Schlüsselwörter
Angst vor dem Tod - Schizophrenie - Depression - Terror-Management-Theorie - Psychothanatologie
Key words
death anxiety - schizophrenia - depression - terror management theory - psychothanatology
„Der Tod ist eine ursprüngliche Quelle der Angst, und als solche
ist er die primäre Quelle der Psychopathologie“
Irvin D. Yalom 2010 [1]
Einleitung
Sowohl die Angst als ein psychopathologisches Merkmal psychiatrischer Störungen als
auch die verschiedensten Strategien und Abwehrmechanismen der
Patienten, diese Angst zu bekämpfen, haben einen hohen Stellenwert in der alltäglichen
Tätigkeit eines Psychiaters und Psychotherapeuten. Als
Psychiater erlebt man vor allem Begegnungen mit Menschen, die an ihrem Leben verzweifeln.
Eine ausdrückliche Betrachtung der Todesangst im
alltäglichen diagnostischen und therapeutischen Prozess findet jedoch nur selten statt.
Die Angst vor dem Tod scheint so tiefgreifend zu sein,
dass der Mensch alles tut, um sie zu vermeiden oder gar anzusprechen. Dies scheint
auch einen gewissen Unwillen des psychiatrischen Fachgebiets
einzuschließen, sich mit dieser Thematik wissenschaftlich näher auseinanderzusetzen.
Die Angst vor dem Tod und die Ungewissheit, was danach kommen wird, ist aber ein wesentlicher
Gegenstand des menschlichen Denkens. So hat sich
die Philosophie seit ihren Anfängen mit Fragen des Todes auseinandergesetzt. Bereits
in den Textfragmenten aus der griechischen Antike finden
sich zentrale Gedanken und Theorien des Todes, die über die Zeitepochen hinweg die
philosophische Auseinandersetzung mit dieser Thematik prägen.
Die sog. vorsokratischen Denker verstanden den Tod als „Prinzip des Übergangs und
der Verwandlung, als Vater allen Werdens“ (Heraklit), als
„Vermischung und Entmischung von Stoffgruppen“ (Empedokles) oder – wie es später Platon
im Fall von Sokrates Einstellung zum Tod formulierte –
als „befreiende Ablösung der Seele vom Körper“ (Pythagoras) und „Rückkehr alles Seiende
in ein Unbestimmtes, aus dem es entstanden ist“
(Anaximander). Teile dieser frühen unterschiedlich philosophisch motivierten Todestheorien,
in denen der Tod in seiner „Undenkbarkeit als ein
Abstraktum“ betrachtet wird [2], tauchen dann wiederholt in den Gedankenwelten späterer Philosophen auf (z. B.
zusammengefasst in [3]). So stammt das stärkste Argument gegen die „Angst vor dem Tod“, welches auch in
der
gegenwärtigen philosophischen Debatte über den Tod weiter ernsthaft diskutiert wird,
von Epikur [4]: „Gewöhne
dich daran zu glauben, dass der Tod keine Bedeutung für uns hat. Denn alles, was gut,
und alles, was schlecht ist, ist Sache der Wahrnehmung.
Der Verlust der Wahrnehmung aber ist der Tod … Das schauerlichste Übel also, der Tod,
geht uns nichts an, denn solange wir existieren, ist der
Tod nicht da, und wenn aber der Tod da ist, dann sind wir nicht da.“ Aber so „einfach“
scheint die Lösung für die Angst vor dem Tod nicht zu
sein, denn natürlich haben wir tiefe Emotionen wie die Angst vor dem Tod, der uns
unser wertvolles bewusstes Leben und damit unsere weitere
Zukunft beraubt [5].
Geht man jedoch in die gegenwärtige oder frühere psychiatrische und psychotherapeutische
Literatur, dann findet man im Gegensatz dazu über die
Zusammenhänge zwischen der Angst vor dem Tod als psychopathologisches Phänomen im
Rahmen psychiatrischer Störungen – abgesehen von der kürzlich
stärker beachteten sog. „Terror Management Theorie“ [6] – nur wenige bedeutsame und konstruktive Ansätze.
Begriffe der „Angst vor dem Tod“
Begriffe der „Angst vor dem Tod“
Die erste Herausforderung bei der Beschäftigung mit dieser Thematik besteht darin,
die verschiedenen, im Umlauf befindlichen Begriffe wie
„Todesangst“, „Todesfurcht“, „Furcht vor dem Tod“ oder „Angst vor dem Tod“ (im Engl.
„death anxiety“, fear of death“) inhaltlich valide zu
interpretieren, zumal kein einheitlicher Gebrauch vorherrscht und die Begriffe oft
(wie z. B. bei Yalom [1])
auch synonym verwendet werden. Dabei resultiert diese Problematik nicht primär aus
der Semantik, sondern eben auch aus der Natur des
Betrachtungsgegenstandes:
Der Philosoph Sören Kierkegaard war der erste, der eine Unterscheidung zwischen Furcht
(„vor einer Sache“) und Angst vor „einem Etwas, das Nichts
ist“ traf. In seiner Abhandlung „Der Begriff Angst“ (1844) stellt er fest [7], dass das eigentliche Wovor der
Angst nicht der Tod, sondern das Nichts ist. Die Angst vor dem Tod ist für ihn die
Angst, sich selbst zu verlieren und zu Nichts zu werden [8]. Basierend auf die Theorie des Todes von Kierkegaard wurde die differenzierte Betrachtung
der beiden Begriffe
Angst und Furcht bedeutsam vor allem für die Existenzialisten (im philosophischen
aber auch psychologischen Bereich) wie z. B. M. Heidegger:
Angst sei im Gegensatz zur Furcht, weder auf etwas Konkretes und klar Umschriebenes
gerichtet noch auf eine vorübergehende Ausnahmesituation
begrenzt. „Die Angst ist immer Angst vor … aber nicht vor diesem oder jenem … Die
Unbestimmtheit dessen jedoch, wovor und worum wir uns
ängstigen, ist kein bloßes Fehlen der Bestimmtheit, sondern die wesenhafte Unmöglichkeit
der Bestimmbarkeit“ [9]. Jedoch hat Heidegger sich kaum zur Angst vor dem Tod geäußert, für ihn kommt der
wirklich Daseiende in der entschlossenen Annahme
des Seins zum Tod zu sich selbst.
Rollo May als ein Hauptvertreter der existenziellen Psychologie definiert als „Todesangst“
den emotionalen Zustand, der durch eine reale Gefahr
ausgelöst wird (z. B. bei Geiselnahmen) und unterscheidet diese von der „Angst vor
dem Tod“. Die Angst vor dem Tod wird als Reaktion auf eine
unspezifische Bedrohung, die auf die gesamte Existenz der Person abzielt, verstanden.
Hingegen ist die Furcht die Reaktion auf spezifische
Bedrohungen, die im Zusammenhang mit Tod und Sterben stehen. „Furcht ist immer eine
Furcht vor etwas, Angst ist immer eine Angst vor Nichts,
demnach entspricht die Angst vor dem Tod der Angst vor dem Nicht-Sein.“ [10]. Entwicklungspsychologisch steht
Angst vor der Furcht. Das meint, dass zunächst auf eine Bedrohung mit einer diffusen
undifferenzierten emotionalen Reaktion reagiert wird und im
Laufe der Lernentwicklung bilden sich differenzierte emotionale Reaktionen auf spezifische
und lokalisierte Gefahren: „Die Angst vor dem Tod
drängt danach sich zur Furcht vor dem Tod zu verwandeln: vor etwas Konkretem können
wir uns selbst schützen.“ [10]. Für den Theologen Paul Tillich haben Angst und Furcht die gleiche ontologische
Wurzel: Furcht bezieht sich aber auf ein
bestimmtes Objekt, während die Angst kein Objekt hat; bzw. nach seiner Meinung ist
das Objekt der Angst „die Negation jedes Objektes“ [11]. Im Zusammenhang mit dem Nicht-Sein als Bedrohung des Seins unterscheidet Tillich
drei Typen von Angst: 1.
die Angst des Todes, 2. die Angst der Sinnlosigkeit und 3. die Angst der Verdammung.
Diese drei Formen der existentiellen Angst, die in „der
Existenz des Menschen in seiner Endlichkeit und Entfremdung enthalten sind“, unterscheiden
sich seiner Ansicht nach von der psychotischen bzw.
neurotischen Angst im Rahmen eines „abnormen Geisteszustandes“. Interessanterweise
versteht Tillich diese pathologischen Formen der Angst als
das Ergebnis einer geringen Selbstbejahung und des geringen Mutes, sich der Angst
des Nicht-Seins zustellen.
In seinem Buch „Existenzerhellung“ (1932) betrachtet der Philosoph und Psychiater
Karl Jaspers den Tod und die verschiedenen Formen der Angst vor
dem Tod im Kontext von sog. „Grenzsituationen“. Darunter bezeichnet er Situationen
der menschlichen Existenz, welche man subjektiv unabwendbar,
endgültig und unüberschaubar empfindet, und die uns an die „Grenzen unseres Seins“
stoßen. Hier zeigt sich für Jaspers die „Zerbrechlichkeit des
Seins“. Es sind Situationen geprägt vom Erleben von Schuld, Leid, Kampf und Tod, denen
wir uns unabänderlich ausgeliefert fühlen: „Sie sind wie
eine Wand, an die wir stoßen, an der wir scheitern.“ [12]. Jaspers unterscheidet zwei Formen der Angst vor dem
Tod („die zweifache Angst“): einerseits die Angst „existentiellen Nichtseins“ gefüttert
aus der Furcht heraus, nicht richtig gelebt zu haben,
Möglichkeiten in seiner Existenz ungenutzt und Chancen verpasst zu haben und andererseits
die Angst „vor dem vitalen Nichtsein“, d. h. dem
„radikalen Nichts des Daseins“ verstanden als ein „leib-seelischer Gegenstand“. Letztlich
dient die Angst vor dem Tod – so Jasper – der
Vergewisserung und Verwirklichung der Existenz und kann so zu einer „ruhigen Haltung
und Gefasstheit auf den Tod“ betragen.
Eine ähnliche Betrachtungsweise findet sich später auch bei dem Psychoanalytiker Fritz
Riemann. Für ihn gehört allgemein die Angst unausweichlich
und unvermeidlich zu unserem Leben, genauso wie die ständigen Bemühungen des Menschen
diese zu überwinden: „Es bleibt wohl eine unserer
Illusionen, zu glauben, ein Leben ohne Angst leben zu können; sie gehört zu unserer
Existenz und ist eine Spiegelung unserer Abhängigkeiten und
des Wissens um unsere Sterblichkeit“ konstatiert Fritz Riemann in seinem Buch über
die „Grundformen der Angst“ (1961). Sämtliche Mühen und
Versuche des Menschen die Angst zu unterdrücken und zu verdrängen, sind als kurzfristige
„Entaktualisierungsmaßnahmen“ zu betrachten, denn „wie
der Tod nicht aufhört zu existieren, wenn wir nicht an ihn denken, so auch nicht die
Angst.“ [13]. Angst hat
zwei wesentliche Komponenten, sie signalisiert und warnt uns vor Gefahren und stellt
somit einen Motivationsmotor für Veränderungen dar.
Andererseits kann sie in übermäßiger pathologischer Form uns zum Erstarren bringen
und uns am Leben hemmen, wenn wir es nicht schaffen, uns ihr
zu stellen. Jede neue Situation und alles Unbekannte, was uns im Leben begegnet, hängt
mit dem Gefühl der Angst zusammen; das Überwinden dieser
lässt uns in unserer Persönlichkeit reifen und weiterentwickeln. Neben diesen „völlig
normalen, alters- und entwicklungsgemäßen Ängste“ gibt es
eben auch die uns störenden pathologischen Formen der Angst zumeist als Folge „unauflösbarer
Gegensätzlichkeit und Widersprüchlichkeit in
unserem Wollen und Streben und in unserem Fühlen und Denken“. Es seien Varianten der
vier von ihm erarbeiteten Grundformen der Angst vor der
Selbsthingabe, der Selbstwerdung, der Wandlung und der Notwendigkeit, basierend auf
den sich widersprechenden menschlichen „Strebungen nach
Selbstbewahrung und Selbstverwirklichung versus Selbsthingabe und Selbstvergessenheit“
sowie nach „Dauer und Unvergänglichkeit versus Wandlung
und Vergänglichkeit“[13].
Zusammengefasst muss also unterschieden werden zwischen „Furcht vor dem Tod“ als Reaktion
auf spezifische, konkrete Bedrohungen verschiedener
Aspekte der Existenz (z. B. Krankheiten, Schmerzen) und der „Angst vor dem Tod“ als
Reaktion auf unspezifische Bedrohungen, die auf die
Gesamtheit der Existenz der Person abzielen. Im Gegensatz dazu beschreibt der Begriff
der „Todesangst“ den emotionalen Zustand, der durch eine
reale Gefahr ausgelöst wird (z. B. „Bedrohung mit Pistole am Kopf“). Wiederholt wird
zudem auf die Unterscheidung zwischen „normaler Angst“ und
„neurotischer Angst vor dem Tod“ hingewiesen [14], [10], [15]. Nach Ochsmann [15] sind es intrapsychische Konflikte
und unverhältnismäßig stark erlebte Bedrohungen, die dazu führen, dass aus der normalen
Angst eine neurotische Angst vor dem Tod wird. Für May
[10] liegt eine „neurotische Angst“ dann vor, wenn zudem neurotische Abwehrmechanismen
eingesetzt und
dadurch eine bewusste und konstruktive Auseinandersetzung mit der Situation und der
objektiven Bedrohung verhindert werden. In Bezug auf die
„Angst vor dem Tod“ unterscheidet sich nach Meyer [14] der gesunde („normale“) Mensch von einem Patienten mit
einer sog. „thanatophoben Neurose“ lediglich darin, dass er „es nicht als belastend
empfindet, dass er lebt von einem Tag zum anderen, von
Stunde zu Stunde, ohne zu wissen, ob er morgen oder in 20 Jahren sterben wird“ [16].
„Angst vor dem Tod“ und psychische Störungen
„Angst vor dem Tod“ und psychische Störungen
Joachim E. Meyer hat sich früh und als einer der wenigen (deutschen) Psychiater ernsthaft
mit der „Angst vor dem Tod“ vor allem im Zusammenhang
mit der Entstehung neurotischer Störungen befasst. In seinem Buch „Tod und Neurose“
1973 zeigt er die Bedeutung der Todesangst als eine
wesentliche Determinante dieser psychischen Störungen auf. Anhand seiner empirischen
Beobachtungen schreibt er den unbewältigten
Todeserfahrungen von Neurose-Erkrankten eine wesentliche auslösende und verursachende
Bedeutung zu. Er konstatiert bei einzelnen Neuroseformen
wie Hypochondrie, Angst- und Zwangsneurose das Vorliegen einer „massiven Todesangst
zum Zeitpunkt ihrer Manifestation“. Im weiteren Verlauf wird
diese Todesangst beschwichtigt und durch das Gefühl von Sorge bzw. Befürchtung verdrängt.
Je stärker die neurotische Störung ausgeprägt ist,
desto mehr wird die „Einstellung zur Sterblichkeit in die neurotische Verarbeitung
(als Verdrängung, Entstellung und Übersteigerung) einbezogen“
[14]. In seiner Analyse der „thanatophoben Neurosen“ unterscheidet er zwar zwischen Todesangst
und
Sterbensfurcht, sieht aber hierbei auch eine Vielzahl weiterer Ängste und Sorgen [16]. So beinhaltet die
Sterbensfurcht seiner Ansicht nach u. a. die Sorge um das „Wie“ des eigenen Todes
gerade im Kontext von Einsamkeit und „alleine Sterben“, die in
Abhängigkeit von Lebensalter und Persönlichkeitsreife als Ausdruck der Angst des „Allein-Gelassen-werdens“
und Verlusts der nächsten Angehörigen
(bei älteren Menschen), bzw. bei jungen Menschen als Trennungsangst von den Eltern
verstanden werden könnte. Weitere Aspekte sind für Meyer auch
die „ungewisse Stunde unseres Todes, die hora incerta“, wobei hier das „Unvorhersehbare
des Zeitpunktes unseres Endes“ und damit einhergehend
der „Fristcharakter des Lebens“, da wir nicht wissen wie viel Lebenszeit uns wirklich
bleibt, wesentlich zur Gestaltung der Angst vor dem Tod
beitragen. Eng in Verbindung damit steht nach Meyer – und hier befindet er sich im
Einklang mit Karl Jaspers Ansicht zur Todesfurcht [12] – nicht zuletzt die Sorge, nicht richtig gelebt zu haben, Möglichkeiten ungenutzt
und – nach Tugendhat [17] – die Chance verpasst zu haben, dem Leben einen Sinn zu geben und so den Tod dann
als einen guten Abschied
zu verstehen. Gerade aber das Bilanzieren des hiesigen Daseins fließt zwangsläufig
in die Sorge um das „Danach“ verbunden mit dem Wissen des
„Dann-Nicht-Mehr-Seins“ und der Ungewissheit bzgl. eines möglichen Weiterexistierens
über den Tod hinaus. Die von Meyer anhand eindrucksvoller
Beispiele von betroffenen Patienten dargestellten differenzierten Aspekte der Todesangst
erscheinen im Sinne intrapsychischer Abwehrstrategien
nachvollziehbar bei der Entstehung und Aufrechterhaltung psychischer Störungen beteiligt
zu sein. Letztlich bleibt jedoch vor allem die Frage
offen, ab wann und unter welchen Bedingungen eine „physiologische Angst vor dem Tod“
zu einer pathologischen, d. h. „neurotischen Angst vor dem
Tod“ wird. Meyer teilt hier die Auffassung Melanie Kleins [18], dass der Übergang zwischen „Realangst und
neurotischer Angst ein fließender ist, zumal es keine scharfen Grenzen und eine lebenslange
Interdependenz zwischen den beiden besteht“.
Darüber hinaus ist die Bedeutung der „Angst vor dem Tod“ bei psychiatrischen Patienten
systematisch und empirisch insgesamt nur wenig untersucht
worden (zur Übersicht: [19]). Zusammengefasst sind es Korrelationsstudien zwischen einer „bewussten Angst“
gemessen mittels „grob konstruierter Skalen und einer Reihe demografischer und psychometrischer
Variablen“ [1].
Abdel-Khalek, der in den letzten 2 Jahrzehnten wiederholt Untersuchungen zu „death
anxiety“ bei gesunden und psychisch erkrankten Personen
bevorzugt aus dem arabischen Kultur- und Lebensbereich (z. B. Ägypten, Kuwait) unter
Verwendung der von Templer entwickelten „Death Anxiety
Scale (TDAS) [20], durchführte, fand erhöhte Todesangstwerte bei Patienten mit einer Angststörung,
Patienten
mit einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis sowie männlichen Patienten
mit einer Abhängigkeitserkrankung [21], [22]. Das überraschende
Ergebnis dieser Studien war aber, dass männliche Patienten mit einer Schizophrenie
die niedrigsten Werte auf der TDAS aufwiesen, wohingegen die
Frauen in allen Untersuchungsgruppen durchweg höhere Werte bezüglich der Angst vor
dem Tod zeigten. Eine nachvollziehbare Erklärung des Befundes
einer niedrigen Angst vor dem Tod bei den männlichen schizophrenen Patienten liefert
Abdel-Khalek jedoch nicht, obwohl oder gerade weshalb
dieses Ergebnis nicht mit früheren Befunden übereinstimmt. So fanden Planansky und
Johnston [23] in ihrer
Untersuchung mit mehr als 200 männlichen schizophren erkrankten Patienten, dass 39 %
der Betroffenen nicht nur sich ständig mit der
Todesthematik gedanklich befassten, sondern auch eine Zunahme der Angst vor dem Tod
im zeitlichen Zusammenhang mit der Erstmanifestation bzw.
Exazerbation der psychotischen Symptomatik zu beobachten war. Insgesamt scheint die
Todesthematik verbunden mit der Angst vor dem Tod bei
Patienten mit einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis eine besondere Bedeutung
zu haben. In der Dissertationsschrift von K. Hilfiker
von 1927 [24] „Die schizophrene Ichauflösung im All“ finden sich in den verschiedenen Patientenbeschreibungen
einige Hinweise bezüglich der Ansichten und Denkinhalte zu Tod und Todesangst bei
Personen mit einer Schizophrenie, die er als
„kosmisch-phantastische Paranoide“ bezeichnet. So sind die dort beschriebenen Patienten
der Ansicht, dass es kein „Ende des Lebens“ gibt, sie
wähnen sich als eine „Inkarnierung der welterhaltenden und weltbelebenden Kraft“.
„Sein Ich, das Wesen seines Lebens, fällt mit dieser zusammen,
sein gewöhnliches Ich aber nicht. Denn dieses kann ersetzt werden durch einen anderen
Weltvertreter“. Er ist gleichsam nur die Wohnstätte einer
„überpersönlichen Kraft“. Nach Hilfiker wird der Individualtod von den Patienten als
ein „Verlassen des Körpers“ bzw. als „Ohnmacht“ oder als
„Unsichtbarwerden“ aufgefasst. Das Leben insgesamt wird erst durch den „Tod des Alls,
durch das Sichzurückziehen des Alls von allen seinen
Manifestationen, von der Welt“ beendet. Dies wird als der „absolute Tod“ angesehen,
den manche Patienten als „Loslösung“ und „Erlösung aus dem
ewigen Kreislauf des Lebens“ anstreben. Hilfiker sieht zwischen diesen Denkweisen
der an Schizophrenie Erkrankten Parallelen zu mystischen
Vorstellungen primitiver Kulturvölker, aber auch zu religiös-philosophischen Anschauungen:
„Sie gleichen den Buddhisten, die durch die
Wahnversiegung, durch die „Verneinung des Willens zum Leben“ (Schopenhauer) das Rad
von Geburt und Tod zum Stillstand bringen wollen, um in
ewiger Ruhe, im Nirwana zu bleiben. Die Kranken erstreben nicht das Nichts, sie erstreben
das Leben im von der Welt losgelösten All“ [24]. Aus diesen von Hilfiker frühen eindrucksvoll beschriebenen Todesansichten im Rahmen
der
Schizophrenie-bedingten Ich-Störung („Ichauflösung im All“) kann einerseits nachvollziehbar
abgeleitet werden, dass die betroffenen Patienten
keine bzw. kaum eine Angst vor dem Tod haben dürften, was mit den Untersuchungsbefunden
von Abdel-Khalek [21], [22] vereinbar wäre. Andererseits
könnte dies Verhalten auch als ein Versuch der Todesverdrängung und Todesangstabwehr
gedeutet werden. Als ein indirekter Hinweis hierfür kann
die Untersuchung von Stompe et al. [25] herangezogen werden, die zeigen konnte, dass bei Patienten mit einer
Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis signifikant häufiger als bei den gesunden
Kontrollen Träume mit extremen Angstinhalten (hier
überwog die Angst vor dem Tod und die Angst vor Verstümmelung) vorkamen. Yalom [1] ist der Auffassung, dass
viele der an Schizophrenie erkrankten Patienten nicht fähig seien, „sich selbst als
erfüllt von Leben zu erfahren“, sondern sich durch eine
umfassende Verdrängung aller Affekte sich im Zustand des „Totseins“ wähnen. Somit
würden schizophrene Patienten keine Angst vor dem Tod haben,
da sie sich ohnehin tot fühlten. Zudem scheint dieser Zustand des vorgezogenen Todes
eine Schutzfunktion für den schizophrenen Patienten zu
haben, zumal er durch das Wissen um die eigene Endlichkeit, Traumata und Verlusterlebnisse
überwältigt wird und emotional überfordert ist.
Hierbei spielt jedoch auch ein Gefühl der Omnipotenz eine wichtige Rolle bei der Todesverleugnung,
wie bereits von Hilfiker postuliert worden
war.
Zusammenfassend lassen sich sowohl aus den empirischen Studien [21], [22], [23] als auch den Fallserien [01], [24], [25] bezüglich der schizophrenen
Erkrankungen Hinweise finden, dass Patienten mit einer Schizophrenie offenbar aufgrund
ihrer psychopathologischen Symptomatik eine geringere
Angst vor dem Tode im Verlauf, jedoch im Kontext der unmittelbaren psychotischen Exazerbation
eher stärkere Werte aufweisen. Die Angst vor dem
Tod kann nicht als Auslöser einer psychotischen Symptomatik angesehen werden. Denn
gerade die Erfahrungen ausgeprägter Ich-Störungen mit der
„Auflösung des Ichs in Anderen und Umwelt“ scheinen im Verlauf der Erkrankung dazu
zu führen, dass die „Auflösung des Ichs im Tod“ als weniger
bedeutsamer und angstbesetzt angesehen und erlebt werden. Das Gefühl des „vorgezogenen
Todes“ als intensive Psychose-Erfahrung („man sei doch
ohnehin schon tot“) kann aber sowohl als innere Distanzierung von den eigenen Lebenswünschen
und -impulsen als auch einer Todesverleugnung im
Sinne von Größenideen interpretiert werden. Aus all diesem geht aber hervor, dass
die Thematik der Angst vor dem Tod bei schizophrenen
Erkrankungen in keinster Weise abschließend geklärt ist. Hier müssen noch viele weitere
vor allem empirischen Studienanstrengungen in der
Zukunft erfolgen.
Auf der anderen Seite konnte Templer bereits 1971 einen engen Zusammenhang zwischen
Angst vor dem Tod und Depression bei älteren Patienten
aufzeigen [26]. Brubeck und Behr [27] fanden in ihrer Untersuchung von 131
Schulkindern eine deutliche stärkere Angst vor dem Tod bei den Kindern mit niedrigem
Selbstwertgefühl bei depressiver Symptomatik im
Zusammenhang mit der Scheidung der Eltern. Die von der Forschergruppe der Terror Management
Theorie (TMT) durchgeführte Untersuchung mit leicht
depressiven Patienten konnte entsprechend der TMT als Zeichen erhöhter Angst vor dem
Tod zeigen, dass diese nach Konfrontation mit der eigenen
Sterblichkeit stärker und vehementer das eigene Kultur- und Weltbild verteidigten
und schließlich darin auch einen Sinn für ihr Leben sahen
[28].
Zur Psychodynamik der Angst vor dem Tod
Zur Psychodynamik der Angst vor dem Tod
„Nicht-Mehr-Ich-Sein“ und „Nie-Wieder-Ich-Sein“ lösen Ängste im existenziellen Sinne
aus, die über einen „puren“ Verlust hinausgehen. Freud
kannte in dem Sinne keine neurotische Todesangst, weil die Entstehung von Neurosen
ohne innere Konfliktinhalte des Unbewussten nicht denkbar
ist. Er hat die Todesangst primär im Kontext der Kastraktionsangst gesehen. Sicherlich
ist das auch ein erheblicher Verlust, aber nicht des Ichs
an sich, weil er meinte, dass sie nicht im Unbewussten repräsentiert werden könne.
Später sah er den Tod und die Endlichkeit des Menschen als
schwere narzisstische Kränkung, die jedem Menschen angetan wird, auf die er nur depressiv
schicksalsergeben, wütend-aggressiv oder „psychotisch“
realitätsverkennend-abspaltend reagieren kann, ähnlich wie das dann M. Klein [23] in der depressiven und
psychotischen Position sah. Und Freuds Todestriebtheorie [29] lässt sich insgesamt ein stückweit einreihen in
die Tradition von Epikur mit ihrer angenommenen Tendenz zu Auflösung und Rückkehr
ins Organische [30], welche
quasi naturwissenschaftlich daherkommt und „objektiv“ gegeben erscheint, weswegen
man doch eigentlich keine Angst haben müsste, und offenbar
eine Sublimierung und damit Abwehr von Freuds eigener, durchaus intensiv empfundener
Todesangst [31] darstellt.
Otto Rank thematisierte 1931 [32] eine „ursprüngliche Angst“, die sich als Abwehrstrategie mal als
„Lebensangst“, mal als „Todesangst zeigen würde, wobei erstere die Angst vor Vereinzelung
und Einsamkeit und letztere als Angst vor Auflösung
des individuellen Ichs im Ganzen darstellt. Erst die weitere Tradition der psychoanalytischen
Psychosetherapie erbrachte auch für die
psychodynamische Einschätzung der Todesangst wichtige Erkenntnisse zur Angst vor Ich-Verlust,
Fragmentierung und Vernichtung meiner selbst (s.
z. B. [33]). So definierte Stern 1968 [34] die Todesangst als „Wiederholung
einer früheren Situation, in dem das Ich etwas erlebt hat, das seiner eigenen Vernichtung
gleichkam“. Diese tiefe „namenlose Angst“, bei der vor
allem negative Introjekte überwiegen (z. B. „verfolgender Vater), ist auch und insbesondere
bei psychotischen Patienten zu finden, die aufgrund
ihrer Symptomatik versuchen, durch Abspaltung/Fragmentierung von Ich-Anteilen diese
abzuwehren und sich zumindest so ein stückweit zu
stabilisieren (z. B. Bion [35]). Benedetti [36] sprach von
„Todeslandschaften“/ „Todeslöchern“ der Seele bei Patienten mit einer Schizophrenie,
bei der dieser in „Erfahrung des Nichts“ sich wie tot
fühlen, in „Leerräume“ fehlender Fähigkeiten und innerer psychischer Strukturen befinden
und eine negative, d. h. nicht vorhandene oder
Leihexistenz (als schon längst Gestorbener) annehmen würde. Frieda Fromm-Reichmann
beschreibt in ihrem Text „Psychiatrische Aspekte der Angst“
von 1955 die Parallelen zwischen Angst vor dem „psychischen Tod“ und der des wirklichen
physikalischen Todes, welche sie ebenfalls im Gefühl des
„Nichts“, der Hilflosigkeit und der Stagnation sieht, sprich in einem vollständigen
Fehlen von Wachstum, Veränderungen und Möglichkeiten
emotionaler Erfahrung und Verwirklichung seiner selbst. Der Mensch würde tagtäglich
innerlich die Veränderungen in seinem Organismus in Richtung
auf die ultimative Auflösung im Tod gewahr werden, diese „Urangst“ versuchen abzuwehren,
während der psychotische Patient durch seine
Symptomatik (Auflösung der Ich-Umwelt-Grenzen und Ich-Zerfall) versucht, der „Furcht
vor dem Nichts“ und der Hilflosigkeit gegenüber dem
„psychischen Tod“ durch Fragmentierung zu entgehen. So sieht sie die Angst, und speziell
die Angst vor dem Tod, als die am häufigste und
unangenehmste Erfahrung des menschlichen Daseins und „Geisteskrankheiten“ als Ergebnis
dieser Angst und gleichzeitig als Reaktionen ihrer
Abwehr. „Die Angst in ihren milderen Formen ist ein universelles Phänomen … Wenn die
Angstzustände so schwer werden, dass die betroffene Person
nicht mit ihnen fertig werden kann, sind geistige Symptome und Geisteskrankheiten
das Endergebnis“ [37].
Terror Management Theorie
Terror Management Theorie
Die TMT baut auf die von Ernest Becker in seinem Buch „Die Überwindung der Todesfurcht
– Dynamik des Todes“[38]
festgehaltenen Überlegungen auf, dass der Mensch stets nach einem sinnerfüllten Leben
strebt, um dadurch seine Todesangst zu bändigen. Die
permanente Verdrängung und Verleugnung des Todes prägt nach Becker das Leben mehr,
als es dem Menschen bewusst ist. Der Mensch ist getrieben vom
ständigen Bemühen innerhalb seines kulturellen Weltbildes, Unsterblichkeit zu erlangen,
um somit dem Tod zu entgehen. Wesentliche Faktoren der
Todesverleugnung und Todesangstverdrängung, die für die individuelle Existenz unabdingbar
sind, sind nach den Entwicklern der TMT [6] das Selbstwertgefühl und das kulturelle Weltbild. Allgemein sei der Mensch permanent
auf Erhaltung seines
Selbstwertes bedacht, welches u. a. auch an die Erfüllung gesellschaftlicher Anforderungen
gebunden ist. Bei Bedrohung des Selbstwerts und des
eigenen kulturellen Weltbilds von außen (z. B. durch Terroranschläge usw.) reagiere
der Mensch mit Existenz- und Todesängsten. Um mit dieser
Angst und dem Wissen der eigenen Sterblichkeit (Mortalitätssalienz) weiterleben und
funktionieren zu können, bediene sich der Mensch diverser
Mechanismen und Konstrukte der Festigung und Bestätigung des eigenen Weltbilds sowie
des eigenen Werts als „Angstpuffer“, wie Solomon, Greenberg
und Pyszczynski in ihren experimentell-behavioralen Untersuchungen wiederholt bei
gesunden Probanden, aber auch bei Menschen mit psychischen
Störungsbildern hauptsächlich aus dem neurotischen und reaktiv-traumatischen Spektrum
zeigen konnten [06], [39] . Für die Erforscher der TMT
besteht kein Zweifel, dass bei vielen psychiatrischen Störungen (die sie als „Terror-Missmanagement“
verstehen) die Angst vor dem Tod eine
wichtige Rolle spielt. So konnte in Bezug auf den Zusammenhang psychischer Erkrankungen
und Angst vor dem Tod durch die TMT-Arbeiten vor allem
eine enge Verbindung zwischen starker Todesangst und erhöhtem Neurotizismus erneut
gezeigt werden. Interessanterweise führte bei Patienten mit
isolierten Phobien wie z. B. Arachnophobie, aber auch mit einer generalisierten Angststörung
die experimentelle Konfrontation mit der eigenen
Sterblichkeit zu einer Zunahme der Angstsymptomatik; analog dazu zeigten Patienten
mit einer Zwangsstörung eine Verstärkung ihres Waschzwanges.
Für die TMT-Entwickler ist die Zunahme der phobischen Reaktionen und des Zwangsverhaltens
durch das Bewusstmachen der eigenen Sterblichkeit
wenig überraschend. Während der Phobiker die unermessliche Todesangst auf bestimmte,
fassbare Objekte projizieren würde, versuche der
Zwangsneurotiker durch übermäßige Kontroll- und Vorsichtsmaßnahmen, diese Angst zu
verdrängen [19]. Zu erwähnen
ist dabei, dass auch andere neurotische Abwehrstrategien gegen die Todesangst unbewusst
eingesetzt werden, wie z. B. die von Yalom [1] beschriebenen: Die erste würde auf dem Glauben an den magischen Schutz durch den
„letzten Retter“ basieren,
der uns vor dem Tod bewahren könne, die zweite umfasse den Glauben an die eigene Besonderheit
und Grandiosität. Diese Formen der neurotischen
Abwehr der Todesangst gehen einher mit Nachteilen, denn sie können die Entwicklung
von Autonomie und Selbstverantwortung verhindern und
Bindungs- und Beziehungsfähigkeit minimieren [40]. Dies scheint bei Menschen mit sozialen Ängsten besonders
nachteilig zu sein, zumal diese nach der Konfrontation mit der eigenen Sterblichkeit
im Rahmen der TMT-Experimente mit weiteren sozialem Rückzug
reagieren, andererseits ihre neurotisch narzisstisch-schizoide Todesabwehr eine permanente
Fokussierung der Aufmerksamkeit auf vermeidliche
Bedrohungssituationen bedingt, so dass im Sinne eines Circulus vitiosus die Angstsymptomatik
aufrechterhalten würde [41].
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Fülle der Veröffentlichungen der TMT-Gruppe
um Solomon, Greenberg und Pyszczynski in den letzten 2
Jahrzehnten zur Todesangst den Eindruck erweckt, dass die Angst vor dem Tod bei Patienten
mit einer depressiven Erkrankung das depressive Leiden
bestimmt. Schaut man sich aber die entsprechenden Arbeiten an, so muss man ernüchternd
feststellen, dass die Angst vor dem Tod bei Patienten mit
depressiven Störungen aber auch bei Patienten mit einer Erkrankung aus dem schizophrenen
Formenkreis, so wie man sie im alltäglichen
psychiatrischen Setting erlebt, faktisch seitens der TMT nicht untersucht worden ist.
Die TMT ist ein interessantes psychologisch-theoretisches
Konstrukt, welches durch zahlreiche behaviorale Experimente scheinbar sich gut belegen
lässt, aber sie trägt zum vertieften Verständnis der
Angst vor dem Tod bei Patienten mit schweren chronischen psychischen Erkrankungen
bislang nichts Substanzielles bei.
Das Thema „Angst vor dem Tod“ ist ein wichtiges alle Menschen betreffendes Thema,
welches sich insbesondere bei Menschen mit psychischen
Störungen zuspitzt. Es spielt z. B. in suizidalen Zuständen, Belastungs- und Trauerreaktionen
eine große Rolle. Erstaunlich ist es, dass es
in unserem Fachgebiet bis auf die hier dargestellten Arbeiten und Positionen sehr
wenig Beschäftigung mit diesem Thema gab und gibt. Auch
die TMT lässt viele Fragen zur Angst vor dem Tod bei Patienten mit schweren chronischen
psychischen Erkrankungen offen. Es kann aber mit
Recht vermutet werden, dass psychiatrische Patienten die Angst vor dem Tod unterschiedlich
empfinden und verarbeiten. So werden
beispielsweise Patienten mit einer Schizophrenie, die geprägt sind von einer Zerfallsangst
des eigenen Ichs, diese anders fühlen und sehen
als depressive Patienten, die den Tod teilweise auch als Erlösung vom „hiesigen Dasein“
betrachten. „Anderen, so auch sich selbst Angst vor
Sterben und Tod einzugestehen bedeutet, dass wir dem, was wir gerade aus dem Blickfeld
zu schieben suchen, im Aussprechen mehr Wirklichkeit
verleihen. Diese sich im Verbalisieren vollziehende Zunahme an Realität wird – nach
Überwindung der anfänglichen Scheu – zugleich als
Entlastung empfunden, löst im therapeutischen Gespräch manchmal viele Gedanken, Einfälle
und Phantasien über dieses Thema aus“ [16]. In der nervenärztlichen Praxis sollte daher die Exploration zum Thema „Angst vor
dem Tod“ und
„Einstellung zur eigenen Endlichkeit“ möglichst wertfrei und ohne das Einbringen des
eigenen weltanschaulichen Hintergrundes vorgenommen
werden. Gerade bei suizidalen und depressiven Patienten, aber auch bei Patienten mit
Bedrohung des eigenen Selbst und Identität
(Schizophrenie, dissoziative Störungen, Persönlichkeitsstörungen) sollte dieses Themas
angesprochen und im Therapieprozess einbezogen
werden. Die Stärkung des Selbst vor dem Hintergrund der eigenen Vergänglichkeit und
Angst vor dem Tod kann hier psychotherapeutisch eine
wichtige Ressource darstellen.
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„Angst vor dem Tod“ unterscheidet sich phänomenologisch von Furcht vor dem Sterben
und der Todesangst.
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Die Angst vor dem Tod ist ein wesentlicher Gegenstand des menschlichen Denkens, bei
psychiatrischen Patienten aber systematisch und
empirisch insgesamt bis lang nur wenig untersucht worden.
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Schizophrene und depressive Patienten unterscheiden sich im Ausmaß der empfundenen
Angst vor dem Tod.
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Die TMT stellt ein psychologisches Experimentalverfahren dar und hat bislang die schweren
psychiatrischen Erkrankungen
untersucht.
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Verstärkter Einbezug des Themas „Angst vor dem Tod“ in die alltägliche Praxis würde
eine wesentliche Perspektive auf das
psychopathologische Erleben unserer Patienten eröffnen. Hierzu sollte stärker auch
empirisch geforscht werden.