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DOI: 10.1055/s-0043-1776437
Geringe α-Thrombin/GPIbα-Interaktion trägt möglicherweise zur Hyperreaktivität der Thrombozyten bei COVID-19-Patienten bei
Mehrere Studien haben gezeigt, dass Thrombozyten mit dem SARSCoV-2 Coronavirus interagieren können. In der Folge kommt es zum programmierten Zelltod, zur Freisetzung extrazellulärer Vesikel und zu einer erhöhten Thrombozytenreaktivität bei Patienten mit der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) als Reaktion auf niedrige Dosen von α-Thrombin.
Die posttranslationalen Modifikationen werden häufig durch die Aktivierung eines oder mehrerer Rezeptoren auf der Plättchenoberfläche ausgelöst. GPIbα im GPIb-IX-Rezeptor-Komplex ist die wichtigste Bindungsstelle für das mit den Thrombozyten assoziierte α-Thrombin. Wichtig ist, dass die Bindung von α-Thrombin an die N-terminale Region von GPIbα durch einen Antikörper (SZ2) blockiert werden kann. Nach neuesten Erkenntnissen ist GPIbα der Rezeptor, über den das SARS-CoV-2-Spike-Protein an Thrombozyten bindet und deren erhöhte Expression von Liganden aktiviert. Die Rolle von GPIbα bei der α-Thrombin-induzierten Thrombozyten-Hyperreaktivität, die während einer SARS-CoV-2-Infektion beobachtet wird, ist jedoch nicht ausreichend geklärt.
Bei niedriger Enzymkonzentration haben Younes Zaid von der Mohammed V University in Rabat, Marokko, und Kollegen die Interaktion zwischen α-Thrombin und GPIbα als einen neuen Mechanismus identifiziert, der die bei COVID-19-Patienten beobachtete Hyperreaktivität auslöst. Ihre Ergebnisse zeigen, dass während einer SARS-CoV-2-Infektion eine Vorbehandlung der Thrombozyten mit einem humanen SZ2-Antikörper die Hyperaggregation und Degranulation der Thrombozyten verhindert. Sie stellten ausserdem fest, dass Thrombozyten von Patienten mit dem Bernard-Soulier-Syndrom (BSS), die mit SARS-CoV-2 infiziert sind, nicht hyperreaktiv sind.
Dazu untersuchten sie COVID-19-Patienten (n=10) und COVID-19-Patienten mit BSS (n=3) in einer prospektiven Beobachtungsstudie. Patienten mit BSS haben eine homozygote Mutation auf GP9, die die GPIbα-Expression auf den Thrombozyten verhindert. Alle Patienten mit COVID-19 wurden 5,8 Stunden nach Erhalt eines Nasopharyngealabstrichs, der positiv für SARS-CoV-2 war, untersucht. Geschlechts- und altersgleiche gesunde Blutspender (n=10) dienten als Kontrollen.
Die Marker für die Thrombozytenaktivierung, die Freisetzung von α-Granula und die Sekretion von dichten Granula, waren in Thrombozyten von COVID-19-Patienten in Gegenwart von α-Thrombin in unterschwelligen Konzentrationen deutlich erhöht. Zaid und Kollegen untersuchten den Einfluss von GPIbα auf die Regulierung der Thrombozyten-Hyperaktivierung. Dieser Prozess wurde nach Vorbehandlung der Thrombozyten mit einem selektiven humanen Anti-GPIbα-Antikörper (SZ2) verhindert, während ein Kontroll-IgG-Antikörper keine Wirkung zeigte. Dies deutet darauf hin, dass SARS-CoV-2 die Degranulation der Thrombozyten abhängig von α-Thrombin und GPIbα auslöst.
Spielt die α-Thrombin-GPIbα-Achse eine Rolle bei der Hyperaggregation der Thrombozyten von COVID-19-Patienten? Wie erwartet wurde das Priming, nicht aber die durch hohe Konzentrationen von α-Thrombin induzierte Aggregation, bei Thrombozyten, die mit dem humanen SZ2-Antikörper vorbehandelt wurden, signifikant gehemmt, im Vergleich zu COVID-19 und COVID-19-Kontroll-IgG-Gruppen. Das heisst, dass die spezifische Hemmung der hochaffinen Bindungsstelle von α-Thrombin an GPIbα die Thrombozytensekretion und Aggregationsreaktion hemmt. Das deutet darauf hin, dass die α-Thrombin/ GPIbα-Achse die Thrombozytenfunktion in Gegenwart suboptimaler α-Thrombinkonzentrationen verstärken kann.
Zur Bestätigung des pharmakologischen Ansatzes wurde die zentrale Rolle von GPIbα anhand von Thrombozyten untersucht, die von COVID-19-Patienten mit BSS isoliert wurden. Deren Thrombozyten wiesen im Vergleich zu COVID-19-Patienten ohne BSS eine deutlich verringerte Aggregation als Reaktion auf niedrige Konzentrationen von α-Thrombin auf.
Die Interaktion von GPIbα mit α-Thrombin in niedriger Konzentration trägt möglicherweise zur Bildung von prokoagulierenden Thrombozyten bei COVID-19-Patienten bei. Eine solche Interaktion ist vermutlich nur ein Aspekt von vielen, die möglicherweise die Thrombozytenaktivität bei COVID-19-Patienten regulieren. Diese Ergebnisse liefern eine wichtige Grundlage für das Verständnis der Pathophysiologie der Erkrankung und für die Identifizierung eines Targets für neue Behandlungsmöglichkeiten.
Dr. Michaela Bitzer, Tübingen
No conflict of interest has been declared by the author(s).
Publication History
Article published online:
19 October 2023
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