Zur Bewertung des gesundheitlichen Risikos einer Schadstoffbelastung des Körpers leitet
die Human-Biomonitoring-Kommission (HBM-Kommission) am Umweltbundesamt (UBA) seit
fast 30 Jahren Human-Biomonitoring-Werte ab (HBM-I- und HBM-II-Werte). Voraussetzung
für die Ableitung von HBM-Werten ist, dass es für den betrachteten Stoff eine Dosis
gibt, die so niedrig ist, dass bei einer Unterschreitung keine Gesundheitsgefahr mehr
zu befürchten ist. Für bestimmte krebserregende Stoffe, nämlich solche für die keine
Wirkungsschwelle existiert, können keine HBM-Werte abgeleitet werden. Die Höhe der
Exposition gegenüber diesen Stoffen in Bevölkerungsstudien oder in der Umweltmedizin
konnte daher bisher lediglich im Vergleich zu vorhandenen Referenzwerten eingeordnet
werden. Gleichwohl ist es wichtig, Human-Biomonitoring-Daten gerade für solche besonders
besorgniserregenden Stoffe gesundheitlich bewerten zu können.
Daher hat die HBM-Kommission zur Bewertung krebserzeugender Stoffe, insbesondere solcher
ohne gesicherte Wirkungsschwelle, nun ein ergänzendes Konzept erarbeitet, das mit
seinem risikobasierten Ansatz entscheidend über das rein deskriptiv-statistische Referenzwertkonzept
hinausgeht. Statt eines HBM-Wertes wird ein Dosis-Deskriptor der inneren Belastung
berechnet, mit dem für eine beliebige Konzentration des Karzinogens im Blut oder Urin
das zusätzliche Lebenszeitkrebsrisiko als Voraussetzung für die Bewertung der Körperlast
berechnet werden kann.
Zunächst ist es erforderlich, den Wirkmechanismus der Krebsentstehung zu ermitteln.
Das Fehlen einer Wirkungsschwelle wird z.B. in der Regel für genotoxische Karzinogene
angenommen. Auf Basis quantitativer Dosis-Deskriptoren der äußeren Exposition (z.B.
Unit Risk, Oral Slope Factor), Kenntnissen des Stoffwechsels und substanzspezifischer
Biomarker im Menschen wird der Dosis-Deskriptor der inneren Belastung für den jeweiligen
Stoff ermittelt. Mithilfe dieses Dosis-Deskriptors können schließlich zusätzliche
Lebenszeitrisiken für bestimmte Stoffkonzentrationen oder umgekehrt ermitteln werden.
Das Konzept mit seinen Voraussetzungen und Unsicherheiten wird am Beispiel von Benzol
erläutert.
Die berechneten Lebenszeitkrebsrisiken können zur Begründung und Priorisierung von
Risikomanagementmaßnahmen herangezogen werden. A priori-Vorgaben, z.B. in Form bestimmter
Leitwerte, liefert das hier beschriebene Vorgehen jedoch bewusst nicht, um den wissenschaftlichen
Teil der toxikologischen Risikoabschätzung von dem der Risikobewertung als Teil des
Risikomanagements abzugrenzen. Der Grundsatz des Risikomanagements, die Belastung
durch genotoxische Karzinogene so weit zu minimieren, wie dies möglich ist (ALARA-Prinzip),
hat davon unabhängig weiterhin Bestand
Die vorgestellten konzeptionellen Überlegungen sollen hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit
in einer Validierungsphase für ausgewählte Modellsubstanzen überprüft werden. Nach
Erprobung und Evaluation wird zu entscheiden sein, ob das vorgestellte Konzept tragfähig
oder ggf. durch Modifikation zu verbessern ist.