Hamostaseologie 2023; 43(01): 013
DOI: 10.1055/s-0043-1764065
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Transfusion älterer Erythrozyten erhöht Mortalität und Thromboembolie-Risiko

Bruun-Rasmussen P. et al.
Intervening on the Storage Time of RBC Units and its Effects on Adverse Recipient Outcomes using Real-World Data.

Blood 2022;
139: 3647-3654
DOI: 10.1182/blood.2022015892.
 

Erythrozytenkonzentrate (EK) sind während der Lagerung biochemischen und physischen Veränderungen unterworfen. Eine 2018 veröffentlichte große Metaanalyse von randomisierten kontrollierten Studien fand jedoch keinen Effekt der Lagerungszeit von Erythrozy- ten auf die Mortalität der Empfänger* innen. Mit einer speziellen Simulations- methode stellte eine Forschungsgruppe aus Kopenhagen nun jedoch einen Zusammenhang zwischen Lagerungszeit und Mortalität her.


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In den bisher durchgeführten Studien zu dem Effekt der Lagerungszeit von Erythrozyten auf die Empfängermortalität vermuteten die dänischen Wissenschaftler*innen methodische und statistische Probleme. Insbesondere sahen sie es als nötig an, randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) mit sehr großen Teilnehmerzahlen durchzufüh- ren, um auch sehr kleine relevante Effekte detektieren zu können. Die Gruppe bedien- te sich daher der statistischen Methode der inversen Wahrscheinlichkeitsgewichtung, um mit echten Daten aus einer sehr großen dänischen Transfusionsdatenbank mehrere hypothetische klinische Längsschnitt-Beobachtungsstudien zu simulieren. Im Zeit- raum von 2008 bis 2018 waren in der Datenbank über 9 00 000 Transfusionsereignisse registriert. Alle 89 799 eingeschlossenen Patient*innen waren mindestens 18 Jahre alt und hatten im Jahr vor der Transfusion keine EK erhalten. Auf der Basis von Informationen aus einer Transfusionsdatenbank wurde in einem Modell eine Randomisation zwischen einer Transfusion mit ausschließlich älteren oder frischen EK nachgebildet. Nach der Transfusion wurden die Teilnehmer*innen 28 Tage nachbeobachtet. Primärer Endpunkt der Studien war die Mortalität innerhalb von 28 Tagen nach Transfusion. Der sekundäre Endpunkt war zusammengesetzt aus Tod und thrombo- embolischen Ereignissen innerhalb desselben Zeitraumes. Das Alter der EK wurde nach Lagerungszeiten mit Schwellenwerten bei 1, 2, 3 oder 4 Wochen eingeteilt.

Ergebnisse

Die Behandlung mit EK, welche länger als eine Woche gelagert waren, erhöhte die Mortalität der Empfänger um 2,44 Prozent- punkte (PP) (95 %-Konfidenzintervall 0,86 PP bis 4,02 PP) im Vergleich mit einer Woche oder kürzer gelagerten EK. Für die Studien, bei denen der Schwellenwert für die Lagerungszeit der EK bei 2, 3 und 4 Wo- chen festgelegt wurde, betrug der entsprechende Unterschied in der Empfängermortalität nach 28 Tagen jeweils 1,93 PP (95 %- Konfidenzintervall 0,85 PP bis 3,02 PP), 1,06 PP (95 %-Konfidenzintervall -0,20 PP bis 2,33 PP) und -0,26 PP (95 %-Konfidenz- intervall -1,78 PP bis 1,25 PP) bei der Trans- fusion von EK mit Lagerungszeiten über dem Schwellenwert im Vergleich zur Transfusion frischerer EK. Die 28-Tage-Risikoun terschiede für den kombinierten Endpunkt Tod und thromboembolische Ereignisse ähnelten den Risikounterschieden für die Mortalität.

Fazit

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die Transfusion von mehr als einer oder zwei Wochen gelagerten Erythrozytenkonzentraten bei den Empfängern die Mortalität und das Risiko einer Thromboembolie innerhalb von 28 Tagen, im Vergleich zur Transfusion frischerer Erythrozyten, erhöht. Ihre angewandte Methodik, hypothetische und randomisierte Längsschnittstudien mit echten Daten, sehen sie außerdem als geeignet an, um die Probleme der vorhergehenden randomisierten klinischen Studien zu beheben.

Alexander Maier, Leipzig


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Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
20. Februar 2023

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