenorientierte Risikoabschätzung im Sinne einer Kindeswohlgefährdung erfolgt, die Fähigkeiten der Eltern und der Erkenntnisstand der Eltern sichergestellt ist und das Risiko der durchzuführenden Maßnahmen immer beachtet wird.

Zusammengefasst gilt, dass die Übertragung/Delegation von pflegerischen Maßnahmen auf Eltern im Rahmen einer familienzentrierten Pflege unter Berücksichtigung einer patientenorientierten Risikoabschätzung (Kindeswohl!) zulässig und wichtig ist.

Autor: Dr. Roland Uphoff, M.mel., Fachanwalt für Medizinrecht, Kanzlei für Geburtsschadensrecht und Arzthaftung, Bonn