OP-Journal 2018; 34(02): 128-133
DOI: 10.1055/s-0044-100001
Fachwissen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Densfrakturen – ventrale Techniken

Dens Fractures – Ventral Techniques
Ulrich Spiegl
,
Jan-Sven Jarvers
,
Christoph-Eckhard Heyde
,
Christoph Josten
Further Information

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Ulrich Spiegl
Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Plastische Chirurgie, Universitätsklinik Leipzig – AöR
Liebigstraße 20
04103 Leipzig

Publication History

Publication Date:
10 August 2018 (online)

 

Zusammenfassung

Densfrakturen sind nach Unfällen relativ häufig nachweisbar, insbesondere beim alten Menschen. Während Densfrakturen vom Typ Anderson I und III meist stabil sind und gut auf eine konservative Therapie ansprechen, kommt es bei Typ-II-Frakturen nach Anderson nach konservativer Therapie häufig zu Pseudarthrosen. Dementsprechend werden diese Verletzungen mehrheitlich operativ versorgt. Eine gelenkerhaltende Versorgung ohne permanente oder temporäre C I/II-Fixierung ist nur von ventral möglich und bietet sich insbesondere bei Patienten ohne relevante C I/II-Arthrose an. Klassischerweise erfolgt dies über eine ventrale Zugschraubenosteosynthese mittels 1 oder 2 Schrauben. Bei relevanter C I/II-Arthrose ist eine zusätzliche atlantoaxiale Fixation im Sinne einer 3- oder 4-fach-Verschraubung empfehlenswert. Bei instabilen Anderson-III-Frakturen und kleinem Basisfragment kann alternativ eine ventrale Versorgung mittels Plattenosteosynthese unter Einbezug von HWK III durchgeführt werden.


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Abstract

Dens fractures can relatively often be detected after accidents, particularly in old patients. Although Anderson types I and III Dens fractures are mostly stable and respond well to conservative treatment, type II fractures frequently develop pseudoarthroses after conservative treatment. For this reason, these injuries are usually treated surgically. Treatment that retains the joint – with or without permanent or temporary C I/II fixation – is only possible anteriorly and is particularly useful in patients without relevant C I/II osteoarthrits. The classical approach is to achieve this with lag screw osteosynthesis with one or two screws. If there is significant C I/II osteoarthrits, it is recommended to employ additional atlantoaxial fixation (3- or 4-fold screws). For unstable Anderson III fractures and small base fragment, anterior treatment is an alternative with plate osteosynthesis including cervical vertebral body III.


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Einleitung

Frakturen des Dens axis sind relativ häufig anzutreffende Verletzungen, die ca. ein Drittel aller zervikalen Frakturen ausmachen [1]. Während jüngere Patienten sich eine derartige Verletzung zumeist im Rahmen von Hochrasanzunfällen zuziehen, können Densfrakturen beim älteren und alten Patienten auch nach einfachen Stolperstürzen und Bagatellverletzungen auftreten [2]. Unterteilt werden die Densfrakturen nach Anderson und DʼAlonzo [3] in 3 Typen. Typ-I-Frakturen mit Frakturlokalisation auf Atlashöhe sind mehrheitlich als stabil anzusehen, da die verbliebene Densbasis ausreichend mit dem Atlasring interagiert ist und in aller Regel unter konservativer Therapie erfolgreich therapiert werden kann. Typ-III-Frakturen sind an der Densbasis gelegen und beziehen den Korpus mit ein. Somit liegt bei diesen Frakturen eine relativ große und unebene Kontaktfläche vor, sodass ebenfalls eine gute Prognose nach konservativer Frakturbehandlung vorliegt. Dennoch ist bei Typ-III-Frakturen eine Stabilitätsbeurteilung durch gehaltene Aufnahmen in Flexion und Extension zu empfehlen und bei Instabilität eine operative Stabilisierung durchzuführen.


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Indikationsstellung

Demgegenüber weisen Densfrakturen vom Typ II lediglich eine geringe Frakturfläche mit häufig glattem Frakturverlauf auf und sind biomechanisch ungünstig unterhalb des Atlasbogens lokalisiert, sodass einerseits Dislokationen mit neurologischen Komplikationen möglich sind und anderseits die Pseudarthrosengefahr nach konservativer Therapie deutlich erhöht ist [4]. Dementsprechend ist bei Patienten mit Densfraktur Typ Anderson II eine operative Versorgung in Erwägung zu ziehen. Die operative Versorgung ist sowohl von dorsal als auch von ventral möglich. Während die dorsalen Techniken mit einer Fusion oder Fixierung zwischen Axis und Atlas einhergehen [5], [6], [7], kann eine ventrale Schraubenosteosynthese gelenkerhaltend erfolgen und bietet somit erhebliche Vorteile. Wichtig ist dabei die exakte Analyse der Frakturmorphologie, die durch Eysel und Roosen [8] definiert wird. Während sich bei Typ-I-Frakturen mit horizontaler Frakturline und Typ-II-Frakturen mit nach dorsal absteigender Frakturlinie eine ventrale Schraubenosteosynthese anbietet, ist dies bei Typ-III-Frakturen mit nach dorsal absteigender Frakturlinie sowie im Falle von Mehrfragmentfrakturen nicht geeignet. Die Voraussetzungen für eine direkte ventrale Schraubenosteosynthese sind in [Tab. 1] dargestellt. Die operative Technik, die im weiteren Verlauf detailliert beschrieben wird, erfolgt mittels Zugschraubenosteosynthese. Bei biomechanisch ebenbürtiger Stabilität im Falle einer anatomischen Reposition etabliert sich zunehmend die Verwendung von lediglich 1 Schraube, falls intraoperativ eine ausreichend gute Zugfestigkeit der Schraube vorliegt und eine anatomische Reposition erzielt werden kann [9].

Tab. 1 Voraussetzung zur Durchführung einer Zugschraubenosteosynthese vom Dens axis.

Typ Anderson II/(III)

frische Fraktur (< 3 Wochen)

Typ Eysel und Roosen I und II

geschlossene anatomische Reposition durchführbar

kein neurologisches Defizit

keine ausgeprägte Trümmerfraktur

Thoraxform vereinbar mit einer Schraubenplatzierung (u. a. Fassthorax)

sicherer ventraler Zugang möglich (Beachtung von Voroperationen)

Während einerseits beim jüngeren Patienten gute klinische und radiologische Ergebnisse beschrieben wurden [10], fanden Ostli et al. [11] eine signifikante Assoziation zwischen Pseudarthrosenrate und steigendem Patientenalter sowie atlantoodontoidaler Arthrose auf der anderen Seite. Ursächlich scheint dabei die höhere Stressbelastung zu sein, die aufgrund der Arthrose auf die Fraktur im Rahmen von Kopfbewegungen einwirkt. Zur Verminderung der Krafteinwirkung auf die Fraktur kann eine zusätzliche ventrale atlantoaxiale Stabilisierung, eine sog. ventrale 3- bzw. 4-fach-Verschraubung indiziert sein. Dadurch konnte die Pseudarthrosenrate deutlich reduziert werden [12]. Zusätzlich ist diese Technik bei denjenigen Patienten empfehlenswert, die neben der oben beschriebenen Kombination aus Densfraktur und antlantoodontoidalen Arthrose auch eine Fraktur des Atlasringes aufweisen, der sog. „unhappy Triad von C I/II“ [4]. Der Vorteile der 3- der 4-fach-Verschraubung gegenüber den dorsalen Verfahren besteht darin, dass der Eingriff bei diesen oftmals sehr alten und multimorbiden Patienten in Rückenlage durchführbar ist. Zudem ist der Eingriff insbesondere im Vergleich zur Technik nach Goel/Harms [5], [6] weniger traumatisch und mit geringerem Blutverlust sowie kürzerer Operationszeit verbunden [12]. Die Parameter, die nach Ansicht der Autoren eine additive C I/II-Verschraubung beim ventralen Vorgehen indizieren, sind in [Tab. 2] aufgeführt. Im Gegensatz dazu ermöglicht die dorsale Versorgung in der Technik nach Goel/Harms eine offene Repositions- sowie relativ einfache Dekompressionsmöglichkeit und ist biomechanisch das stabilere Konstrukt [12]. Bei schlechter Knochenstruktur kann jedoch zusätzlich der Schraubenhalt der Densschraube(n) durch Zementaugmentation der Basis von C II verbessert werden [16].

Tab. 2 Parameter, die eine additive ventrale C I/II-Verschraubung indizieren (ventrale 3- oder 4-fach-Verschraubung).

Begleitende relevante C I/II-Arthrose

Begleitende C I-Fraktur (Typ Gehweiler I, II oder III a)

Grundvoraussetzung: Ausschluss einer „high-riding“ A. vertebralis


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Präoperative Vorbereitung

Präoperativ sollten konservative Röntgenbilder der HWS in 2 Ebenen sowie eine Denszielaufnahme veranlasst werden. Zusätzlich ist eine Computertomografie der HWS sowie bei geplanter ventraler 3- oder 4-fach-Verschraubung eine Gefäßdarstellung obligat. Im Falle einer Kontrastmittelallergie stellt dabei eine Magnetresonanztomografie mit Gefäßdarstellung die Alternative dar.

Selbstverständlich ist eine Einwilligung zur Operation nach entsprechender Aufklärung Voraussetzung für den Eingriff. Dabei sollten alle Therapiealternativen, insbesondere die konservative Therapie, sowie die Vor- und Nachteile der dorsalen Techniken dargelegt werden. Als relevante Komplikationen für ein ventrales Vorgehen sind auf der einen Seite zugangsassoziierte Komplikationen, insbesondere Schluckstörungen, die meist nur passager sind, zu nennen. Daneben sind eine unzureichende Frakturreposition, Materialversagen, Materiallockerung sowie Pseudarthrosen aufzuführen. Eine eingeschränkte HWS-Beweglichkeit ist nach 3-/4-fach-Verschraubung obligat. Wichtig ist dabei, die Patienten über die Notwendigkeit zu informieren, dass auf eine dorsale Versorgung umgeschwenkt werden muss, falls keine ausreichende geschlossene Reposition möglich ist und falls die Schrauben aufgrund der Thoraxform nicht einzubringen sind [4].


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Intraoperative Vorbereitung

Die Patienten werden in Rückenlage gelagert. Die Anästhesie ist praktischerweise am Fußende positioniert. Der Kopf wird entweder in einer gut gepolsterten und geformten Kopfschale aus Carbon gelagert oder in eine Mayfield-Klemme eingespannt. Durch die Lagerung des Kopfes ist eine anatomische Reposition der Fraktur zu fordern, was etwas Zeit in Anspruch nehmen kann. Dabei ist es von Vorteil, die Bildwandler (BV) bei der präoperativen Kontrolle der Frakturstellung analog der intraoperativen Stellung zu positionieren und die Stellung zu markieren, um während der Operation keine unnötige Zeit zu verlieren. Die Verwendung von 2 Bildwandlern vereinfacht die Operation erheblich. Dabei ist die a.–p. Aufnahme analog einer Denszielaufnahme anzuvisieren. Um dies zu ermöglichen, ist der Mund des Patienten dauerhaft geöffnet zu halten (Kompressen, Binde, etc.). Zudem sollte die Inzisionshöhe sowie die Machbarkeit der Schraubenplatzierung im seitlichen Strahlengang z. B. durch Anlage eines Kirschner-Drahtes kontrolliert werden ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Intraoperatives Setting vor Operationsbeginn mit korrekter Einstellung zweier BV in lateraler und transoraler a.–p. Stellung (a). Es erfolgt die Kontrolle der Frakturstellung nach Lagerung sowie Markierung der voraussichtlichen Densschraubenlage im seitlichen Strahlengang zur Festlegung des Hautschnitts und Überprüfung der Machbarkeit (b).

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Operative Technik

Densverschraubung

Mit der Publikation von Böhler fand die ventrale Schraubenosteosynthese Eingang als operatives Standardverfahren von Densfrakturen [13]. Es ist sowohl ein rechts- als auch linksseitiger Zugang möglich. Die Inzision sollte aus kosmetischen Gründen im Verlauf einer Hautfalte liegen und ist i. d. R. zwischen 4 und 5 cm lang. Nach Inzision der Kutis und Subkutis ist die Durchtrennung des Platysmas erforderlich. Nach Eröffnung der oberflächlichen Halsfaszie orientiert man sich am Vorderrand des M. sternocleidomastoideus. Durch stumpfe Präparation gelangt man auf die A. carotis und gelangt medial davon unter Schonung der neurovaskulären Strukturen auf die prävertebrale Region. Gefäßanomalien der A. thyreoidea superior können in seltenen Fällen den Zugang erschweren, welche dann jedoch ligiert werden können. Während der Präparation ist auf eine gute Darstellung des Operationssitus zu achten. Die anteriore HWS wird nach kranial bis zum Segment C II/C III präpariert. Mit stumpfer Präparation mittels Präparationstupfer und optimaler Zenker-Haken-Einstellung kann dies meist komplett ohne Blutung durchgeführt werden. Nun erfolgt die Identifikation der Bandscheibe C II/III mittels Kirschner-Draht unter Bildwandlerkontrolle. Der korrekte Eintrittspunkt der Schraube befindet sich an der Unterkante der Densbasis. Hierfür kann es manchmal erforderlich werden, die ventrale Nase des 2. Halswirbelkörpers zu entfernen, um einen guten Ansatzpunkt für den Bohrer/Kirschner-Draht zu finden. Die Eröffnung kann mittels kanüliertem Bohrer durchgeführt werden. Im eigenen Vorgehen wird ein langer 2-mm-Kirschner-Draht verwendet, wodurch der flache Eintrittswinkel häufig besser realisiert werden kann. Dieser ist zentral im a.–p. Strahlengang zu platzieren und sollte die Densspitze perforieren. Als idealer Weichteilschutz wirkt ein gekürzter Redon-Schlauch, da er sich der Biegung des Drahtes anpasst. Ein 2. identischer Draht kann nach Einbringung des 1. Drahtes für die Längenbestimmung verwendet werden. Direkt nach Entfernung des 2-mm-Kirschner-Drahtes erfolgt das Besetzen des Bohrkanals durch einen 1,2-mm-Kirschner-Draht, über den die entsprechende 3,5-mm- oder 4-mm-Schraube mit kurzem Gewinde bikortikal eingedreht wird. Durch die Verwendung einer Unterlegscheibe kann die Stabilität erhöht werden und ist somit insbesondere bei schlechter Knochenqualität empfehlenswert und wird von den Autoren standardisiert durchgeführt. Eine zusätzliche Verbesserung der Stabilität kann durch eine Zementaugmentation der Schraube(n) an der Basis vom Dens axis erzielt werden [14]. Falls 2 Schrauben platziert werden, sollten diese etwas dezentral eingebracht werden, ca. 1 cm entfernt, ggf. gering konvergierend ([Abb. 2]). Anschließend erfolgt die ausgiebige Spülung, Einlage einer Redon-Drainage, der Verschluss des Platysmas sowie der Haut inklusive Subkutannaht und Anlage einer zervikalen Orthese nach sterilem Wundverband.

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Abb. 2 Posttraumatische sagittale Rekonstruktion eines 46-jährigen Patienten mit Densfraktur Typ Anderson II und Eysel-Roosen Typ II nach Sturz von der Leiter (a). Es erfolgte die Doppelschraubenosteosynthese des Dens axis. Die postoperative Kontrolle zeigt eine korrekte Materiallage und anatomische Frakturstellung (b, c). Nach 3 Jahren gibt der Patient keine klinischen Beschwerden an bei freier HWS-Funktion und ossärer Konsolidierung der Fraktur (d, e).

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Ventrale C I/C II-Stabilisierung

Nach Densverschraubung wird direkt lateral der Densschraube(n) unter 20 – 25° Abkippung in der Frontalebene und 10 – 20° Abkippung in der seitlichen Ebene ein 2-mm-Kirschner-Draht unter engmaschiger Kontrolle in beiden Bildwandlern vorsichtig eingebracht [12]. Beim Einbringen fühlt man sehr gut, wann der Draht die kortikale Begrenzung der C I/C II-Gelenkregion erreicht hat. Das Gelenk wird unter leichtem Druck perforiert und der Draht in die Massa lateralis von C I vorgebracht. Wieder ist eine exakte präoperative Visualisierung dieser Region unverzichtbar. Analog dem Vorgehen zur Densverschraubung erfolgt die Bestimmung der Länge über einen 2. Kirschner-Draht sowie der Wechsel vom 2-mm-Kirschner-Draht auf einen 1,2-mm-Kirschner-Draht. Auch bei älteren Patienten weist die Massa lateralis des 1. Halswirbelkörpers eine gute knöcherne Qualität auf, sodass hier ein guter Schraubenhalt zu erwarten ist. Die Durchschnittslänge der verwendeten Schrauben variiert je nach Eintrittspunkt, medial des Sulcus an der Basis von C II, was von den Autoren favorisiert wird, oder im Bereich des Sulcus, zwischen 24 und 40 mm und gewährleistet eine gute Stabilität ([Abb. 3]). Es empfiehlt sich, neben der konventionellen fluoroskopischen Kontrolle auch eine intraoperative 3-D-Kontrolle durchzuführen. Insbesondere können somit die Lage der C I/II-Schrauben besser beurteilt werden und z. B. potenzielle Irritationen der C0/C I-Gelenke verhindert werden. Alternativ oder additiv kann der 3-D-Scan schon nach Einbringung der K-Drähte erfolgen, um potenzielle Komplikationsgefahren wie A.-vertebralis-Läsionen zu minimieren und eine Neupositionierung bei Fehllage zu erleichtern [15].

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Abb. 3 78-jährige Patientin mit Densfraktur Typ Anderson II und ausgeprägter atlantoodontoidaler Arthrose (a). Es erfolgte nach entsprechender präoperativer Aufklärung die ventrale 4-fach-Verschraubung (b, c). Im Rahmen eines erneuten Sturzereignisses nach 3 Jahren zeigte die durchgeführte Computertomografie eine Konsolidierung der ehemaligen Fraktur (d, e). Die Patientin kam gut zurecht und klagte lediglich über geringe Schmerzen (VAS: 2).

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Alternative ventrale Techniken

Bei instabilen Densfrakturen Typ Anderson III ist eine ventrale Schraubenosteosynthese nur bei ausreichend großem Basisfragment empfehlenswert, um eine sichere Verankerung des Schraubenkopfes zu gewährleisten. Falls dies nicht der Fall ist, kann alternativ die Osteosynthese mittels ventraler Platte HWK II/III erfolgen ([Abb. 4]). Dabei ist die Schraubenplatzierung in HWK II analog der isolierten Densverschraubung anzustreben, um biomechanisch einen Kompressionseffekt erzielen zu können. Dabei ist die Schraubenpositionierung durch die Platten häufig eingeschränkt, sodass die Densschrauben etwas flacher eingebracht werden müssen. Somit ist es empfehlenswert, dies zuvor auszutesten, um einen Schrauben-Platten-Konflikt zu vermeiden. Generell richtet sich die operative Technik nach der o. g. Densverschraubung. Außerdem ist eine Präparation des Plattenlagers notwendig. Zusätzlich erfolgt die Drahtplatzierung nach Auflage der Platte durch das kraniale Plattenloch. Daneben ist das Besetzen der Plattenlöcher in HWK III notwendig. Je nach Bandscheibenbeschaffenheit HWK II/III kann zusätzlich eine Diskektomie und Spondylodese mittels Cage durchgeführt werden.

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Abb. 4 85-jährige Patientin mit einer instabilen atypischen Anderson-III-Fraktur im Sinne einer „Tear Drop Fracture“ (a, b). Nach entsprechender Aufklärung wurde die operative Stabilisierung mit ventraler Platte HWK II/III und ansteigender Schraubenpositionierung in HWK II analog der Densverschraubung durchgeführt (c, d). Die Bandscheibe wurde dabei belassen. Nach 1 Jahr war die Patientin mit dem Ergebnis zufrieden ohne relevante Schmerzen. Die Fraktur stellte sich konsolidiert dar (e, f).

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Postoperative Versorgung

Postoperativ ist die Anlage einer semirigiden Zervikalorthese indiziert. Diese sollte für 6 – 8 Wochen getragen werden. Zusätzlich sind postoperative konventionelle Röntgenkontrollen der HWS in 2 Ebenen sowie eine Denszielaufnahme indiziert. Falls ein intraoperativer 3-D-Scan erfolgt, was nach Ansicht der Autoren als Standard anzusehen ist, kann auf eine postoperative Computertomografie verzichtet werden. Diese wäre lediglich bei klinischen oder radiologischen Auffälligkeiten indiziert. Mit einer begleitenden Physiotherapie sollte am Tag nach der Operation begonnen werden. Neben der Mobilisation und Aufklärung über wirbelsäulengerechtes Verhalten kann frühzeitig mit einer isometrischen Beübung der HWS begonnen werden. Forcierte Flexion, Extension und Rotationsbewegungen sind innerhalb der ersten 6 Wochen zu vermeiden. Eine Intensivierung der Physiotherapie ist im Anschluss jedoch wünschenswert mit Abtrainieren der Zervikalorthese und Kräftigung der Hals- und Nackenmuskulatur. Klinische und radiologische Kontrollen sind nach 3, 6 und 12 Wochen, nach 1 Jahr sowie bei Beschwerden indiziert.


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Fazit

Die ventrale Versorgung von Densfrakturen ist eine weichteilschonende Versorgungsstrategie, die in Rückenlage durchführbar ist. Während sich bei jüngeren Patienten mit Densfrakturen Typ Anderson II eine direkte Densverschraubung anbietet, ist beim älteren Patienten mit begleitender C I/II-Arthrose und reduzierter Knochenqualität eine zusätzliche atlantoaxiale Fixierung empfehlenswert. Bei instabilen Densfrakturen Typ Anderson III und kleinem Basisfragment kann zur Verbesserung der Versorgungsstabilität eine Plattenosteosynthese mit Einschluss von HWK III durchgeführt werden.


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Autorinnen/Autoren

PD Dr. med. Ulrich Spiegl

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Oberarzt, Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Plastische Chirurgie, Universitätsklinik Leipzig – AöR

Dr. med. Jan-Sven Jarvers

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Oberarzt, Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Plastische Chirurgie, Universitätsklinikum Leipzig – AöR

Prof. Dr. med. Christoph-Eckhard Heyde

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Bereichsleiter Wirbelsäule, Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Plastische Chirurgie, Universitätsklinikum Leipzig – AöR

Prof. Dr. med. Christoph Josten

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Geschäftsführender Direktor, Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Plastische Chirurgie, Universitätsklinikum Leipzig – AöR

Interessenkonflikt

Spiegl: Es besteht kein Interessenkonflikt
Jarvers: Referententätigkeit: Fa. Ziehm
Heyde: Royalties und Advisory Board Fa. Medacta
Josten: Beratertätigkeit: Fa. Zimmer, Fa. Ziehm, Fa.Silony

  • Literatur

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Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Ulrich Spiegl
Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Plastische Chirurgie, Universitätsklinik Leipzig – AöR
Liebigstraße 20
04103 Leipzig

  • Literatur

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Abb. 1 Intraoperatives Setting vor Operationsbeginn mit korrekter Einstellung zweier BV in lateraler und transoraler a.–p. Stellung (a). Es erfolgt die Kontrolle der Frakturstellung nach Lagerung sowie Markierung der voraussichtlichen Densschraubenlage im seitlichen Strahlengang zur Festlegung des Hautschnitts und Überprüfung der Machbarkeit (b).
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Abb. 2 Posttraumatische sagittale Rekonstruktion eines 46-jährigen Patienten mit Densfraktur Typ Anderson II und Eysel-Roosen Typ II nach Sturz von der Leiter (a). Es erfolgte die Doppelschraubenosteosynthese des Dens axis. Die postoperative Kontrolle zeigt eine korrekte Materiallage und anatomische Frakturstellung (b, c). Nach 3 Jahren gibt der Patient keine klinischen Beschwerden an bei freier HWS-Funktion und ossärer Konsolidierung der Fraktur (d, e).
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Abb. 3 78-jährige Patientin mit Densfraktur Typ Anderson II und ausgeprägter atlantoodontoidaler Arthrose (a). Es erfolgte nach entsprechender präoperativer Aufklärung die ventrale 4-fach-Verschraubung (b, c). Im Rahmen eines erneuten Sturzereignisses nach 3 Jahren zeigte die durchgeführte Computertomografie eine Konsolidierung der ehemaligen Fraktur (d, e). Die Patientin kam gut zurecht und klagte lediglich über geringe Schmerzen (VAS: 2).
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Abb. 4 85-jährige Patientin mit einer instabilen atypischen Anderson-III-Fraktur im Sinne einer „Tear Drop Fracture“ (a, b). Nach entsprechender Aufklärung wurde die operative Stabilisierung mit ventraler Platte HWK II/III und ansteigender Schraubenpositionierung in HWK II analog der Densverschraubung durchgeführt (c, d). Die Bandscheibe wurde dabei belassen. Nach 1 Jahr war die Patientin mit dem Ergebnis zufrieden ohne relevante Schmerzen. Die Fraktur stellte sich konsolidiert dar (e, f).