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DOI: 10.1055/s-0043-1776436
Leichte Schlaganfälle: Thrombolyse und routinemäßige medi-zinische Versorgung im Vergleich
Ungefähr 30% der jährlich neu auftretenden Schlaganfälle in China werden als leichte ischämische Schlaganfälle eingestuft. Fast ein Drittel dieser Patienten sind drei Monate nach dem Indexereignis entweder schwer beeinträchtigt oder verstorben. Obwohl es keinen klaren Standard für die Verabreichung einer thrombolytischen Therapie innerhalb des 4,5-Stunden-Fensters gibt, wurde in den letzten Jahren vermehrt Alteplase eingesetzt, um das Risiko für Beeinträchtigungen nach einem Schlaganfall zu verringern.
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Leider sind leichte Schlaganfälle in Thrombolytika-Studien oft unterrepräsentiert. In den aktuellen klinischen Leitlinien der USA gibt es keine klare Empfehlung, da es an eindeutigen Belegen fehlt. Im Gegensatz dazu rät die Leitlinie der European Stroke Organisation von der intravenösen Thrombolyse (IVT) mit Alteplase bei Patienten mit einem akuten leichten ischämischen Schlaganfall, der weniger als 4,5 Stunden andauert, ab.
In früheren Studien wurde die Wirksamkeit der endovaskulären Thrombektomie und einer Brückentherapie bei leichten Schlaganfällen untersucht. Es gibt jedoch nur wenige Belege für die Wirksamkeit der IVT oder der routinemäßigen medizinischen Versorgung (MM) bei Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall und leichten Defiziten, da nur wenige dieser Patienten in die Zulassungsstudien zur Thrombektomie eingeschlossen wurden. Ziel einer aktuellen Studie von Wen-Jun Tu und Kollegen vom Beijing Tiantan Hospital in China war es nun, die Ergebnisse einer IVT-oder MM-Behandlung bei Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall und leichten Defiziten zu vergleichen.
Die retrospektive Studie umfasste Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall, die einen NIHSS-Wert (National Institutes of Health Stroke Scale) von 5 oder weniger hatten und innerhalb von 4,5 Stunden nach Symptombeginn mit IVT behandelt wurden (IVT-Gruppe). Patienten in der Kontrollgruppe (MM-Gruppe) erhielten lediglich eine routinemäßige medizinische Versorgung und keine Thrombolyse. Die Gruppe bestand aus einer gleichen Anzahl von Patienten mit leichten Schlaganfällen, die hinsichtlich Geschlecht, Alter, Ursache und Schweregrad zur IVT-Gruppe identisch waren. Alle entlassenen Patienten nahmen drei Monate nach der Aufnahme an einer telefonischen Nachuntersuchung teil.
Insgesamt nahmen 26.236 Patienten an der Studie teil (13.208 in der IVT-Gruppe und 13.208 in der MM-Gruppe); 67,9% waren Männer, das Durchschnittsalter betrug 67,1 Jahre und der NIHSS-Score bei Krankenhausaufnahme betrug im Schnitt 2,8 in beiden Gruppen.
Bei der Entlassung war die Sterblichkeit in der IVT-Gruppe numerisch höher (0,4%) als in der MM-Gruppe (0,3%), erreichte jedoch keine statistische Signifikanz (bereinigte Hazard Ratio: 1,4). Die Schlaganfall-unabhängigen Ereignisse bei Entlassung unterschieden sich nicht zwischen den beiden Gruppen (88,9% vs. 88,0%; bereinigte HR: 1,1).
Nach drei Monaten jedoch traten in der IVT-Gruppe im Vergleich zur MM-Gruppe mehr Schlaganfall-unabhängigen Ereignisse auf (91,6% vs. 88,6 %, bereinigte HR: 1.2).
Außerdem gab es keinen signifikanten Unterschied in der 3-Monats-Mortalität zwischen der IVT- und der MM-Gruppe (2,1% vs. 2,5%, bereinigte HR: 0,9).
Stratifizierung nach NIHSS-Score
Es gab keinen signifikanten Unterschied in der Gesamtsterblichkeitsrate im Krankenhaus und nach drei Monaten für jeden NIHSS-Score-Punkt (von 0 bis 5).
Die Schlaganfall-unabhängigen Outcomes waren in der IVT-Gruppe höher als in der MM-Gruppe für NIHSS-Scores größer oder gleich 3 (IVT vs. MM-Gruppe: NIHSS 3: 92,5% vs. 89,7%; NIHSS 4: 89,3% vs. 83,2% und NIHSS 5: 87,1% vs. 78,6%).
Symptomatische intrazerebrale Blutungen bei Patienten, die eine intravenöse thrombolytische Behandlung erhielten, korrelierten positiv mit dem NIHSS-Score, die Häufigkeit reichte von 1,51% (NIHSS = 0) bis 2,36% (NIHSS = 5).
Die Studie untersuchte Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall und kleineren Defiziten und zeigte, dass Patienten, die eine IVT erhielten, nach drei Monaten deutlich bessere unabhängige funktionelle Ergebnisse erzielten. Interessanterweise war die Verbesserung bei Patienten mit NIHSS-Scores von 3 bis 5 am stärksten ausgeprägt. Scheinbar stellen diese Scores eine Beeinträchtigung dar und profitieren daher eher von einer IVT. Obwohl in der Studie kein signifikanter Unterschied in der Krankenhaus- und 3-Monats-Mortalität zwischen IVT- und MM-Behandlung nachgewiesen werden konnte, empfehlen die Autoren die IVT nicht für leichte akute ischämische Schlaganfallpatienten mit einem NIHSS Score von 0 bis 2.
Dr. Michaela Bitzer, Tübingen
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No conflict of interest has been declared by the author(s).
Publication History
Article published online:
19 October 2023
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