Geburtshilfe Frauenheilkd 2018; 78(02): 101-102
DOI: 10.1055/s-0043-123812
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Birgit Seelbach-Göbel
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Publication Date:
19 February 2018 (online)

bereits im Editorial der Dezember-Ausgabe 2017 hatte ich auf die Engpässe in der klinischen geburtshilflichen Versorgung hingewiesen.

Aufgrund der alarmierenden Situation hat die DGGG nun gemeinsam mit dem BVF und der BLFG Vertreterinnen der Hebammenfachverbände am Samstag, den 20. Januar 2018 nach Berlin eingeladen, um die zugrunde liegenden Ursachen zu analysieren und erste Lösungsansätze zu erarbeiten.

Bereits im November 2017 hatte die DGGG eine Blitzumfrage an geburtshilflichen Kliniken durchgeführt, auf deren Grundlage die Situation präziser eingeschätzt werden konnte. Die Ergebnisse wurden ebenfalls in der Dezember-Ausgabe der GebFra publiziert. Die Umfrage hatte ergeben, dass in den vorausgegangenen 6 Monaten mehr als 35% der 198 Kliniken, die an der Erhebung teilnahmen, Schwangere unter der Geburt mindestens einmal abgewiesen haben. Gefragt nach den Ursachen nannten die geburtshilflichen Abteilungen folgende Gründe für die Engpässe (Mehrfachnennungen waren möglich): Mit 65,8% lag es primär an einem Mangel an Hebammenbetreuung, gefolgt von der Überlastung der neonatologischen Stationen (64,4%), fehlenden Raumkapazitäten (56,1%) und einem Arztmangel in der Geburtshilfe (13,7%). Diese Zahlen bestätigen, dass aktuell ein ernst zu nehmendes Problem vorliegt.

Auf Initiative der DGGG trafen sich deshalb die Vorsitzenden der DGGG, BLFG und des BVF mit Vertreterinnen des Deutschen Hebammenverbandes (DHV), des Bundes freiberuflicher Hebammen Deutschlands (BfHD) und der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft (DGHWi) in der Berliner Repräsentanz der DGGG zu einem Neujahrsgespräch. Gemeinsam wurden die zugrunde liegenden Ursachen für die Engpässe eingehend diskutiert, um anschließend Lösungsvorschläge zu erarbeiten, die die Sicherstellung der geburtshilflichen Versorgung in Deutschland gewährleisten sollen. Da zu einem hohen Prozentsatz ein Mangel an Hebammenbetreuung in den geburtshilflichen Abteilungen für Engpässe sorgt, stand die Frage im Mittelpunkt, wie vor allem wieder mehr Hebammen von der Arbeit in den Kreißsälen überzeugt werden können, denn nur rund ein Viertel der deutschen Hebammen sind gegenwärtig aktiv in der Geburtshilfe tätig. Die Gespräche ergaben auch, dass ein sehr hohes Arbeitsaufkommen, starke Hierarchien und diverse Aufgaben, die nicht prioritär in den Arbeitsbereich der Hebammen fallen, dazu führen, dass seitens der Hebammen in den Kliniken oftmals keine umfassende Betreuung der Gebärenden möglich ist und sie sich daher häufig gegen eine Tätigkeit in der klinischen Geburtshilfe entscheiden.

Unser Neujahrsgespräch wurde von allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern als sehr angenehm und sehr konstruktiv beurteilt.

Vor dem Hintergrund einer gemeinsamen Verantwortung von ärztlichen Geburtshelferinnen und Geburtshelfern und Hebammen für die geburtshilfliche Versorgung der werdenden Mütter und ihrer Kinder sehen es die Verbände als unabdingbar an, kurzfristig folgende Sofortmaßnahmen umzusetzen:

  • Hebammen sollen maximal 2 Frauen gleichzeitig während der Geburt betreuen,

  • sie müssen von fachfremden Tätigkeiten, welche nicht prioritär zum Aufgabenbereich der Hebammen gehören, entlastet werden,

  • die Arbeitsbedingungen müssen hinsichtlich Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Flexibilität, beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten, angemessener Vergütung verbessert werden und

  • der Wiedereinstieg in die Geburtshilfe im Kreißsaal muss (bspw. nach der Elternzeit) durch geeignete Wiedereingliederungsmaßnahmen erleichtert und gefördert werden.

Einen Teil dieser Aufgaben können und werden die 6 Verbände von Frauenärzten und Hebammen gemeinsam unverzüglich in Angriff nehmen. Für einen weiteren Teil sind politische Entscheidungen erforderlich, die mittel- und langfristig zu einer Optimierung der geburtshilflichen Versorgung führen sollen.

Dies gilt auch für die Engpässe in Raumkapazität und neonatologischen Intensivstationen. Hier sind gesundheitspolitisch nachhaltige, krankenhausplanerische und personelle Konzepte gefragt. Wir stehen bei deren Entwicklung jederzeit gerne zu Verfügung, denn wir gemeinsam tragen die Verantwortung.

Packen wir es an.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Birgit Seelbach-Göbel, Präsidentin der DGGG e. V.