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DOI: 10.1055/s-0043-1776514
Signifikante Reduktion von Mikroblutuntersuchungen nach einem intensivierten CTG-Training – retrospektive Auswertung
Fragestellung Die Mikroblutuntersuchung (MBU) wurde zur besseren Einschätzung des Säure-Basen-Haushaltes des Fetus unter Geburt entwickelt. Heute wird sie bei suspekten oder pathologischen CTG-Befunden eingesetzt. Eine Cochrane-Analyse 2023 zeigt eine heterogene und unzureichende Datenlage zum Nutzen der MBU. Es stellt sich daher die Frage, ob ein besseres Verständnis des CTG unter Geburt zu einer Reduktion der MBU-Rate führen kann, ohne dabei das fetale Outcome zu verschlechtern oder andere Interventionen zu erhöhen. Im November 2019 fand an unserer Klinik für alle Geburtshelfer*innen ein intensives zweitägiges CTG-Training statt. Hierbei wurde ein grundlegendes Verständnis für physiologische Veränderungen des Fetus geschaffen. Die sogenannte physiologische CTG-Interpretation wurde daraufhin etabliert. Die MBU blieb weiterhin Bestandteil der lokalen SOP und wurde im Ermessen des betreuenden Geburtshelfers durchgeführt. In dieser Studie untersuchen wir, ob das bessere Verständnis der fetalen Herztöne zu einer Reduktion der MBU-Rate geführt hat, ohne das neonatale Outcome zu verschlechtern.
Methoden Es wurden alle Einlingsschwangerschaften ab der 37+0 SSW ohne geplante primäre Sectio eingeschlossen. Als Kontrollgruppe wurden alle Geburten 29 Monate vor dem Training am 04.11.2019 und als Studiengruppe alle Geburten 29 Monate nach dem 05.11.2019 ausgewählt. Es wurden die Raten an operativ vaginalen Entbindungen, sekundären Sectiones sowie der Mikroblutuntersuchungen aufgrund eines suspekten/pathologischen CTGs verglichen. Ebenfalls wurden neonatale Outcome-parameter (APGAR, Geburts-pH, Verlegung auf Kinderintensivstation) untersucht. Die deskriptive Statistik wurde mit Häufigkeitstabellen mit absoluten und relativen Häufigkeiten und Mittelwerten, sowie Verwendung des Pearson-Chi-Quadrat-Test durchgeführt.
Ergebnisse Im untersuchten Zeitraum vom 01.06.2017 bis zum 03.11.2019 und vom 06.11.2019 bis zum 31.03.2022 konnten insgesamt 12.954 Geburten in die Analyse eingeschlossen werden. Nach dem CTG-Training kam es zu einer signifikanten Reduktion der MBUs (28,6% auf 16,2%, p<0,001), sowie einer tendenziellen Senkung an Vakuumextraktionen (54,0% auf 51,3%) und einem deutlichen Rückgang an eiligen/Notsectiones (9,0% auf 3,9%) bei nahezu gleichbleibender sekundärer Sectiorate (43,3% auf 46,4%). Gleichzeitig zeigte sich kein schlechteres fetales Outcome (tendenziell häufiger pH≥7,10: 92,1% auf 92,6%, weniger Verlegung auf die Kinderintensivstation: 23,9% auf 21,3%).
Diskussion Ein tiefergehendes Verständnis der fetalen Physiologie während der Geburt kann die CTG-Interpretation zur Einschätzung des fetalen Wohlbefindens unter Geburt verbessern. Hierdurch konnten Mikroblutuntersuchungen reduziert werden, ohne Verschlechterung des fetalen Outcomes oder einer Zunahme sekundärer Sectio-Entbindungen. Es sollte daher diskutiert werden, welchen Stellenwert die MBU im klinischen Alltag der Geburtshilfe hat.
Publication History
Article published online:
15 November 2023
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Georg Thieme Verlag KG
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