Krummel T.
et al.
Psychotropic Drug Use in Recreational Scuba Divers and its Effect on Severe Narcosis.
Int J Sports Med 2017;
38: 322-328
Allerdings gibt es dafür erstaunlicherweise kaum harte Belege. Daher haben nun französische
Mediziner diese Frage näher untersucht.
Da eine interventionelle Studie dazu kaum durchführbar ist, hat die Arbeitsgruppe
um Thierry Krummel eine Online-Umfrage in einer Gruppe von mehr als 11 000 lizenzierten
Sporttauchern angestellt. In dem Fragebogen ging es neben demografischen Daten um
die Taucherfahrung, maximale Tauchtiefe, das Auftreten schwerer und lebensbedrohlicher
Stickstoffnarkosen („Tiefenrausch“) bei einem Tauchgang und Einnahme von psychotropen
Medikamenten (aufgeführt waren Schlafmittel, Anxiolytika, Antidepressiva, Neuroleptika,
Antikonvulsiva und Opioide). Schwere Stickstoffnarkosen waren dabei definiert als
das Auftreten von unangenehmen Symptomen, lebensbedrohliche Narkosen als solche, bei
denen die Unterstützung durch einen zweiten Taucher notwendig wurde. Anschließend
setzten die Wissenschaftler Stickstoffnarkosen und Einnahme der Medikamente zueinander
in Beziehung.
Insgesamt 1608 Sporttaucher nahmen an der Umfrage teil (14,3 %). Die meisten waren
erfahrene Taucher: ¾ von ihnen tauchten seit > 8 Jahren, mehr als die Hälfte gab > 200 durchgeführte
Tauchgänge an, und ¾ tauchten in eine Tiefe von ≥ 40 m. Insgesamt 254 Teilnehmer (15,2 %)
gaben die mindestens einmalige Einnahme eines psychotropen Medikaments an, etwa die
Hälfte von ihnen nach Aufnehmen des Tauchsports (n = 126). Über eine schwere Stickstoffnarkose
berichteten 567 Taucher (35,3 %), über eine lebensbedrohliche Narkose 89 Taucher (5,5 %).
Dabei betrug die Häufigkeit einer schweren Stickstoffnarkose
-
bei Tauchern mit Einnahme von psychotropen Medikamente 28,6 %,
-
bei Tauchern ohne diese Medikamente 35,8 % (p = 0,1).
Ähnlich waren die Verhältnisse bei lebensbedrohlichen Narkosen (6,4 vs. 5,5 %; p = 0,7).
Auch bei Aufschlüsslung nach den oben angegebenen Medikamentenklassen fanden sich
keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen.
Ebenso errechneten sich in der logistischen Regressionsanalyse keine Zusammenhänge
von Stickstoffnarkose und Einnahme der psychotropen Medikamente. Die einzigen unabhängigen
Risikofaktoren für das Auftreten waren die Anzahl der insgesamt durchgeführten Tauchgänge
(Odds Ratio [OR] 2,01 – 2,83 mit zunehmender Anzahl gegenüber Tauchern mit < 100 Tauchgängen)
und die maximale Tauchtiefe (OR 1,04/m). Diese Aussage blieb weitgehend unverändert,
wenn nur lebensbedrohliche Narkosen berücksichtigt wurden: Hier waren weibliches Geschlecht
(OR 0,60 für Männer) und maximale Tauchtiefe (OR 1,03/m) signifikante Risikofaktoren.
Nach diesen Daten scheint die Einnahme von psychotropen Medikamenten nicht per se
mit einem erhöhten Risiko für eine Stickstoffnarkose beim Tauchen verbunden, so die
Autoren. Tauchanfängern mit stabiler Erkrankung unter Einnahme eines solchen Medikaments
müsse daher nicht unbedingt von dem Sport abgeraten werden, sondern sie sollten ihre
Tauchtiefe unter Aufsicht erfahrener Kollegen ganz allmählich steigern, meinen Krummel
et al. abschließend.
Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim