Hamostaseologie 2023; 43(02): 100
DOI: 10.1055/s-0043-1768490
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P2Y12-Inhibitoren hemmen Thrombozyten-induzierte Monozytenaktivierung

Rolling C. et al.
P2Y12 Inhibition Suppresses Proinflammatory Platelet-Monocyte Interactions.

Thromb Haemost 2023;
122: 231-244
 

    Thrombozyten haben neben ihrer Rolle im Rahmen von Hämostase und Thrombose auch eine Mediatorfunktion bei thrombo-inflammatorischen Prozessen inne. In einer aktuellen experimentellen Studie konnte gezeigt werden, dass P2Y12-Inhibioren die Thrombozyten-induzierten Monozytenaktivierung abschwächen und damit antiinflammatorisch wirken.


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    Es ist bekannt, dass aktivierte Thrombozyten an Monozyten binden und dass dadurch so genannte Monozyten-Thrombozyten-Aggregate (MPAs) entstehen. Die Bindung erfolgt über P-Selektin-Glykoprotein auf der Thrombozytenmembran an den auf Monozyten exprimierten P-Selektin-Glykoprotein-Liganden 1 (PSGL1). Vermehrte zirkulierende MPAs können insbesondere bei Patienten mit proinflammatorischen bzw. prothrombotischen Konditionen nachgewiesen werden, wie arterieller Hypertonie, Diabetes mellitus bzw. manifesten kardiovaskulären Erkrankungen.

    Klinisch fokussierten die Autoren auf Patienten mit COVID-19 (n=9) bzw. systemischem Lupus erythematodes (n=16), bei denen jeweils eine Thrombozytenhyperaktivität in der Literatur vielfältig belegt ist. Zum Vergleich dienten gesunde Kontrollpersonen. Es erfolgten außerdem in-vitro-Analysen in Vollblut, das mit Thrombozytenagonisten versetzt wurde und dem verschiedene antagonisierende Substanzen zugegeben wurden (Hemmung von P-Selektin/ PSGL-1, COX-1, GP IIb/IIIa, PAR-1, P2Y12). Mittels Durchflusszytometrie wurde die Thrombozyten-/ Monozytenaktivität bestimmt. Darüber hinaus führten die Autoren Gesamt-Transkriptom-Shotgun-Sequenzierungen (RNA-seq) von durch Thrombozyten aktivierten Monozyten durch, um Veränderungen der Monozyten auf transkriptionaler Ebene zu detektieren. Die Ergebnisse wurden mittels Real-Time-PCR (RT-qPCR) unter der Zugabe der genannten Thrombozytenantagonisten validiert.

    Passend zu der postulierten thrombozytären Hyperaktivität konnten in den Blutproben der Patienten mit COVID-19 bzw. systemischem Lupus erythematodes vermehrt MPAs nachgewiesen werden. Es zeigte sich zudem, dass an Thrombozyten gebundene Monozyten vermehrt inflammatorische Oberflächenmarker (Tissue Faktor und CD40) exprimierten. Bei der Analyse des Monozyten-Transkriptoms fanden die Autoren heraus, dass unter dem Einfluss der Thrombozyten in den Monozyten insgesamt 1775 Transkripte hoch- bzw. unterreguliert wurden. Unter den am stärksten hochregulierten Genen waren solche, die für proinflammatorische Zytokine und Gerinnungsfaktoren kodieren. Demgegenüber wurden Gene, die Proteine der Apoptose, Phagozytose sowie zur Bekämpfung viraler Infektionen herunterreguliert.

    Unter einer in-vitro-Aktivierung der Thrombozyten konnte gezeigt werden, dass die Inhibition von P-Selektin bzw. PSGL-1 die MPA-Bildung sehr effektiv hemmte (Reduktion der MPAs um 85% bzw. 87%). Auch Inhibitoren von P2Y12 bzw. PAR-1 waren mit einer Verringerung der MPA-Bildung assoziiert (Reduktion um 30% bzw. 21%) und führten außerdem zu einer Verringerung der monozytären CD40 bzw. Tissue-Factor-Expression. Demgegenüber hatte die Hemmung von GP IIb/IIIa bzw. COX-1 keine Auswirkungen auf die Thrombozyten-Monozyten-Interaktion und deren proinflammatorische Effekte. Eine Vorbehandlung der Thrombozyten mit einem P2Y12-Antagonisten bewirkte darüber hinaus eine Verringerung der proatherogenen SOCS3- und der OSM-Expression.

    Fazit

    Aktivierte Thrombozyten binden an Monozyten und verursachen einen Shift der Monozyten hin zu einem proinflammatorischen und proatherogenen Phänotyp. Durch die Inhibition von P2Y12 konnte diese Kaskade in vitro unterbrochen werden, während solche Effekte bei der Inhibition von COX-1 bzw. GP IIb/IIIa nicht beobachtet wurden. Die Daten sprechen somit für eine besondere Rolle der P2Y12-Antagonisten, die über die Hemmung der Thrombozytenaggregation hinausgeht, indem zusätzliche antiinflammatorische Effekte vermittelt werden, so die Autoren.

    Dr. Katharina Franke, Darmstadt


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    No conflict of interest has been declared by the author(s).


    Publication History

    Article published online:
    26 April 2023

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