OP-Journal 2018; 34(01): 40-47
DOI: 10.1055/s-0043-125353
Fachwissen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Zugänge zum hinteren Beckenring

Modes of Access to the Posterior Pelvic Ring
Wolfgang Lehmann
Further Information

Korrespondenzadresse

Univ.-Prof. Dr. med. Wolfgang Lehmann
Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Plastische Chirurgie
Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
Robert-Koch-Straße 40
37099 Göttingen
Phone: 05 51/39-2 24 62 (-2 24 59)   
Fax: 05 51/39-89 91   

Publication History

Publication Date:
26 April 2018 (online)

 

Zusammenfassung

Die Stabilität des Beckens wird durch den hinteren Beckenring bestimmt. Die Verletzungsformen sind vielfältig und können als rein ligamentäre, knöcherne oder kombinierte Verletzungen auftreten. Bei gleichzeitigen ventralen und dorsalen Verletzungen muss entschieden werden, welche Seite zuerst angegangen werden muss. Gerade bei horizontal und vertikal instabilen Verletzungen ist es häufig vorteilhaft, den hinteren Beckenring zuerst zu stabilisieren. Dabei kommen für den hinteren Beckenring ilioiliakale Plattenosteosynthesen, lokale Plattenosteosynthesen, iliosakrale Schraubenosteosynthesen und lumbopelvine Abstützungen zum Einsatz. Die Wahl des Zugangs ist abhängig von der Frakturform und den Weichteilverhältnissen.


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Abstract

The stability of the pelvis is determined by the posterior pelvic ring. Injuries to the posterior pelvic ring may be purely ligamentous, bony or combined. In patients with simultaneous ventral and dorsal injuries, it has to be decided which side has to be approached first. Especially with horizontally and vertically unstable injuries, it is often advantageous to stabilise the pelvic ring from the posterior side first. In such a case, ilioiliacal plate osteosyntheses, local plate osteosyntheses, iliosacral screws and lumbopelvic stabilisations are used for the posterior pelvic ring. The choice of approach depends on the fracture type and the soft tissue conditions. The aim of this study is to provide an overview of the most commonly used surgical approaches in posterior pelvic injuries.


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Einleitung

Die Wahl des Zugangs zum hinteren Beckenring ist vom Verletzungstyp, vom Ausmaß der Verletzung und von der Weichteilsituation abhängig. Man kann am hinteren Beckenring unterscheiden zwischen transiliakalen Verletzungen mit Frakturen im Bereich des Sakroiliakalgelenks (SI-Gelenks), reinen ligamentären sakroiliakalen Zerreißungen, Sakrumfrakturen und spinopelvinen Ausbruchverletzungen ([Abb. 1]). Neben dem Verletzungsmuster ist für die Zugangswahl auch wichtig, ob eine Kompression neurologischer Strukturen, womöglich mit entsprechenden motorischen oder sensiblen Ausfällen, vorliegt.

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Abb. 1 Beispiele unterschiedlicher Verletzungen des hinteren Beckenrings. a 3-D-Rekonstruktion im CT einer Fraktur des hinteren Beckenrings auf der linken Seite durch das Darmbein mit begleitender Fraktur am linken vorderen Schambeinast. b 3-D-Rekonstruktion im CT: linksseitige Fraktur des Sakrums mit Symphysensprengung. c Axiale CT-Schnitte einer reinen Sprengung der Iliosakralfuge. d Koronarer CT-Schnitt einer Sakrumfraktur mit Symphysensprengung. Das Becken ist auf der linken Seite schon nach oben disloziert. e und f Sagittales bzw. koronares CT-Bild einer spinopelvinen Ausrissverletzung. Hierbei ist die Wirbelsäule mit dem Kreuzbein vollständig vom Beckenring getrennt.

Nach entsprechender Bildgebung, die immer eine CT beinhalten sollte, muss die Verletzung zunächst richtig klassifiziert werden. Je nach Verletzungsart können dann iliosakrale Schrauben, ilioiliakale Plattenosteosynthesen, spinopelvine Stabilisierungen allein oder als trianguläres Verfahren in Kombination mit einer iliosakralen Schraubenosteosynthese verwendet werden. Für die Zugänge zum Sakrum sind verschiedene Möglichkeiten beschrieben worden. Die iliosakrale Schraubenosteosynthese wird heute zumeist minimalinvasiv perkutan vorgenommen. Für die ilioiliakale Plattenosteosynthese werden beidseits Inzisionen neben den dorsalen Anteilen des Os ilium durchgeführt. Für die spinopelvinen Abstützungen oder auch triangulären Osteosynthesen, ob mit oder ohne Dekompression des Sakrums, hat sich in der eigenen Erfahrung die mediane Inzision als vorteilhaft erwiesen, da wir hier die wenigsten Weichteilkomplikationen gesehen haben.

Die Reposition einer dislozierten Iliosakralfugensprengung bzw. einer Sakrumfraktur und die Dekompression der neuralen Strukturen können dabei hoch anspruchsvoll sein und neurologische Ausfälle sind nach wie vor eines der häufigsten Probleme, gerade bei den schwer verschobenen Frakturen [9]. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die einzelnen Zugänge und Repositionsmanöver darzustellen.


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Lagerung

Bei den Operationen für den hinteren Beckenring wird der Patient unter Vollnarkose in Bauchlage auf einem völlig strahlendurchlässigen Carbontisch gelagert. Rollen werden entsprechend unter dem Thorax und dem Abdomen positioniert, sodass das Becken frei bleibt. Um Lagerungsschäden, insbesondere Plexusschäden, zu vermeiden, muss sichergestellt sein, dass die Achselhöhlen frei sind und die Schultern nicht überstreckt werden. Wichtig ist, vor dem Abwaschen und Abdecken sicherzustellen, dass in allen wichtigen Projektionen, vor allem Inlet und Outlet, geröntgt werden kann. Es kann sinnvoll sein, für minmalinvasive Zugänge den Patienten vor der Operation abführen zu lassen, um Darmgasüberlagerungen im Röntgen zu vermeiden und eine bessere Übersicht zu haben. Wichtig ist, dass alle Röntgeneinstellungen exakt gewählt werden, um Fehllagen von Implantaten aufgrund schlechter Einstellungen bspw. in Inlet- oder Outlet-Darstellung zu vermeiden.

Merke

Vor dem Abdecken des Patienten prüfen, ob alle wichtigen Röntgenbilder sicher eingestellt werden können.


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Instrumente

Für die Versorgung einer Beckenverletzung am hinteren Beckenring sind eine Reihe von Instrumenten unerlässlich. Dazu gehören Retraktoren, spezielle Beckenretraktoren, Repositionszangen, scharfe und stumpfe Einzinker, Kugelspieße mit und ohne Abstützschuh, Jungbluth-Zangen und Farabeuf-Zangen in unterschiedlichen Größen.


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Minimalinvasive Zugänge

Minimalinvasiv ist vor allem die iliosakrale Schraubenosteosynthese. Sie ist sozusagen das „Arbeitspferd“ für die Stabilisierung des hinteren Beckenrings und die am häufigsten verwendete Osteosyntheseform. Zur beidseitigen Verschraubung bevorzugen wir die Bauchlage. Für einseitige Verschraubungen kann der Patient in Rückenlage gelagert werde. Er muss aber ausreichend an die Seite des Tisches gelagert werden, um auch genügend weit von dorsal den Eintrittspunkt wählen zu können.

Zu Beginn, insbesondere in der konventionellen Technik, wird im seitlichen Strahlengang der Eintrittspunkt für den Zieldraht aufgesucht ([Abb. 2]). Hierbei sollte der Startpunkt etwa in der Mitte vom 1. Kreuzbeinwirbel S I und dorsal des Spinalkanals liegen. Mit dem Zieldraht wird dann zunächst eben die äußere Wand der Darmbeinschaufel penetriert und die korrekte Zieldrahtausrichtung in Relation zur „iliac cortical density“ (ICD), zum Neuroforamen S I und zur ventralen Begrenzung der Ala bzw. des Wirbelkörpers im Bildwandler überprüft [5]. Es ist wichtig, hinter dieser Linie mit dem Draht zu starten, da man so sicherstellt, dass der Draht nicht vorne durch die Darmbeinschaufel austritt und dann wieder in den 1. Kreuzbeinwirbel eintritt und Nerven und Gefäße gefährdet. Nun wird der Draht bis in die Ala vorgebohrt und die Lage wiederum im Bildwandler kontrolliert. Im Falle der korrekten Platzierung wird der Zieldraht bis in den Wirbelkörper vorgebohrt und die nun resultierende Platzierung nochmals im Bildwandler überprüft. Nach dem Überbohren des Zieldrahts mit einem 5,0-mm-Hohlbohrer erfolgt die definitive Schraubenplatzierung.

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Abb. 2 Minimalinvasive Verschraubung des hinteren Beckenrings. a Zunächst wird ein K-Draht angehalten, um die richtige Höhe im Seitbild zu erfassen. b Der Eintrittspunkt des K-Drahtes sollte hinter der ICD-Linie (ICD: iliac cortical density) liegen. Damit wird verhindert, dass der Draht vorne am Becken austritt. c Outlet-Aufnahme mit Blick auf die Neuroforamina (rot). d Inlet-Aufnahme mit Blick auf den 1. Kreuzbeinwirbel. Hier soll der Draht zentral zu liegen kommen.

Die 2-D- oder 3-D-Navigation kann dabei hilfreich sein, die Schrauben schnell und korrekt ohne lange Durchleuchtungszeiten zu platzieren [3], [4]. Als Implantate werden i. d. R. durchbohrte Spongiosaschrauben aus Titan mit 7,3 mm Durchmesser verwendet. Die Industrie bietet hierfür auch schon Schrauben an, die gleichzeitig zementiert werden können und bei denen die Unterlegscheiben mit den Schrauben verbunden sind. Idealerweise mit 32-mm-Gewinde oder Vollgewinde, da diese gegenüber den 16-mm-Gewinden eine höhere biomechanische Stabilität bieten [6].

Merke

Für die iliosakrale Schraubenosteosynthese sollten entweder Vollgewindeschrauben oder Teilgewindeschrauben mit mindestens 32 mm Gewinde verwendet werden.

Wenn möglich, versuchen wir bei den hoch instabilen Verletzungen 2 Schrauben zu setzen, dies gelingt jedoch bei dem engen Korridor, der in anatomischen Präparaten nur durchschnittlich 27 mm breit und 21 mm weit ist, nicht immer [10]. Bei horizontal und vertikal instabilen Verletzungen sind 2 Schrauben biomechanisch stabiler und bieten eine höhere Sicherheit.


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Beidseitiger parailiakaler Zugang

Der beidseitige Zugang entlang des hinteren Beckenkamms eignet sich insbesondere für die ilioiliakale Plattenosteosynthese. Der Vorteil dieser Osteosynthese liegt vor allem darin, dass Trümmerzonen des Sakrums gut überbrückt werden können und dann als „Distanzosteosynthesen“ verwendet werden, ohne eine Kompression mit Gefährdung nervaler Strukturen auszuüben [7]. Nach korrekter Lagerung werden die hinteren Darmbeinkämme auf beiden Seiten markiert. Die längs zu setzende Hautinzision sollte nicht direkt über den Darmbeinkämmen verlaufen, damit ansonsten durch erhöhten Liegedruck in der postoperativen Phase auftretende Wundheilungsstörungen vermieden werden können. Dann wird die Faszie inzidiert und die Glutealmuskulatur von der Außenseite der Darmbeinschaufel abgeschoben [1]. Gleiches Vorgehen auf der Gegenseite. Bei dislozierten Frakturen eignet sich eine Schanz-Schraube in der Beckenschaufel, um die Fraktur zu reponieren und die Rotation und Kippung des Beckens auszugleichen. Unter Zug am Bein kann dann die endgültige Reposition erfolgen. Wenn die Stellung ideal ist, kann eine vorübergehende Stabilisierung mit einem gewindetragenden K-Draht sinnvoll sein, der eingebracht wird, wie für eine iliosakrale Schraube. Dann erfolgt die eigentliche Plattenosteosynthese, wobei diese idealerweise tief unten an den hinteren Darmbeinkämmen angebracht wird, um Weichteilschäden zu vermeiden. Zur Verwendung kommen 14- bis 16-Loch-3,5er-Beckenrekonstruktionsplatten. Nachdem ein Kanal durch die Muskulatur bspw. mit einem großen Raspatorium gebahnt wurde, kann die Platte zur Gegenseite durchgeschoben werden ([Abb. 3]). Gegebenenfalls kann eine Osteotomie auf Höhe der Crista mediana erfolgen, um die Platte möglichst dicht an das Sakrum heranzubringen. Dann wird zunächst auf einer Seite eine Schraube auf dem Kamm der Spina iliaca posterior inferior gesetzt und dann die Platte umgebogen auf die Außenseite des Os ilium. Es empfiehlt sich zu diesem Zeitpunkt, nochmals eine Röntgenkontrolle durchzuführen, um die waagerechte Ausrichtung der Platte sicherzustellen. Dann werden die restlichen Platten i. d. R. auf der zuerst präparierten Seite mit mindestens 3 bikortikal platzierten Schrauben durch das Os ilium besetzt [7].

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Abb. 3 Bilder einer transiliakalen Plattenosteosynthese. a Präoperative Bilder einer dislozierten transiliakalen Fraktur. b CT axial postoperativ. c Reposition der transiliakalen Fraktur mit spitzen Repositionszangen. d Eingeschobene dorsale Plattenosteosynthese.

Anschließend kann die Platte auf der Gegenseite noch mit einem Einzinkerhaken nach lateral gezogen werden, bevor sie mit einem Kugelspieß umgebogen wird, um eine gute Kompression auf den hinteren Beckenring zu erreichen. Nach dem Besetzen der Schrauben erfolgt der schichtweise Wundverschluss. Das Einlegen von Redon-Drainagen auf jeder Seite kann helfen, postoperativ Hämatombildung bei kleineren Blutungen aus der abgelösten Glutealmuskulatur zu vermeiden.


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Direkte Zugänge zum Sakrum und der Iliosakralfuge

Die Größe des Zugangs ist abhängig vom Ausmaß der Stabilisierung. Lokale Plattenosteosynthesen bieten gegenüber den ilioiliakalen Plattenosteosynthesen den Vorteil, dass die intakte Iliosakralfuge dabei nicht tangiert wird. Lokale Plattenosteosynthesen sind nicht so stabil wie andere Osteosynthesen. Ziel der Versorgung ist die sorgfältige Dekompression des Spinalkanals und sichere Osteosynthese. Vor Beginn der Operation kann es sinnvoll sein, unter Durchleuchtungskontrolle durch Anheben der Beine eine Fraktur des Kreuzbeins zu reponieren. Insbesondere bei den Ausbruchverletzungen des Kreuzbeins ist die Osteosynthese zwischen der Wirbelsäule und dem Becken, die sog. spinopelvine Abstützung, die stabilste Art der Versorgung. Wenn zusätzlich noch eine iliosakrale Schraube eingebracht wird, spricht man von einer triangulären Osteosynthese [8]. Biomechanisch ist die trianguläre Fixation allen anderen Verfahren am hinteren Beckenring überlegen [11], [12]. Der Zugang für diese Osteosynthesen kann als quere Inzision erfolgen [11] oder als Längsinzision. Aus eigener Erfahrung heraus verwenden wir die Mittellinieninzision, da wir hier weniger Weichteilkomplikationen sehen.

Die Längsinzision erfolgt über den Dornfortsätzen. Dann wird direkt bis auf den Knochen präpariert. Die Frakturen können mit einem Knochenspreizer aufgedehnt und mit scharfen Löffeln gesäubert werden. Um den Rückenmarkskanal bei einer Verlegung des Kanals freizuräumen, kann es notwendig sein, ergänzend zur Osteosynthese eine Laminektomie des Kreuzbeins vorzunehmen. Von zentral nach peripher können dann die Nervenwurzeln einzeln dargestellt werden.

Merke

CAVE: Bei schweren Verletzungen des Kreuzbeins können intraoperativ erhebliche Blutungen aus den Frakturflächen auftreten.


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Offene Reposition ligamentärer Iliosakralfugensprengungen

Offene Repositionen der Iliosakralfugen können ausgehend von einer Mittelinieninzision oder weiter lateral erfolgen. Hier muss in Abhängigkeit von der größten Dislokation überlegt werden, ob die Versorgung von vorne oder von hinten erfolgen muss. Die Iliosakralfugen können auch von vorne verplattet werden. Bei der Stabilisierung von hinten erfolgt, wie bei der ilioiliakalen Verplattung, die Inzision beginnend 1 bis 2 cm lateral der Spina iliaca posterior superior und posterior inferior [2]. Dabei kann die Inzision nach kaudal und kranial ausgedehnt werden. Mit gleicher Technik, wie bereits oben beschrieben, erfolgt dann wieder die subperiostale Ablösung des M. glutaeus maximus vom Os ilium. Im Bereich der SI-Fuge dorsal muss die Erector-trunci-Muskulatur nach medial abgeschoben werden, wobei hier als Grenze die Foramina sacralia zu berücksichtigen sind. Ein Knochenspreizer wird in das Iliosakralgelenk von dorsal eingesetzt, das Gelenk aufgeweitet und unter Sicht sorgfältig débridiert und gespült. Hierfür verwenden wir gerne auch eine gepulste Lavage, um Hämatome etc. vollständig auszuspülen. Der Spreizer wird entfernt und die Darmbeinschaufel muss nun mit ihrem Gelenkanteil anatomisch in die Gelenkfläche des Sakrums eingepasst werden. Die Repositionskontrolle kann radiologisch in der Inlet- und Outlet-Aufnahme oder digital durch die Incisura ischiadica major erfolgen. Die temporäre Stabilisierung erfolgt mit einer großen Weber-Repsitionszange, die zwischen der Außenseite des Os ilium und – nach kurzstreckiger Präparation – der Crista mediana eingehängt wird. Bei sehr adipösen Patienten haben wir auch schon eine Beckenzwinge verwendet, die wir in Bauchlage angelegt haben, um ausreichende Kompression auf die Iliosakralfuge zu bekommen ([Abb. 4]).

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Abb. 4a Ausgedehnte Fraktur des Sakrums. b Um Frakturen des hinteren Beckenrings gut zu reponieren, kann auch eine Beckenzwinge in Bauchlage hilfreich sein. Weitere Repositionshilfen sind Schanz-Schrauben in der Darmbeinschaufel oder auch eine koaxiale Zange, die am Sakrum eingehängt werden kann.

Nach der Reposition des SI-Gelenks erfolgt die Fixierung mit einem gewindetragenden K-Draht der Dicke 2,8 mm, über den dann auch die kanülierte Schraube eingebracht werden kann. Es schließt sich die sorgfältige Kontrolle der Reposition in der Inlet-, Outlet- und a.–p. Ansicht an. Zur Qualitätsverbesserung hat sich die intraoperative CT-Diagnostik mit einem 3-D-Bildwandler sehr bewährt, da es so möglich wird, das Iliosakralgelenk sehr genau darzustellen. Die Stabilisierung erfolgt dann mit 1 – 2 iliosakralen Schrauben.

Merke

Die intraoperative Darstellung mit einem 3-D-Bildwandler nach der Reposition und vor der definitiven Stabilisierung hilft, Fehlstellungen zu vermeiden.


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Technik der lumbopelvinen Stabilisierung

Für die lumbopelvine Stabilisierung wird der Zugang über eine Mittellinieninzision entsprechend erweitert, sodass die Pedikel von L V bzw. L IV dargestellt werden. Eine weitere Möglichkeit eines kleinen Zugangs ist das direkte Splitting der Muskulatur über den Wiltse-Zugang [13]. Grundsätzlich verwenden wir hier auch die Mittellinieninzision. Gerade bei schweren knöchernen Verletzungen kann es zu Morel-Lavallée-Verletzungen kommen ([Abb. 5]). Dabei handelt es sich um weitreichende Ablösungen des Unterhautfettgewebes von der Faszie. Diese Verletzungen sind mit einem sehr hohen Infektionsrisiko verbunden. Sollte die Beckenverletzung mit einer Morel-Lavallée-Verletzung einhergehen, ist es sinnvoll, die Wunde nach der Versorgung 48 Stunden später noch einmal zu spülen oder einen Vakuumverband einzulegen.

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Abb. 5a Lagerung in Bauchlage. Gegebenenfalls muss ein Bein, in manchen Fällen auch beide Beine, beweglich abgedeckt werden. b Nach Hautinzision zeigt sich ein erhebliches Hämatom subkutan. Dies ist das Bild einer Morel-Lavalée-Verletzung. c und d In der Obturator-Outlet-Aufnahme sieht man den Kanal, in den die langen Schrauben für die spinopelvine Abstützung in die Darmbeinschaufel eingedreht werden. e Im CT-Schnitt erkennt man die korrekte Lage der langen Schrauben. f Beckenübersicht nach triangulärer Osteosynthese des hinteren Beckenrings.
Merke

Morel-Lavallée-Verletzungen gehen mit einem hohen Infektionsrisiko einher.

Nachdem die Pedikelschrauben gesetzt sind, erfolgt das Setzen der Iliumschrauben, was die gebräuchlichste Technik darstellt, oder lateral der Fraktur in das Sakrum selbst. Die Schrauben in der Ala sacralis können bikortikal gesetzt werden, um gerade im osteoporotischen Knochen einen festen Halt zu gewährleisten. Aufgrund der ventralen Gefäße dürfen diese Schrauben die ventrale Kortikalis nicht wesentlich überragen. Die Lage dieser Schrauben kann mit der Inlet-Projektion überprüft werden. Um die Schraube korrekt zu platzieren, muss der „Korridor“ im Bildwandler korrekt eingestellt werden ([Abb. 5]). Hierzu dient die Obturator-Outlet-Aufnahme. Ziel ist dabei, mit einer möglichst langen und dicken Schraube (ca. 7 – 8 mm Dicke und 90 – 110 mm Länge) eine feste Verankerung zwischen den beiden Kortikalisblättern des Os ilium zu erreichen. Dabei können prinzipiell alle langen Pedikelschrauben verwendet werden. Sehr scharfe, selbstschneidende Schrauben haben den Nachteil, dass sie sich nicht ihren Weg zwischen den beiden Kortikaliswänden suchen, sondern dazu neigen, nach lateral auszubrechen und so eine Fehllage produzieren.

Bei erheblich dislozieren Frakturen eignet sich das USS-System von Synthes, sodass über die hervorstehenden Stangen direkt reponiert werden kann. Wenn es gelingt, die Reposition vorher mittels einer Weber-Klemme zu erreichen, kann mit polyaxialen Schrauben allerdings das Setzen des Längsverbinderstabs deutlich vereinfacht sein. Wichtig ist, darauf zu achten, dass die Backen des verwendeten Fixateurs nicht zu prominent dorsal über dem Os ilium auftragen, da diese schwere Weichteilprobleme verursachen können. Gegebenenfalls muss hier bei sehr schlanken Patienten im hinteren Beckenkamm eine Nut geschaffen werden, um den Kopf der Schraube zu versenken.


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Fazit

Zugänge zum hinteren Beckenring sind technisch einfach. Die Herausforderung ist vielmehr, die Diagnose exakt zu stellen und die Verletzung korrekt zu klassifizieren. Dadurch ergibt sich die operative Vorgehensweise. Die Reposition kann manchmal bei sehr verschobenen Frakturen anspruchsvoll sein. Gerade bei den horizontal und vertikal instabilen Verletzungen wird meistens zuerst von dorsal stabilisiert. Die begleitenden Weichteilverletzungen am hinteren Beckenring müssen bei der Zugangswahl ebenfalls in die Überlegung mit eingeschlossen werden. Ziel des Eingriffs ist die Wiederherstellung der Form und Funktion des hinteren Beckenrings, die es dem Patienten ermöglicht, frühzeitig wieder voll zu belasten.


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Autorinnen/Autoren

Univ.-Prof. Dr. med. Wolfgang Lehmann

Direktor der Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Plastische Chirurgie, Universitätsmedizin Göttingen

Interessenkonflikt

Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Bahmann D, Larndorfer R, Krappinger D. et al. Stabilization of the posterior pelvic ring with a slide-insertion plate. Oper Orthop Traumatol 2007; 19: 16-31
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  • 3 Briem D, Linhart W, Lehmann W. et al. Computer-assisted screw insertion into the first sacral vertebra using a three-dimensional image intensifier: results of a controlled experimental investigation. Eur Spine J 2006; 15: 757-763
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  • 6 Gansslen A. [Biomechanical principles for treatment of osteoporotic fractures of the pelvis]. Unfallchirurg 2010; 113: 272-280
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  • 12 Schildhauer TA, Ledoux WR, Chapman JR. et al. Triangular osteosynthesis and iliosacral screw fixation for unstable sacral fractures: a cadaveric and biomechanical evaluation under cyclic loads. J Orthop Trauma 2003; 17: 22-31
  • 13 Wiltse LL, Bateman JG, Hutchinson RH. et al. The paraspinal sacrospinalis-splitting approach to the lumbar spine. J Bone Joint Surg Am 1968; 50: 919-926

Korrespondenzadresse

Univ.-Prof. Dr. med. Wolfgang Lehmann
Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Plastische Chirurgie
Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
Robert-Koch-Straße 40
37099 Göttingen
Phone: 05 51/39-2 24 62 (-2 24 59)   
Fax: 05 51/39-89 91   

  • Literatur

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Abb. 1 Beispiele unterschiedlicher Verletzungen des hinteren Beckenrings. a 3-D-Rekonstruktion im CT einer Fraktur des hinteren Beckenrings auf der linken Seite durch das Darmbein mit begleitender Fraktur am linken vorderen Schambeinast. b 3-D-Rekonstruktion im CT: linksseitige Fraktur des Sakrums mit Symphysensprengung. c Axiale CT-Schnitte einer reinen Sprengung der Iliosakralfuge. d Koronarer CT-Schnitt einer Sakrumfraktur mit Symphysensprengung. Das Becken ist auf der linken Seite schon nach oben disloziert. e und f Sagittales bzw. koronares CT-Bild einer spinopelvinen Ausrissverletzung. Hierbei ist die Wirbelsäule mit dem Kreuzbein vollständig vom Beckenring getrennt.
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Abb. 2 Minimalinvasive Verschraubung des hinteren Beckenrings. a Zunächst wird ein K-Draht angehalten, um die richtige Höhe im Seitbild zu erfassen. b Der Eintrittspunkt des K-Drahtes sollte hinter der ICD-Linie (ICD: iliac cortical density) liegen. Damit wird verhindert, dass der Draht vorne am Becken austritt. c Outlet-Aufnahme mit Blick auf die Neuroforamina (rot). d Inlet-Aufnahme mit Blick auf den 1. Kreuzbeinwirbel. Hier soll der Draht zentral zu liegen kommen.
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Abb. 3 Bilder einer transiliakalen Plattenosteosynthese. a Präoperative Bilder einer dislozierten transiliakalen Fraktur. b CT axial postoperativ. c Reposition der transiliakalen Fraktur mit spitzen Repositionszangen. d Eingeschobene dorsale Plattenosteosynthese.
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Abb. 4a Ausgedehnte Fraktur des Sakrums. b Um Frakturen des hinteren Beckenrings gut zu reponieren, kann auch eine Beckenzwinge in Bauchlage hilfreich sein. Weitere Repositionshilfen sind Schanz-Schrauben in der Darmbeinschaufel oder auch eine koaxiale Zange, die am Sakrum eingehängt werden kann.
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Abb. 5a Lagerung in Bauchlage. Gegebenenfalls muss ein Bein, in manchen Fällen auch beide Beine, beweglich abgedeckt werden. b Nach Hautinzision zeigt sich ein erhebliches Hämatom subkutan. Dies ist das Bild einer Morel-Lavalée-Verletzung. c und d In der Obturator-Outlet-Aufnahme sieht man den Kanal, in den die langen Schrauben für die spinopelvine Abstützung in die Darmbeinschaufel eingedreht werden. e Im CT-Schnitt erkennt man die korrekte Lage der langen Schrauben. f Beckenübersicht nach triangulärer Osteosynthese des hinteren Beckenrings.