Z Geburtshilfe Neonatol 2023; 227(03): e99-e100
DOI: 10.1055/s-0043-1769374
Abstracts
Freie Vorträge
Postersession 12 – Lunge/Atmung 2

Pierre Robin Sequenz – Fallbeispiel einer minimal invasiven Therapie durch mandibuläre Traktion

Authors

  • Katharina Stöckemann

    1   Dr. von Hauner Children's Hospital LMU Munich, Pädiatrie, München, Germany
  • Jessica Jin

    1   Dr. von Hauner Children's Hospital LMU Munich, Pädiatrie, München, Germany
  • Carola Schön

    1   Dr. von Hauner Children's Hospital LMU Munich, Pädiatrie, München, Germany
  • Karl Reiter

    1   Dr. von Hauner Children's Hospital LMU Munich, Pädiatrie, München, Germany
  • Teresa Brunner

    2   Ludwig Maximilans Universität (LMU) München, Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie, München, Germany
  • Sven Otto

    2   Ludwig Maximilans Universität (LMU) München, Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie, München, Germany
  • Claudia Nussbaum

    1   Dr. von Hauner Children's Hospital LMU Munich, Pädiatrie, München, Germany
  • Susanne Schmidt

    1   Dr. von Hauner Children's Hospital LMU Munich, Pädiatrie, München, Germany
 
 

Hintergrund Die Pierre Robin Sequenz (PRS) ist charakterisiert durch die klinische Trias von Retrognathie, Glossoptose und Atemwegsobstruktion mit variabel vorhandener Gaumenspalte. Ausgeprägte Formen stellen durch Verlegung der oberen Atemwege einen neonatologischen Notfall dar. Die Therapien variieren zwischen nicht-chirurgischen und chirurgischen Maßnahmen je nach klinischer Ausprägung. Zu den nicht-chirurgischen Maßnahmen gehören die Bauch-/Seitenlage, Tübinger Gaumenplatte sowie nicht-invasive Beatmung bis hin zur endotrachealen Intubation. Die chirurgischen Maßnahmen sind heterogen und inkludieren Tracheotomie, Glossopexie, mandibuläre Distraktionsosteogenese (MDO) oder mandibuläre Traktion (MT), alternativ Extension genannt.

Fragestellung Wir stellen eine Patientin vor mit ausgeprägter Atemwegsobstruktion aufgrund von Retrognathie, Glossoptose, Laryngomalazie und Gaumenspalte. Trotz Ausschöpfung nicht invasiver Maßnahmen wie HFNC, Bauch- und Seitenlage, Tübinger Gaumenplatte konnte die Atemwegsobstruktion nicht behoben werden, sodass wir die MT mittels Einzeldraht als minimal invasive Therapie darstellen.

Material und Methoden Ein einzelner Zugdraht wurde in Intubationsnarkose minimal invasiv von submental um die Mandibula geschlungen, transoral ausgeleitet und über eine Umlenkung mit einem initialen Zuggewicht von 25 g beschwert. Innerhalb von 3 Wochen wurde das Zuggewicht sukzessive auf 105 g erhöht. Die Patientin konnte nach 3 Tagen problemlos extubiert werden und erhielt zur Analgosedierung Paracetamol, Piritramid und Morphin sowie lokal Lidocaingel.

Ergebnisse Unter der Extensionsbehandlung war der Stridor deutlich rückläufig. Die Patientin war allzeit respiratorisch stabil ohne weitere Desaturationen. Der Zugdraht wurde bis auf minimale lokale Druckstellen komplikationslos toleriert und konnte nach 23 Tagen entfernt werden. Im Anschluss erfolgte bei intermittierendem lageabhängigem Stridor der Einsatz einer Tübinger Gaumenplatte. Die Patientin wurde am 68. Lebenstag mit Teilsondierung entlassen [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13] [14] [15] [16] [17] [18].

Diskussion Bisher existiert kein klarer Konsens zum optimalen Management, insbesondere schwererer PRS Fälle. Zuletzt gewann die MDO, bei der ein Distraktor in die Mandibula eingebracht wird, an Zuwachs, während die MT als älteres Verfahren in den Hintergrund trat. Zudem werden unterschiedliche Formen der MT, z.B. mit einer Platte oder mehreren Zugdrähten angewandt. Wir stellen hier die MT mit Hilfe eines einzelnen Zugdrahtes als minimal-invasive komplikationsarme Methode dar, die eine ausgeprägte Form der PRS effektiv behandelt. Hierdurch können möglicherweise invasivere chirurgische Therapieformen wie Glossopexie und MDO mit höherem Risiko von Infektionen und Verletzung umliegender Strukturen sowie die Tracheotomie vermieden und der Krankenhausaufenthalt verkürzt werden. Bislang gibt es keine Berichte der MT mit dieser Modifikation. In einer größeren Fallserie sollten Vor- und Nachteile genauer untersucht werden.


Interessenkonflikt

Es bestehen keine Interessenkonflikte.


Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
06. Juni 2023

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