Hamostaseologie 2023; 43(01): 010-012
DOI: 10.1055/s-0043-1764063
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Gleiches Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse nach hämorrhagischem und ischämischem Schlaganfall

Akyea RK. et al.
Comparison of Risk of Serious Cardiovascular Events after Hemorrhagic versus Ischemic Stroke: A Population-Based Study.

Thromb Haemost 2022;
122: 1921-1931
 

    Patienten mit ischämischem Schlaganfall gelten als Hochrisikogruppe für nachfolgende kardiovaskuläre Ereignisse. Die Leitlinien empfehlen umfangreiche Präventionsstrategien. Es gibt jedoch keine eindeutige Empfehlung, dass Patienten mit hämorrhagischem Schlaganfall ebenfalls als eine Gruppe mit sehr hohem kardiovaskulärem Risiko betrachtet werden sollten.


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    In ihrer bevölkerungsbasierten Studie kommen britische Ärzte um Ralph K. Akyea von der University of Nottingham nun zu dem Schluss, dass Patienten nach hämorrhagischem Schlaganfall in gleicher Weise wie nach ischämischem Schlaganfall dem Risko für nachfolgende kardiovaskuläre Komplikationen ausgesetzt sind.

    In ihrer großangelegten Studie verglichen sie bei Patienten, die zwischen 1998 und 2017 einen hämorrhagischen oder ischämischen Schlaganfall erlitten hatten, das Risiko für nachfolgende kardiovaskuläre Morbidität/Mortalität. Bei den Patienten war vor dem Schlaganfall kein schwerwiegendes vaskuläres Ereignis aufgetreten. Die Daten stammten aus der britischen CPRD GOLD Datenbank, die sich aus einem Verbund von Allgemeinarztpraxen speist. Die Daten sind in Bezug auf Geschlecht, Alter und ethnische Zugehörigkeit repräsentativ für die britische Allgemeinbevölkerung.

    Insgesamt umfasste die Studie 32.091 Schlaganfall-Patienten. Für 6.413 von ihnen lagen vollständige Daten für alle Studienvariablen vor; 1.045 (16,3%) hatten einen hämorrhagischen Schlaganfall und 5.368 (83,7%) einen ischämischen Schlaganfall. Das durchschnittliche Alter betrug 75 Jahre. Patienten mit ischämischem Schlaganfall hatten zum Zeitpunkt des Ereignisses häufiger einen Diabetes mellitus oder eine chronische Nierenerkrankung. Die gesamte Nachbeobachtungszeit für die Studienkohorte betrug 381.237,92 Patientenjahre, was einem Median von 11,8 Jahren entsprich

    Von den 6.413 Patienten mit einem Schlaganfall und vollständigen Daten zeigten 214 (3,3%) während der Nachbeobachtung eine nachfolgende koronare Herzkrankheit (KHK; hämorrhagisch: 24 [2,3%] vs. ischämisch: 190 [3,5%]), 3.140 Patienten (49,0%) erlitten einen erneuten Schlaganfall (hämorrhagisch: 403 [38,6%] vs. ischämisch: 2.737 [51,0%]), 60 (0,9%) entwickelten ein peripheres kardiovaskuläres Ereignis (PVD) und 134 (2,1%) eine Herzinsuffizienz. Nach Korrektur für potenzielle Störfaktoren hatten Patienten mit einem hämorrhagischen Schlaganfall kein signifikant unterschiedliches Risiko für nachfolgende kardiovaskuläre Erkrankungen im Vergleich zu Patienten mit einem ischämischen Schlaganfall: KHK (Hazard Ratio [HR]: 0. 86), rezidivierender Schlaganfall (HR: 0,92), PVD (HR: 1,15) oder Herzinsuffizienz (HR: 1,03). Allerdings hatten Patienten, bei denen ein hämorrhagischer Schlaganfall auftrat, ein signifikant höheres Risiko für eine spätere kardiovaskulär bedingte Mortalität (HR: 2,35) und Gesamtmortalität (HR: 2,16).

    Eine Propensity-Score-Matching-Analyse von 1.039 Patienten mit hämorrhagischem Schlaganfall und 1.039 mit ischämischem Schlaganfall ergab ein ähnliches Risiko: KHK (stratifizierte HR [sHR]: 0,92), rezidivierender Schlaganfall (sHR: 0,93), PVD (sHR: 1,04) oder Herzinsuffizienz (sHR: 0,71).

    Fazit

    Innerhalb einer großen bevölkerungsbasierten Patientengruppe mit langer Nachbeobachtungszeit zeigt diese Studie, dass das Risiko einer nachfolgenden kardiovaskulären Morbidität bei Patienten nach einem hämorrhagischen Schlaganfall ähnlich hoch war wie nach einem ischämischen Schlaganfall. Vor dem Hintergrund, dass weltweit jährlich etwa 2,9 Millionen Menschen einen hämorrhagischen Schlaganfall erleiden, besteht dringender Bedarf zur Optimierung der derzeit verfügbaren und der Entwicklung neuer Strategien, um das kardiovaskuläre Gesamtrisiko in dieser Hochrisikogruppe zu verringern.

    Dr. Michaela Bitzer, Tübingen


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    Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


    Publikationsverlauf

    Artikel online veröffentlicht:
    20. Februar 2023

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