1 Einführung
Das vorliegende Update der Leitlinie zur Behandlung von Patienten mit nosokomialer
Pneumonie löst die bisher für den deutschen Sprachraum gültige Version der Leitlinie
zur nosokomialen Pneumonie von 2012 ab [1 ]. Es unterscheidet sich trotz vieler Gemeinsamkeiten in wesentlichen Punkten von
der aktuellen Leitlinie der ATS/IDSA von 2016 [2 ], v. a. in der Einschätzung der Risiken für multiresistente Erreger. Das Konzept
der „Healthcare-associated pneumonia“ (HCAP) wurde aufgrund fehlender Evidenz bereits
in der Vorversion der deutschen Leitlinie nicht übernommen, das Konzept der „Ventilator-associated
tracheobronchitis“ (VAT) wird weiterhin kritisch betrachtet. Dem kundigen Kliniker
wird ohnehin auffallen, dass die Empfehlungen überwiegend „konservativ“ in dem Sinne
ausfallen, dass nicht jedes aktuell kontrovers diskutierte und zweifellos interessante
Konzept Teil der Empfehlungen geworden ist. Ziel einer Leitlinie sollte nach Auffassung
der Autoren sein, evidenzbasierte und in der klinischen Praxis bewährte Aussagen zu
treffen, weniger jedoch Frontlinien der Forschung gleich zum Teil der Praxis zu erklären;
einige Beispiele der jüngeren Vergangenheit belegen, dass ein solches Vorgehen mit
einem erheblichen Risiko späterer Rückzüge behaftet ist.
Neue Empfehlungen wurden zur Diagnostik nosokomialer Viruspneumonien sowie zur Dosierung
und Applikation von Antiinfektiva bei kritisch Kranken mit nosokomialer Pneumonie
eingefügt. Die Leitliniengruppe hat auf Empfehlungen zur Prävention der nosokomialen
Pneumonie bewusst verzichtet und verweist diesbezüglich auf die Empfehlungen der Kommission
für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut
[3 ].
2 Zusammenfassung
2.1 Synopsis der Empfehlungen
E1: Wie wird eine HAP klinisch diagnostiziert und welche Differenzialdiagnosen sind
zu beachten?
Therapierelevant ist bereits die Verdachtsdiagnose einer HAP, diese soll gestellt
werden bei neuem, persistierendem oder progredientem Infiltrat in Kombination mit
2 von 3 weiteren Kriterien: Leukozyten > 10 000 oder < 4000/μl, Fieber > 38,3 °C,
purulentes Sekret. Differenzialdiagnostisch sind u. a. Atelektasen (Sekretverlegung),
Herzinsuffizienz/Überwässerung, Lungenarterienembolien, alveoläre Hämorrhagie, interstitielle
Lungenerkrankungen wie eine cryptogen organisierende Pneumonie (COP) und ARDS abzugrenzen.
Starke Empfehlung, Evidenz C
E2: Welche bildgebenden Verfahren sind in der Diagnostik der HAP indiziert?
Bei Verdacht auf eine HAP soll eine Thoraxröntgenuntersuchung im Stehen in 2 Ebenen
in Hartstrahltechnik durchgeführt werden. Bei immobilen Patienten wird eine Röntgenuntersuchung
im Liegen durchgeführt.
Starke Empfehlung, Evidenz C
Die Thoraxsonografie kann ergänzend zur Diagnosesicherung eingesetzt werden. Darüber
hinaus sollte sie zur Differenzialdiagnose und zur Erkennung von Komplikationen durchgeführt
werden.
Schwache Empfehlung, Evidenz B
Bei therapierefraktären Infiltraten und schwieriger Differenzialdiagnose sollte eine
erweiterte bildgebende Diagnostik erwogen werden.
Schwache Empfehlung, Evidenz C
E3: Welche Rolle spielen Scores in der Diagnose und Risikobeurteilung der HAP?
Für die klinische Diagnose der HAP sollen Pneumonie-Scores wie der „clinical pulmonary
infection score“ (CPIS) nicht angewendet werden. Alle Patienten mit HAP sollen auf
das Vorliegen einer Sepsis evaluiert werden. Außerhalb der Intensivstation soll mindestens
die Bestimmung der Vitalparameter unter Verwendung der qSOFA-Kriterien erfolgen. Auf
der Intensivstation sollen Sepsis-Scores wie der SOFA-Score zur Risikoprädiktion angewandt
werden.
Starke Empfehlung, Evidenz B
E4: Welche Rolle haben Biomarker für die Diagnose der HAP und die Diagnose der Sepsis
im Rahmen der HAP?
Der Einsatz von Biomarkern zur Diagnose der HAP ist nicht zu empfehlen, da keine ausreichende
Evidenz für eine zusätzliche, von anderen Parametern unabhängige Aussagekraft vorliegt.
Procalcitonin soll bei Verdacht auf Sepsis im Rahmen der HAP als sensitiver Marker
in der initialen Diagnostik eingesetzt werden. Laktat soll zur Diagnose des septischen
Schocks im Rahmen der HAP eingesetzt werden.
Starke Empfehlung, Evidenz B
E5: Wann ist die Entnahme von Blutkulturen sinnvoll?
Blutkulturen sollen bei HAP zur Diagnose der bakteriämischen Pneumonie entnommen werden.
Sie tragen darüber hinaus zur Therapiesteuerung und zur Aufdeckung extrapulmonaler
Infektionsquellen bei.
Starke Empfehlung, Evidenz C
E6: Wann ist die Entnahme von Urin zum Antigennachweis sinnvoll?
Die Diagnostik auf Legionellen soll bei Patienten mit HAP insbesondere dann erfolgen,
wenn epidemiologische Hinweise auf nosokomiale Akquisition bestehen. Der Urin-Antigentest
stellt in dieser Situation das Verfahren der Wahl dar. Der Antigentest auf Pneumokokken
wird wegen fehlender differenzialtherapeutischer Relevanz nicht empfohlen.
Starke Empfehlung, Evidenz C
E7: Welche mikrobiologischen Untersuchungen sollten aus respiratorischen Materialien
durchgeführt werden?
Bei nosokomialer Pneumonie sollen mindestens semiquantitative Kulturen aus qualitativ
hochwertigen unteren Atemwegsmaterialien wie tracheobronchialem Aspirat (TBAS) oder
bronchoalveolärer Lavage (BAL) angelegt werden. Die resultierenden Keimzahlen haben
orientierenden Wert und sind nicht als unabhängige Prädiktoren des Vorliegens einer
Pneumonie zu betrachten, vielmehr im klinischen Kontext zu interpretieren.
Starke Empfehlung, Evidenz A
Darüber hinaus sollte eine Ausstrichdiagnostik zur Validierung der Probe erfolgen.
Die Ergebnisse eines Grampräparats haben keinen prädiktiven Wert hinsichtlich der
später isolierten Spezies. Dagegen hat ein negatives Grampräparat bei nicht antibiotisch
vorbehandelten Patienten einen hohen negativen prädiktiven Wert. Im Falle einer geringen
Vortest-Wahrscheinlichkeit für eine Pneumonie kann ein negatives Grampräparat bei
nicht vorbehandelten Patienten den Verzicht auf eine antimikrobielle Therapie stützen.
Schwache Empfehlung, Evidenz B
Molekulargenetische Untersuchungen zum gleichzeitigen Nachweis mehrerer Erreger sollen
nicht durchgeführt werden.
Starke Empfehlung, Evidenz C
E8: Wann ist eine invasive Diagnostik, wann eine nicht invasive Materialgewinnung
vorzuziehen?
Eine invasive ist einer nicht invasiven Diagnostik bei VAP nicht überlegen, sodass
die Entscheidung für oder gegen eine invasive Diagnostik in Abhängigkeit von der lokalen
Logistik, differenzialdiagnostischen Erwägungen, aber auch möglichen therapeutischen
Aspekten einer endoskopischen Untersuchung getroffen werden soll. Kontraindikationen
zur Durchführung einer Bronchoskopie mit BAL sind zu beachten.
Starke Empfehlung, Evidenz A
E9: Welche Standards werden bei der Materialgewinnung empfohlen?
Die nicht invasive Materialgewinnung soll mithilfe steriler Katheter und Auffanggefäße
erfolgen. Falls eine Bronchoskopie durchgeführt wird, sollen die im Hintergrundtext
aufgeführten, auf dem Konsensus erfahrener Untersucher beruhenden Empfehlungen zur
Durchführung der Endoskopie bei Pneumonien beachtet werden.
Starke Empfehlung, Evidenz C
E10: Wann und wie soll eine mykologische Diagnostik erfolgen?
Auf eine gezielte Candidadiagnostik aus Atemwegsmaterialien soll bei HAP verzichtet
werden, da Hefepilzinfektionen als Ursache nosokomialer Pneumonien bei Patienten ohne
definiertes Immundefizit extrem selten sind.
Starke Empfehlung, Evidenz B
Eine Aspergillusdiagnostik soll auch bei Patienten ohne definiertes Immundefizit erwogen
werden, wenn Prädispositionen wie eine strukturelle Lungenerkrankung, eine rheumatologische
Grunderkrankung oder eine Leberzirrhose vorliegen und/oder hinweisende Infiltrate
in der CT des Thorax zur Darstellung kommen, die mit einer invasiven Aspergillose
assoziiert sein können. Der Nachweis von Galaktomannan-Antigen aus der BAL ist dem
Nachweis im Blut überlegen und stellt bei der diagnostischen Abklärung eine Ergänzung
zur histopathologischen und mikrobiologischen Untersuchung von Lungengewebe dar. Wenn
Biopsien nicht durchgeführt werden können, tragen eine positive Aspergilluskultur
und/oder ein Galaktomannan-Antigentest aus der BAL zu einer wahrscheinlichen Diagnose
bei.
Starke Empfehlung, Evidenz B
E11: Wann und wie sollte eine virologische Diagnostik erfolgen?
Eine routinemäßige Diagnostik bei Patienten mit HAP auf respiratorische Viren wird
nicht empfohlen. In der Influenza-Saison sollte eine Diagnostik auf Influenza insbesondere
bei Intensivpatienten erfolgen. Hierzu sollten molekulare Testverfahren verwendet
werden.
Schwache Empfehlung, Evidenz C
E12: Wann soll die antimikrobielle Therapie begonnen werden?
Die antibiotische Therapie soll nach Entnahme von adäquatem Untersuchungsmaterial
so früh wie möglich erfolgen. Bei Patienten mit sepsisassoziierter Organdysfunktion
ist eine Antibiotikatherapie innerhalb der ersten Stunde anzustreben. Nicht sofort
verfügbare diagnostische Maßnahmen sollen die Einleitung der Therapie nicht verzögern.
Starke Empfehlung, Evidenz B
E13: Welche Optionen der kalkulierten Therapie sind bei Patienten mit nosokomialer
Pneumonie ohne erhöhtes Risiko für Infektionen mit multiresistenten Erregern (MRE)
zu empfehlen?
Bei Patienten ohne erhöhtes Risiko für MRE gehören Aminopenicilline/Betalaktamaseinhibitoren,
Cephalosporine der Gruppe 3a und pneumokokkenwirksame Fluorchinolone zu den empfohlenen
Therapieoptionen. Die Substanzauswahl soll vor dem Hintergrund des lokalen Erregerspektrums
und Resistenzprofils getroffen werden.
Starke Empfehlung, Evidenz C
E14: Welche Optionen der kalkulierten Therapie sind bei Patienten mit nosokomialer
Pneumonie und erhöhtem Risiko für Infektionen mit multiresistenten Erregern (MRE)
zu empfehlen?
Bei Patienten mit erhöhtem Risiko für MRE sollen zur kalkulierten Monotherapie oder
initial in Kombination eingesetzt werden:
Piperacillin/Tazobactam
Cefepim
Imipenem
Meropenem
Ceftazidim soll nur in Kombination mit einer gegen grampositive Erreger wirksamen
Substanz eingesetzt werden.
Als Kombinationspartner werden Aminoglykoside oder pseudomonaswirksame Fluorchinolone
empfohlen (siehe [Tab.11 ]).
Die Substanzauswahl soll vor dem Hintergrund des lokalen Erregerspektrums und Resistenzprofils
getroffen werden.
Starke Empfehlung, Evidenz B
Bei Verdacht auf eine MRSA-Infektion soll eine gegenüber MRSA wirksame Substanz hinzugefügt
werden.
Starke Empfehlung, Evidenz B
E15: Wann sollte eine Mono-, wann eine Kombinationstherapie bei erhöhtem Risiko für
Infektionen mit multiresistenten Erregern (MRE) gewählt werden?
Bei Patienten ohne sepsisassoziierte Organdysfunktion und ohne invasive Beatmung soll
eine initiale Monotherapie mit einer pseudomonaswirksamen Substanz bevorzugt werden.
Eine kalkulierte Kombinationstherapie soll Patienten mit erhöhtem Risiko für das Vorliegen
multiresistenter Erreger und sepsisassoziierter Organdysfunktion bzw. invasiver Beatmung
vorbehalten bleiben. Nach 48 bis 72 Stunden soll die Notwendigkeit der Kombinationstherapie
überprüft und bei Nachweis eines empfindlichen Erregers bzw. Stabilisierung des Patienten
auf eine Monotherapie deeskaliert werden (Einzelheiten siehe E18).
Die Substanzauswahl soll vor dem Hintergrund des lokalen Erregerspektrums und Resistenzprofils
getroffen werden.
Starke Empfehlung, Evidenz B
E16: Wann soll eine vorzeitige Beendigung der Therapie erwogen werden?
Besteht trotz neu aufgetretener Infiltrate klinisch eine niedrige Wahrscheinlichkeit
für eine HAP, soll die antibiotische Therapie nach 3 Tagen beendet werden. Ergibt
die Diagnostik eine sepsisassoziierte Organdysfunktion/einen septischen Schock mit
anderem Fokus, ist die Therapie anzupassen.
Starke Empfehlung, Evidenz B
E17: Wann und nach welchen Kriterien soll der Therapieerfolg evaluiert werden?
Eine Reevaluation des Patienten soll 48 – 72 Stunden nach Beginn der Therapie erfolgen.
Hierzu gehört die Beurteilung des klinischen Verlaufs, der Ergebnisse der initialen
mikrobiologischen Diagnostik, der Röntgenverlaufsuntersuchung und von Biomarkern.
Starke Empfehlung, Evidenz B
E18: Wann und wie soll eine Deeskalation, wann eine Fokussierung der Initialtherapie
erfolgen?
Die Deeskalation soll 48 – 72 Stunden nach Therapiebeginn anhand der Ergebnisse der
Reevaluation erfolgen. Bei klinischer Besserung, aber fehlendem Nachweis eines respiratorischen
Pathogens soll die Deeskalation auf eine Monotherapie mit dem in der Initialkombination
enthaltenen Betalaktamantibiotikum (1. Wahl) oder Fluorchinolon (2. Wahl) erfolgen.
Starke Empfehlung, Evidenz B
Bei Nachweis eines respiratorischen Pathogens soll auf eine gezielte Monotherapie
mit schmalem Spektrum umgesetzt werden. Eine initiale kalkulierte Therapie gegen MRSA
soll beendet werden, falls ein solcher Erreger nicht nachgewiesen wurde.
Starke Empfehlung, Evidenz B
E19: Wie lange sollen nosokomiale Pneumonien behandelt werden?
Die Therapiedauer soll im Regelfall 7 bis 8 Tage betragen. Bei S. aureus -Bakteriämie im Rahmen der HAP ist eine längere Therapiedauer von mindestens 14 Tagen
erforderlich.
Starke Empfehlung, Evidenz A
Procalcitonin (PCT) sollte nur im Rahmen von PCT-basierten Protokollen zur Steuerung
der Therapiedauer eingesetzt werden.
Schwache Empfehlung, Evidenz B
E20: Welches Vorgehen sollte bei einem Therapieversagen gewählt werden?
Bei Therapieversagen sollte eine erneute, wenn möglich invasive Diagnostik zur Klärung
der Ätiologie erfolgen. In Abhängigkeit vom differenzialdiagnostischen Spektrum ist
darüber hinaus eine erweiterte bildgebende Diagnostik zu erwägen.
Schwache Empfehlung, Evidenz B
E21: Sollte eine „Ventilator-assoziierte Tracheobronchitis“ (VAT) antimikrobiell therapiert
werden?
Bei beatmeten Patienten stellt eine VAT möglicherweise einen Risikofaktor für die
Entwicklung einer VAP dar. Eine Antibiotikatherapie kann nicht empfohlen werden, da
hierfür keine ausreichende Evidenz besteht.
Keine Empfehlung, Evidenz C
E22: Wann ist eine inhalative antimikrobielle Therapie der VAP (allein/in Kombination
mit systemischer Therapie) indiziert?
Eine inhalative Antibiotikatherapie kann derzeit nicht generell empfohlen werden.
Bei Vorliegen multiresistenter gramnegativer Erreger, die nur auf Colistin und/oder
Aminoglykoside empfindlich sind, sollte eine ergänzende inhalative Therapie mit hierfür
geeigneten Verneblern zusätzlich zur systemischen Antibiotikatherapie erwogen werden.
Schwache Empfehlung, Evidenz C
E23: Wie sieht die adäquate gezielte Therapie aus bei Nachweis von Infektionen mit:
MRSA – Pseudomonas aeruginosa – Acinetobacter baumannii – Stenotrophomonas maltophilia – ESBL-bildenden Enterobakterien – Carbapenem-resistenten Enterobakterien?
Bei der gezielten Therapie der HAP soll die Substanzauswahl nach den folgenden Kriterien
erfolgen:
MRSA: Als bewährte Antiinfektiva sollen in der Monotherapie Vancomycin oder Linezolid
eingesetzt werden.
Starke Empfehlung, Evidenz B
P. aeruginosa: Ceftazidim, Cefepim, Piperacillin, die Carbapeneme Imipenem und Meropenem
sowie Ciprofloxacin und Levofloxacin sind wirksame Therapieoptionen. Bei Resistenz
gegenüber allen Standardsubstanzen sollte eine Therapie mit Colistin erfolgen; eine
Kombinationstherapie ist hierbei anzustreben, möglichst in Rücksprache mit einem Infektiologen/Mikrobiologen.
Starke Empfehlung, Evidenz C
ESBL-Stämme: Bei ESBL-positiven Enterobakterien sollen Carbapeneme eingesetzt werden.
Starke Empfehlung, Evidenz C
CRE-Stämme: Bei zusätzlicher Resistenz gegen Carbapeneme kommt Colistin zum Einsatz,
möglichst in Kombinationstherapie nach Rücksprache mit einem Mikrobiologen/Infektiologen.
Als Kombinationspartner kommen nach In-vitro-Testung und unter Berücksichtigung des
Nebenwirkungsspektrums Aminoglykoside, Fosfomycin, ein Carbapenem und Ceftazidim/Avibactam
in Betracht.
Starke Empfehlung, Evidenz C
Acinetobacter baumannii : Imipenem oder Meropenem sind in Deutschland meist noch wirksam und dann Mittel der
Wahl. Bei Carbapenemresistenz soll Colistin, möglichst in Kombination mit einer weiteren
in vitro wirksamen Substanz nach Rücksprache mit einem Mikrobiologen/Infektiologen
eingesetzt werden.
Starke Empfehlung, Evidenz C
Stenotrophomonas maltophilia : Zunächst ist die klinische Relevanz des Isolats zu prüfen. Bei In-vitro-Empfindlichkeit
soll Co-Trimoxazol eingesetzt werden. Bei Resistenz gegenüber Co-Trimoxazol soll eine
ergänzende Sensibilitätsprüfung auf weitere Therapieoptionen nach Rücksprache mit
einem Mikrobiologen/Infektiologen erfolgen.
Starke Empfehlung, Evidenz C
E24: Sollte bei nosokomialer Pneumonie eine prolongierte Applikation von Antiinfektiva
bevorzugt werden?
Bei Patienten mit sepsisassoziierter Organdysfunktion und normaler/hochnormaler Nierenfunktion
sollte nach initialer loading dose eine prolongierte Applikation von hierfür geeigneten
Betalaktam-Antibiotika bevorzugt eingesetzt werden.
Schwache Empfehlung, Evidenz C
3 Hintergrund und Methoden
3 Hintergrund und Methoden
3.1 Präambel
Die Vorversion dieser Leitlinie zur nosokomialen Pneumonie (hospital-acquired pneumonia,
international abgekürzt: HAP) wurde 2012 publiziert [1 ]. In der Zwischenzeit wurden neue internationale Empfehlungen, u. a. von US-amerikanischen
Fachgesellschaften [2 ] und dem britischen National Guideline Centre [4 ], veröffentlicht. Eine Leitlinie europäischer Fachgesellschaften befindet sich in
Vorbereitung. Auch in Deutschland haben sich in den letzten 5 Jahren Änderungen hinsichtlich
Erregerspektrum, Resistenzmuster, diagnostischen und therapeutischen Optionen sowie
Versorgungsaspekten ergeben. Die beteiligten Fachgesellschaften haben daher vereinbarungsgemäß
ein Update der interdisziplinären Leitlinie zur Epidemiologie, Diagnostik und Therapie
der nosokomialen Pneumonie durchgeführt. Die Mitglieder der Leitliniengruppe repräsentieren
die Fächer Anästhesiologie, Innere Medizin, Pneumologie, Intensivmedizin, Klinische
Infektiologie, Klinische Mikrobiologie, Hygiene, Chirurgie, Radiologie und Virologie.
3.2 Ziele der Leitlinie
Diese Leitlinie verfolgt das Ziel, Entscheidungshilfen zu Diagnostik und Therapie
der nosokomialen Pneumonie zur Verfügung zu stellen sowie die Versorgungsqualität
der von dieser Erkrankung betroffenen Patienten zu optimieren und flächendeckend zu
gewährleisten. Gleichzeitig soll durch einen rationalen Antibiotikaeinsatz ein unnötiger
Verbrauch von Antiinfektiva vermieden und damit die Selektion resistenter Erreger
vermindert werden. Hierzu ist eine zielgerichtete Diagnostik erforderlich, die auch
die Generierung von Daten über das lokale Erregerspektrum einschließt. Zur Prävention
nosokomialer Pneumonien, dem Umgang mit kontagiösen, vorwiegend ambulant erworbenen
respiratorischen Virusinfektionen im Hospital sowie zur Intensivtherapie schwerer
Infektionen einschließlich des auf dem Boden einer Pneumonie entstandenen ARDS verweisen
wir auf die entsprechenden Leitlinien bzw. Empfehlungen der KRINKO beim Robert Koch-Institut
[3 ], der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin [5 ] und der Deutschen Sepsisgesellschaft [6 ].
Die Leitlinie wendet sich an alle im Krankenhaus tätigen Ärzte, die mit der Diagnostik
und Therapie nosokomialer Pneumonien konfrontiert sind. Zugleich soll sie als Orientierung
für Personen und Organisationen dienen, die direkt oder indirekt mit diesem Thema
befasst sind.
3.3 Struktur des Leitlinienprozesses
Die Erstellung dieser Leitlinie erfolgte nach den Kriterien der AWMF, um dem Nutzer
der Leitlinie evidenzbasierte Kriterien für eine rationale Entscheidungsfindung und
gute ärztliche Praxis an die Hand zu geben. Es handelte sich um einen 2-stufigen Prozess.
Die für das Management nosokomialer Pneumonien wichtigen Fragen wurden im Rahmen der
Erstellung der Leitlinie in 2012 innerhalb der Leitliniengruppe diskutiert und identifiziert
sowie evidenzbasierte Empfehlungen zu diesen Fragen formuliert. Diese Fragen und Empfehlungen
wurden im Rahmen der Erstellung des Updates erneut diskutiert und bewertet mit dem
Beschluss, dass alle Empfehlungen nach Überarbeitung bestehen bleiben sollen und 2
neue Empfehlungen erstellt werden. Darüber hinaus enthält die Leitlinie eine Reihe
von Hintergrundtexten, die ebenfalls in der Leitliniengruppe diskutiert und aktualisiert
wurden. Diese dienen ausschließlich dem tieferen Verständnis und dem Umgang mit den
abgegebenen Empfehlungen.
Das aus diesem Prozess hervorgegangene Manuskript wurde vor der Konsensuskonferenz
an alle Konferenzteilnehmer versandt. Es besteht aus einem deskriptiven Teil, der
die nationale Epidemiologie, das Erregerspektrum und die Eigenschaften der empfohlenen
Antiinfektiva beschreibt, und einem handlungsorientierten Teil, in dem die Empfehlungen
zur Diagnostik und Therapie nach dem GRADE-System abgegeben werden. Auf der Konsensuskonferenz
wurden die Empfehlungen unter Leitung einer unabhängigen Moderatorin in einem nominalen
Gruppenprozess ausführlich unter Einbeziehung von Sachverständigen aus weiteren Fachgesellschaften
und Organisationen mit Expertise auf dem Gebiet der nosokomialen Pneumonie diskutiert
und überarbeitet. Gemäß den Beschlüssen der Konsensuskonferenz wurden konkrete und
begründete Änderungsvorschläge für die Weiterbearbeitung zusammengefasst und eine
Revision des Manuskripts in Auftrag gegeben. Nach intensiver Überarbeitung wurde das
Manuskript erneut mit dem eingefügten Literaturverzeichnis an alle Beteiligten versandt.
Auf Basis der daraus entstandenen Rückmeldungen wurde das Manuskript redaktionell
durch den Koordinator der Leitlinie überarbeitet. Im Anschluss wurde das Manuskript
den Mitgliedern der Leitliniengruppe in der endgültigen Fassung nochmals zugestellt
und die Leitlinie wurde durch die Leitliniengruppe nach dem Delphi-Verfahren angenommen
und verabschiedet. Für weitere Informationen wird auf den Leitlinienreport auf der
AWMF-Website verwiesen [7 ].
3.4 GRADE
Die Evidenzbewertung der herangezogenen Literatur orientierte sich an GRADE; die Graduierung
und Formulierung der Empfehlungsstärke wurde an die Methodik der Nationalen Versorgungsleitlinien
angepasst ( [Tab.1 ]). Dieses Bewertungssystem ist dadurch charakterisiert, dass die Empfehlungsstärke
nicht nur von der Qualität der Evidenz abhängig ist, sondern auch eine Abwägung von
Nutzen und Risiko bzw. Nutzen und Aufwand einschließt. Hieraus ergibt sich, dass auch
Kombinationen von starker Empfehlung bei schwacher Evidenz und umgekehrt möglich sind.
Empfehlungen werden ausschließlich für definierte diagnostische oder therapeutische
Interventionen abgegeben. Details der Evidenzbewertung können den zu jeder Empfehlung
hinterlegten Evidenztabellen entnommen werden. Es können mit gleicher Graduierung
sowohl positive (do it) als auch negative (don‘t do it) Empfehlungen abgegeben werden.
Tab. 1
Klassifizierung der Evidenz und Empfehlungsgrade nach GRADE [8 ]
[9 ]. RCT: randomized clinical trial.
Empfehlungsgrad
Abwägung des Nutzens gegen Risiko/Aufwand
Evidenzbewertung
„soll“ oder „soll nicht“
1A: starke Empfehlung, hohe Evidenz
erwünschte Effekte überwiegen eindeutig Risiken/Zusatzaufwand oder vice versa
konsistente Evidenz aus RCTs ohne methodische Schwächen oder außergewöhnlich starke
Evidenz aus Beobachtungsstudien
1B: starke Empfehlung, moderate Evidenz
Evidenz aus RCTs mit methodischen Limitationen oder überzeugende Evidenz aus Beobachtungsstudien
1C: starke Empfehlung, schwache oder sehr schwache Evidenz
Evidenz für wenigstens einen zentralen Outcomeparameter aus Beobachtungsstudien, Fallserien
oder methodisch stark limitierten RCTs
„sollte“ oder „sollte nicht“
2A: schwache Empfehlung, hohe Evidenz
erwünschte Effekte überwiegen vermutlich Risiken/Zusatzaufwand oder vice versa
konsistente Evidenz aus RCTs ohne methodische Schwächen oder außergewöhnlich starke
Evidenz aus Beobachtungsstudien
2B: schwache Empfehlung, moderate Evidenz
Evidenz aus RCTs mit methodischen Limitationen oder überzeugende Evidenz aus Beobachtungsstudien
2C: schwache Empfehlung, schwache oder sehr schwache Evidenz
Evidenz für wenigstens einen zentralen Outcomeparameter aus Beobachtungsstudien, Fallserien
oder methodisch stark limitierten RCTs
„kann“ oder „kann nicht“
3: keine Empfehlung
kein ausreichender Anhalt für überwiegenden Nutzen/Risiko der Intervention
keine Evidenz für Überlegenheit/Unterlegenheit der Intervention
Erstmals werden in einer Leitlinie zur nosokomialen Pneumonie darüber hinaus einzelne
Empfehlungen im Sinne der Initiative „Klug entscheiden“ herausgehoben.
3.5 Literaturrecherche
Die Literaturrecherche für das Update wurde in PubMed mithilfe des vom Institut für
Lungenforschung GmbH zur Verfügung gestellten Scientific Guideline Manager durchgeführt
und auf deutsch- und englischsprachige Originalartikel während des Zeitraums vom 1.1.2010
bis zum 24. 5.2016 begrenzt. Zusätzlich wurden die Literaturverzeichnisse von systematischen
Reviews, Metaanalysen, Leitlinien und Originalarbeiten durchsucht. Aktuellere Studien
insbesondere zu Epidemiologie oder Erregerspektrum im deutschsprachigen Raum sowie
zum Management wurden berücksichtigt, soweit sie Einfluss auf Diagnostik und Therapie
der nosokomialen Pneumonie haben. Diese Studien sind im Literaturverzeichnis gesondert
gekennzeichnet. Insgesamt wurden 2171 Einträge gefunden, die zuerst in der Vorselektion
von jeweils 2 Teilnehmern nach dem Abstract gesichtet wurden. 563 potenziell relevante
Arbeiten wurden identifiziert und analysiert.
3.6 Finanzierung
Die Erstellung dieser Leitlinie wurde von den beteiligten Fachgesellschaften ohne
Sponsoring durch Dritte finanziert. Organisatorische Unterstützung sowie Unterstützung
bei der Literaturrecherche erfolgte durch das Institut für Lungenforschung GmbH. Die
Mitglieder der Arbeitsgruppe waren ausnahmslos ehrenamtlich tätig, es erfolgte keine
Einflussnahme von außen.
4 Definitionen
Nosokomiale Pneumonien (HAP) sind Pneumonien, die frühestens 48 Stunden nach Krankenhausaufnahme
auftreten und sich bei Hospitalisierung nicht in der Inkubation befanden. International
akzeptierte Diagnosekriterien für epidemiologische Fragestellungen wurden von den
Centers for Disease Control and Prevention (CDC) erarbeitet (siehe Kapitel Epidemiologie).
Unabhängig hiervon haben sich in der Patientenversorgung klinische Diagnosekriterien
etabliert (siehe Empfehlung E1), die sich an den Erfordernissen einer rationalen Diagnostik
und adäquaten Therapie orientieren. Pneumonien, die in den ersten 3 Monaten nach Krankenhausentlassung
auftreten, werden ebenfalls als nosokomiale Infektionen gewertet, da innerhalb dieser
Zeit noch mit einer Kolonisation durch bakterielle Hospitalerreger gerechnet werden
muss. Die Grenze von 3 Monaten stellt dabei eine geschätzte und nicht evidenzbasierte
Periode dar. Auch wenn der weit überwiegende Teil der wissenschaftlichen Literatur
sich auf Pneumonien invasiv beatmeter Patienten (ventilator-associated pneumonia,
VAP) bezieht, stellt die HAP bei spontan atmenden oder nicht invasiv beatmeten Patienten
angesichts der zunehmenden Morbidität hospitalisierter Patienten und des vermehrten
Einsatzes der nicht invasiven Beatmung (NIV) ein zunehmend wichtiges Problem dar,
sodass sich diese Empfehlung nicht auf die VAP beschränkt.
Unter HCAP (healthcare-associated pneumonia) werden Pneumonien verstanden, die bei
Personen auftreten, die sich in regelmäßigem, engem Kontakt mit stationären oder teilstationären
Bereichen des Gesundheitssystems befinden oder in Pflegeeinrichtungen untergebracht
sind, aber nicht stationär aufgenommen wurden [10 ]
[11 ]
[12 ]. Es handelt sich um eine heterogene Gruppe von Patienten mit unterschiedlichen Risikofaktoren
für nosokomiale Infektionen, deren Validität kontrovers beurteilt wird [13 ], und die in Deutschland bislang nicht überprüft wurde. Das Konzept der HCAP ist
daher nicht Teil der Definition der nosokomialen Pneumonie im Sinne dieser Leitlinie,
es wurde inzwischen auch in der aktuellen Leitlinie der IDSA/ATS verlassen [2 ].
Pneumonien bei Immundefizit sind durch ein sehr breites Erregerspektrum charakterisiert,
das auch opportunistische Pathogene wie Pneumocystis jiroveci , Cytomegalovirus, Schimmelpilze und Mykobakterien umfasst. Da sich hieraus andere
diagnostische und therapeutische Konsequenzen als bei immunkompetenten Patienten ergeben,
werden Pneumonien unter Immundefizit als eigene Kategorie definiert [14 ]
[15 ] und sind nicht Thema dieser Leitlinie, obwohl der Ort des Erwerbs auch in diesem
Kollektiv das Erregerspektrum beeinflusst. Auch wenn viele Grunderkrankungen und Risikofaktoren
Funktionen des Immunsystems beeinträchtigen können, erscheint es sinnvoll, den Begriff
Immundefizit auf Erkrankungen und Therapien zu begrenzen, bei denen regelmäßig mit
Infektionen durch opportunistische Pathogene zu rechnen ist. Als Immundefizit in diesem
Sinne werden verstanden: Z. n. Organ- oder Knochenmark- bzw. Stammzelltransplantation;
Chemotherapie solider oder hämatologischer Neoplasien mit oder ohne Neutropenie; HIV-Infektion
im Stadium AIDS; Immunsuppressive oder immunmodulierende Therapie bei Autoimmunopathien;
Glukokortikoidtherapie über einen Zeitraum von mindestens 4 Wochen mit einer Erhaltungsdosis
≥ 10 mg/d.
5 Epidemiologie
Die umfangreichsten Daten zur Epidemiologie der HAP stammen aus den Datenbanken der
Surveillance-Systeme von nosokomialen Infektionen. In Deutschland liefert das Krankenhaus-Infektionssurveillance-System
(KISS) die meisten Daten zu diesem Thema. Nationale Surveillance-Systeme verwenden
in der Regel Definitionen für die HAP, die vor einem epidemiologischen Hintergrund
festgelegt worden sind, d. h. die verwendeten Kriterien müssen in den meisten Krankenhäusern
angewendet werden und entsprechende Ergebnisse müssen zur Verfügung stehen. Die international
in diesem Sinne am häufigsten angewendeten Definitionen sind die der amerikanischen
Centers for Disease Control and Prevention (CDC). KISS verwendet weiterhin die CDC-Definition
für die Pneumonie aus dem Jahr 2008 [16 ].
5.1 Inzidenz der VAP/HAP
KISS erhebt mithilfe der CDC-Definitionen Daten für die auf der Intensivstation erworbenen
HAP, stratifiziert nach Art der Intensivstation und in Abhängigkeit von der Anwendung
von Beatmungsgeräten. Bei Patienten mit invasiver Beatmung beträgt die durchschnittliche
Pneumonierate 3,65 pro 1000 invasive Beatmungstage und bei Patienten mit nicht invasiver
Beatmung 1,26 pro 1000 nicht invasive Beatmungstage. [Abb. 1 ] zeigt die Inzidenzdichten stratifiziert nach der Art der Intensivstation, [Abb. 2 ] die Erreger der beatmungsassoziierten Pneumonie (VAP) nach Art der Intensivstation.
Abb. 1 Pneumonieraten assoziiert zu invasiver bzw. nicht invasiver Beatmung nach Art der
Intensivstation (jeweils pro 1000 Devicetage, Basis: Daten von ITS-KISS 2011 – 2015).
Abb. 2 Erreger der beatmungsassoziierten Pneumonie (pro 1000 Patiententage) nach Art der
Intensivstation (Basis: Daten von ITS-KISS 2011 – 2015).
Ausgehend von einer Anzahl von ca. 8,0 Mio. Belegungstagen auf Intensivstationen pro
Jahr in Deutschland und einem Anteil von ca. 38,9 % invasiven Beatmungstagen resultieren
ca. 3,1 Mio. invasive Beatmungstage. Basierend auf den oben genannten Device-assoziierten
Pneumonieraten ergeben sich ca. 11 300 beatmungsassoziierte Pneumonien (VAP) pro Jahr
auf den Intensivstationen in Deutschland. Daten aus den USA unterstützen diese Daten;
global entwickelten ca. 10 % der beatmeten Patienten in einer Datenbankabfrage über
mehr als 60 000 Patienten eine VAP [17 ].
Nach den Daten der nationalen Prävalenzstudie 2011 sind 18,7 % aller nosokomialen
Infektionen Pneumonien [18 ]
[19 ]. Bei ca. 400 000 bis 600 000 nosokomialen Infektionen pro Jahr in Deutschland ist
also insgesamt mit 75 000 bis 112 000 nosokomialen Pneumonien zu rechnen [20 ]
[21 ]
[22 ], d. h. die überwiegende Mehrheit der nosokomialen Pneumonien in Deutschland ist
nicht beatmungsassoziiert. Daten der US-amerikanischen Punktprävalenzstudie aus demselben
Jahr bestätigen die Größenordnung des Anteils der Pneumonien an allen nosokomialen
Infektionen von 21,8 % [23 ].
Cassini et al. haben eine Hochrechnung zu den Konsequenzen von nosokomialen Infektionen
auf der Basis der Punktprävalenzstudien in den EU-Ländern 2011/2012 und einer umfangreichen
Literaturrecherche publiziert [22 ]. Danach wird eine Inzidenz von 138 HAP pro 100 000 Einwohnern erwartet, entsprechend
ergeben sich ca. 113 000 HAP pro Jahr in Deutschland, sofern die Inzidenz der HAP
in Deutschland dem europäischen Durchschnittswert nahekommt.
5.2 Letalität der VAP/HAP
Viele Studien haben die Konsequenzen der VAP untersucht. Bei diesen Untersuchungen
ist zu berücksichtigen, dass auch die Grundkrankheiten zur Letalität beitragen. Der
Begriff „attributable mortality“ bezeichnet dementsprechend den durch die VAP allein
bedingten Anteil der Letalität. Teilweise wird in Studien die „attributable mortality“
auch als das relative Risiko (RR) der VAP angesehen. Damit ist der Quotient der Letalität
von Patienten mit VAP und der Letalität von Patienten ohne VAP gemeint. Zur Bestimmung
der VAP-bedingten attributable mortality wurden in der Vergangenheit viele Studien
durchgeführt, die durch „matching“ der Patienten nach verschiedenen Risikofaktoren
die Unterschiede in der Gruppe der Patienten mit und ohne VAP berücksichtigen. Dementsprechend
existieren auch Metaanalysen, die die Ergebnisse dieser Studien zusammenfassen [24 ]. Inzwischen wurden auch die Daten von randomisierten kontrollierten Studien zum
Matchen verwendet ( [Tab. 2 ]) [25 ]
[26 ].
Tab. 2
Übersicht über sehr umfangreiche Metaanalysen zur zuschreibbaren Letalität und zum
erhöhten Letalitätsrisiko wegen VAP durch eine Forschergruppe.
Studie
Design
Ergebnisse
Melsen 2013 [26 ]
Analyse auf Basis individueller Patientendaten aus randomisierten VAP-Präventionsstudien
(24 Studien mit 6284 Patienten)
Subgruppe mit 5162 Patienten aus 19 Studien für eine vergleichende Risikofaktorenanalyse
Die zuschreibbare Letalität betrug 13 %.
Am geringsten war die zuschreibbare Letalität mit 0 % bei Trauma- und internistischen
Patienten.
Es ergab sich ein zusammenfassendes kumulatives Risiko für Tod in der Intensivstation
von 2,2 (CI95 1,91 – 2,54). Das höchste Letalitätsrisiko wurde für chirurgische Patienten
ermittelt (2,97).
Melsen 2011 [25 ]
Analyse auf Basis von RCTs zur Prävention von VAP (58 Studien)
Die zuschreibbare Letalität betrug 9 % (Range von 3 % bis 17 %).
Melsen 2009 [24 ]
Analyse auf Basis von Observationsstudien (52 Studien mit 17347 Patienten; gematchte
Kohortenstudien und andere Beobachtungstudien)
signifikant erhöhtes relatives Letalitäts-Risiko von 1,27 (CI95 1,15 – 1,39)
Die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung einer Pneumonie steigt mit der Liegedauer auf
der Intensivstation während der ersten 6 Tage, danach nimmt sie wieder ab [27 ]
[28 ]. Ein Patient mit VAP ändert also seinen Infektionsstatus während des Aufenthaltes,
ein Patient ohne VAP behält seinen Status dagegen konstant. Daher sollte die Pneumonie
in Analysen der zusätzlichen Letalität als zeitabhängige Variable Berücksichtigung
finden [29 ]
[30 ]. Die wenigen bislang veröffentlichten Studien, die dies berücksichtigt haben, erbrachten
unterschiedliche Ergebnisse in Bezug auf die zusätzliche Letalität durch VAP. In einer
Studie auf 5 Intensivstationen in Deutschland war die VAP nicht mit einer „attributable
mortality“ assoziiert [30 ]. Eine andere Untersuchung hat bei Anwendung dieser Methode eine „attributable mortality“
von 8 % ermittelt [31 ], vergleichbar mit Daten aus neueren internationalen Studien [25 ]
[26 ].
Im Vergleich zur VAP existieren nur wenige Studien, die die Letalität der nosokomialen
Pneumonie bei nicht beatmeten Patienten untersucht haben. Deshalb und wegen des unzureichenden
Designs der vorliegenden Studien ist es nicht möglich einzuschätzen, ob die HAP zu
einer signifikanten zuschreibbaren Letalität führt.
Cassini et al. haben hochgerechnet, dass pro 100 000 Einwohner und Jahr in Europa
ca. 67 Jahre mit Behinderung (YLD) und 103 verlorene Jahre durch vorzeitigen Tod (YLL)
nach HAP zu erwarten sind, insgesamt resultieren danach ca. 169 behinderungsadjustierte
Lebensjahre (DALYs). Einschränkend muss jedoch bemerkt werden, dass sich die für diese
Hochrechnung genutzten Daten zu den Konsequenzen der Pneumonie v. a. auf die VAP beziehen
[22 ].
Bei 82 Mio. Einwohnern in Deutschland würden somit ca. 139 000 DALYs durch HAP pro
Jahr in Deutschland resultieren. Gleichzeitig haben die Autoren berechnet, dass in
Europa ca. 27 000 Menschen pro Jahr wegen HAP versterben. Sofern die Inzidenz und
Letalität an Pneumonien in Europa gleichmäßig verteilt wären, wäre mit ca. 4300 Todesfällen
wegen HAP in Deutschland pro Jahr zu rechnen.
5.3 Verlängerung der Verweildauer durch VAP
Die Zusatzkosten der VAP sind v. a. durch die Verlängerung der Verweildauer bedingt.
In der Vergangenheit wurden häufig Studien mit verschiedenen systematischen Fehlern
publiziert. Neben der Pneumonie können andere Faktoren (z. B. Grundkrankheiten) die
Verlängerung der Verweildauer bedingen. In der Regel wird durch „gematchte“ Designs
und multivariate Analysen versucht, diese Faktoren zu berücksichtigen. Methodisch
muss beachtet werden, dass die Verlängerung der Verweildauer erst von dem Tag an berücksichtigt
werden darf, an dem die Pneumonie aufgetreten ist. Deshalb müssen longitudinale und
Multistadienmodelle angewendet werden. Wird das nicht beachtet, kommt es zu einer
deutlichen Überschätzung des Effektes.
Wenn nur Studien berücksichtigt werden, die diese methodischen Aspekte berücksichtigt
haben, resultieren zusätzliche Verweilzeiten von 4 bis 6 Tagen auf den Intensivstationen
wegen VAP [32 ]
[33 ]
[34 ]
[35 ].
Für die Verlängerung der Verweildauer wegen HAP außerhalb von Intensivstationen liegen
keine aussagekräftigen Studien vor. Wegen Unterschieden der Gesundheitssysteme anderer
Länder sind die Daten aus Studien aus anderen Ländern in der Regel nicht übertragbar.
6 Erregerspektrum und Resistenz
6 Erregerspektrum und Resistenz
Das Erregerspektrum nosokomialer Pneumonien ist vielfältig. Im Vordergrund stehen
Bakterien, während Pilze und Viren bei immunkompetenten Patienten nur selten als Pneumonieerreger
identifiziert werden. In einem nicht unerheblichen Teil der Fälle handelt es sich
um eine polymikrobielle bakterielle Infektion. Die häufigsten Erreger stellen aerobe
und fakultativ anaerobe gramnegative Stäbchenbakterien dar wie Pseudomonas aeruginosa , Enterobacteriaceae (Escherichia coli , Klebsiella spp. und Enterobacter spp. ), Haemophilus influenzae , Acinetobacter baumannii und Stenotrophomonas maltophilia . Unter den grampositiven Erregern nosokomialer Pneumonien stehen Staphylococcus aureus und Streptococcus pneumoniae im Vordergrund ([Tab. 3a ] und [Tab.3b ]). Es besteht weitgehender Konsens darüber, dass Bakterien der normalen Schleimhautflora
der oberen Luftwege wie vergrünende Streptokokken, Neisseria spp. und Corynebacterium spp., aber auch Bakterienspezies wie Enterococcus faecalis, E. faecium und Koagulase-negative Staphylokokken, die als seltenere Kommensalen der oberen Luftwege
unter antimikrobieller Therapie selektiert werden können, als Pneumonieerreger keine
Bedeutung haben, selbst wenn sie in größerer Menge in einem invasiv gewonnenen Atemwegsmaterial
nachgewiesen werden ( [Tab.4 ]). Diese Bakterienspezies sollten daher vom mikrobiologischen Labor lediglich auf
Genusebene, aber nicht auf Speziesebene identifiziert und als Schleimhaut- bzw. Atemwegsflora
berichtet werden. Auf keinen Fall sollte von diesen Kommensalen eine Resistenzbestimmung
durchgeführt werden, da eine solche lediglich Anlass zu Fehl- und Übertherapie sein
könnte. Die Rolle obligat anaerober Bakterien als Erreger nosokomialer Pneumonien
ist ungeklärt, da auch bei invasiv gewonnenen Atemwegsmaterialien bei Patienten mit
HAP nur selten eine adäquate Anaerobierdiagnostik durchgeführt wird, zumal die üblichen
Transportbedingungen dieser Materialien eine qualifizierte Anaerobierdiagnostik verhindern.
Auch Candida spp. werden unter jedweder antibiotischen Therapie, insbesondere aber unter einer
Therapie mit Breitspektrumantibiotika, selektiert und daher regelmäßig bei intubierten
Intensivpatienten nachgewiesen. Als Erreger einer nosokomialen Pneumonie spielen sie
keine Rolle, ihr Nachweis in Atemwegssekreten sollte daher unabhängig von der nachgewiesenen
Spezies keinesfalls als Indikation für eine antimykotische Therapie angesehen werden
[36 ]. Demgegenüber sind Aspergillus spp. als Erreger einer nosokomialen Pneumonie zwar selten, sollten aber aufgrund der
hohen Letalität bei Risikopatienten (Patienten unter langfristiger Therapie mit Steroiden,
unter antineoplastischer Chemotherapie, Patienten mit COPD oder einer Influenzapneumonie)
mit berücksichtigt werden (siehe Empfehlung E10).
In der Leitliniengruppe besteht Konsens darüber, dass die Diagnostik von Erregern
der oropharyngealen Standortflora ([Tab. 4 ]) auf die Genusebene (Bakterien) bzw. Speziesebene (Hefepilze) beschränkt und auf
eine Resistenzbestimmung verzichtet werden sollte, um Fehltherapien zu vermeiden.
Tab. 3 a
Infektionserreger bei nosokomialer Pneumonie, Patienten ohne Risikofaktoren für multiresistente
Erreger (MRE).
Enterobacteriaceae
Escherichia coli
Klebsiella spp.
Enterobacter spp.
Haemophilus influenzae
Staphylococcus aureus (MSSA)
Streptococcus pneumoniae
Tab. 3 b
Infektionserreger bei nosokomialer Pneumonie, Patienten mit Risikofaktoren für multiresistente
Erreger (MRE).
zusätzlich:
Methicillinresistente Staphylococcus aureus (MRSA)
ESBL-bildende Enterobakterien
Pseudomonas aeruginosa
Acinetobacter baumannii
Stenotrophomonas maltophilia
Tab. 4
Bakterien und Pilze der oropharyngealen Standortflora ohne therapeutische Relevanz
bei nosokomialer Pneumonie.
Corynebacterium spp.
Enterococcus spp.
Neisseria spp.
α-hämolysierende (vergrünende) Streptokokken
Koagulase-negative Staphylokokken
Candida spp.
Risikofaktoren für nosokomiale Pneumonien mit multiresistenten Erregern
Das Erregerspektrum und die Frequenz von Infektionen mit multiresistenten Erregern
(MRE) hängen von Risikofaktoren ab ([Tab. 5 ]), die für die Auswahl der kalkulierten Antibiotikatherapie von zentraler Bedeutung
sind. Eine Vielzahl von Studien [2 ]
[37 ]
[38 ]
[39 ]
[40 ]
[41 ]
[42 ]
[43 ]
[44 ]
[45 ]
[46 ]
[47 ]
[48 ]
[49 ]
[50 ] sowie eine Metaanalyse [2 ] haben sich mit der Bedeutung einzelner Risikofaktoren für den Nachweis von MRE vorwiegend
bei VAP beschäftigt, wobei die Interpretation der Ergebnisse durch unterschiedliche
Definitionen des Endpunktes (potenziell resistente vs. resistente vs. einzelne Erreger
mit erhöhtem Risiko für Multiresistenz wie P. aeruginosa ) sowie der Variablen und durch nicht immer erfolgte multivariate Analysen limitiert
ist.
Tab. 5
Therapierelevante Risikofaktoren für multiresistente Infektionserreger bei nosokomialer
Pneumonie.
antimikrobielle Therapie in den letzten 90 d
Hospitalisierung ≥ 5 Tage (late-onset)
Kolonisation durch MRGN oder MRSA[1 ]
medizinische Versorgung in Süd- und Osteuropa, Afrika, Naher Osten, Asien
septischer Schock, sepsisassoziierte Organdysfunktion
Zusätzliche Risikofaktoren für P. aeruginosa:
strukturelle Lungenerkrankung (fortgeschrittene COPD, Bronchiektasen)
bekannte Kolonisation durch P. aeruginosa
1 Die Mehrzahl der Patienten mit einer derartigen Kolonisation werden keine HAP durch
diese Erreger aufweisen; Deeskalation nach Diagnostik (siehe Empfehlung E18).
Als übereinstimmend wichtigster Risikofaktor wurde eine vorausgegangene intravenöse
antimikrobielle Therapie innerhalb der letzten 90 Tage identifiziert [37 ]
[38 ]
[39 ]
[40 ]
[41 ]
[42 ]
[43 ]
[44 ], wobei die Daten für non-VAP HAP spärlich sind [43 ]
[44 ]
[45 ]. In einer Metaanalyse war dieser Faktor mit dem höchsten MRE-Risiko assoziiert (OR
12,3 für MRE-VAP; OR 5,17 für MRE-HAP) [2 ]. Allerdings ist auch die Intensität der Vortherapie (Spektrum und Dauer der Antibiotikatherapie)
zu beachten [39 ]
[42 ]
[44 ].
Als weiterer Risikofaktor für MRE-Pneumonien gilt eine längere Dauer der der Pneumonie
vorausgehenden Hospitalisierung (≥ 5 Tage late-onset vs. < 5 Tage early-onset), wobei
ein Zusammenhang mit der Änderung der Kolonisationsspektrums der oberen Atemwege zu
potenziellen MRE innerhalb dieses Zeitraums nachgewiesen wurde [38 ]. Obwohl die Datenlage nicht einheitlich ist [40 ]
[41 ]
[42 ], wurde in der Mehrzahl der Studien ein häufigerer MRE-Nachweis bei late-onset-Pneumonien
gefunden [37 ]
[38 ]
[39 ]
[42 ]
[47 ]
[50 ] und in der Metaanalyse bestätigt [2 ]. Naturgemäß ist auch eine early-onset-Pneumonie bei Vorliegen anderer Risikofaktoren
nicht selten mit MRE assoziiert [41 ]
[42 ]
[47 ]. Daten aus dem Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System KISS von über 16 000 Patienten
mit beatmungsassoziierter Pneumonie in Deutschland aus dem Zeitraum von 1997 bis 2006
haben keinen signifikanten Unterschied in der Häufigkeit und Rangfolge der häufigsten
Pneumonieerreger zwischen früh und spät auftretender Pneumonie gezeigt [50 ]. Einschränkend muss gesagt werden, dass in dieser Untersuchung early- und late-onset
nicht auf die Zeit nach Krankenhausaufnahme, sondern auf die Zeit nach Beatmungsbeginn
bezogen wurde, diese Patienten also durchaus schon länger hospitalisiert gewesen sein
konnten.
Die Mehrzahl prospektiver Studien mit dieser Fragestellung, die allerdings ebenfalls
zum Teil den Krankenhausaufenthalt vor der Aufnahme auf die Intensivstation nicht
berücksichtigten, demonstrierten eine höhere Prävalenz von MRE als Ursache von Pneumonien
ab dem 5. bis 6. Aufenthaltstag ([Tab. 6 ]). Dazu gehörten MRSA (in 2 von 4 Studien), P. aeruginosa , A. baumannii und S. maltophilia . Damit zählt das Kriterium „late-onset“, neben anderen Merkmalen, zu den Risikofaktoren
für das Auftreten von MRE als Verursacher der HAP.
Tab. 6
Erregerspektrum bei „früher“ und „später“ beatmungsassoziierter Pneumonie in internationalen
Studien. ICU: Intensive Care Unit, MICU: Medical Intensive Care Unit, SICU: Surgical
Intensive Care Unit.
Tag nach Beginn der Beatmung
≤ 5 d
≥ 6 d
≤ 5 d
≥ 6 d
≤ 5 d
≥ 6 d
≤ 4 d
≥ 5 d
Autor
Pirrachio 2009 [68 ]
Gacouin 2009 [69 ]
Rangel 2009 [49 ]
Rangel 2009 [49 ]
Leone 2007 [70 ]
Leone 2007 [70 ]
Ibrahim 2000 [47 ]
Ibrahim 2000 [47 ]
Anzahl Patienten/ Anzahl Erreger
136 /191
76 /100
?/78
?/97
39/50
76/90
235/247
185/223
Studiendesign
prospektiv 1 SICU
prospektiv 1 ICU
retrospektiv 1 SICU
retrospektiv 1 SICU
prospektiv 1 MSICU
prospektiv 1 MSICU
prospektiv 2 ICUs
prospektiv 2 ICUs
Nutzung invasiver diagnostischer Methoden
ja
ja
ja
ja
ja
ja
teilweise
teilweise
Erregerhäufigkeit in % (Rang)
36,1 (1)
21,0 (1)
14,1 (1)
21,6 (1)
34,0 (1)
27,8 (1)
34,0 (1)
26,5 (2)
MSSA
32,5
12,0
10,3
16,5
30,0
26,7
17,0
9,0
MRSA
3,7
9,0
3,8
5,1
4,0
1,1
17,0
17,5
10,0 (4)
21,0 (1)
1,3
9,3 (5)
10,0 (3)
10,0 (4)
23,9 (2)
31,8 (1)
2,6 (7)
4,0 (8)
11,5 (3)
11,3 (4)
6,7 (6)
2,4 (7)
4,5 (6)
15,2 (2)
3,0 (9)
28,2 (1)
15,5 (2)
26,0 (2)
16,7 (2)
5,7 (5)
2,2 (8)
1,0 (10)
9,0 (5)
4,1 (7)
1,6 (10)
0,9
12,0 (3)
6,4 (6)
7,2 (6)
4,0 (6)
4,4 (8)
2,4 (7)
1,3 (10)
5,2 (6)
9,0 (4)
6,4 (6)
2,1 (10)
2,0 (7)
4,4 (8)
5,2 (6)
5,4 (5)
5,8 (5)
8,0 (5)
3,8 (9)
3,1 (9)
8,0 (5)
6,7 (6)
9,7 (3)
8,5 (4)
1,0 (10)
1,0
2,1 (10)
2,0 (7)
10,0 (4)
1,6 (10)
2,2 (8)
1,6 (9)
6,0 (7)
5,1 (8)
2,1 (10)
2,4 (7)
3,1 (7)
11,0 (3)
2,6 (10)
4,1 (7)
10,0 (3)
11,1 (3)
2,1 (8)
8,0 (5)
10,3 (4)
14,4 (3)
6,9 (4)
9,4 (3)
n.d.
n.d.
n.d.
n.d.
n.d.
n.d.
20,9
27,6
In einer aktuellen multizentrischen europäischen Studie wurden bei 50 % der Patienten
mit early-onset-Pneumonie ohne vorausgegangene Antibiotikatherapie potenziell multiresistente
Erreger (P. aeruginosa, S. maltophilia , MRSA, A. baumannii ) nachgewiesen, unabhängige Risikofaktoren hierfür waren septischer Schock bzw. akute
Organdysfunktion (OR 3,7) und lokale MRE-Prävalenz von > 25 % (OR 11,3) [41 ]. Diese Daten sind schwer zu interpretieren, da sie entweder extrem frühe und hohe
Übertragungsraten nosokomialer Erreger und/oder eine führende Rolle von MRE als Kolonisationserreger
von Patienten ohne Risikofaktoren implizieren. Beide Annahmen sind für Deutschland
in dieser Form nicht zutreffend.
Obwohl die Schwere der Erkrankung (Schock, akute Organdysfunktion, ARDS) in weiteren
Studien univariat, aber nicht multivariat mit dem Nachweis von MRE bei VAP assoziiert
war [37 ]
[39 ], stellt sie insofern einen wichtigen modifizierenden Faktor für die Initialtherapie
dar, als bei Patienten mit sepsisassoziierter Organdysfunktion eine Erweiterung des
Spektrums zur Erfassung potenzieller MRE aus prognostischen Gründen zumindest initial
empfohlen wird.
Eine vorbestehende Kolonisation mit MRE ist ein weiterer Risikofaktor für Infektionen
mit MRE. Bei Nachweis einer MRSA-Kolonisation betrug der positiv prädiktive Wert für
eine MRSA-Pneumonie in Studien zwischen 18 – 35 % [51 ]
[52 ]
[53 ]; eine Metaanalyse fand bei > 60 000 ITS-Patienten einen positiven prädiktiven Wert
des nasalen MRSA-Nachweises von 25 % (RR 8,3) für eine nachfolgende Infektion (nicht
nur Pneumonie) mit MRSA [54 ]. Die Datenlage zum Risiko einer ESBL-Enterobakterien-Pneumonie bei bekannter ESBL-Kolonisierung
ist noch sehr begrenzt. In einer aktuellen systematischen Übersichtsarbeit werden
positiv prädiktive Werte zwischen 3,2 und 25,7 % angegeben, wobei in den zugrundeliegenden
Studien v. a. die ESBL-Bakteriämie unabhängig vom Fokus erfasst wurde und die Studien
einen wesentlichen Anteil an immunsupprimierten Patienten enthielten [55 ]. Die aktuelle Empfehlung der KRINKO zu Hygienemaßnahmen bei Infektionen oder Besiedlung
mit multiresistenten gramnegativen Bakterien mit Nachweis von Resistenzen gegen 3
oder 4 Antibiotikaklassen (MRGN) geht von Infektionsraten (nicht spezifisch Pneumonien)
bei Kolonisation mit 3-MRGN oder 4-MRGN von 10 – 40 % aus [56 ]. Besonders häufig sind Reiserückkehrer oder Bewohner aus Hochprävalenzländern (Süd-
und Osteuropa, Afrika, Naher Osten, Asien) kolonisiert [57 ]
[58 ]. Somit kann eine Kolonisation mit MRSA und MRGN als Risikofaktor für Infektionen
mit MRE angesehen werden, die Mehrzahl der kolonisierten Patienten wird jedoch keine
Pneumonie durch diesen Erreger aufweisen. Die Integration der Screeningbefunde in
den klinischen Kontext (Erkrankungsschwere, weitere Risikofaktoren), die Durchführung
einer adäquaten Erregerdiagnostik und die Deeskalation der Therapie nach Eingang mikrobiologischer
Befunde sind daher von besonderer Bedeutung. Als spezifischer Risikofaktor für nosokomiale
Pneumonien durch P. aeruginosa wurde neben einer nachgewiesenen Atemwegskolonisation durch diesen Erreger [59 ] das Vorliegen schwerer struktureller Lungenerkrankungen (schwere COPD, Bronchiektasen)
identifiziert [48 ]
[60 ]
[61 ].
Die Gewichtung dieser Faktoren ist nicht exakt quantifizierbar. Die Präsenz eines
einzelnen Merkmals führt nicht notwendigerweise zu einer Infektion mit MRE. Das Risiko
hängt von der Suszeptibilität des Patienten, der Dauer und Intensität der Einwirkung
einzelner Risikofaktoren, dem Zusammenwirken mehrerer Faktoren sowie der lokalen Erregerepidemiologie
(Wahrscheinlichkeit der Akquisition von MRE aus der hospitaleigenen Flora) ab. Die
Beurteilung des Gesamtrisikos bleibt einer kompetenten klinischen Einschätzung vorbehalten.
In der Leitliniengruppe besteht Konsens darüber, dass im Hinblick auf das Management
und die initiale, kalkulierte antimikrobielle Therapie der nosokomialen Pneumonie
zwischen Patienten mit und ohne Risikofaktoren für multiresistente Erreger unterschieden
werden sollte.
6.1 Interpretation von Daten zum Erregerspektrum der HAP/VAP
Die verlässlichsten Daten zur Erreger- und Resistenz-Epidemiologie der HAP liefern
prospektive Studien, in denen standardisierte Kriterien für die Diagnose der Pneumonie,
invasive Methoden zur Sekretgewinnung, eine optimale Logistik (Probenentnahme vor
Beginn der antibiotischen Therapie, sofortiger Transport und sofortige Weiterverarbeitung
der Materialien im Labor) und eine standardisierte, qualitätskontrollierte mikrobiologische
Diagnostik gewährleistet sind. Weniger zuverlässig sind Daten aus epidemiologischen
und mikrobiologischen Surveillance-Studien, in denen lediglich klinische Surveillance-Kriterien
für die Diagnose der Pneumonie herangezogen werden (KISS) bzw. die Resistenzepidemiologie
von Erregern aus Atemwegsmaterialien ausgewertet wird, aber letztlich meist unklar
bleibt, ob der nachgewiesene Erreger tatsächlich eine Atemwegsinfektion verursacht
hat oder lediglich eine Atemwegsbesiedlung darstellt [62 ]
[63 ]. Grundsätzlich liegen keine Hinweise darauf vor, dass sich in den vergangenen Jahren
wesentliche Änderungen des Erregerspektrums bei nosokomialer Pneumonie in Deutschland
ergeben hätten.
Die besten verfügbaren Daten zum Erregerspektrum der nosokomialen Pneumonie in Deutschland
liefert das KISS, wobei allerdings die letzten publizierten Daten auf das Jahr 2010
zurückgehen [64 ]. Die häufigsten Erreger waren demnach S. aureus (26,4 pro 100 VAP-Fälle), P. aeruginosa (15,4 pro 100 Fälle), Klebsiella spp. (10,2 pro 100 Fälle) und E. coli (10,0 pro 100 Fälle). Diese Verteilung entspricht den Ergebnissen der SENTRY-Studie
aus europäischen Krankenhäusern [65 ]
. Im Vergleich zu Pneumonien bei invasiv beatmeten Patienten traten in dieser Studie
bei Patienten mit nicht invasiver Beatmung und ohne Beatmung signifikant häufiger
durch Pneumokokken bedingte Pneumonien auf. Alle gramnegativen Erreger einschließlich
P. aeruginosa wurden dagegen signifikant häufiger bei beatmeten Patienten beobachtet [64 ]. Pneumoniefälle, die durch P. aeruginosa bedingt sind, zeigen auch ein längeres Intervall zwischen Aufnahme auf die Intensivstation
und Diagnose der Pneumonie im Vergleich mit Fällen, welche durch andere Erreger hervorgerufen
werden (13 vs. 9 Tage).
[Tab. 7 ] zeigt zum Vergleich Daten zum Erregerspektrum beatmungsassoziierter Pneumonien aus
prospektiven, internationalen Studien. Zum Erregerspektrum nicht beatmungsassoziierter
nosokomialer Pneumonien liegen lediglich 2 neuere internationale Studien vor [66 ]
[67 ], die ein breites Spektrum bakterieller Pathogene unter Einschluss von MRE und Legionella spp. ergaben.
Tab. 7
Erregerspektrum beatmungsassoziierter Pneumonien in prospektiven, klinischen internationalen
Studien.
Autor
Awad 2014 [71 ]
Koulenti 2009 [67 ]
Chastre 2008 [72 ]
Kollef 2006 [73 ]
Chastre 2003 [74 ]
Combes 2002 [75 ]
Hayon 2002 [76 ]
Ibrahim 2000 [47 ]
Fowler 2003 [77 ]
Anzahl Patienten/Anzahl Erreger
332/401
356/491
531/725
197/184
401/625
124/207
125/220
420/470
156/117
Studiendesign
prospektiv randomisiert, multizentrisch
prospektiv multizentrisch
prospektiv randomisiert, multizentrisch
prospektiv multizentrisch
prospektiv randomisiert, multizentrisch
prospektiv 2 ICUs
prospektiv monozentrisch
prospektiv 2 ICUs
prospektiv 2 MSICU
Nutzung invasiver diagnostischer Methoden
keine Angabe
teilweise, bei 23 % der Patienten
teilweise
teilweise
ja
ja
ja
teilweise
nein, TS
Erregerhäufigkeit in % (Rang)
35,2 (1)
23,6 (1)
18,6 (1)
51,1 (1)
20,0 (1)
17,9 (3)
20,0 (2)
30,4 (1)
25,6 (1)
MSSA
21,4
13,0
12,8
19,0
12,8
4,3
4,1
12,9
18,8
MRSA
13,7
10,6
5,8
32,1
7,2
13,5
15,9
17,2
6,8
15,2 (2)
16,5 (2)
7,6 (4)
31,0 (2)
19,2 (2)
26,1 (1)
15,9 (3)
27,7 (2)
23,9 (2)
7,7 (5)
14,7 (3)
4,3 (7)
4,3 (6)
1,8 (10)
5,3 (4)
9,5 (4)
3,4 (7)
2,6 (10)
4,5 (8)
5,7
12,3 (2)
7,2 (5)
3,9 (5)
4,5 (5)
4,0 (6)
5,1 (7)
6,5 (6)
3,7
4,1 (8)
n.d.
1,3
0,9
8,5 (4)
5,8 (6)
6,5 (5)
9,3 (4)
3,9 (5)
4,1 (6)
1,9 (9)
4,3 (8)
9,2 (3)
8,4 (3)
7,1 (3)
3,2 (8)
1,0
0,9 (10)
5,3 (5)
8,5 (4)
5,2 (7)
7,6 (4)
7,1 (3)
3,8 (7)
1,9 (10)
0,9 (10)
9,1 (3)
12,0 (3)
4,2 (9)
2,3 (8)
4,6 (6)
3,4 (8)
3,6 (8)
1,9 (9)
3,7 (10)
2,3 (8)
2,6 (9)
2,4 (9)
1,4 (9)
2,8 (8)
7,7 (5)
13,4 (3)
21,7 (5)
23,2 (1)
2,7 (9)
1,7 (10)
0,8
3,9 (4)
4,1 (6)
8,1 (4)
6,0 (6)
n.d.
32,0
n.d.
n.d.
n.d.
68,6
n.d.
21,3
30,0
Nachfolgend werden die wichtigsten Erreger nosokomialer Pneumonien und ihre wichtigsten
Resistenzmechanismen im Überblick dargestellt:
Streptococcus pneumoniae
und
Haemophilus influenzae
S. pneumoniae und H. influenzae sind typische Erreger der nosokomialen early-onset-Pneumonie bei antibiotisch nicht
vorbehandelten Patienten. In den meisten Studien wird S. pneumoniae in einer Häufigkeit zwischen 1 % und 10 % aller beatmungsassoziierten Pneumonien als
ursächlicher Erreger nachgewiesen. Bei Patienten mit VAP wurde nach den Daten aus
dem KISS S. pneumoniae bei 9,3 % der Patienten nachgewiesen, bei denen die Pneumonie innerhalb von 4 Tagen
nach Beatmungsbeginn, aber auch bei 4,3 % der Patienten, bei denen die Pneumonie erst
mehr als 7 Tage nach Beatmungsbeginn auftrat. In Deutschland sind weniger als 1 %
der S. pneumoniae -Stämme resistent gegenüber Penicillinen, noch geringer ist die Resistenz gegenüber
Drittgenerationscephalosporinen. Die Resistenzraten gegenüber Erythromycin und anderen
Makrolidantibiotika sind in Deutschland in den letzten Jahren wieder rückläufig und
liegen bei Erwachsenen aktuell zwischen 8 und 10 %. H. influenzae trat in Deutschland nach Ergebnissen aus dem KISS bei 6,9 % der Patienten mit Pneumoniebeginn
innerhalb von 4 Tagen und bei 2,9 % der Patienten mit Pneumoniebeginn nach dem 7. Tag
nach Beatmungsbeginn auf. In anderen Studien findet sich H. influenzae in bis zu 28 % als Erreger einer VAP, in der Regel sehr viel häufiger bei Early-onset-Pneumonien.
Etwa 10 – 15 % aller H. influenzae -Isolate sind Betalaktamase-Bildner und daher resistent gegenüber Amino- und Ureidopenicillinen;
sie sind jedoch meist empfindlich für Betalaktam-Betalaktamase-Inhibitorkombinationen,
Cephalosporine der Cefotaximgruppe und Fluorchinolone und stellen daher kein therapeutisches
Problem dar. Bei Patienten, die vor Auftreten der Pneumonie bereits wegen einer anderen
Infektion antibiotisch behandelt wurden, treten S. pneumoniae und H. influenzae aufgrund ihrer guten Antibiotikaempfindlichkeit als Pneumonieerreger kaum mehr in
Erscheinung.
Staphylococcus aureus
S. aureus stellt in den meisten Studien den häufigsten oder zweithäufigsten Erreger der HAP
dar. Da in Deutschland ambulant erworbene Methicillin-resistente S. aureus- Stämme (MRSA) ausgesprochen selten sind, findet man bei der early-onset-Pneumonie
meist Methicillin-empfindliche S. aureus- Stämme (MSSA), während mit zunehmender Krankenhausverweildauer die Häufigkeit von
MRSA zunimmt. So betrug in der Studie von Gastmeier und Kollegen [50 ] die Häufigkeit von MSSA unter den Erregern der innerhalb von 4 Tagen nach Beatmungsbeginn
auftretenden Pneumonien 21,4 % gegenüber 4,3 % MRSA, während bei später als 7 Tage
nach Beatmungsbeginn auftretenden Pneumonien MSSA bei 14,5 % der Patienten und MRSA
bei 6,5 % der Patienten nachgewiesen wurde. Insgesamt lag die Häufigkeit von S. aureus zwischen 21 % und 27 %. In anderen Studien liegt die Häufigkeit von S. aureus noch deutlich darüber. Während die meisten MSSA-Stämme neben ihrer Empfindlichkeit
gegenüber Penicillinase-festen Betalaktamantibiotika auch empfindlich für Makrolide,
Clindamycin und Fluorchinolone mit Resistenzraten von jeweils unter 10 % sind, liegt
die Resistenzrate gegenüber diesen Antibiotika bei MRSA-Stämmen über 80 %. MRSA-Stämme
sind in Deutschland zu 100 % empfindlich für Vancomycin, Teicoplanin und Linezolid.
Daptomycin und Tigecyclin sind zur Behandlung der HAP nicht zugelassen. Die Resistenzraten
gegenüber Fosfomycin, Fusidinsäure, Co-Trimoxazol und Rifampicin sind regional unterschiedlich,
liegen aber in der Regel unter 5 %.
Pseudomonas aeruginosa
P. aeruginosa stellt zusammen mit S. aureus den häufigsten Erreger nosokomialer Pneumonien dar. Die Häufigkeit wird in den meisten
Studien zwischen 10 und 30 % angegeben, wobei die Häufigkeitsraten bei Patienten mit
Risikofaktoren für MRE deutlich größer sind. Aus den KISS-Daten ergibt sich eine Häufigkeit
von 11,6 % bei Patienten mit Pneumoniebeginn innerhalb von 4 Tagen und von 19,9 %
bei Patienten mit Pneumoniebeginn nach dem 7. Tag nach Beatmungsbeginn. P. aeruginosa -Stämme weisen eine ausgeprägte intrinsische Resistenz gegenüber einer Vielzahl von
Antibiotika auf wie Ampicillin und Co-Trimoxazol sowie Drittgenerationscephalosporinen
der Cefotaximgruppe. Darüber hinaus hat in den letzten Jahren auch die erworbene Resistenz
gegenüber Pseudomonas-wirksamen Antibiotika wie Piperacillin, Ceftazidim, Cefepim,
Fluorchinolonen, Aminoglykosiden und Carbapenemen weltweit zugenommen. Hierfür verantwortlich
sind eine Vielzahl verschiedener Resistenzmechanismen wie Veränderungen der äußeren
Zellmembran (z. B. Porinverlust), Aminoglykosid-modifizierende Enzyme, Betalaktamasen,
darunter insbesondere Oxacillinasen und Metallo-Betalaktamasen, sowie die Hochregulation
von Effluxmechanismen. Insbesondere bei Patienten mit strukturellen Lungenerkrankungen
und chronischer Besiedlung mit P. aeruginosa lassen sich oft mukoide Kulturvarianten mit wechselndem Resistenzphänotyp nachweisen.
Somit ist mit Ausnahme von Colistin keine Antibiotikaklasse in der kalkulierten Therapie
als sicher wirksam anzusehen.
Enterobacteriaceae
Die verschiedenen Spezies der Familie Enterobacteriaceae finden sich in allen Studien unter den 10 häufigsten Erregern der HAP. Hierzu zählen
insbesondere E. coli , K. oxytoca und K. pneumoniae , aber auch Enterobacter spp., S. marcescens , Proteus spp. und Citrobacter spp. Die Rangfolge ist von Studie zu Studie verschieden, hier spielen lokale Ausbruchssituationen
eine wesentliche Rolle. In Deutschland stehen E. coli und K. pneumoniae im Vordergrund. Die Häufigkeit der einzelnen Spezies wird in den meisten Studien mit
unter 10 % angegeben. Fasst man dagegen alle Enterobakterien zusammen, so stellen
sie als Gruppe in der Regel den größten Anteil unter den Erregern der HAP dar. In
den meisten Studien unterscheidet sich die Häufigkeit von Enterobacteriaceae zwischen
früh und spät auftretenden Pneumonien nur unwesentlich, möglicherweise als Hinweis
darauf, dass ein Teil der Patienten schon bei Krankenhausaufnahme mit diesen Erregern
kolonisiert ist und der Infektionsweg in der Regel endogener Natur ist. Auch bei Enterobakterien
war in den letzten Jahren eine deutliche Resistenzzunahme zu beobachten, wobei hier
Resistenzen gegenüber Fluorchinolonen (überwiegend bei E. coli , in zunehmendem Maße aber auch bei Klebsiella spp.) sowie gegenüber Cephalosporinen der Cefotaximgruppe und Betalaktam-Betalaktamase-Inhibitorkombinationen
im Vordergrund stehen. Verantwortlich für Fluorchinolonresistenz bei Enterobakterien
sind Mutationen, die zu Veränderungen an Gyrasen und Topoisomerasen führen, sowie
Effluxmechanismen. Die Resistenzzunahme gegenüber Penicillinen und Cephalosporinen
ist auf meist Plasmid-kodierte Breitspektrumbetalaktamasen (ESBLs) zurückzuführen.
Hier ließ sich in Deutschland eine über Jahre zunehmende Häufigkeit ESBL-bildender
E. coli - und K. pneumoniae -Stämme beobachten, die oft eine gleichzeitige Resistenz gegenüber Fluorchinolonen
und Aminoglykosiden aufweisen. In den letzten Jahren hat sich der Anteil ESBL-bildender
E. coli - und K. pneumoniae -Stämme allerdings stabilisiert und liegt bei 10 – 15 %. In der Gruppe Enterobacter-Serratia-Citrobacter ist die häufig zu beobachtende Resistenz gegenüber Penicillinen und Cephalosporinen
dagegen meist durch chromosomal kodierte AmpC-Betalaktamasen bedingt. Ursächlich für
eine Resistenz von Enterobakterien gegenüber Carbapenemen sind verschiedene Betalaktamasen
wie Carbapenemasen (Klasse A-Betalaktamasen, Metallo-Betalaktamasen und Oxacillinasen)
sowie Veränderungen an der äußeren Zellmembran. Detaillierte Angaben über die Häufigkeit
dieser unterschiedlichen Resistenzmechanismen findet man in den aktuellen Publikationen
des Robert-Koch-Instituts [78 ].
Insgesamt ist die Häufigkeit Carbapenem-resistenter Enterobakterien in Deutschland
weiterhin noch sehr gering (< 1 %), sie stellt allerdings in Griechenland, der Türkei,
arabischen Ländern und Israel ein immer häufiger beobachtetes Phänomen dar, welches
bei Patienten, die in diesen Ländern hospitalisiert waren, auch bei der kalkulierten
Antibiotikatherapie berücksichtigt werden sollte. Gelegentlich werden aber auch aus
Deutschland Häufungen von Infektionen mit Carbapenem-resistenten Enterobakterien berichtet
[79 ].
Acinetobacter spp. Zu den Acinetobacter spp. der A. baumannii Gruppe zählen A. baumannii , A. nosocomialis und A. pittii. Sie sind im Rahmen der mikrobiologischen Routinediagnostik nicht immer sicher zu unterscheiden
und werden daher in der Regel als A. baumannii identifiziert. A. baumannii hat weltweit als Erreger der VAP an Bedeutung gewonnen. Die Häufigkeit schwankt regional
erheblich, dies hängt mit der Tatsache zusammen, dass A. baumannii oft zu Hospitalausbrüchen führt, die sich explosionsartig ausbreiten können und nur
schwer zu kontrollieren sind. Eine bedeutende Eigenschaft, die auch zur epidemischen
Verbreitung von A. baumannii beiträgt, ist neben einer intrinsischen Resistenz dieser Erreger gegenüber Penicillinen
und Cephalosporinen ihre Fähigkeit, in rascher Folge weitere Resistenzeigenschaften
z. B. gegenüber Fluorchinolonen, Aminoglykosiden und seit einigen Jahren auch gegenüber
Carbapenemen zu erwerben. Die Resistenz gegen Carbapeneme ist bedingt durch Oxacillinasen
(insbesondere OXA-23, OXA-72, und OXA-58-like) und seltener auch durch Metallo-Betalaktamasen
(NDM, VIM). Immer häufiger werden panresistente Stämme gefunden, die nur noch gegenüber
Colistin empfindlich sind, allerdings kommen inzwischen auch Colistin-resistente A. baumannii -Stämme vor.
Stenotrophomonas maltophilia
S. maltophilia , ebenso wie A. baumannii eher für late-onset VAP verantwortlich, zeichnet sich durch eine umfangreiche intrinsische
Resistenz gegenüber einer Vielzahl von Antibiotikaklassen aus. Zuverlässig wirksam
sind lediglich Co-Trimoxazol, welches als Mittel der Wahl gilt, sowie Fluorchinolone.
Resistenzen gegenüber diesen Substanzen kommen jedoch vor. Schwere Pneumonien durch
S. maltophilia sind eher selten, meist handelt es sich um eine Besiedlung der Atemwege bei beatmeten
Patienten, wobei eine vorausgehende Therapie mit einem Breitspektrumantibiotikum,
insbesondere mit Carbapenemen, den entscheidenden Risikofaktor darstellt. Die meisten
Studien geben die Häufigkeit von S. maltophilia als Erreger der HAP mit 2 % bis 10 % an.
Legionella pneumophila
HAP mit Legionella pneumophila oder anderen Legionella spp. treten insbesondere bei immunkompromittierten Patienten auf. Zur Häufigkeit nosokomialer
Legionellenpneumonien gibt es wenig verlässliche Zahlen. Ihr Auftreten ist regional
sehr unterschiedlich und hängt einerseits vom Ausmaß der Legionellenbelastung in der
Wasserversorgung des jeweiligen Krankenhauses, andererseits von der Exposition beatmeter
und nicht beatmeter Patienten mit kontaminiertem Leitungswasser ab.
Polymikrobielle bakterielle Infektionen Obwohl allgemein akzeptiert ist, dass beatmungsassoziierte Pneumonien oft polymikrobielle
Infektionen darstellen, geben die meisten der hier aufgeführten Studien hierzu keine
genauen Zahlen an, ihr Anteil wird auf mindestens 30 – 40 % geschätzt.
Aspergillus spp. Nosokomiale Pneumonien durch Aspergillus spp. werden auch bei Patienten außerhalb der klassischen Risikokollektive mit definierter
Immunsuppression beobachtet. Die Häufigkeit liegt bei 1 – 1,4 % [47 ]
[64 ]
[80 ]
[81 ]. Gefährdet sind insbesondere Patienten auf Intensivstationen sowie Patienten mit
COPD mit einer über einen längeren Zeitraum durchgeführten Glucocorticoidmedikation.
Auch Patienten mit bzw. nach einer Influenza-Pneumonie gelten als Risikopatienten
[82 ]. Die Sterblichkeit liegt mit 70 – 80 % sehr hoch.
Viren Viren treten bei Immunkompetenten selten als Erreger einer HAP in Erscheinung. Allerdings
sind Häufungen oder Ausbrüche nosokomialer Pneumonien mit Adenoviren, RS-Viren, Herpesviren
und insbesondere Influenza-Viren beschrieben [83 ]
[84 ].
In einer prospektiven Studie wurde über einen hohen Anteil (16 %) von akuter Cytomegalovirusinfektion
bei beatmungsassoziierten Pneumonien immunkompetenter Patienten berichtet [85 ]. Wie bei allen Herpesviren ist die Differenzierung von asymptomatischer Infektion
und CMV-Erkrankung insbesondere vor dem Hintergrund der VAP schwierig; quantitative
cut-offs der CMV-PCR in der BAL sind für dieses Kollektiv nicht etabliert. Die klinische
Relevanz dieses Befundes ist daher nicht gesichert und letztlich nur durch eine kontrollierte
Therapiestudie zu klären.
Resistenzepidemiologie Insgesamt haben sich in den letzten Jahren keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass
die Erreger nosokomialer Pneumonien in Deutschland eine Resistenzentwicklung erfahren
hätten, die eine Änderung in der kalkulierten Therapie der HAP/VAP erforderlich erscheinen
lassen. Auch wenn keine aktuellen, prospektiv gewonnenen, verlässlichen Daten zur
Resistenzepidemiologie von Erregern nosokomialer Pneumonien in Deutschland vorliegen,
lässt sich aus anderen Daten schließen, dass sich die Resistenzsituation in Deutschland
insgesamt nicht therapierelevant verschlechtert hat.
So zeigen Daten aus dem ECDC Surveillance Report für invasiv verlaufende Infektionen
(überwiegend Blutstrominfektionen) in Deutschland [86 ], dass die Häufigkeit von MRSA von 21 % im Jahr 2010 auf 11 % im Jahr 2015 zurückgegangen
ist. Bei P. aeruginosa ist die Resistenzhäufigkeit im Wesentlichen unverändert (Piperacillinresistenz 16 %
in 2010 und 18 % in 2015; Ceftazidim 8 % vs. 9 %; Carbapeneme 13 % vs. 15 %; Fluorchinolone
18 % vs. 14 %). Bei E. coli zeigt sich ein geringer Anstieg der Häufigkeit von ESBL-Bildnern von 8 % im Jahr 2010
auf 10 % im Jahr 2015, bei K. pneumoniae dagegen ist die ESBL-Häufigkeit im gleichen Zeitraum von 13 % auf 10 % zurückgegangen.
Ebenso ist die Häufigkeit der Multiresistenz bei P. aeruginosa , E. coli und K. pneumoniae seit 2011 weitgehend unverändert. Ein Rückgang der MRSA-Häufigkeit in Deutschland
(von 17 % im Jahr 2010 auf 13 % im Jahr 2013) zeigt sich auch in den letzten Surveillance-Studien
der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie. Aber auch bei P. aeruginosa und E. coli zeigte sich ein Rückgang der Resistenz-Häufigkeit gegenüber wichtigen Antibiotikagruppen
sowie der Multiresistenz zwischen 2010 und 2013, während es bei K. pneumoniae innerhalb dieses Zeitraums zu einem geringen Anstieg gekommen ist [62 ].
Nach aktuellen, unpublizierten KISS-Daten aus den Jahren 2011 – 2015 liegt die Häufigkeit
von MRSA unter allen S. aureus -Stämmen, die im Zusammenhang mit beatmungsassoziierten Pneumonien isoliert wurden,
in Deutschland bei 30 %. Bei den gramnegativen Erregern ist der Anteil von MRE mit
11 – 14 % deutlich geringer ([Tab. 8 ]). Insgesamt ist auch bei den KISS-Daten ein Trend zu abnehmenden Resistenzraten
gegenüber der Vorperiode 2005 – 2009 zu beobachten. Es ist allerdings darauf hinzuweisen,
dass diese Daten nur einen groben Anhaltspunkt zur Häufigkeit des Auftretens resistenter
Erreger bei HAP bieten können und nicht als alleinige Grundlage therapeutischer Entscheidungen
dienen können. Auch nationale oder internationale Daten zur Resistenzepidemiologie
können, selbst wenn sie in aktuellen, prospektiven Studien unter Verwendung adäquater
mikrobiologischer Methoden gewonnen wurden, für eine individuelle Therapieentscheidung
nicht herangezogen werden. Auf eine Veröffentlichung entsprechender Tabellen wird
daher in dieser Leitlinie verzichtet.
Sowohl die Häufigkeit der verschiedenen Erreger nosokomialer Pneumonien als auch die
Häufigkeit des Auftretens von Pneumonieerregern mit bestimmten Antibiotikaresistenzen
ist starken regionalen Schwankungen unterworfen, unterscheidet sich von Krankenhaus
zu Krankenhaus und auch innerhalb eines Krankenhauses von Abteilung zu Abteilung.
Das Vorhandensein einer lokalen Resistenzstatistik möglichst auf Abteilungsebene ist
daher neben einer kompetenten Bewertung individueller Risikofaktoren für die Auswahl
einer kalkulierten Antibiotikatherapie von überragender Bedeutung.
In der Leitliniengruppe besteht Konsens darüber, dass in Abständen von 6 – 12 Monaten
das Erregerspektrum und die Resistenzsituation der jeweiligen Station/Einrichtung
erhoben und so dargestellt werden sollte, dass diese Daten für Entscheidungen zur
kalkulierten Antibiotikatherapie herangezogen werden können. Die Erhebung erfolgt
idealerweise bezogen auf die bei HAP nachgewiesenen Erreger, mindestens aber auf solche,
die in Atemwegsmaterialien nachgewiesen wurden.
Tab. 8
Auftreten von MRE bei 14 908 Patienten mit nosokomialer Pneumonie in KISS-Intensivstationen
aus den Jahren 2011 – 2015, insgesamt 10 885 Erregernachweise (nur die 4 häufigsten
Erreger sind dargestellt).
Erreger[1 ]
Anzahl (%)
MRE-Rate[2 ]
Staphylococcus aureus
2466 (22,7)
30,0 %
1727 (15,9)
739 (6,8)
Pseudomonas aeruginosa[3 ]
2263 (20,8)
13,6 %
1955 (18,0)
308 (2,8)
Escherichia coli
[3 ]
2030 (18,6)
13,0 %
1765 (16,2)
265 (2,4)
Klebsiella spp.[3 ]
1988 (18,3)
11,7 %
1755 (16,1)
233 (2,2)
1 Mehrfachnennung möglich
2 Resistenzrate = Anteil der multiresistenten Erreger/Gesamtzahl der Isolate des Erregers
3 Definition MRE: P. aeruginosa , Resistenz gegen > 3 der Antibiotika Piperacillin, Ceftazidim, Chinolone, Aminoglycoside,
Imipenem; E. coli und Klebsiella spp., Resistenz gegen Drittgenerations-Cephalosporine.
7 Antiinfektiva
7.1 Aminopenicilline mit Betalaktamaseinhibitor
Zwei verschiedene Kombinationspräparate sind erhältlich, Amoxicillin/Clavulansäure
und Ampicillin/Sulbactam. Aminopenicilline sind wirksam gegenüber Streptokokken inklusive
Pneumokokken sowie gegenüber H. influenzae . Vorteil der mit einem Betalaktamaseinhibitor geschützten Substanzen gegenüber Ampicillin
ist das um M. catarrhalis, Klebsiella spp., S. aureus und viele Anaerobier erweiterte Spektrum; die in etwa 10 – 15 % auftretenden Betalaktamase-positiven
Haemophilus spp. werden ebenfalls erfasst. Zu den Nebenwirkungen beider Substanzen gehören gastrointestinale
Störungen. Bei Amoxicillin/Clavulansäure wurden Fälle von irreversiblem Leberversagen
beschrieben, die sehr wahrscheinlich auf den Clavulansäureanteil zurückzuführen sind.
Auch bei Ampicillin/Sulbactam wurden intrahepatische Cholestasen, selten auch Thrombopenie,
Leukopenie und Anämie (reversibel) beschrieben. Darüber hinaus sollte an die erhöhte
Kaliumzufuhr gedacht werden. Bei beiden Substanzen wird daher eine Kontrolle von Blutbild,
Serum-Kreatinin und Leberfunktionsparametern bei längerer Anwendung empfohlen.
7.2 Ureidopenicilline mit Betalaktamaseinhibitor
Hierzu gehört Piperacillin/Tazobactam, das klinisch bei HAP gut untersucht ist und
eine gute bis sehr gute Aktivität gegenüber P. aeruginosa besitzt. Das Wirkspektrum von Piperacillin ähnelt dem der Aminopenicilline, die In-vitro-Aktivität
gegenüber Enterobacteriaceae ist jedoch höher. In Kombination mit Sulbactam oder Tazobactam
erweitert sich das Wirkspektrum und umfasst zusätzlich eine Reihe Ampicillin-resistenter
Enterobacteriaceae , S. aureus (geringere Aktivität als Ampicillin/Sulbactam) und zahlreiche Anaerobier; die Aktivität
gegenüber P. aeruginosa ist jedoch nur unwesentlich verbessert. Bei Nachweis AmpC-Betalaktamase-bildender
Enterobacteriaceae wie Enterobacter spp., Citrobacter spp., Serratia spp. u. a. ist eine Monotherapie mit Piperacillin/Tazobactam wegen einer Resistenzentwicklung
unter Therapie nicht empfehlenswert.
Der als freier Kombinationspartner angebotene Betalaktamaseinhibitor Sulbactam hat
mit Piperacillin in vitro eine deutlich geringere Wirksamkeit gegen Enterobacteriaceae
als Piperacillin/Tazobactam; eine Übertragbarkeit der In-vitro-Testergebnisse für
Piperacillin/Tazobactam auf Piperacillin/Sulbactam ist daher für Enterobacteriaceae
nicht zulässig. Die fixe Kombination mit Tazobactam ist gut untersucht, die Dosierung
beträgt 3 – 4 × 4,5 g. Die Nebenwirkungen sind denen der Aminopenicilline vergleichbar.
Piperacillin/Tazobactam ist für die intermittierende Gabe mit verlängerter Infusionsdauer
(4 Stunden) und auch als kontinuierliche Infusion untersucht.
7.3 Cephalosporine
Zu den bei HAP klinisch gut untersuchten Substanzen gehören aus der Gruppe 3a (Drittgenerations-Cephalosporine
der Cefotaxim-Gruppe) Ceftriaxon und Cefotaxim, aus der Gruppe der Pseudomonas-wirksamen
Substanzen Ceftazidim und Cefepim. Ceftriaxon und Cefotaxim haben ein breites Wirkungsspektrum
mit ausgeprägter Aktivität gegenüber gramnegativen Bakterien. Durch die Ausbreitung
von ESBL-bildenden Enterobacteriaceae, die auch die Drittgenerationscephalosporine
inaktivieren, haben die Substanzen an Bedeutung beim Einsatz gegen diese Erreger verloren.
Cefotaxim und Ceftriaxon sind in vitro wirksamer als Cefuroxim gegen H. influenzae, M. catarrhalis, Klebsiella spp. und gegen S. pneumoniae . Dies gilt auch für Pneumokokken mit intermediärer Sensitivität gegenüber Penicillin.
Penicillinresistente Pneumokokken sind dagegen noch in etwa 90 – 95 % empfindlich
bzw. intermediär empfindlich gegenüber Ceftriaxon und Cefotaxim (MHK ≤ 2 mg/l). Die
Aktivität der Cephalosporine der Gruppe 3a gegenüber Staphylokokken ist dagegen wesentlich
geringer als die der Cephalosporine der 1. oder 2. Generation. Zu den Cephalosporinen
mit Wirksamkeit gegen P. aeruginosa gehören Ceftazidim und Cefepim. Die Aktivität von Ceftazidim wie auch von Cefepim
gegenüber Staphylokokken (mittlere MHK-Werte um 2 µg/ml) ist ähnlich wie die der Cefotaxim-Gruppe
unzureichend. Die Aktivität von Ceftazidim gegenüber Pneumokokken (MHK-Werte bis 0,5 mg/l)
ist etwas geringer als die von Cefepim (MHK-Werte bis 0,125 mg/l) und ist der Aktivität
von Ceftriaxon/Cefotaxim (MHK-Werte < 0,06 mg/l) unterlegen. Ceftazidim ist daher
für die kalkulierte Monotherapie der HAP nicht geeignet. Zum Einsatz von Cefepim bei
schweren Infektionen besteht eine kontroverse Diskussion aufgrund von Metaanalysen,
die eine Übersterblichkeit bei Therapie mit dieser Substanz fanden [87 ] bzw. nicht bestätigen konnten [88 ]. Die Verfügbarkeit von Cefepim in Deutschland ist limitiert. Ceftriaxon und Cefotaxim
unterscheiden sich durch ihre Halbwertszeit, die bei Cefotaxim ca. eine Stunde beträgt
und bei Ceftriaxon mit 8 Stunden wesentlich länger ist. Für die kalkulierte Initialtherapie
wird eine Tagesdosis von 1 × 2 g Ceftriaxon empfohlen. Bei der sehr kurzen Halbwertszeit
von Cefotaxim werden Einzeldosen von 2 g und ein Dosierungsintervall von höchstens
8 Stunden empfohlen. Auch Ceftazidim und Cefepim werden bei schweren Infektionen in
einer Dosis von 3 × 2 g täglich verabreicht. Ceftriaxon wird überwiegend biliär eliminiert,
während Cefotaxim, Ceftazidim und Cefepim nahezu vollständig renal ausgeschieden werden.
Ihre Dosis muss an die Nierenfunktion angepasst werden. Häufige Nebenwirkungen betreffen
gastrointestinale Symptome, Exantheme und Reaktionen an der Injektionsstelle.
Ceftobiprol ist das bislang einzige zur Therapie nosokomialer Pneumonien (HAP, Non-VAP)
zugelassene Cephalosporin mit Erweiterung des Erregerspektrums auf MRSA. Es bindet
auch an Penicillin-bindende Proteine, die verantwortlich für Betalaktamresistenz (PBP2a)
von Pneumokokken und Staphylokokken sind. Es ist wirksam gegen grampositive Erreger
und relevante gramnegative Pneumonieerreger einschließlich P. aeruginosa . Als unerwünschte Arzneimittelwirkungen traten v. a. gastrointestinale Störungen,
lokale Hautreaktionen, erhöhte Leberenzyme und Hyponatriämie auf.
Für alle aufgeführten Cephalosporine wurde ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von
Diarrhöen durch Clostridium difficile sowie die Selektion von ESBL-Enterobakterien beschrieben. Cefepim ist bei hohen Tagesdosen
und eingeschränkter Nierenfunktion mit Neurotoxizität assoziiert.
7.4 Cephalosporine mit Betalaktamaseinhibitor
Ceftolozan/Tazobactam verbindet ein neues Cephalosporin mit einem bekannten Betalaktamaseinhibitor,
während bei Ceftazidim/Avibactam ein bekanntes Cephalosporin mit einem neuen Betalaktamaseinhibitor
kombiniert wurde.
Beide Substanzen weisen eine gute Wirksamkeit im gramnegativen Bereich einschließlich
multiresistenter Enterobakterien und P. aeruginosa auf. Im Unterschied zu Tazobactam inhibiert Avibactam auch Carbapenemasen der KPC-Familie.
Nicht wirksam sind die Substanzen gegen Metallo-Betalaktamasen. Eine Studie zu Ceftazidim/Avibactam
bei HAP ist abgeschlossen, aber noch nicht publiziert.
7.5 Carbapeneme
Carbapeneme besitzen ein breites antimikrobielles Spektrum und sind wirksam gegenüber
grampositiven und gramnegativen Bakterien einschließlich ESBL-Bildnern und Anaerobiern.
Sie haben eine Wirkungslücke (Primärresistenz) gegenüber S. maltophilia , MRSA und E. faecium . Zur Gruppe der pseudomonaswirksamen Substanzen zählen Imipenem/Cilastatin und Meropenem;
Ertapenem ist bei sonst vergleichbarer Aktivität gegenüber grampositiven und gramnegativen
Bakterien unwirksam gegenüber P. aeruginosa und A. baumannii . Die MHK-Werte bei gramnegativen Bakterien liegen für Meropenem um etwa 2 Verdünnungsstufen
niedriger als für Imipenem; bei beiden Substanzen ist die Aktivität gegen P. aeruginosa relativ gering; die MHK-Werte von Wildtyp-Stämmen liegen bis 2 mg/l (Meropenem) oder
4 mg/l (Imipenem), die klinische Aktivität ist jedoch meist ausreichend. Die Aktivität
von Meropenem bei Streptokokken, Staphylokokken und A. baumannii ist geringer als die des Imipenems.
Die Halbwertszeit bei nierengesunden Patienten liegt bei den Carbapenemen bei ca.
1 Stunde mit Ausnahme von Ertapenem, dessen Halbwertszeit (HWZ) ca. 4 Stunden beträgt.
Die Ausscheidung erfolgt bei allen Substanzen überwiegend renal. Ertapenem wird 1-mal
täglich in einer Dosis von 1 g intravenös infundiert. Imipenem und Meropenem werden
3-mal oder 4-mal täglich in einer Dosis von 1 g appliziert, wobei Meropenem auch als
Bolus verabreicht werden kann.
Übelkeit und Erbrechen bei ca. 3 – 4 % der Patienten sowie Diarrhöen in einer ähnlichen
Frequenz sind die häufigsten unerwünschten Wirkungen der Carbapeneme. In seltenen
Fällen, insbesondere nach Überdosierung bei Niereninsuffizienz, wurden unter der Therapie
mit Imipenem, seltener auch mit anderen Carbapenemen, Krampfanfälle gesehen. Bei gleichzeitiger
Gabe von Valproinsäure mit Carbapenemen kann die Plasmakonzentrationen des Antiepileptikums
deutlich reduziert sein, sodass es auch dadurch zu Krampfanfällen kommen kann.
7.6 Fluorchinolone
Für die Behandlung der HAP sind die Fluorchinolone Ciprofloxacin, Levofloxacin und
Moxifloxacin von Bedeutung. Alle Substanzen sind hochaktiv gegen H. influenzae, M. catarrhalis und häufig auch gegen Enterobacteriaceae einschließlich Klebsiella spp. Die Aktivität gegenüber Legionellen ist besser (MHK90-Werte ~ 0,06 mg/l) als
die von Clarithromycin; auch in Zellkulturmodellen wirken sie besser als Makrolide.
Ein Argument für die Wahl dieser Substanzen als Kombinationspartner bei HAP kann daher
die Spektrumserweiterung gegenüber Legionellen darstellen.
Zu unterscheiden sind Substanzen mit Pneumokokkenaktivität (Moxifloxacin, Levofloxacin)
und Substanzen mit Pseudomonasaktivität (Ciprofloxacin, Levofloxacin). Die In-vitro-Aktivität
von Moxifloxacin gegenüber S. pneumoniae ist stärker als die von Levofloxacin. Die MHK-Werte betragen für Moxifloxacin ≤ 0,5 mg/l
und für Levofloxacin ≤ 2 mg/l. Unter Berücksichtigung pharmakokinetisch-pharmakodynamischer
Eigenschaften sind beide Präparate bei Pneumokokkeninfektionen als ähnlich effektiv
zu betrachten.
Das Wirkspektrum von Moxifloxacin umfasst auch Anaerobier. Im Unterschied zu Moxifloxacin
kann Levofloxacin in der bei HAP untersuchten höheren Dosis von 2 × 500 mg als für
fluorchinolonempfindliche P. aeruginosa klinisch ausreichend wirksam betrachtet werden. Bei gesicherter Pseudomonas-Infektion
sollte allerdings auf Ciprofloxacin gewechselt werden, das eine bessere Wirkung gegenüber
P. aeruginosa zeigt.
Ciprofloxacin wird aufgrund seiner schwachen Wirkung gegenüber S. pneumoniae (MHK-Werte bis 2 mg/l) nicht für die kalkulierte Therapie von Infektionen mit Pneumokokken
als möglichem Erreger empfohlen (Early-onset-HAP). Ferner weist die Substanz eine
schwächere Wirksamkeit gegen Staphylokokken auf. Dagegen kann es als Kombinationspartner
bei VAP mit erhöhtem Risiko von MRE eingesetzt werden. Allerdings muss bei der Auswahl
der kalkulierten Therapie beachtet werden, dass Resistenzen wichtiger Enterobacteriaceae
wie E. coli oder Klebsiella spp. gegenüber allen Fluorchinolonen in den letzten 10 Jahren deutlich zugenommen
haben.
Die Konzentrationen der Fluorchinolone sind aufgrund ihrer guten Gewebegängigkeit
in der broncho-alveolären Epithelflüssigkeit deutlich höher als die Serumkonzentrationen.
Die Verteilungsvolumina betragen ~ 1,2 l/kg (Levofloxacin) bzw. ~ 2,5 l/kg (Moxifloxacin).
Die Elimination von Levofloxacin erfolgt fast ausschließlich renal und ist daher von
der Nierenfunktion abhängig. Moxifloxacin dagegen wird mit einer Halbwertszeit von
etwa 13 Stunden überwiegend hepatisch eliminiert und wird unabhängig von der Nierenfunktion
mit 1 × 400 mg/d dosiert. Nur etwa 20 % lassen sich unverändert im Urin nachweisen.
Da der Metabolismus der Substanz unabhängig von der Aktivität hepatischer Monooxygenasen
ist, sind entsprechende Interaktionen nicht zu erwarten. Die in klinischen Studien
getestete Dosierung von Ciprofloxacin bei HAP beträgt 3 × 400 mg parenteral.
Häufigste unerwünschte Wirkungen der Fluorchinolone sind gastrointestinale Störungen
(Übelkeit, Diarrhö, Erbrechen, Bauchschmerzen) sowie Leberfunktionsstörungen. Es sind
Fälle von tödlicher Hepatitis im Zusammenhang mit Moxifloxacin berichtet worden, die
die Indikation der Substanz bei ambulant erworbenen Atemwegsinfektionen eingeschränkt
haben. Für alle Fluorchinolone wurde ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Diarrhöen
durch C. difficile sowie die Selektion von MRSA beschrieben. Gelegentliche bis seltene Nebenwirkungen
aller Fluorchinolone sind eine Verlängerung der QTc-Zeit im EKG sowie schmerzhafte
Sehnenentzündungen (einschließlich der seltenen Sehnenruptur, meist bei längerer Anwendung),
ZNS-Reaktionen wie Krampfanfälle, Erregungszustände, Verwirrtheit und Halluzinationen,
Sehstörungen, Hautreaktionen und Hyperglykämie oder Hypoglykämie. Vorsicht ist geboten
bei Hypokaliämie, erworbener QTc-Intervall-Verlängerung, Bradykardie und schwerer
Herzinsuffizienz, symptomatischen Herzrhythmusstörungen sowie gleichzeitiger Anwendung
von Antiarrhythmika und anderen Arzneimitteln, die das QTc-Intervall verlängern.
7.7 Aminoglykoside
Gut untersucht als Kombinationspartner bei schweren Infektionen sind Gentamicin, Tobramycin
und Amikacin. Die Substanzen zeigen eine gute Wirkung gegen viele Enterobacteriaceae
und gegen P. aeruginosa . Ihre Wirkung gegenüber grampositiven Bakterien ist weniger ausgeprägt. Unzureichend
ist die Aktivität bei Streptokokken und Pneumokokken. Die Konzentrationen im pulmonalen
Kompartiment sind nach systemischer Applikation niedrig. Eine Monotherapie mit Aminoglykosiden
ist daher nicht indiziert. In der Kombinationstherapie sollten bei pulmonalen Infektionen
hohe Einzeldosen bei einmal täglicher Applikation über eine Stunde gewählt werden,
um ausreichende Konzentrationen im Alveolarfilm zu erzielen. Aminoglykoside werden
renal ausgeschieden. Die Halbwertszeit liegt bei nierengesunden Patienten bei ca.
2 Stunden; bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion kann sich die HWZ beträchtlich
verlängern. Ein Drug-Monitoring ist erforderlich. Die Dosierung der Aminoglykoside
muss an die Nierenfunktion angepasst werden. Talspiegelmessungen zur eventuellen Dosisanpassung
sind ab dem dritten Behandlungstag sinnvoll und können Überdosierungen zu vermeiden
helfen. Innerhalb eines 24-Stunden-Dosierungsintervalls werden als therapeutische
Zielbereiche Talkonzentrationen von < 1 mg/l für Gentamicin und Tobramycin und < 5 mg/l
für Amikacin angestrebt. Pharmakologische und klinische Daten sprechen überwiegend
dafür, dass durch die tägliche Einmaldosierung bei verbesserter Wirkung das Nebenwirkungsrisiko
gesenkt werden kann. Während die zugelassenen Tagesdosen von Gentamicin und Tobramycin
bei 3 – 6 mg/kg/d liegen, werden diese Substanzen in der Therapie schwerer Infektionen
auch in höheren Dosierungen von 5 – 7 mg/kg/d bei einmal täglicher Applikation eingesetzt.
Die Tagesdosis von Amikacin liegt bei normaler Nierenfunktion bei 15 – 20 mg/kg/d.
Bei den unerwünschten Wirkungen ist besondere Aufmerksamkeit hinsichtlich der Nephrotoxizität,
der Oto- und Vestibulotoxizität und der Hemmung der neuromuskulären Übertragung geboten.
Vorschädigungen dieser Organsysteme sollten zu zurückhaltendem Einsatz der Aminoglykoside
führen, auch sollte die gleichzeitige Gabe weiterer nephrotoxischer Substanzen vermieden
werden. Selten werden schwere Bronchospasmen und anaphylaktoide Reaktionen beobachtet.
Im Rahmen der heute üblichen Deeskalationskonzepte werden die ausschließlich in Kombination
eingesetzten Aminoglykoside bei klinischem Ansprechen und/oder Nachweis eines auf
den Kombinationspartner empfindlichen Erregers nach wenigen Tagen abgesetzt, wodurch
das Nebenwirkungsrisiko reduziert wird.
Die inhalative adjunktive Therapie mit Aminoglykosiden wird mit Gentamicin, Amikacin
oder Tobramycin durchgeführt. Die Dosierungen sind nicht standardisiert. Für die Anwendung
von invasiv beatmeten Patienten wurde u. a. Tobramycin in einer Dosis von 2 × 200 mg/d
geprüft. Für die Verneblung mit einem Ultraschallvernebler wurde die Substanz mit
NaCl (0,9 %) auf 10 ml aufgefüllt. Mit diesem Vorgehen ergaben sich bereits erhöhte
Serumspiegel bei Patienten mit Niereninsuffizienz [89 ]. Bisher gibt es keine prospektiven randomisierten Studien, die einen Nutzen der
zusätzlichen Gabe von vernebelten Aminoglykosiden bei der VAP belegen und die Art
und Weise der Verneblung ist nicht geprüft und/oder standardisiert.
7.8 Makrolide
Makrolide haben eine gute Wirkung gegenüber Mykoplasmen, Chlamydien und Legionellen
sowie gegenüber Streptokokken. In Deutschland sind neben Erythromycin auch Clarithromycin
und Azithromycin zur parenteralen Anwendung verfügbar. Diese Substanzen zeichnen sich
im Vergleich zu Erythromycin durch vermehrte Säurestabilität und bessere orale Bioverfügbarkeit
aus, teilweise auch durch ein geringeres Potenzial zu Arzneimittel-Interaktionen.
Die zeitweise hohen Resistenzraten gegenüber Pneumokokken waren in den letzten Jahren
rückläufig. Die Aktivität der „neueren“ Makrolide gegenüber H . influenzae ist mäßig, bei Clarithromycin oft im MHK-Bereich 8 – 16 mg/l, und die klinische Wirkung
entsprechend unsicher. Im Fall von Clarithromycin wirkt in vivo zusätzlich der 14-OH-Metabolit.
Die In-vitro-Aktivität von Azithromycin ist vergleichsweise stärker (MHK-Werte 1 – 2 mg/l).
Sie wird aber hinsichtlich der klinischen Wirksamkeit ebenfalls nicht als ausreichend
betrachtet. Gegenüber Legionella spp. ist Clarithromycin die in vitro wirksamste Substanz (MHK90 ≤ 0,004 mg/l). Die
MHK-Werte von Erythromycin und Azithromycin sind höher (MHK90-Werte ~0,125 mg/l).
Die Wirkung von Clarithromycin auf intrazelluläre Legionellen scheint allerdings nicht
besser als die der anderen Makrolide zu sein und ist der Fluorchinolonwirkung unterlegen.
Makrolide werden bei HAP als Kombinationspartner eingesetzt, wenn eine Infektion mit
Legionellen, Mykoplasmen oder Chlamydien vermutet wird und Fluorchinolone nicht gegeben
werden können. Darüber hinaus wird eine Kombinationstherapie mit Nutzung der antiinflammatorischen
Wirkung der Makrolide ähnlich wie bei der schweren ambulant erworbenen Pneumonie diskutiert;
hierfür reicht die bisherige Evidenz [90 ] allerdings nicht aus. Nach Infusion von 1 g Erythromycin über eine Stunde beträgt
die Halbwertszeit ~ 2 Stunden; das empfohlene Dosierungsintervall ist 6 bis 8 Stunden.
Das Verteilungsvolumen ist ~ 0,7 l/kg. Das Verteilungsvolumen von Clarithromycin ist
größer, das von Azithromycin mit 23 bis 31 l/kg erheblich größer. Relativ niedrige
Serumspiegel dieser Substanzen bei sehr hohen Gewebespiegeln sind die Folge. Die Halbwertszeit
von Clarithromycin beträgt ~ 3 bis 4 Stunden. Charakteristisch für Azithromycin sind
die sehr lange Eliminationshalbwertzeit von etwa 20 bis 40 Stunden und die hohen Konzentrationen
im Gewebe. Die infolge der langen Halbwertszeit vorkommenden subinhibitorischen Wirkstoffkonzentrationen
sind mit einer vermehrten Resistenzselektion bei S. pneumoniae assoziiert worden. Die Makrolide werden in der Leber metabolisiert und vorzugsweise
biliär ausgeschieden.
Bei allen Substanzen stehen gastrointestinale Beschwerden mit Motilitätssteigerung
als unerwünschte Wirkungen im Vordergrund. Im Vergleich zu Erythromycin sind diese
unerwünschten Wirkungen bei den neueren Makroliden seltener. Selten kann es zu ZNS-Reaktionen
oder Hautreaktionen kommen. Die Venenverträglichkeit bei intravenöser Gabe von Erythromycin
und Clarithromycin ist schlecht. Alle Makrolide können eine Verlängerung der QTc-Zeit
im EKG verursachen. Vorsicht ist geboten bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit,
bekannten ventrikulären Arrhythmien, Hypokaliämie, Bradykardie oder gleichzeitiger
Anwendung von anderen Substanzen, die die QTc-Zeit verlängern.
7.9 Glykopeptide
Glykopeptide sind unwirksam gegenüber allen klinisch relevanten gramnegativen Bakterien.
Aufgrund ihres schmalen Wirkungsspektrums, ihrer klinisch relevanten Toxizität und
einer limitierten Gewebegängigkeit gewannen Vancomycin und Teicoplanin erst mit der
MRSA-Epidemie an Bedeutung. Fast alle grampositiven Bakterien einschließlich MRSA
und Penicillin-resistenter Pneumokokken sind gegenüber Glykopeptiden empfindlich.
Sie wirken zeitabhängig, d. h. die antibakterielle Wirkung ist abhängig von der Dauer
des Serumspiegels oberhalb der MHK der Zielerreger, nicht vom Serumspitzenspiegel.
In der Pneumoniebehandlung beschränkt sich ihr Einsatz auf Infektionen durch MRSA-Stämme
und darüber hinaus auf Fälle, bei denen wegen Allergie kein anderes Antibiotikum eingesetzt
werden kann. S. aureus Pneumonien durch Methicillin-sensible Stämme werden nicht mit Glykopeptiden therapiert,
da diese geeigneten Penicillinen in den klinischen Endpunkten unterlegen sind [91 ].
Vancomycin wird intravenös verabreicht, da es nicht im relevanten Umfang enteral resorbiert
wird; die Elimination erfolgt renal. Die Serumhalbwertzeit von Vancomycin beträgt
ca. 6 Stunden. Der Talspiegel sollte bei schweren Infektionen auf etwa 15 mg/l eingestellt
werden. 2 Varianten der Applikation von Vancomycin können empfohlen werden: 1.) Die
Infusion über 1 – 2 Stunden von initial 1 g (15 mg/kg Körpergewicht) im Intervall
von 12 Stunden mit nachfolgender Anpassung der Einzeldosis durch Spiegelbestimmung
zur Erzielung des erwünschten Talspiegels und 2.) eine Ladedosis von 35 mg/kg mit
nachfolgender kontinuierlicher Infusion. Die Einstellung des Steady-state-Spiegels
sollte auf ca. 15 – 20 mg/l erfolgen. Bei Vorliegen einer Niereninsuffizienz sind
wiederholte Messungen des Talspiegels zur Dosissteuerung obligat. Die Regeldosis beträgt
unter diesen Umständen 15 mg/ml glomeruläre Filtrationsrate (ml/min)/d. Der Einsatz
alternativer Antiinfektiva ist dann zu erwägen.
Die Nephrotoxizität von Vancomycin wurde zunächst als sehr hoch eingeschätzt. Sie
war jedoch teilweise durch Verunreinigung der frühen Formulierung des Medikamentes
bedingt. Es ist aktuell bei adäquater Talspiegel-gesteuerter Gabe mit einer Vancomycin-induzierten
Nephrotoxizität von 5 – 7 % zu rechnen. Eine Ototoxizität wird bei hohen Serumspiegeln
ab 80 mg/l beobachtet. Im Rahmen der empfohlenen therapeutischen Spiegel kommt sie
selten vor. Bei Unterschreiten der empfohlenen Infusionszeit von mindestens 60 Minuten
der verdünnten Lösung kann es zu Schmerzen, Thrombophlebitis und einer Erythrodermie
(„red man syndrome“) kommen.
Teicoplanin zeichnet sich durch eine Serumhalbwertzeit von 70 – 100 Stunden aus. Seine
Dosierung beträgt am ersten Tag 400 mg im Abstand von 12 Stunden, danach 6 – 12 mg/kg
Körpergewicht alle 24 Stunden.
Telavancin ist ein neues halbsynthetisches Lipoglykopeptid-Antibiotikum. Es wird bei
normaler Nierenfunktion mit 10 mg/kg Körpergewicht alle 12 Stunden appliziert. Bei
Niereninsuffizienz ab einer Kreatininclearance ≤ 30 ml/min ist Telavancin kontraindiziert
und zeigte in Studien eine erhöhte Letalität im Vergleich zu Vancomycin. Neben den
bekannten Nebenwirkungen der Glykopeptide fand sich außerdem ein möglicher Einfluss
auf die Ergebnisse von Blutgerinnungstests (PTT, INR).
7.10 Oxazolidinone
Die neue Klasse der Oxazolidinone (in Deutschland verfügbar: Linezolid p. o. und i. v.)
wurde in erster Linie zur Behandlung von MRSA-Infektionen entwickelt. Linezolid ist
aktiv gegenüber den meisten aeroben grampositiven Kokken. Die orale Bioverfügbarkeit
ist sehr hoch. Die Halbwertszeit beträgt 5 bis 7 Stunden, die Substanz wird in Form
der Hauptmetaboliten vorwiegend über die Niere eliminiert. Die Dosis beträgt 2 × 600 mg/d,
eine Dosisanpassung bei eingeschränkter Nierenfunktion ist nicht notwendig.
Bei den unerwünschten Wirkungen stehen gastrointestinale Beschwerden, teils lang anhaltende
Neuropathien (inklusive den Sehnerv betreffend) und Myelosuppression im Vordergrund.
Blutbildveränderungen wurden v. a. bei längerer Behandlungsdauer gesehen. Aufgrund
dieser Nebenwirkung sind wöchentliche Blutbildkontrollen während einer Therapie angezeigt;
eine Therapiebegrenzung auf maximal 28 Tage wird empfohlen. Linezolid ist ein Hemmstoff
der Monaminoxidase. Aufgrund dieser Wirkung können Interaktionen mit Sympathomimetika
und anderen Arzneimitteln vorkommen. Die gleichzeitige Einnahme übermäßiger Mengen
tyraminhaltiger Lebensmittel (z. B. Sojasoße, reifer Käse) sollte vermieden werden.
Im Tierversuch wurde eine verminderte Fertilität beobachtet; mögliche Auswirkungen
auf die reproduktiven Organe beim Menschen sind nicht bekannt.
7.11 Colistin
Colistin (Polymyxin E) ist ein kationisches zyklisches Polypeptid-Antibiotikum aus
der Familie der Polymyxine mit vernachlässigbarer Resorption nach oraler Gabe. Nach
der Erstzulassung im Jahr 1959 wurde eine erhebliche Nephrotoxizität beobachtet, die
seine Verwendung über lange Zeit stark einschränkte. Colistin wird verabreicht als
Prodrug Colistinmethansulfonat, welches geringere Toxizität aufweist als Colistin,
die antibakteriell wirksame Substanz, zu der es konvertiert wird. Colistin bindet
an Lipopolysacharid und Phospholipide an der äußeren Zellmembran gramnegativer Zellen,
durch Interaktion mit divalenten Kationen (Ca2 + und Mg2 + ) kommt es zur Zerstörung der Zellmembran. Die Substanz hat eine geringe Plasmaeiweißbindung
und wird mit großer Variabilität auch bei normaler Kreatininclearance, besonders aber
bei kritisch Kranken und Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion, renal eliminiert.
Colistin wirkt ausschließlich gegenüber gramnegativen Bakterien mit Ausnahme von Proteus spp., Providencia spp., Serratia spp., Burkholderia spp. und vielen Stämmen von S. maltophilia . Gegenüber grampositiven Kokken zeigt Colistin keine Wirksamkeit. Die Grenzwerte
für Colistin für Acinetobacter baumannii, Pseudomonas aeruginosa und Enterobacteriaceae sind 2 mg/l [92 ].
Der Einsatz von Colistin in der systemischen Therapie ist auf schwere Infektionen
durch multiresistente Stämme von P. aeruginosa, A. baumannii und Carbapenem-resistente Enterobakterien beschränkt. Allerdings ist die klinische
Wirksamkeit bei Pneumonien durch multiresistente gramnegative Erreger nur in kleinen
Fallserien belegt, die meisten Studien wurden in Kombinationstherapie mit Carbapenemen,
Tetracyclinen, Tigecyclin, Rifampicin u. a. durchgeführt.
Die in Deutschland verfügbaren Formulierungen enthalten Colistinmethylsulfonat, das
in Milligramm und in internationalen Einheiten (IE) angegeben wird. 1 mg Colistinmethylsulfonat
entspricht 12 500 IE; 1 mg der reinen Colistinbase entspricht 30 000 IE. Die empfohlene
Tagesdosis für nierengesunde Erwachsene mit einem Körpergewicht > 60 kg beträgt 720 mg/kg
KG entsprechend 9 000 000 IE verteilt auf 2 bis 3 Einzeldosen [93 ].
Studien zur Pharmakokinetik legen nahe, v. a. bei kritisch Kranken eine loading dose
von 9 000 000 IE zu verabreichen, auch wenn deren Stellenwert in klinischen Studien
nicht eindeutig belegt ist [94 ]. Die damit erreichbaren Serumkonzentrationen liegen nur gering über der MHK der
als empfindlich (≤ 2 mg/ml) geltenden Erreger.
Die Elimination erfolgt renal. Bei Nierengesunden treten abhängig von der Definition
der Nephrotoxizität in 8 % bis 37 % Störungen der Nierenfunktion unter der Therapie
auf [95 ]
[96 ]
[97 ]. Bei vorbestehender Niereninsuffizienz verschlechtert sich diese in über 30 % der
Patienten [98 ]. Eine tägliche Kontrolle der Nierenfunktion ist deshalb notwendig; die Dosis ist
bei Niereninsuffizienz zu reduzieren, eine gleichzeitige Gabe nephrotoxischer Medikamente
sollte vermieden werden. Neurotoxische Effekte wurden ebenfalls beschrieben. Die Toxizität
ist dosisabhängig und reversibel, deshalb sollte eine Therapiedauer von 10 – 14 Tagen
in der Regel nicht überschritten werden. Aufgrund der hohen intra- und interindividuellen
Variabilität der Pharmakokinetik sollte die Therapie über Spiegelmessungen gesteuert
werden. In vitro gemessene Synergieeffekte und klinische Studien mit kleinen Fallzahlen
sprechen dafür, eine Kombinationstherapie z. B. mit Carbapenemen durchzuführen [99 ]
[100 ].
Für die inhalative adjunktive Applikation von Colistin existieren keine randomisierten
Studien zur Dosisfindung bei intubierten Patienten mit Pneumonie. Die Vorgehensweise
ist der von Patienten mit zystischer Fibrose entlehnt [101 ]. In einer prospektiven Arbeit [102 ] wurden Dosierungen von 3 Mio. IU, aufgeteilt auf 3 Gaben, angewendet. Bei Patienten
mit einem Körpergewicht von weniger als 50 kg und/oder Niereninsuffizienz (Serumkreatinin
> 2 mg/dl) wurden 1,5 Mill. IU, aufgeteilt auf 3 Dosierungen, verwendet. In einer
weiteren prospektiven Beobachtungsstudie wurde eine Dosis von 3 × 5 Mio. IU mehrheitlich
in Monotherapie mit gleich gutem Ergebnis bei Infektionen mit und ohne MRE eingesetzt
[103 ].
7.12 Fosfomycin
Fosfomycin ist die einzige Wirksubstanz aus der Gruppe der Epoxid-Antibiotika. Es
wirkt bakterizid auf proliferierende Keime und hemmt den ersten Schritt der Peptidoglykanbiosynthese.
Die Substanz weist eine gute Wirksamkeit im grampositiven und gramnegativen Bereich
einschließlich MRSA auf. Überwiegend resistent sind Acinetobacter baumannii , Listeria spp., Bacteroides spp. und atypische Pneumonieerreger [104 ]. Durch seine gute Gewebegängigkeit stellt es eine Therapieoption auch bei Infektionen
in schwer erreichbaren Kompartimenten dar [105 ]
[106 ].
Es liegen keine kontrollierten klinischen Studien zur Therapie der HAP vor. In kleineren
Beobachtungsstudien wurde Fosfomycin eingesetzt bei Sepsis/Bakteriämie, Harnwegsinfektionen,
Pneumonie, Knochen- sowie ZNS-Infektionen. Zu den unerwünschten Arzneimittelwirkungen
der Substanz gehören Phlebitiden, gastrointestinale Störungen, Exantheme, Schwindel,
Kopfschmerz sowie Hypernatriämie, Anstieg der alkalischen Phosphatase und der Transaminasen.
In der systemischen Therapie schwerer Infektionen wird es parenteral in einer Dosierung
von 3 × 3 – 5 g bzw. 2 × 5 – 8 g (maximal 20 g)/Tag verabreicht.
Um einer Resistenzentwicklung (Resistenzrate unter Monotherapie 3 – 18 %) vorzubeugen,
wird Fosfomycin in klinischen Studien seit 1990 nur noch in Kombinationstherapie eingesetzt
[107 ]. Als Kombinationspartner wurden v. a. Betalaktam-Antibiotika, Gentamicin, in der
Therapie gramnegativer Erreger auch Colistin untersucht. Fosfomycin ist als Reservepräparat
bei nachgewiesener in vitro Aktivität für die Kombinationstherapie zur Behandlung
von Staphylokokkeninfektionen, insbesondere MRSA, sowie für Infektionen durch multiresistente
Enterobakterien geeignet.
7.13 Co-Trimoxazol
Co-Trimoxazol spielt im Indikationsbereich der schweren nosokomialen Infektionen heute
nur noch bei der gezielten Therapie von Infektionen mit S. maltophilia eine Rolle. Die Dosierung beträgt 2 – 3 × 960 mg, bei Niereninsuffizienz ist eine
Dosisreduktion erforderlich. Die Substanz sollte bei parenteraler Gabe durch einen
weitlumigen venösen Zugang appliziert werden. Eine Sulfonamidallergie sollte ausgeschlossen
sein; auf Nephrotoxizität, Lebertoxizität, Hyperkaliämie, Leuko- und Thrombozytopenie
sollte geachtet werden.
7.14 Tigecyclin
Tigecyclin ist ein Glycylcyclin mit erhöhter Stabilität gegenüber Mechanismen der
Tetrazyklinresistenz. Die Substanz war gegenüber Imipenem in einer randomisierten
Studie bei Patienten mit VAP mit einer geringeren Heilungsrate sowie erhöhten Letalität
assoziiert [108 ]. Zudem ergab eine gepoolte Analyse von 13 Therapiestudien zu Tigecyclin im Auftrag
der FDA für Patienten mit VAP eine Exzessletalität gegenüber den Komparatoren. Die
Substanz wurde daher weder in den USA noch in Europa zur Therapie der HAP zugelassen
und wird in dieser Leitlinie nicht empfohlen. Die einzige, in Deutschland sehr seltene
Ausnahme hiervon stellt die gezielte Salvage-Therapie von Infektionen mit MRE wie
Carbapenemasebildenden Enterobakterien oder A. baumannii dar, wenn keine besser getesteten Alternativen zur Verfügung stehen. Tigecyclin sollte
in diesem Fall als Kombinationspartner einer weiteren in vitro aktiven Substanz eingesetzt
werden.
Zur Applikation von Antiinfektiva unter Berücksichtigung von pharmakokinetisch/pharmakodynamischen
(PK/PD) Prinzipien s. Empfehlung E24.
In der Leitliniengruppe besteht Konsens darüber, dass sich die Therapie mit Antiinfektiva
an den in der nationalen S3-Leitlinie „Strategien zur Sicherung rationaler Antibiotika-Anwendung
im Krankenhaus“ [109 ] aufgeführten, evidenzbasierten Prinzipien [110 ] orientieren sollte. Konkret sollten für die kalkulierte Therapie klinikinterne Leitlinien
anhand aktueller Resistenzstatistiken erstellt und geschult werden, eine kalkuliert
begonnene Therapie sollte leitliniengerecht deeskaliert bzw. bei Erreichen der Stabilitätskriterien
ggf. auf orale Therapie umgestellt werden. Die empfohlene Therapiedauer sollte eingehalten
werden. Auf eine dem Schweregrad der Erkrankung, den Organfunktionen und dem Gewicht
des Patienten angepasste Dosierung der Antiinfektiva sollte geachtet werden. Die Umsetzung
dieser Strategien sollte durch Anwendung von Qualitätsindikatoren regelmäßig überprüft
werden.
8 Diagnostik
E1: Wie wird eine HAP klinisch diagnostiziert und welche Differenzialdiagnosen sind
zu beachten?
Therapierelevant ist bereits die Verdachtsdiagnose einer HAP, diese soll gestellt
werden bei neuem, persistierendem oder progredientem Infiltrat in Kombination mit
2 von 3 weiteren Kriterien: Leukozyten > 10 000 oder < 4000 /μl, Fieber > 38,3 °C,
purulentes Sekret. Differenzialdiagnostisch sind u. a. Atelektasen (Sekretverlegung),
Herzinsuffizienz/Überwässerung, Lungenarterienembolien, alveoläre Hämorrhagie, interstitielle
Lungenerkrankungen wie eine cryptogen organisierende Pneumonie (COP) und ARDS abzugrenzen. Starke Empfehlung, Evidenz C
Die klinische Diagnose einer HAP ist schwierig. Es gibt keine universell akzeptierten
Kriterien auf der Basis randomisierter Studien, sondern lediglich prospektive Kohortenanalysen.
Die Inzidenz der VAP variiert stark in Abhängigkeit von den eingesetzten Diagnosekriterien
[111 ]. Therapierelevant ist die klinisch zu stellende Verdachtsdiagnose einer HAP.
In den meisten Leitlinien werden die von Johanson formulierten Kriterien empfohlen:
Neues oder progredientes Infiltrat in der Thoraxröntgenuntersuchung in Kombination
mit 2 der 3 folgenden Kriterien: Leukozyten > 10 000 /nl bzw. < 4000 /nl, Fieber ≥ 38,3 °C,
purulentes Sekret [2 ]
[112 ]. Diese Kriterien sind in einer prospektiven Kohortenanalyse an 25 verstorbenen beatmeten
Patienten validiert worden. In dieser lag die histologisch überprüfte Sensitivität
bei 69 % und die Spezifität bei 75 % [113 ]. Fagon et al. (1993) [114 ] konnte in einer Studie an 84 beatmeten Patienten zeigen, dass die klinische Diagnose
in 62 % eine VAP korrekt vorhersagt, und bei 84 % korrekt keine VAP diagnostiziert.
In allen Studien liegen Sensitivität und Spezifität dieser Kriterien bei ca. 70 %,
sodass etwa 30 % der HAP-Patienten nicht erkannt werden und bei ca. 30 % eine andere
Diagnose als eine HAP vorliegt. Kritisch zu bedenken ist zudem, dass die Beurteilung
des Röntgenbildes einer Interobservervariabilität unterliegt [115 ] und im klinischen Alltag etwa 1/3 der Patienten, die als V. a. HAP diagnostiziert
werden, die oben beschriebenen Röntgenkriterien objektiv nicht erfüllen [116 ]
[117 ]. Der Einsatz mikrobiologischer Kriterien zur Diagnose einer HAP verbessert die Sensitivität
und Spezifität nicht [113 ].
Andere Autoren konnten zeigen, dass postoperative Patienten mit der klinischen Diagnose
HAP (beruhend auf diesen Kriterien) eine höhere Letalität hatten als Patienten ohne
Verdacht auf HAP (8 von 46, 17 % vs. 16 von 306, 5 %, p = 0,046) [118 ]. Wichtig ist, dass die schwere HAP mit einer Sepsis assoziiert sein kann. Insbesondere
bei schwerer HAP sollten daher die klinischen Kriterien der Sepsis beachtet werden
[6 ]. Zeichen der Sepsis oder des septischen Schocks sind jedoch nicht spezifisch für
eine HAP. Insgesamt ist die klinische Diagnose der HAP eine Arbeitsdiagnose, die für
die zeitnahe Einleitung einer kalkulierten antimikrobiellen Therapie relevant ist
und der regelmäßigen Überprüfung bedarf. In diesem Zusammenhang sind die aufgeführten
Differenzialdiagnosen zu bedenken.
E2: Welche bildgebenden Verfahren sind in der Diagnostik der HAP indiziert?
Bei Verdacht auf eine HAP soll eine Thoraxröntgenuntersuchung im Stehen in 2 Ebenen
in Hartstrahltechnik durchgeführt werden. Bei immobilen Patienten wird eine Röntgenuntersuchung
im Liegen durchgeführt. Starke Empfehlung, Evidenz C
Die Thoraxsonografie kann ergänzend zur Diagnosesicherung eingesetzt werden. Darüber
hinaus sollte sie zur Differenzialdiagnose und zur Erkennung von Komplikationen durchgeführt
werden. Schwache Empfehlung, Evidenz B
Bei therapierefraktären Infiltraten und schwieriger Differenzialdiagnose sollte eine
erweiterte bildgebende Diagnostik erwogen werden. Schwache Empfehlung, Evidenz C
Im Gegensatz zur ambulant erworbenen Pneumonie gibt es zur Bildgebung der HAP nur
wenige Daten. Bei Immunkompetenz ist die Sensitivität der Thorax-Übersichtsaufnahme
im Stehen ausreichend, um eine Pneumonie nicht nur festzustellen, sondern auch mit
ausreichender Sicherheit auszuschließen (negativer Vorhersagewert). Bei bettlägrigen
oder beatmeten Patienten ist die Sensitivität und Spezifität des konventionellen Röntgen-Thorax
u. a. wegen der Notwendigkeit der Aufnahmetechnik im Liegen deutlich eingeschränkt
[119 ]. Die diagnostische Wertigkeit der Röntgenaufnahme des Thorax wird dabei zumeist
gegen die Computertomografie verglichen und die publizierten Ergebnisse zeigen eine
große Spannweite. Die Sensitivität der Thorax-Röntgenuntersuchung liegt demnach in
prä- und postmortalen Studien zwischen 25 – 70 %, die Spezifität bei 30 – 93 %.
Die akkurate Diagnose einer VAP mittels Röntgenuntersuchung im Liegen ist somit nur
sehr eingeschränkt möglich [115 ]
[120 ]
[121 ]
[122 ]
[123 ]. Den höchsten Stellenwert für die Diagnose einer Pneumonie im Röntgenbild haben
multiple Pneumobronchogramme mit einer Prädiktionsrate von ca. 64 % [115 ]. Röntgenuntersuchungen bei postoperativen Patienten mittels Aufnahmetechnik im Liegen
zeigen eine Sensitivität von 50 – 70 % und Spezifität von 80 – 100 % für die Detektion
von Konsolidierungen (Infiltrate und Atelektasen), bezogen auf die CT als Referenzstandard.
In den Unterfeldern, insbesondere retrokardial, werden am häufigsten Konsolidierungen
übersehen [124 ]. Gerade bei der Röntgenaufnahme der Lunge im Liegen („Bettaufnahme“) sollte auf
die Einhaltung der technischen Standards geachtet werden [125 ]. Regelmäßige, routinemäßige Verlaufskontrollen des Röntgenbefundes sind auch auf
Intensivstationen nicht indiziert [119 ]. Verlaufsaufnahmen innerhalb von 48 – 72 h sollten zur Beurteilung des Therapieerfolgs
bzw. Erkennen von Therapieversagen sowie bei neuen klinischen Ereignissen durchgeführt
werden [126 ]. Die Verwendung digitaler Röntgentechnik und deren digitale Befundung ist heutzutage
Standard (Vorteile bei Speicherung, Verfügbarkeit, Strahlenbelastung).
Zum schnellen und sicheren Nachweis von Pleuraergüssen und größeren Konsolidierungen
bis in die Peripherie ist die Thoraxsonografie die Methode der Wahl. Aufgrund der
guten Verfügbarkeit in der Intensivmedizin sollte der Ultraschall zur Detektion von
Beatmungspneumonien verwendet werden [127 ]. Der Nachweis von 2 Pneumobronchogrammen hatte in einer aktuellen Studie an 99 Patienten
einen positiv prädiktiven Wert für VAP von 94 %, in Kombination mit einer Gramfärbung
aus Aspirat lag die Sensitivität bei 77 % mit einer Spezifität von 78 % [128 ]. Bezogen auf die CT als Referenzstandard konnten Bourcier et al. in ihrer Studie
an 144 Patienten erstmals eine Überlegenheit des Lungen-Ultraschalls gegenüber dem
Thorax-Röntgen für die Diagnose einer Pneumonie zeigen. Eine Limitation besteht allerdings
in der fehlenden sicheren Detektion von tiefen (d. h. zentral in der Lunge gelegenen)
alveolären Infiltraten [129 ].
Bei allen Daten zur Bildgebung muss jedoch (ebenso wie bei denen zur Bedeutung der
quantitativen Kulturen) immer beachtet werden, dass es keine eindeutige Referenz für
das Vorliegen einer Pneumonie unter Beatmung gibt, alle Zahlen beruhen demnach auf
unsicheren Referenzen. Die Thoraxsonografie kann neben der Diagnosesicherung der Pneumonie
auch zur Differenzierung von Atelektase, Erguss, peripherer Raumforderung und Lungenembolie
hilfreich sein. Nachteilig sind der relevante Aufwand, Begrenzung auf den Subpleuralraum,
die eingeschränkte Reproduzierbarkeit und insbesondere die ausgeprägte Abhängigkeit
von der Erfahrung des Untersuchers [130 ].
Valide Daten zum Einsatz der Computertomografie für die Diagnose einer HAP liegen
nicht vor. Eine CT-Untersuchung des Thorax ist insbesondere bei therapierefraktären
Infiltraten aus differenzialdiagnostischen Erwägungen zu begründen. Bei V. a. Lungenarterienembolie
sollte eine Angio-CT-Technik mit intravenösem Kontrastmittel genutzt werden. Zudem
kann das CT sicherer und schneller Komplikationen wie eine nekrotisierende bzw. abszedierende
Pneumonie diagnostizieren. In einer Studie zur ambulant erworbenen Pneumonie führte
der Einsatz des CT verglichen mit dem Röntgen-Thorax zu einer Identifikation von nativradiologisch
nicht erkannten pneumonischen Infiltraten bei 33 % und zum Ausschluss einer Pneumonie
bei 30 % der Patienten [131 ].
Mit der i. v.-kontrastverstärkten CT ist auch die Differenzierung von organisiertem
Infiltrat und Atelektase möglich [125 ]. Die Bildgebung kann eine mikrobiologische Analyse keinesfalls ersetzen, betroffene
Regionen können aber identifiziert und dann zur Erregergewinnung gezielt angegangen
werden.
E3: Welche Rolle spielen Scores in der Diagnose und Risikobeurteilung der HAP?
Für die klinische Diagnose der HAP sollen Pneumonie-Scores wie der „clinical pulmonary
infection score“ (CPIS) nicht angewendet werden. Alle Patienten mit HAP sollen auf
das Vorliegen einer Sepsis evaluiert werden. Außerhalb der Intensivstation soll mindestens
die Bestimmung der Vitalparameter unter Verwendung der qSOFA-Kriterien erfolgen. Auf
Intensivstationen sollen Sepsis-Scores wie der SOFA-Score zur Risikoprädiktion angewandt
werden. Starke Empfehlung, Evidenz B
Kohortenuntersuchungen haben gezeigt, dass der „Clinical Pulmonary Infection Score“
(CPIS) bei Verdacht auf HAP nicht besser als klinische Kriterien (Leukozytose, Fieber
und purulentes Sekret) abschneidet [113 ]
[132 ]
[133 ]. Bei Patienten, die bereits Antibiotika erhalten haben, sind die Sensitivität und
Spezifität noch schlechter. In einer aktuellen Metaanalyse wurde für den CPIS zur
Diagnose einer VAP (gepoolte Prävalenz 48 %) eine gepoolte Sensitivität von 65 % bei
einer Spezifität von 64 % beschrieben [134 ]. Der CPIS kann daher die klinische Diagnose einer HAP nicht relevant verbessern.
Die Sterblichkeit von Patienten mit HAP ist abhängig von verschiedenen Faktoren (siehe
auch Kapitel Epidemiologie). Prognostisch negative Einzelfaktoren sind eine initiale
Bakteriämie und die Schwere der akuten Lungenschädigung. Alle Patienten sollen zudem
auf das Vorliegen einer Sepsis evaluiert werden [135 ]. Als Screeningscore außerhalb der Intensivstation wurde dafür der qSOFA-Score evaluiert
(systolischer Blutdruck ≤ 100 mmHg, Atemfrequenz ≥ 22 /min, Bewusstseinsstörung; ≥ 2
Kriterien sprechen für das Vorliegen einer Sepsis) [135 ]
[136 ]. Bei Patienten mit manifester Sepsis korreliert die Sterblichkeit mit den Organdysfunktionen.
Bei diesen Patienten sollen Scores angewandt werden, welche den Schweregrad der Sepsis
und die Organdysfunktion messen wie MODS, SAPS, SOFA, APACHE-II) [6 ]
[136 ]
[137 ]
[138 ]
[139 ]. Der SOFA-Score wird von der aktuellen Konsensusdefinition der Sepsis (Sepsis-3)
als prognostischer Marker und zur Definition der Sepsis auf der Intensivstation (bei
Anstieg um ≥ 2 Punkte) empfohlen [135 ].
Als Score zur Risikoeinschätzung bei VAP wurde der VAP-PIRO Score evaluiert [140 ]. Dieser Score vergibt je 1 Punkt für definierte Komorbiditäten, Bakteriämie, systolische
Hypotonie und ARDS. Die Datenlage ist begrenzt, in einer Studie war der Score etablierten
Intensivscores (APACHE II) überlegen [140 ], in einer anderen Studie war er nicht hilfreich [141 ]. In einer aktuellen Metaanalyse verschiedener Scores zur Letalitätsprädiktion bei
VAP zeigte sich kein Vorteil VAP-spezifischer Scores, die beste Datenlage existiert
zu den etablierten ITS-Scores APACHE-II, SAPS und SOFA [139 ].
E4: Welche Rolle haben Biomarker für die Diagnose der HAP und die Diagnose der Sepsis
im Rahmen der HAP?
Der Einsatz von Biomarkern zur Diagnose der HAP ist nicht zu empfehlen, da keine ausreichende
Evidenz für eine zusätzliche, von anderen Parametern unabhängige Aussagekraft vorliegt.
Procalcitonin soll bei Verdacht auf Sepsis im Rahmen der HAP als sensitiver Marker
in der initialen Diagnostik eingesetzt werden. Laktat soll zur Diagnose des septischen
Schocks im Rahmen der HAP eingesetzt werden. Starke Empfehlung, Evidenz B
Eine Reihe von Biomarkern sind in der Diagnostik der VAP evaluiert worden, darunter
Procalcitonin (PCT) [142 ]
[143 ]
[144 ]
[145 ]
[146 ], soluble Triggering Receptor Expressed on Myeloid cells-1 (sTREM-1) [147 ]
[148 ]
[149 ]
[150 ]
[151 ]
[152 ], Interleukin-1β (IL-1β), Interleukin-6 (IL-6), Interleukin-8 (IL-8), G-CSF und Macrophage
inflammatory protein-1 alpha [153 ]. Keiner dieser Biomarker hat bisher eine gegenüber der konventionell mikrobiologischen
Diagnostik eigenständige und überlegene Bedeutung erlangen können. Alle Biomarker
unterliegen denselben Schwierigkeiten der Evaluation wie konventionelle Methoden (fehlender
Goldstandard!). Die bisherigen Studien haben daher meist die zweifelhafte Referenz
der quantitativen Kultur herangezogen mit der Folge, dass Fehler potenziert werden
können. Darüber hinaus sind die Messmethoden für Biomarker zum Teil noch nicht standardisiert.
Aus diesen Gründen ist kurzfristig nicht zu erwarten, dass Biomarker einen Einsatz
in der Diagnostik der HAP erreichen werden. PCT hat sich dagegen für die Diagnose
der Sepsis als sensitiver und frühzeitiger Marker etabliert und wurde in Studien evaluiert,
in denen eine pneumogene Sepsis einen erheblichen Teil des Kollektivs stellte [154 ]
[155 ]. Es sollte daher zur Etablierung der Diagnose HAP mit Sepsis oder septischem Schock
in der initialen Diagnostik eingesetzt werden.
Bei Patienten mit akuter Organdysfunktion und Schock im Rahmen einer Sepsis ist der
initiale Laktatwert mit der Prognose assoziiert [156 ]
[157 ]. Eine Laktatbestimmung wird von der aktuellen Konsensusdefinition der Sepsis (Sepsis-3)
als prognostischer Marker und zur Definition des septischen Schocks auf der Intensivstation
empfohlen [135 ]. Eine aktuelle Metaanalyse randomisierter Studien zeigte darüber hinaus eine Prognoseverbesserung
bei Steuerung der initialen Volumengabe mittels serieller Laktatbestimmung bei Patienten
mit sepsisassoziierter Organdysfunktion [158 ]. Eine Laktatmessung wird daher bei allen Patienten mit akuter Organdysfunktion im
Rahmen der HAP aus prognostischen Gründen und zur Steuerung des Volumenmanagements
empfohlen.
E5: Wann ist die Entnahme von Blutkulturen sinnvoll?
Blutkulturen sollen bei HAP zur Diagnose der bakteriämischen Pneumonie entnommen werden.
Sie tragen darüber hinaus zur Therapiesteuerung und zur Aufdeckung extrapulmonaler
Infektionsquellen bei. Starke Empfehlung, Evidenz C
Bei HAP nicht beatmeter Patienten werden insgesamt in 9,3 %, bei S. pneumoniae -Infektionen in 11,4 % positive Blutkulturen gefunden [66 ]. Bei VAP liegt eine Studie bei 162 Patienten vor [159 ]. Blutkulturen waren in insgesamt 27 Fällen (16 %) positiv, wobei dies deutlich häufiger
der Fall war, wenn die BAL ebenfalls positiv war (22/90 gegen 5/72 Fällen). Allerdings
waren Bakterien in der Blutkultur in 6/22 Fällen auf eine extrapulmonale Quelle zurückzuführen.
Insgesamt hatte eine positive Blutkultur damit einen prädiktiven Wert von 73 % für
den Nachweis eines Pneumonieerregers; eine Assoziation mit der Schwere der Erkrankung
konnte nicht verifiziert werden. Die Blutkultur bleibt damit der Goldstandard für
die Diagnose der bakteriämischen Pneumonie. Darüber hinaus ist sie wertvoll für die
Therapiesteuerung und die Diagnose extrapulmonaler Infektionsquellen. Zur Technik
der Blutkulturabnahme wird auf die nationale Sepsisleitlinie verwiesen [6 ].
E6: Wann ist die Entnahme von Urin zum Antigennachweis sinnvoll?
Die Diagnostik auf Legionellen soll bei Patienten mit HAP insbesondere dann erfolgen,
wenn epidemiologische Hinweise auf nosokomiale Akquisition bestehen. Der Urin-Antigentest
stellt in dieser Situation das Verfahren der Wahl dar. Der Antigentest auf Pneumokokken
wird wegen fehlender differenzialtherapeutischer Relevanz nicht empfohlen. Starke Empfehlung, Evidenz C
Die Detektion einer Pneumonie mit Legionella spp. ist bei Verwendung kultureller Techniken außerordentlich schwierig. Bei HAP nicht
beatmeter Patienten gehörte L. pneumophila in einer Studie nach S. pneumoniae zu den häufiger nachgewiesenen Erregern [66 ]. Demgegenüber spielt dieser Erreger bei Patienten, die bereits invasiv beatmet sind,
eine untergeordnete Rolle [160 ]. Der Urin-Antigentest selbst hat eine sehr hohe Spezifität von > 99 %, jedoch eine
vergleichsweise niedrige Sensitivität (74 %) [161 ]. Dabei bestehen zwischen den kommerziell verfügbaren Tests deutliche Unterschiede
hinsichtlich der Sensitivität insbesondere bei Isolaten, die nicht zur Serogruppe
1 der Spezies L. pneumophila gehören [162 ]. Ein negativer Legionellen-Antigentest schließt eine Legionellen-Infektion daher
nicht aus. Bei fortbestehendem Verdacht sollte eine weiterführende Diagnostik mittels
Kultur oder PCR aus bronchoalveolärer Lavage durchgeführt werden.
Der Urinantigentest auf S. pneumoniae hat bei HAP keine differenzialtherapeutische Relevanz; somit kann auf ihn verzichtet
werden.
E7: Welche mikrobiologischen Untersuchungen sollten aus respiratorischen Materialien
durchgeführt werden?
Bei nosokomialer Pneumonie sollen mindestens semiquantitative Kulturen aus qualitativ
hochwertigen unteren Atemwegsmaterialien wie tracheobronchialem Aspirat (TBAS) oder
bronchoalveolärer Lavage (BAL) angelegt werden. Die resultierenden Keimzahlen haben
orientierenden Wert und sind nicht als unabhängige Prädiktoren des Vorliegens einer
Pneumonie zu betrachten, vielmehr im klinischen Kontext zu interpretieren. Starke Empfehlung, Evidenz A
Darüber hinaus sollte eine Ausstrichdiagnostik zur Validierung der Probe erfolgen.
Die Ergebnisse eines Grampräparats haben keinen prädiktiven Wert hinsichtlich der
später isolierten Spezies. Dagegen hat ein negatives Grampräparat bei nicht antibiotisch
vorbehandelten Patienten einen hohen negativen prädiktiven Wert. Im Falle einer geringen
Vortest-Wahrscheinlichkeit für eine Pneumonie kann ein negatives Grampräparat bei
nicht vorbehandelten Patienten den Verzicht auf eine antimikrobielle Therapie stützen. Schwache Empfehlung, Evidenz B
Molekulargenetische Untersuchungen zum gleichzeitigen Nachweis mehrerer Erreger sollen
nicht durchgeführt werden. Starke Empfehlung, Evidenz C
Zur Diagnostik der HAP liegen zahlreiche Untersuchungen vor. Diese können nach folgenden
Kriterien unterschieden werden:
Vergleich quantitativer/semiquantitativer vs. qualitativer Kulturen respiratorischer
Sekrete
Vergleich diagnostischer Indizes invasiv (BAL bzw. protected specimen brush [PSB])
und nicht invasiv (TBAS) gewonnener Sekrete, jeweils unter Verwendung quantitativer
oder qualitativer Kulturen
Evaluation nichtkultureller diagnostischer Methoden (Gramfärbung; Giemsafärbung auf
intrazelluläre Erreger; Elastinfärbung)
Validierung über Referenz aus klinischen Kriterien oder post-mortem-Gewebehomogenaten
bzw. Histologien
Vergleich des klinischen Therapieerfolgs bei Patienten, die invasiv (PSB und BAL)
vs. nicht invasiv (TBAS) untersucht worden sind
Viele dieser Studien sind unter hohem Aufwand und methodisch hochwertig durchgeführt
worden. Die Ergebnisse können wie folgt zusammengefasst werden:
Nur quantitative (oder semiquantitative) Kulturen erlauben eine Aussage zum Vorliegen
einer Pneumonie; zum Nachweis des Erregers sind quantitative und qualitative Kulturen
gleichwertig
Nicht kulturelle diagnostische Methoden haben einen sehr begrenzten diagnostischen
Wert
Es gibt keinen robusten „Goldstandard“ bei der Evaluation diagnostischer Techniken,
auch nicht post mortem gewonnene Gewebshomogenate oder Histologien; dennoch sind letztere
aktuell die bestmöglichen „Goldstandards“. Aus klinischen Kriterien gewonnene Referenzen
müssen sehr kritisch betrachtet werden. Eine Überlegenheit einer invasiven Diagnostik
unter Zugrundelegung quantitativer Kulturen hinsichtlich des klinischen Therapieerfolgs
hat sich nicht belegen lassen (siehe Empfehlung E8).
Die Untersuchungen bei Verdacht auf HAP werden daher wie folgt bewertet:
Färbungen
Es sollte die Qualität des TBAS bzw. der BAL validiert werden. Mehr als 25 polymorphkernige
Granulozyten sowie weniger als 10 Plattenepithelien/Blickfeld sprechen für ein Material,
das repräsentativ für die tiefen Atemwege ist. Aus differenzialdiagnostischen Erwägungen
kann ein Zytozentrifugenpräparat der BALF nach Giemsa gefärbt werden, um eine Differenzialzytologie
auf der Basis von 300 ausgezählten Zellen zu erhalten.
Darüber hinaus sollte eine Gramfärbung angefertigt werden, um ggf. eine vorherrschende
Bakterienart zu identifizieren. Der prädiktive Wert hinsichtlich der später isolierten
Spezies ist allerdings gering. Ein negatives Grampräparat aus TBAS oder BALF spricht
bei nicht antibiotisch vorbehandelten Patienten gegen eine bakterielle VAP insbesondere
bei Staphylokokken [163 ]
[164 ].
Schließlich kann bei Verdacht auf VAP eine Untersuchung auf intrazelluläre Erreger
in phagozytierenden Zellen („intracellular organisms“, ICO) erfolgen. Es wurden Grenzwerte
von 2 – 15 % positiver Zellen mit unterschiedlichen Resultaten untersucht. Ein Anteil
von > 5 % ICO spricht bei nicht antibiotisch vorbehandelten Patienten für das Vorliegen
einer VAP. Zur Diagnose der Erstepisode einer VAP zeigte der Grenzwert von 1,5 % ICO
in einer chinesischen Studie eine gute Testcharakteristik (Fläche unter der ROC 0,956
[165 ]. Die Sensitivität dieser Untersuchung unter antimikrobieller Vorbehandlung ist jedoch
deutlich reduziert (< 50 %).
Kultur
Die kulturelle Aufarbeitung sollte nach den Qualitätsstandards in der mikrobiologisch-infektiologischen
Diagnostik (MiQ) mittels serieller Verdünnungstechnik quantitativ erfolgen. Unter
einer quantitativen Kultur versteht man die serielle Auftragung zunehmend verdünnten
respiratorischen Sekrets auf Kulturplatten. In der Regel werden 3 Verdünnungsstufen
angelegt (1:10, 1:1000, 1:10 000). Alternativ kann eine semiquantitative Aufarbeitung
mit nur 2 Verdünnungsstufen vorgenommen werden. Die Technik der quantitativen Kultur
dient der Erfassung der Erregerlast und (bei Patienten mit Verdacht auf HAP) der Unterscheidung
von Kolonisations- und Infektionserregern.
Es handelt sich dabei um eine Schätzung, die sich an der Erregerlast im Sputum bei
Patienten mit Pneumonie orientiert [166 ]. So finden sich im Sputum etwa 105 bis 106 koloniebildende Einheiten (KBE)/ml. Die PSB enthält ca. 0,01 – 0,001 ml, die BALF
1 ml respiratorisches Sekret. Für die Festlegung der Schwellenwerte, die das Vorliegen
einer Pneumonie anzeigen, wird bei der PSB der Verdünnungsfaktor der Trägerlösung
(100- bis 1000-fach) eingerechnet. Es wird geschätzt, dass bei der BAL 5- bis 10-mal
höhere Keimzahlen gewonnen werden als bei der PSB. Als Schwellenwerte zur Unterscheidung
zwischen Kolonisation und Infektion ergeben sich somit: 105 KBE/ml für das TBAS (identisch zum Sputum) 104 KBE/ml für die BALF 103 KBE/ml für die PSB (entsprechend 105 bis 106 KBE/ml Sputum)
Die Erregerzahlen beziehen sich in den meisten Arbeiten auf unterscheidbare bakterielle
Spezies. Bei Mischinfektionen wurden auch Gesamtkeimzahlen über die Berechnung eines
bakteriellen Indexes (logarithmische Umwandlung und Summation der einzelnen Keimzahlen;
dies ergibt einen „log BI“) herangezogen.
Die geschilderten Berechnungen zur Schwellenwertbestimmung von Keimzahlen stellen
also Schätzungen dar und ergeben keine exakten Messgrößen. Grundsätzlich führt eine
Senkung des Schwellenwertes zu einer höheren Sensitivität auf Kosten der Spezifität
und umgekehrt. Störgrößen, die die Keimzahl beeinflussen können, sind mannigfaltig
und umfassen die Erregerart, die Transportdauer, die Technik der Materialgewinnung,
die antibiotische Vorbehandlung, das Stadium der Infektion und die Wirtsimmunität.
Zusätzlich stellen bei der BALF die Menge der instillierten Flüssigkeit sowie die
Rückgewinnung Variablen dar, die das Ergebnis beeinflussen können.
Allein aufgrund dieser Tatsache können Keimzahlen nur orientierenden Wert haben und
keine unabhängige Prädiktion des Vorliegens einer Pneumonie darstellen.
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass im Falle einer vorbestehenden Antibiotikatherapie
die Schwellenwerte niedriger angesetzt werden müssen [167 ].
Auch wenn eine Überlegenheit einer quantitativen gegenüber der qualitativen Aufarbeitung
nicht gezeigt werden konnte [168 ]
[169 ]
[170 ], ist die quantitative Kultur grundsätzlich vorzuziehen, da sie im Einzelfall eine
bessere Abschätzung der Relevanz bakterieller Isolate erlaubt.
Über die routinemäßige bakteriologische Aufarbeitung hinaus sollte bei entsprechendem
klinischem Verdacht eine gezielte Untersuchung auf weitere Erreger wie Mykobakterien,
Pilze (siehe Empfehlung E10) und Viren (siehe Empfehlung E11) erfolgen.
Inwieweit neue, molekulare Techniken, die einen gleichzeitigen Erregernachweis und
die Detektion einiger Resistenzgene erlauben, die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen
können, bleibt abzuwarten [171 ]
[172 ]
[173 ]. Derzeit sind diese Verfahren ohne qualifizierte Interpretation nicht anzuraten.
Gleiches gilt für die automatisierte Mikroskopie [174 ].
E8: Wann ist eine invasive Diagnostik, wann eine nicht invasive Materialgewinnung
vorzuziehen?
Eine invasive ist einer nicht invasiven Diagnostik bei VAP nicht überlegen, sodass
die Entscheidung für oder gegen eine invasive Diagnostik in Abhängigkeit von der lokalen
Logistik, differenzialdiagnostischen Erwägungen, aber auch möglichen therapeutischen
Aspekten einer endoskopischen Untersuchung getroffen werden soll. Kontraindikationen
zur Durchführung einer Bronchoskopie mit BAL sind zu beachten. Starke Empfehlung, Evidenz A
Eine Überlegenheit der invasiven Diagnostik (Bronchoskopie mit BAL und/oder PSB) über
die nicht invasive Diagnostik (TBAS) konnte nicht konsistent gezeigt werden. 3 monozentrische
spanische [175 ]
[176 ]
[177 ] und 2 französische Arbeiten [178 ]
[179 ] fanden unter Zugrundelegung von post mortem Gewebskulturen und/oder Histologien
vergleichbare operative Indizes (Sensitivität und Spezifität) von invasiver und nicht
invasiver Diagnostik, lediglich 1 französische Arbeit [180 ] fand die invasive Diagnostik überlegen. Methodisch weisen diese Arbeiten eine Reihe
von zum Teil unaufhebbaren Schwächen auf. Hierzu gehört das Fehlen eines eindeutigen
Standards. Auch die post-mortem-Histologie kann diesen Anspruch nicht erheben [181 ]
[182 ]
[183 ]. Darüber hinaus ist die quantitative Kultur respiratorischer Sekrete zur Keimlastbestimmung
keine exakte Methode [166 ]
[184 ].
Die Änderung der Perspektive des Vergleichs beider diagnostischen Techniken weg von
operativen Indizes hin zu klinischen Endpunkten (Antibiotikatage, Letalität) erbrachte
in einer monozentrischen spanischen [175 ] und einer französischen Studie [180 ] 2 entgegengesetzte Ergebnisse. Eine große kanadische multizentrische Studie fand
keinen Unterschied hinsichtlich des klinischen Therapieerfolgs zwischen quantitativer
BAL und nicht invasivem, qualitativem TBAS unter Standardisierung der initialen kalkulierten
antibiotischen Therapie [168 ], wobei allerdings die genaue Aufarbeitung und Befundübermittlung des TBAS nicht
beschrieben wurde. Außerdem wurden Infektionen mit MRSA und P. aeruginosa ausgeschlossen, die Ergebnisse sind deshalb nur eingeschränkt übertragbar. Dennoch
muss mit dieser Studie die Hypothese einer Überlegenheit der invasiven Diagnostik
als unbelegt gelten. Weitere Untersuchungen gleicher Qualität, die diese Ergebnisse
infrage stellen könnten, sind bis auf Weiteres nicht zu erwarten.
Somit ist das nicht invasiv gewonnene und meist problemlos verfügbare TBAS in der
Regel ein hinreichendes Material für die mikrobiologische Erregerdiagnostik.
Differenzialindikationen für eine invasive Diagnostik können darstellen:
Verdacht auf mit der Infektion assoziierte Atelektasen, bronchiale Blutungen oder
Raumforderungen, die endoskopisch identifiziert und ggf. bereits therapiert werden
können.
Die Visualisierung distaler purulenter Sekretionen sowie die Persistenz distaler Sekretionen
während der Exspiration sind als unabhängige Prädiktoren für eine Pneumonie beschrieben
worden [185 ].
unzureichende Ausbeute bei der Gewinnung von TBAS
Therapieversagen (siehe Empfehlung E20)
Folgende Kontraindikationen gegen eine invasive Diagnostik sind zu beachten:
Spontan atmende Patienten mit schwerer respiratorischer Insuffizienz sollten möglichst
nicht einer invasiven Untersuchung unterzogen werden.
Eine relative Kontraindikation gegen eine BAL besteht bei abszedierenden Pneumonien
wegen der Gefahr der Keimverschleppung während der Untersuchung. Eine Indikation kann
dennoch aus differenzialdiagnostischen Erwägungen bestehen.
Bei beatmeten Patienten besteht eine relative Kontraindikation gegen eine BAL in der
schweren respiratorischen Insuffizienz (PaO2 /FIO2 < 100). So konnte gezeigt werden, dass eine BAL unabhängig vom Lavagevolumen zu einer
Reduktion der Oxygenierung auch über 24 Stunden hinaus führt, insbesondere dann, wenn
tatsächlich eine Pneumonie vorliegt [186 ].
Kontraindikationen gegen bronchoskopisch gewonnenes Bronchialsekret sowie gegen die
Durchführung einer PSB bestehen bei beatmeten Patienten nicht.
E9: Welche Standards werden bei der Materialgewinnung empfohlen?
Die nicht invasive Materialgewinnung soll mithilfe steriler Katheter und Auffanggefäße
erfolgen. Falls eine Bronchoskopie durchgeführt wird, sollen die im Hintergrundtext
aufgeführten, auf dem Konsensus erfahrener Untersucher beruhenden Empfehlungen zur
Durchführung der Endoskopie bei Pneumonien beachtet werden. Starke Empfehlung, Evidenz C
Die hier aufgeführten Empfehlungen sind den Ergebnissen einer Konsensuskonferenz entnommen,
bei der die Erfahrungen internationaler Experten zusammengetragen wurden, die an der
Entwicklung der BAL-Diagnostik bei VAP maßgeblich beteiligt waren [166 ]. Für die meisten dargestellten Maßnahmen liegen keine Daten aus kontrollierten Studien
vor.
Timing der Untersuchung Die Probengewinnung sollte grundsätzlich vor Einleitung einer kalkulierten antibiotischen
Therapie erfolgen. Auch eine bronchoskopische Untersuchung sollte zum Zeitpunkt des
Verdachts auf eine HAP/VAP oder eines Therapieversagens möglichst umgehend erfolgen.
Für eine diagnostische Maßnahme darf die Einleitung der Therapie insbesondere bei
hämodynamisch instabilen Patienten nicht länger als eine Stunde verschoben werden
[187 ]. Unabhängig vom gewählten Verfahren sollten bei der Materialentnahme Hinweise zur
Vermeidung von Kontaminationen beachtet werden ([Tab. 9 ]).
Tab. 9
Methodische Voraussetzungen zur Gewinnung qualitativ hochwertiger diagnostischer Proben
aus dem unteren Respirationstrakt.
Probe
Voraussetzungen
Tracheobronchialaspirat
Absaugung des Sekrets aus dem Tubus
tiefes Einführen eines frischen Katheters mit angeschlossenem Auffanggefäß, dann erst
Absaugung aktivieren
keine vorherige Instillation von Kochsalz
Bronchoskopie
gute Sedierung
keine Anwendung von Lokalanästhetika
keine Aspiration über den Arbeitskanal des Bronchoskops vor Gewinnung der respiratorischen
Sekrete
Vorbestehende Antibiotikatherapie Falls eine Umstellung der Antibiotikatherapie geplant ist, sollte die bronchoskopische
Diagnostik vor Gabe neuer Antibiotika erfolgen [167 ]. Ein Vorteil eines sog. „diagnostischen Fensters“ mit Antibiotikapause ist nicht
nachgewiesen. Die Diagnostik sollte daher umgehend erfolgen und die neue kalkulierte
Therapie sollte danach ohne Verzögerungen begonnen werden.
Techniken der Materialgewinnung Bei der nicht invasiven Gewinnung von tracheobronchialem Aspirat (TBAS) müssen bei
der Abnahme sterile Katheter und dicht schließende Auffanggefäße verwendet und eine
Kontamination mit Material aus dem Oropharynx muss so weit wie möglich vermieden werden.
Die bronchoskopische Erregerdiagnostik umfasst heute in der Regel eine bronchoalveoläre
Lavage (BAL). Der protected specimen brush (PSB) ist wenig verbreitet, kostenintensiv
und im Prinzip entbehrlich.
Probenmenge Laut MiQ sollen bei Sputum, Bronchialsekret und TBAS mehr als 1 ml eingesandt werden,
bei Mini-BAL 10 – 20 ml, bei BAL 30 – 100 ml. Die Probenmenge ist für die Durchführung
mikrobiologischer Analysen i. A. nicht kritisch, die Probe sollte allerdings repräsentativ
gewonnen sein.
Bronchoalveoläre Lavage (BAL) Nach Erreichen der Wedge-Position im Segmentostium werden z. B. 6 × 20 ml körperwarme
NaCl instilliert und sofort reaspiriert. Bei einer Rückgewinnung von 40 – 50 ml sollte
die Lavage beendet werden. Im Falle einer schlechten Rückgewinnung können weitere
40 ml appliziert werden. Die erste rückgewonnene Portion aus der BAL wird verworfen.
Die übrigen Portionen werden gepoolt und ggf. aliquotiert.
Mini-Bronchoalveoläre Lavage (Mini-BAL) Eine Minilavage kann unter Verwendung diverser Katheter wie dem Ballard-Katheter
[188 ]
[189 ] auch nicht bronchoskopisch durchgeführt werden. In diesem Fall werden Lavagevolumina
von ca. 30 – 100 ml gewählt. Die diagnostischen Ergebnisse sind der BAL gleichwertig
[188 ], ein Vorteil dieses Verfahrens ist jedoch weder für den Patienten noch ökonomisch
(Verbrauchsmaterial) zu erkennen. Daneben wird auch die bronchoskopische Materialentnahme
nach Instillation von geringeren Lavagevolumina von 20 – 40 ml als Mini-BAL bezeichnet.
Dieses Vorgehen kann als Alternative bei Kontraindikationen gegen die Standard-BAL
empfohlen werden, die Modalitäten der Materialentnahme sind allerdings deutlich schlechter
untersucht.
Verarbeitung nicht invasiv und invasiv gewonnener Proben Die Probenverarbeitung sollte innerhalb von spätestens vier Stunden nach Entnahme
erfolgen. Lässt sich ein längerer Zeitraum bis zur Verarbeitung nicht vermeiden, muss
das Material gekühlt (4 – 8 °C) gelagert und transportiert werden. Unter diesen Bedingungen
verschlechtert sich insgesamt die Aussagekraft der Untersuchungen auch bei 24-stündiger
Lagerung nicht wesentlich [190 ]
[191 ]
[192 ]. Andernfalls drohen empfindliche Erreger abzusterben (z. B. Pneumokokken, H. influenzae ) und es besteht die Gefahr der Überwucherung durch schnell wachsende Mikroorganismen,
die durch ihre Vermehrung eine falsch hohe Keimzahl einer nicht am Geschehen beteiligten
Spezies vortäuschen können.
E10: Wann und wie soll eine mykologische Diagnostik erfolgen?
Auf eine gezielte Candidadiagnostik aus Atemwegsmaterialien soll bei HAP verzichtet
werden, da Hefepilzinfektionen als Ursache nosokomialer Pneumonien bei Patienten ohne
definiertes Immundefizit extrem selten sind. Starke Empfehlung, Evidenz B
Eine Aspergillusdiagnostik soll auch bei Patienten ohne definiertes Immundefizit erwogen
werden, wenn Prädispositionen wie eine strukturelle Lungenerkrankung, eine rheumatologische
Grunderkrankung oder eine Leberzirrhose vorliegen und/oder hinweisende Infiltrate
in der CT des Thorax zur Darstellung kommen, die mit einer invasiven Aspergillose
assoziiert sein können. Der Nachweis von Galaktomannan-Antigen aus der BAL ist dem
Nachweis im Blut überlegen und stellt bei der diagnostischen Abklärung eine Ergänzung
zur histopathologischen und mikrobiologischen Untersuchung von Lungengewebe dar. Wenn
Biopsien nicht durchgeführt werden können, trägt eine positive Aspergilluskultur und/oder
ein Galaktomannan-Antigentest aus der BAL zu einer wahrscheinlichen Diagnose bei. Starke Empfehlung, Evidenz B
Candida spp. werden bei beatmeten Patienten mit Antibiotika-Vorbehandlungen sehr häufig aus tiefen
Atemwegsmaterialien isoliert, ohne dass eine invasive, therapiebedürftige Infektion
vorliegt (siehe Kapitel Erregerspektrum). In einer prospektiven Autopsiestudie an
232 Patienten, die auf der Intensivstation an einer Pneumonie verstorben waren, wurde
kein einziger Fall einer Candidapneumonie identifiziert, obwohl zuvor bei 77 der verstorbenen
Patienten Candida spp. aus tracheobronchialen Sekreten isoliert worden waren [36 ]. Eine kalkulierte antimykotische Therapie ist für Patienten mit VAP und Nachweis
von Candida spp. aus dem Trachealsekret nicht gerechtfertigt.
Die sichere Diagnose invasiver pulmonaler Aspergillosen beruht auf dem histopathologischen
Nachweis von Pilzhyphen im Lungengewebe und dem kulturellen Nachweis der Pilze aus
transbronchialen Biopsien oder reseziertem Lungengewebe. Zusammen mit hinweisenden
Befunden in der CT des Thorax wie Hohlraumbildungen bzw. nodulären Infiltraten mit
umgebendem Halo kann auch die Aspergilluskultur und/oder der Galaktomannan-Antigentest
aus einer gezielt entnommenen BAL zu einer wahrscheinlichen Diagnose führen.
In einer prospektiven Beobachtungsstudie bei Patienten auf der Intensivstation mit
unterschiedlichen Grunderkrankungen war die diagnostische Genauigkeit des Nachweises
von Galaktomannan-Antigen aus der BAL dem Nachweis aus dem Serum deutlich überlegen,
der überwiegend bei Patienten mit hämatologischen Neoplasien positiv evaluiert ist
[193 ]. Für den Galaktomannantest sind allerdings falsch-positive Ergebnisse bei zum Zeitpunkt
der Probenentnahme bestehender Antibiotikatherapie, insbesondere mit Piperacillin/Tazobactam,
beschrieben [194 ]. Weitere Publikationen legen nahe, dass das Problem auch andere Betalaktam-Antibiotika
wie z. B. Amoxicillin/Clavulansäure [195 ] betreffen kann und bei der Verwendung enteraler Ernährungslösungen auftreten kann
[196 ]. Die Galaktomannanbestimmung sollte daher vor der Gabe von Betalaktamantibiotika
durchgeführt werden.
Für die Applikation von Antibiotika und die Probennahme sind unterschiedliche Zugänge
notwendig. Falsch-positive Galaktomannantests wurden auch in Glukonat-haltigen kristalloiden
Lösungen gefunden, die für die BAL genutzt wurden [197 ]. Der Galaktomannantest ist dem Beta-D-Glucan-Antigentest aus dem Blut überlegen
[198 ], der für eine speziesspezifische Diagnose einer Pilzpneumonie ungeeignet ist. Erregerspezifische
Antikörper (Präzipitine), die in 90 % der chronischen pulmonalen Aspergillosen im
Blut nachweisbar sind [199 ], sind für die Diagnose akuter Aspergillosen nicht validiert. PCR-basiertes Aspergillus
DNA-Screening im Blut wurde bei Hochrisikopatienten mit hämatologischen Neoplasien
zur frühzeitigen Diagnose einer invasiven Aspergillose in Kombination mit dem Nachweis
von Galaktomannan im Serum erfolgreich eingesetzt [200 ]
[201 ]. Hierzu liegen keine Daten bei immunkompetenten Patienten mit nosokomialer Pneumonie
vor.
E11: Wann und wie sollte eine virologische Diagnostik erfolgen?
Eine routinemäßige Diagnostik bei Patienten mit HAP auf respiratorische Viren wird
nicht empfohlen. In der Influenza-Saison sollte eine Diagnostik auf Influenza insbesondere
bei Intensivpatienten erfolgen. Hierzu sollten molekulare Testverfahren verwendet
werden. Schwache Empfehlung, Evidenz C
Virale Erreger sind eine relevante, aber wahrscheinlich unterschätzte Ursache der
HAP [10 ]
[202 ]. Eine kürzlich erschienene Studie zeigte, dass eine virologische Diagnostik bei
Patienten mit HAP oftmals unterbleibt [203 ]. Allerdings sind Häufungen oder Ausbrüche nosokomialer Pneumonien mit Adenoviren,
HMPV, RS-Viren und insbesondere Influenza-Viren beschrieben [204 ]. Eine Testung auf Influenzaviren erscheint während der jährlichen Influenza-Saison
sowie bei Hinweisen auf nosokomiale Akquisition sinnvoll, da ein Influenzavirus-Nachweis
therapeutische und krankenhaushygienische Konsequenzen hat [205 ]
[206 ]
[207 ]. Die Relevanz von Herpesviren wie CMV und HSV bei HAP [85 ] ist nicht gesichert und letztlich nur durch eine kontrollierte Therapiestudie zu
klären.
Die beste Evidenz zur zuverlässigen Diagnostik viraler Atemwegsinfektionen besteht
für die Verwendung von molekularen Testverfahren [208 ]. Geeignete Untersuchungsmaterialien sind u. a. BAL, Trachealsekret, Nasenabstriche
und Sputum. Serologische Nachweisverfahren sind zur Akut-Diagnostik nicht geeignet,
ebenso wenig Verfahren der Virusanzucht. Antigen-Schnellteste (z. B. immunchromatografische
Verfahren) zeigen im Vergleich zu molekularen Verfahren bei Erwachsenen eine teilweise
deutlich geringere Sensitivität und Spezifität [209 ]
[210 ]. Neue Multiplex-PCR-Formate erlauben einen gleichzeitigen Nachweis von bis zu 20
viralen und teilweise auch atypischen bakteriellen Erregern und sind in der Sensitivität
und Spezifität vergleichbar mit konventionellen Einzel-PCR-Nachweisen [211 ]. Evidenzbasierte Daten zum Einsatz dieser Multiplex-PCR-Formate zur Diagnostik bei
HAP fehlen zurzeit allerdings.
9 Antimikrobielle Therapie
9 Antimikrobielle Therapie
E12: Wann soll die antimikrobielle Therapie begonnen werden?
Die antibiotische Therapie soll nach Entnahme von adäquatem Untersuchungsmaterial
so früh wie möglich erfolgen. Bei Patienten mit sepsisassoziierter Organdysfunktion
ist eine Antibiotikatherapie innerhalb der ersten Stunde anzustreben. Nicht sofort
verfügbare diagnostische Maßnahmen sollen die Einleitung der Therapie nicht verzögern. Starke Empfehlung, Evidenz B
Eine verzögerte adäquate antimikrobielle Therapie, definiert als Beginn > 24 Stunden
nach Entnahme der Blutkulturen, war bei kritisch kranken Patienten mit P. aeruginosa -Bakteriämie (davon 77 % mit pneumogenem Focus) ein unabhängiger Risikofaktor für
eine erhöhte Sterblichkeit in einer prospektiven Studie [212 ]. Diese Assoziation wurde erregerunabhängig in einer retrospektiven multizentrischen
Kohortenstudie an 2731 Patienten mit schwerer Sepsis bestätigt [187 ]: eine Verzögerung der Antibiotikatherapie resultierte in einem Anstieg der Letalität
um 7,6 % pro Stunde. Die größte Subgruppe (37 %) dieser Patienten hatte einen pneumogenen
Focus, eine separate Analyse dieser Patienten wurde allerdings nicht durchgeführt
[187 ]. Die multivariate Analyse von 107 Patienten mit VAP in einer prospektiven Kohortenstudie
zeigte ebenfalls eine signifikant erhöhte Letalität (OR 7,7; 95CI 4,5 – 13; p < 0,001)
wenn die antibiotische Therapie > 24 Stunden nach Diagnosestellung eingeleitet wurde
[213 ].
E13: Welche Optionen der kalkulierten Therapie sind bei Patienten mit nosokomialer
Pneumonie ohne erhöhtes Risiko für Infektionen mit multiresistenten Erregern (MRE)
zu empfehlen?
Bei Patienten ohne erhöhtes Risiko für MRE gehören Aminopenicilline/Betalaktamaseinhibitor,
Cephalosporine der Gruppe 3a und pneumokokkenwirksame Fluorchinolone zu den empfohlenen
Therapieoptionen. Die Substanzauswahl soll vor dem Hintergrund des lokalen Erregerspektrums
und Resistenzprofils getroffen werden. Starke Empfehlung, Evidenz C
Die Datenbasis zu Erregerspektrum und Therapie der nosokomialen Pneumonie bei Patienten
ohne invasive Beatmung und anderen Risikofaktoren für MRE ist außerordentlich schmal.
Die Patientenkollektive sind heterogen und die Erregernachweisrate liegt deutlich
niedriger als bei der VAP. Es wurden Piperacillin/Tazobactam, Cephalosporine der Gruppen
3a und 3b, Carbapeneme und Moxifloxacin geprüft, ohne dass eine Überlegenheit einer
Substanz hinsichtlich Sterblichkeit oder klinischem Therapieerfolg gefunden wurde.
Langjährige klinische Erfahrungen bestehen darüber hinaus mit der Kombination aus
Aminopenicillinen und Betalaktamaseinhibitoren.
In 2 Studien wurde mit Erfolg versucht, Patienten nach dem Vorhandensein von Risikofaktoren
für Infektionen mit P. aeruginosa und anderen Nonfermentern zu stratifizieren [214 ]
[215 ]. Hierbei spielen neben einer Beatmungstherapie strukturelle Lungenerkrankungen,
Dauer des Hospitalaufenthalts vor Beginn der Pneumonie (early-onset vs. late-onset)
und Schweregrad der Pneumonie eine Rolle. In der nach diesen Kriterien durchgeführten
Studie von Yakovlev et al. war in einem Kollektiv von Patienten ohne erhöhtes Risiko
für MRE eine nicht pseudomonaswirksame Therapie der Gabe eines pseudomonaswirksamen
Cephalosporins gleichwertig [214 ].
Bei niedrigem Risiko für MRE ([Tab. 5 ]) erscheint eine Therapie mit begrenztem Wirkspektrum somit möglich und empfehlenswert
( [Tab.10 ]). Bei der Substanzauswahl sollten lokales Erregerspektrum und Resistenzdaten berücksichtigt
werden. In Analogie zu anderen Infektionen sollte die Gabe von Antibiotika, für die
eine Resistenz relevanter Zielkeime von > 20 % zu erwarten ist, in der Regel vermieden
werden. Weiter sollte berücksichtigt werden, dass die Cephalosporine der Gruppe 3
eine unzureichende Aktivität gegenüber S. aureus aufweisen.
Tab. 10
Kalkulierte antimikrobielle Therapie bei nosokomialer Pneumonie, Patienten ohne erhöhtes
Risiko für multiresistente Erreger.
Substanz
Dosierung (pro Tag)
Aminopenicillin/BLI[1 ]
3 – 4 × 3 g
3 × 2,2 g
oder
Cephalosporin Gr. 3a
1 × 2 g
3 × 2 g
oder
Fluorchinolon
1 × 400 mg
2 × 500 mg
1 BLI = Betalaktamaseinhibitor
E14: Welche Optionen der kalkulierten Therapie sind bei Patienten mit nosokomialer
Pneumonie und erhöhtem Risiko für Infektionen mit multiresistenten Erregern (MRE)
zu empfehlen?
Bei Patienten mit erhöhtem Risiko für MRE sollen zur kalkulierten Monotherapie oder
initial in Kombination eingesetzt werden:
Piperacillin/Tazobactam
Cefepim
Imipenem
Meropenem
Ceftazidim soll nur in Kombination mit einer gegen grampositive Erreger wirksamen
Substanz eingesetzt werden.
Als Kombinationspartner werden Aminoglykoside oder pseudomonaswirksame Fluorchinolone
empfohlen (siehe [Tab. 11 ]).
Die Substanzauswahl soll vor dem Hintergrund des lokalen Erregerspektrums und Resistenzprofils
getroffen werden. Starke Empfehlung, Evidenz B
Bei Verdacht auf eine MRSA-Infektion soll eine gegenüber MRSA wirksame Substanz hinzugefügt
werden. Starke Empfehlung, Evidenz B
Die Evidenz für die Auswahl einer Differenzialtherapie beatmungsassoziierter Pneumonien
ist mäßig. Piperacillin/Tazobactam, pseudomonaswirksame Cephalosporine, pseudomonaswirksame
Carbapeneme und die Fluorchinolone Ciprofloxacin und Levofloxacin wurden in Mono-
bzw. Kombinationstherapie geprüft, ohne dass eine Überlegenheit einer Substanz hinsichtlich
der Letalität gefunden wurde. Die meisten Daten wurden im Rahmen von Zulassungsstudien
mit dem Ziel der Äquivalenz an begrenzten Kollektiven erhoben. Nur in wenigen Studien
waren harte Endpunkte wie Sterblichkeit primärer Endpunkt, meist wurden ein klinisches
und/oder bakteriologisches Ansprechen als Endpunkte gewertet. In diesem Zusammenhang
ist problematisch, dass nur eine Minderzahl der Studien verblindet war. Mit diesen
Einschränkungen ergibt sich, dass ein Vorteil einer Substanz oder eines Regimes hinsichtlich
der Sterblichkeit nicht gezeigt werden konnte. Im Hinblick auf Therapieversagen fanden
sich in den meisten Studien und in einer Metaanalyse, die über 7000 Patienten mit
HAP einschloss, insgesamt ebenfalls keine signifikanten Unterschiede [216 ]. Allerdings schnitt Ceftazidim in mehreren Studien hinsichtlich des klinischen Ansprechens
schlechter ab als Meropenem oder Piperacillin/Tazobactam [216 ]
[217 ]. Die Substanz weist eine unzureichende Aktivität gegenüber Staphylococcus aureus und Pneumokokken auf (siehe Kapitel Antiinfektiva) und sollte daher nicht in Monotherapie
verabreicht werden. Ceftazidim ist darüber hinaus unwirksam gegen ESBL-bildende Enterobakterien.
Doripenem zeigte sich hinsichtlich des Therapieansprechens bei VAP gegenüber Imipenem
in einer randomisierten Studie mit nicht vergleichbaren Dosierungen und Therapiedauern
unterlegen [218 ]. Wegen Sicherheitsbedenken erfolgte inzwischen die Marktrücknahme. Ceftobiprol und
Tigecyclin wurden als Monotherapie gegenüber Ceftazidim/Linezolid bzw. Imipenem geprüft.
Beide Substanzen erwiesen sich bei Patienten mit VAP gegenüber den Vergleichstherapien
als unterlegen [71 ]
[108 ]. Ceftobiprol erwies sich bei nicht beatmeten Patienten mit HAP gegenüber der Vergleichstherapie
als gleichwertig und ist damit in dieser Gruppe eine Option für die kalkulierte Monotherapie
unter Einschluss von MRSA im Spektrum [71 ]). Allerdings lag in dieser Studie nur in 11 % der Fälle ein MRSA-Nachweis vor.
Resistenz und Superinfektionen spielen in Abhängigkeit vom Erregerspektrum und der
lokalen Resistenzsituation eine unterschiedlich große Rolle, waren jedoch in einigen
Studien von Bedeutung für unterschiedliches Ansprechen unter Therapie mit Fluorchinolonen,
Carbapenemen und Cephalosporinen [219 ]
[220 ]
[221 ]. Bei Verdacht auf Infektionen mit ESBL-Bildnern sind Carbapeneme Mittel der Wahl.
Randomisierte Studien zum Einsatz von Colistin in der kalkulierten Therapie der HAP
liegen nicht vor; ein systematischer Review zeigte eine dem Kontrollarm vergleichbare
Wirksamkeit in limitierten Patientenkollektiven mit HAP und einem hohen Anteil gramnegativer
MRE [222 ]. Die Substanz sollte generell für die gezielte Therapie Carbapenem-resistenter MRE
reserviert bleiben, um die Selektion Colistin-resistenter Stämme zu vermeiden (siehe
Empfehlung E23).
Bei Verdacht auf MRSA-Infektion sollten Vancomycin oder Linezolid als gegenüber MRSA
wirksame Substanzen hinzugefügt werden.
Die hier gegebenen Empfehlungen ([Tab. 11 ]) berücksichtigen die aktuellen epidemiologischen und mikrobiologischen Daten in
Deutschland (siehe Kapitel Epidemiologie, Erregerspektrum). Für weitere Informationen
zur Indikation einer kalkulierten Kombinationstherapie siehe Empfehlung 15. Darüber
hinaus sind das lokale Erregerspektrum und Resistenzprofil für die Substanzauswahl
von großer Bedeutung.
Tab. 11
Kalkulierte antimikrobielle Therapie bei nosokomialer Pneumonie, Patienten mit erhöhtem
Risiko für multiresistente Erreger.
Substanz
Dosierung (pro Tag)
pseudomonaswirksames Betalaktam
3 – 4 × 4,5 g
oder
3 × 2 g
3 × 2 g
oder
3 × 1 g
3 – 4 × 1 g
+/−
Fluorchinolon
3 × 400 mg
2 × 500 mg
oder
Aminoglykosid
1 × 3 – 7 mg/kg (Talspiegel < 1 µg/ml)
1 × 3 – 7 mg/kg (Talspiegel < 1 µg/ml)
1 × 15 – 20 mg/kg (Talspiegel < 4 µg/ml)
bei MRSA-Verdacht
plus
Glykopeptid oder Oxazolidinon
Vancomycin
2 × 15 mg/kg (Talspiegel: 15 – 20 µg/ml)
Linezolid
2 × 600 mg
1 nur in Kombination mit einer gegen grampositive Erreger wirksamen Substanz.
E15: Wann sollte eine Mono-, wann eine Kombinationstherapie bei erhöhtem Risiko für
Infektionen mit multiresistenten Erregern (MRE) gewählt werden?
Bei Patienten ohne sepsisassoziierte Organdysfunktion und ohne invasive Beatmung soll
eine initiale Monotherapie mit einer pseudomonaswirksamen Substanz bevorzugt werden.
Eine kalkulierte Kombinationstherapie soll Patienten mit erhöhtem Risiko für das Vorliegen
multiresistenter Erreger und sepsisassoziierter Organdysfunktion bzw. invasiver Beatmung
vorbehalten bleiben. Nach 48 bis 72 Stunden soll die Erfordernis der Kombinationstherapie
überprüft und bei Nachweis eines empfindlichen Erregers bzw. Stabilisierung des Patienten
auf eine Monotherapie deeskaliert werden (Einzelheiten siehe E18).
Die Substanzauswahl soll vor dem Hintergrund des lokalen Erregerspektrums und Resistenzprofils
getroffen werden. Starke Empfehlung, Evidenz B
Kombinationen zur Verbreiterung des Spektrums gegenüber gramnegativen MRE Studien zum Vergleich einer kalkulierten Monotherapie oder Kombinationstherapie der
VAP wurden mehrfach mit unterschiedlichen Substanzen in den Studienarmen (divergente
Kombination), seltener mit dem gleichen Betalaktamantibiotikum in beiden Studienarmen
und einer zweiten Substanz aus einer anderen Klasse im Kombinationsarm (konvergente
Kombination), durchgeführt. Geprüft wurden die Carbapeneme Meropenem und Imipenem
jeweils allein oder in Kombination mit Ciprofloxacin bzw. Netilmicin sowie das Cephalosporin
Cefepim mit oder ohne Amikacin als Partner. Es fand sich insgesamt kein Unterschied
zwischen Mono- und Kombinationstherapie hinsichtlich der Sterblichkeit und generell
auch kein Vorteil einer Kombinationstherapie hinsichtlich weiterer klinischer Endpunkte.
Auch eine Metaanalyse ergab keine Unterschiede zwischen Mono- und Kombinationstherapie
[216 ]. Bei der Prüfung divergenter Regime fand sich mehrfach eine Unterlegenheit der Kombination
aus Ceftazidim und Aminoglykosid gegenüber der Monotherapie mit Meropenem [217 ]
[223 ].
Ceftobiprol war als Monotherapie gegenüber der Kombination von Ceftazidim und Linezolid
bei HAP ohne Beatmung gleichwertig, bei VAP dagegen unterlegen [71 ]. Dieses Studiendesign erlaubt wegen der Nichtvergleichbarkeit der getesteten Betalaktamantibiotika
keine Aussage hinsichtlich der Rolle von Mono- und Kombinationstherapie.
Insgesamt stellt bei weniger schwerer Erkrankung ohne sepsisassoziierte Organdysfunktion
und ohne invasive Beatmung eine initiale Monotherapie mit einer pseudomonaswirksamen
Substanz in Abhängigkeit von patientenseitigen Faktoren und lokalem Resistenzspektrum
eine adäquate Therapieoption dar. Andererseits wurde beim septischen Schock eine deutliche
Exzessletalität gefunden, wenn eine adäquate Therapie verzögert eingeleitet wurde
[187 ]. Bei lebensbedrohlichen Infektionen ist daher das Risiko einer inadäquaten Initialtherapie
zu vermeiden, sodass eine Kombinationstherapie mit erweitertem antipseudomonalen Spektrum
empfehlenswert ist. Es besteht dabei das Problem des zunehmenden Selektionsdrucks
unter prolongierter breiter Initialtherapie. Ein stringentes Deeskalationskonzept
sollte daher Bestandteil jeder Breitspektrumtherapie sein.
Die Toxizität einer Kombinationstherapie von Betalaktamantibiotika mit Aminoglykosiden
und der Selektionsdruck sind gegenüber einer Monotherapie erhöht. Eine erhöhte renale
Toxizität im Kombinationsarm wurde mehrfach beobachtet und auf die Aminoglykosidkomponente
zurückgeführt [224 ]
[225 ]. Hieraus ergibt sich die häufig geübte Strategie, die Aminoglykosidkomponente einer
Kombinationstherapie bei klinischem Ansprechen nach 3 – 5 Tagen abzusetzen.
Eine erhöhte Rate an Superinfektionen wurde im Kombinationsarm von Croce et al gefunden
[220 ]. Allerdings zeigte in der Studie von Heyland et al der Kombinationsarm ein besseres
mikrobiologisches Ansprechen in der Subgruppe der Patienten mit Infektionen durch
gramnegative MRE [80 ]. Eine weitere Studie verglich Cefepim in Monotherapie oder in Kombination mit Amikacin
und zeigte einen klinischen Vorteil der Kombinationstherapie, der wesentlich auf ein
besseres Ansprechen von Infektionen mit P. aeruginosa zurückzuführen war [226 ]. Weiterhin fanden Beobachtungsstudien zur Therapie von P. aeruginosa -Infektionen bei VAP einen Vorteil der initialen Kombinationstherapie, wenn auf diese
Weise das Risiko einer ineffektiven Monotherapie vermieden wurde. Wenn gezielt auf
eine wirksame Monotherapie deeskaliert wurde, war kein Nachteil im Vergleich zu einer
weiter verabreichten Kombination feststellbar [227 ]
[228 ]. Diese Befunde sprechen dafür, dass der Wert einer solchen Kombinationstherapie
v. a. in der Vermeidung einer inadäquaten Initialtherapie bei hohem Risiko von Infektionen
mit gramnegativen MRE besteht.
Kombinationen zur Verbreiterung des Spektrums gegenüber grampositiven MRE Bei Verdacht auf MRSA-Infektion sollten zusätzlich Vancomycin oder Linezolid als
gegenüber MRSA wirksame Substanzen hinzugefügt werden.
Telavancin wurde als Alternative zu Vancomycin in 2 RCTs geprüft [229 ]; die Rate an gesicherten MRSA Pneumonien in diesen Studien war jedoch gering und
bei Patienten mit Niereninsuffizienz ab einer Kreatininclearance ≤ 30 ml/min lag die
Sterblichkeit höher als im Kontrollarm [230 ]. Die Substanz ist daher bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz nicht zugelassen.
E16: Wann soll eine vorzeitige Beendigung der Therapie erwogen werden?
Besteht trotz neu aufgetretener Infiltrate klinisch eine niedrige Wahrscheinlichkeit
für eine HAP, soll die antibiotische Therapie nach 3 Tagen beendet werden. Ergibt
die Diagnostik eine sepsisassoziierte Organdysfunktion/einen septischen Schock mit
anderem Fokus, ist die Therapie anzupassen. Starke Empfehlung, Evidenz B
Da eine frühzeitige adäquate antibiotische Therapie entscheidend für die Prognose
ist, die Diagnose jedoch vielfach initial ungewiss ist, erhalten einige Patienten
eine „unnötige“ Antibiotikatherapie. Um das damit verbundene Risiko zu minimieren,
sollte eine Therapie frühestmöglich beendet werden, wenn im kurzfristigen Verlauf
die Diagnose HAP unwahrscheinlich wird. So konnte bei Patienten mit neu aufgetretenen
Infiltraten, die klinisch jedoch nur eine moderate Wahrscheinlichkeit für eine VAP
aufwiesen (CPIS ≤ 6), in einer randomisierten Studie die Antibiotikatherapie nach
3 Tagen beendet werden, wenn sich keine klinische Verschlechterung zeigte. Dieses
Vorgehen verminderte das Risiko bakterieller Superinfektionen durch resistente Erreger
und verkürzte die Liegezeit auf der Intensivstation [231 ]. Die vorzeitige Beendigung der Antibiotikatherapie in einem solchen Fall ist unbedenklich.
E17: Wann und nach welchen Kriterien soll der Therapieerfolg evaluiert werden?
Eine Reevaluation des Patienten soll 48 – 72 Stunden nach Beginn der Therapie erfolgen.
Hierzu gehört die Beurteilung des klinischen Verlaufs, der Ergebnisse der initialen
mikrobiologischen Diagnostik, der Röntgenverlaufsuntersuchung und von Biomarkern. Starke Empfehlung, Evidenz B
Für die Beurteilung eines Therapieerfolges hat die Reevaluation des Patienten am 3. – 4. Tag
nach Beginn der Therapie eine zentrale Bedeutung. Neben den zu diesem Zeitpunkt meist
vorliegenden Ergebnissen der kulturellen Diagnostik sollte eine Verlaufsbeurteilung
der klinischen Parameter, des Gasaustausches und der Entzündungsparameter erfolgen.
Allerdings zeigt eine prospektive Studie an 27 Patienten, dass bei Therapieerfolg
die Abnahme der Körpertemperatur, der Leukozytenzahl und der KBE/ml in der BAL sowie
ein Anstieg des paO2 /FiO2 bereits 24 Stunden nach Therapiebeginn zu beobachten ist [232 ]. Bei Patienten, die mit Enterobakterien oder P. aeruginosa infiziert waren, zeigte sich ein klinischer Therapieerfolg trotz Persistenz der Pathogene
im Tracheobronchialsekret [232 ].
Eine prospektive Studie an 75 Patienten untersuchte den Verlauf von APACHE II, SOFA,
CRP und PCT [233 ]. In der multivariaten Analyse war nur ein Abfall der Inflammationsparameter C-reaktives
Protein (CRP) und PCT an Tag 4 ein unabhängiger Prädiktor für das Überleben. Die prognostische
Wertigkeit des Verlaufes proinflammatorischer Parameter, insbesondere für PCT, wurde
in mehreren Studien bestätigt [142 ]
[143 ]
[234 ]
[235 ].
Mehrere Studien haben zeigen können, dass Biomarker wie PCT, aber auch CRP, in der
Verlaufskontrolle als Marker eines Therapieansprechens eingesetzt werden können. Sehr
niedrige absolute PCT-Werte ( < 0,1 – < 0,25 µg/l) oder ein Abfall auf < 90 % des
Ausgangswerts zeigen ein Therapieansprechen an [236 ]
[237 ]. Ähnlich war ein CRP-Quotient nach/vor Therapie < 0,8 nach 96 Stunden mit einem
Therapieansprechen assoziiert [238 ].
E18: Wann und wie soll eine Deeskalation, wann eine Fokussierung der Initialtherapie
erfolgen?
Die Deeskalation soll 48 – 72 Stunden nach Therapiebeginn anhand der Ergebnisse der
Reevaluation erfolgen. Bei klinischer Besserung, aber fehlendem Nachweis eines respiratorischen
Pathogens soll die Deeskalation auf eine Monotherapie mit dem in der Initialkombination
enthaltenen Betalaktamantibiotikum (1. Wahl) oder Fluorchinolon (2. Wahl) erfolgen. Starke Empfehlung, Evidenz B
Bei Nachweis eines respiratorischen Pathogens soll auf eine gezielte Monotherapie
mit schmalem Spektrum umgesetzt werden. Eine initiale kalkulierte Therapie gegen MRSA
soll beendet werden, falls ein solcher Erreger nicht nachgewiesen wurde. Starke Empfehlung, Evidenz B
Durch die Deeskalation der initial breit gewählten kalkulierten Antibiotikatherapie
sollen das Risiko der Selektion multiresistenter Erreger mit konsekutiver Superinfektion
und/oder Nebenwirkungen der antibiotischen Therapie reduziert werden. Zentraler Bestandteil
der Deeskalation ist die Reevaluation des Patienten nach 48 – 72 Stunden, da zu diesem
Zeitpunkt das klinische Ansprechen beurteilt werden kann und die Ergebnisse der mikrobiologischen
Diagnostik vorliegen.
Konnte kein kausales Pathogen identifiziert werden, sollte bei klinischem Ansprechen
auf eine Monotherapie mit einem in der Initialkombination enthaltenen Betalaktamantibiotikum
oder Fluorchinolon umgestellt werden.
Konnte ein kausales Pathogen identifiziert werden, sollte die Therapie von einer Kombinations-
auf eine Monotherapie mit einem resistenzgerechten, aber möglichst schmalen Spektrum
umgestellt werden. Voraussetzung hierfür ist die korrekte Identifizierung des zugrunde
liegenden Pathogens durch quantitative oder semiquantitative Kulturen aus respiratorischen
Materialien, wobei die besten Daten für bronchoskopisch gewonnenes Material vorliegen
[239 ]: In einer randomisierten monozentrischen Studie konnte bei 66 % der Patienten basierend
auf Ergebnissen einer quantitativen BAL eine Deeskalation vorgenommen werden, während
die Ergebnisse eines semiquantitativen Trachealsekretes nur in 21 % eine Deeskalation
ermöglichten. Hinsichtlich Rezidivrate und Sterblichkeit wurden in einer Kohortenstudie
an chirurgischen Intensivpatienten mit VAP (n = 138) mit stringenter Deeskalationsstrategie
basierend auf Ergebnissen einer quantitativen BAL keine signifikanten Unterschiede
gegenüber einer nicht deeskalierten Therapie gefunden [240 ].
E19: Die Therapiedauer soll im Regelfall 7 bis 8 Tage betragen. Bei S. aureus Bakteriämie im Rahmen der HAP ist eine längere Therapiedauer von mindestens 14 Tagen
erforderlich. Starke Empfehlung, Evidenz A
Procalcitonin (PCT) sollte nur im Rahmen von PCT-basierten Protokollen zur Steuerung
der Therapiedauer eingesetzt werden. Schwache Empfehlung, Evidenz B
Zur optimalen Therapiedauer bei HAP nicht beatmeter Patienten gibt es keine Daten
aus kontrollierten Studien. Eine doppelblinde multizentrische Studie an 401 Patienten
mit VAP zeigte keinen Unterschied der Heilungsrate zwischen einer 8 – bzw. 15-tägigen
Therapie [74 ]. Lediglich bei nachgewiesener Infektion durch Non-Fermenter (A. baumannii, P. aeruginosa, S. maltophilia ) war die längere Therapiedauer mit einer verminderten Rückfallrate assoziiert (41 %
vs. 25 %). Allerdings war nach 15-tägiger Therapie im Falle eines Rezidivs der Nachweis
resistenter Erreger signifikant höher, sodass jede länger als 8 Tage dauernde Therapie
kritisch zu bewerten ist. Eine aktuelle Metaanalyse unter Einschluss von insgesamt
1088 Patienten bestätigte diese Ergebnisse [241 ]. In einer allerdings retrospektiven Analyse von 154 Patienten mit VAP durch Non-Fermenter
wurde die niedrigere Rezidivrate durch eine längere Therapie dagegen nicht bestätigt
(22 % für < 8 Tage und 34 % für > 8 Tage, nicht signifikant) [242 ].
Infektionen, für die eine Therapiedauer von mindestens 2 Wochen erforderlich ist,
sind:
bakteriämische S. aureus -Pneumonien, die als komplizierte S. aureus -Bakteriämien eingestuft werden: Hier wird überwiegend eine vierwöchige Therapiedauer
empfohlen [243 ]
[244 ]. Des Weiteren sollten Folgeblutkulturen abgenommen werden und bei Patienten mit
bestimmten Risikofaktoren (z. B. ICD) eine transösophageale Echokardiografie erfolgen
zum Ausschluss einer prolongierten Bakteriämie bzw. einer Endokarditis.
invasive pulmonale Aspergillosen, bei denen eine Therapiedauer von mindestens 6 Wochen
empfohlen wird [245 ]; diese Empfehlung wurde allerdings von immundefizienten Patientenkollektiven abgeleitet.
Zu einer fix vorgegebenen Therapiedauer von unter 8 Tagen gibt es keine Studien. Allerdings
konnte in einem RCT über eine Protokoll-gesteuerte Therapie (Absetzen der Antibiotika,
wenn alle folgenden Kriterien erfüllt waren: Fieber < 38,3 °C, Leukozyten < 10.000/µl
oder Abfall um 25 %, kein purulentes Sputum, keine Zunahme des radiologischen Infiltrates,
pO2 /FiO2 > 250 mmHg) die Therapiedauer signifikant von 8 Tagen (Vergleichsgruppe) auf 6 Tage
gesenkt werden. Hinsichtlich Rezidivrate und Sterblichkeit wurden keine Unterschiede
gefunden [246 ].
Zur Steuerung und Verkürzung der Therapiedauer durch Biomarker gibt es positive Studien
[237 ]. 2016 wurde die bislang größte randomisierte multizentrische Studie (n = 1575) publiziert,
die einen PCT-Algorithmus zur Steuerung der Therapiedauer auf Intensivstation untersuchte
(Stop Antibiotics on guidance of Procalcitonin Study – SAPS). Patienten mit Infektionen,
die eine längere Therapie erfordern (z. B Endokarditis) wurden ausgeschlossen. Den
behandelnden Ärzten wurde empfohlen die Therapie zu beenden, wenn PCT unter 20 % des
Ausgangswertes oder ≤ 0,5 ng/ml gesunken war. Der Algorithmus war allerdings nicht
obligat, nur bei 44 % der Patienten mit einem PCT ≤ 0,5 ng/ml wurden die Antibiotika
innerhalb von 24 h beendet, bei 53 % innerhalb von 48 h. Dennoch war die mittlere
Therapiedauer mit 5 Tagen (IQR 3 – 9) in der PCT-Gruppe im Vergleich zu 7 Tagen (4 – 11)
in der Kontrollgruppe signifikant kürzer (p < 0,0001). Die 28-Tage-Letalität war in
der Kontrollgruppe trotz längerer Antibiotikatherapie höher: in der Intention-to-treat-Analyse
20 vs. 25 % (p = 0,0122) und in der Per-protocol-Analyse sogar 20 vs. 27 % (p = 0,015).
Auch nach einem Jahr waren die Letalitätsunterschiede noch signifikant (36 vs. 43 %,
p = 0,0188) [247 ]. In einer vorhergehenden Studie [248 ] mit ähnlichem Design, aber obligatem Algorithmus gab es ebenfalls eine signifikante
Reduktion der Antibiotikadauer, aber eine tendenziell leicht erhöhte Letalität in
der PCT Gruppe.
Der Einsatz eines Procalcitonin-Algorithmus, der vom behandelnden Arzt nach klinischem
Urteil überstimmt werden kann, kann somit zur Einsparung von Antibiotika und damit
zur Reduktion des Selektionsdrucks beitragen sowie die Letalität reduzieren. Neben
PCT existieren noch andere, sehr einfache und kostenfreie Strategien der Reduktion
der Therapiedauer [70 ]
[231 ].
E20: Welches Vorgehen sollte bei einem Therapieversagen gewählt werden?
Bei Therapieversagen sollte eine erneute, wenn möglich invasive Diagnostik zur Klärung
der Ätiologie erfolgen. In Abhängigkeit vom differenzialdiagnostischen Spektrum ist
darüber hinaus eine erweiterte bildgebende Diagnostik zu erwägen. Schwache Empfehlung, Evidenz B
Ein Therapieversagen bei HAP stellt eine vital bedrohliche Situation dar, die rasches
Handeln und eine zielgerichtete Diagnostik erfordert. Es ist definiert als fehlendes
klinisches Ansprechen und/oder Ausbreitung der Röntgeninfiltrate zum Zeitpunkt der
Reevaluation nach 48 – 72 Stunden. Bei Patienten mit HAP und schwerer Sepsis oder
septischem Schock ist eine fehlende Besserung oder Verschlechterung des Sepsisstadiums
als Anzeichen des Therapieversagens zu werten. Darüber hinaus identifizierte die multivariate
Post-hoc-Analyse eines RCT mit 740 Patienten eine fehlende Verbesserung von paO2 /FiO2 an Tag 3 als unabhängigen Prädiktor für ein Therapieversagen [249 ].
Die Ursachen eines Therapieversagens bei HAP sind vielfältig ([Tab. 12 ]). Zum Nachweis einer Infektion mit Erregern, die eine primäre oder sekundär erworbene
Resistenz gegenüber der initialen Antibiotikatherapie aufweisen, oder einer Superinfektion
sollte eine erneute mikrobiologische Diagnostik aus respiratorischen Materialien erfolgen.
Die in vielen Studien gefundene leicht überlegene Sensitivität einer invasiven Diagnostik
kann in dieser Situation eine bronchoskopische Diagnostik begründen [250 ]
[251 ]. Es bestehen jedoch grundsätzlich dieselben Limitationen der quantitativen Kultur
wie bei primärer Evaluation [252 ]. Eine Therapiepause („diagnostisches Fenster“) ist nicht indiziert. Die Diagnostik
soll vor Gabe neuer Antibiotika erfolgen [167 ]. Ein weiterer Vorteil der bronchoskopischen Diagnostik ist die Klärung nicht infektiöser
Differenzialdiagnosen wie interstitieller Lungenerkrankungen, alveolärer Hämorrhagien
oder Atelektasen. Zur Klärung der dem Therapieversagen zugrunde liegenden Ursache
kann eine erweiterte Bildgebung mit Thorax-CT, Echokardiografie oder Thoraxsonografie
indiziert sein.
Tab. 12
Differenzialdiagnose des Therapieversagens bei HAP.
bei korrekter Diagnose
Infektion mit primär resistentem bakteriellen oder nicht bakteriellen Erreger
Resistenzentwicklung unter Therapie
Unterdosierung der antimikrobiellen Therapie
Superinfektion mit „neuem“ Erreger
einschmelzende/organüberschreitende Infektion (z. B. Lungenabszess, Pleuraempyem)
Diese Diagnosen können durch adäquate mikrobiologische Diagnostik bzw. thorakale Bildgebung
bestätigt oder ausgeschlossen werden.
bei Fehldiagnose HAP
interstitielle Lungenerkrankung (z. B. cryptogen organisierende Pneumonie [COP])
Medikamenten-induzierte Pneumonitis
kongestive Herzinsuffizienz
Lungenembolie/Lungeninfarkt
alveoläre Hämorrhagie
Aspirationssyndrom
Atelektase
Die Überprüfung dieser Diagnosen erfordert Echokardiografie, Bronchoskopie mit Differenzialzytologie
bzw. Angio-CT.
Ein Therapieversagen kann auch bei empfindlichem Erreger vorliegen, wenn sich eine
Ausbreitung der Infektion in die Pleura (Pleuraempyem) oder größere pulmonale bzw.
extrapulmonale Einschmelzungen entwickelt haben, die die Effektivität der Antibiotika
behindern und eine Drainagetherapie, ggf. eine VATS erfordern.
E21: Sollte eine „Ventilator-assoziierte Tracheobronchitis“ (VAT) antimikrobiell therapiert
werden?
Bei beatmeten Patienten stellt eine VAT möglicherweise einen Risikofaktor für die
Entwicklung einer VAP dar. Eine Antibiotikatherapie kann nicht empfohlen werden, da
hierfür keine ausreichende Evidenz besteht. Keine Empfehlung, Evidenz C
Derzeit existiert keine einheitliche Definition der VAT. Als Kriterien der VAT wurden
klinische Zeichen der tiefen Atemwegsinfektion (Leukozytose, Fieber, purulentes Sekret),
zuweilen auch ein Erregernachweis im Tracheobronchialsekret, jeweils ohne Nachweis
von Infiltraten, zugrundegelegt. Das entscheidende Kriterium zur Unterscheidung von
Kolonisation/VAT und VAP stellt somit der Infiltratnachweis dar. Eine exakte radiologische
Abgrenzung zwischen VAT und VAP kann im Einzelfall jedoch schwierig sein, da Transparenzminderungen
gerade bei beatmeten Patienten verschiedene Ursachen haben können. Bestätigt wird
die klinische Diagnose durch mikrobiologische Befunde im Trachealsekret (Gramfärbung,
Kultur). Mit den gleichen Einschränkungen wie bei der VAP kann hierbei der semiquantitative
bzw. quantitative Erregernachweis zur Differenzierung zwischen Kolonisation und Infektion
beitragen. Häufig zugrunde gelegte Schwellenwerte liegen bei 105 – 106 KBE/ml, sind allerdings nicht systematisch untersucht.
Insgesamt gibt es für die VAT derzeit noch kein valides diagnostisches Konzept. Hieraus
ergeben sich wesentliche Limitationen der bislang durchgeführten Studien an kleinen
Patientenkollektiven zur Therapie der VAT mit systemischen +/− aerosolierten Antibiotika.
Die VAT scheint aber ein Risikofaktor für eine nachfolgende VAP zu sein. Nseir et
al. dokumentierten bei Patienten mit VAT unter 8-tägiger intravenöser Antibiotikatherapie
eine Abnahme konsekutiver VAP-Episoden, mehr beatmungsfreie Tage und eine niedrigere
ICU-Letalität gegenüber der unbehandelten Kontrollgruppe [253 ]. In einer nachfolgenden großen multizentrischen Observationsstudie dieser Autoren
erhielten Patienten mit VAT eine jeweils resistenzgerechte Antibiotikatherapie [254 ]. Diese war mit einem geringeren Auftreten einer VAP assoziiert. Allerdings wurden
aufgrund der Ausschlusskriterien nur 122 von mehr als 1700 Patienten im Screening
in die Studie eingeschlossen. Insbesondere die klinisch bedeutsame Gruppe der langzeitbeatmeten
Patienten mit langem Intensivaufenthalt war in dieser Studie ausgeschlossen. Eine
neuere Beobachtungsstudie an 188 Patienten konnte eine VAT-Inzidenz von 11 % nachweisen,
von diesen Patienten entwickelten 29 % eine VAP. Interessanterweise wies diese Gruppe
zwar eine verlängerte Beatmungs- und Intensivbehandlungszeit auf, die Letalität war
hiervon allerdings unbeeinflusst.
Nachdem Palmer et al. bei Patienten mit VAT unter inhalativer Antibiotikatherapie
mit Gentamicin und/oder Vancomycin eine Reduktion pulmonaler Infektionszeichen zeigen
konnten [255 ], konnte in einer weiteren Studie dieser Gruppe gezeigt werden, dass eine solche
Therapie bei Patienten mit erhöhtem MRE Risiko eine signifikante MRE Eradikation im
Respirationstrakt bewirken kann [256 ].
Die aktuelle US-amerikanische Leitlinie gibt aufgrund der Studienlage keine generelle
Empfehlung zur Therapie einer VAT, da die Nachteile einer Antibiotikatherapie möglicherweise
die erhofften Vorteile überwiegen. Lediglich für Risikopatienten, wie z. B. Langzeitbeatmete
im prolongierten Weaning, wird ein möglicher Nutzen gesehen. Weitere klinische Studien
zur Klärung potenzieller Vorteile einer inhalativen gegenüber einer systemischen Antibiotikatherapie,
des Nutzen-Risiko-Verhältnisses, aber auch der VAT-Diagnosekriterien bleiben somit
abzuwarten.
Beim derzeitigen Kenntnisstand kann daher eine antimikrobielle Therapie der VAT nicht
generell empfohlen werden. Unabhängig hiervon kann nach Meinung der Leitliniengruppe
im Einzelfall bei Risikopatienten mit zunehmend purulentem Atemwegssekret ein Therapieversuch
erwogen werden. Hierzu gehören z. B. Patienten mit rezidivierenden Pneumonien unter
Beatmung, bekannter tracheobronchialer Kolonisation mit MRE, insuffizienter Sekretelimination
durch Hustenschwäche oder Dysphagie mit Aspirationsneigung, insbesondere im prolongierten
Weaning. Für eine antimikrobielle Therapie einer Tracheobronchitis nach thoraxchirurgischen
Eingriffen gibt es keine Evidenz.
E22: Wann ist eine inhalative antimikrobielle Therapie der VAP (allein/in Kombination
mit systemischer Therapie) indiziert?
Eine inhalative Antibiotikatherapie kann derzeit nicht generell empfohlen werden.
Bei Vorliegen multiresistenter gramnegativer Erreger, die nur auf Colistin und/oder
Aminoglykoside empfindlich sind, sollte eine ergänzende inhalative Therapie mit hierfür
geeigneten Verneblern zusätzlich zur systemischen Antibiotikatherapie erwogen werden. Schwache Empfehlung, Evidenz C
Inhalative Antibiotika spielen bei der Therapie von Patienten mit zystischer Fibrose
und chronischer Infektion durch P. aeruginosa eine wichtige Rolle. Ihr Stellenwert bei Patienten mit VAP ist hingegen weiterhin
unklar. Prospektive, kontrollierte, multizentrische Studien mit relevanten Fallzahlen
liegen nicht vor.
Korbila et al. untersuchten in einer retrospektiven, zweiarmigen Kohortenstudie 121
Patienten mit VAP, die bei Nachweis von MRE (vornehmlich A. baumannii, P. aeruginosa und K. pneumoniae) mit Colistin i. v. behandelt worden waren. 78 Patienten hatten zusätzlich Colistin
inhalativ erhalten und wiesen eine höhere Heilungsrate auf bei unveränderter Krankenhausletalität
[257 ]. Ähnlich fanden Tumbarello et al. in einer retrospektiven Fall-Kontrollstudie an
208 Patienten mit Infektionen durch Colistin-sensible gramnegative Bakterien eine
höhere klinische Heilungsrate und weniger Beatmungstage unter zusätzlich zur i. v.
Therapie aerosoliertem Colistin [258 ]. Es zeigte sich jedoch kein Effekt auf die Gesamtsterblichkeit und die Dauer des
Intensivaufenthaltes. Ghannam et al. fanden in einer retrospektiven Fall-Kontrollstudie
an Tumorpatienten mit VAP (69 % P. aeruginosa ) Vorteile einer inhalativen Aminoglykosid- oder Colistin-Therapie gegenüber einer
intravenösen Applikation dieser Medikamente im Hinblick auf klinische und mikrobiologische
Infektionszeichen [259 ]. Abdellatif et al verglichen in einer randomisierten Studie parenterale vs. aerosolierte
Gabe von Colistin, jeweils initial in Kombination mit Imipenem, bei 149 Patienten
mit gramnegativer VAP (45 % A. baumannii ). Während klinische Heilung und Letalität nicht unterschiedlich waren, schnitt die
Gruppe mit aerosolierter Therapie hinsichtlich sekundärer Endpunkte wie Nephrotoxizität
und bakterieller Eradikation signifikant besser ab [260 ]. Arnold et al. sahen in einer retrospektiven, monozentrischen Kohortenstudie (n = 93)
eine geringere Sterblichkeit unter zusätzlicher Colistin- oder Tobramycin-Inhalation
[261 ]. Allerdings wurden Patienten mit palliativem Therapieziel nachträglich ausgeschlossen.
Eine weitere, nicht kontrollierte retrospektive Studie [262 ] deutet auf einen möglichen Nutzen von adjunktivem, aerosoliertem Tobramycin, Amikacin
oder Colistin bei VAP hin.
In einer Metaanalyse von 690 Fällen aus 16 Studien bis 2013 ergab sich ein verbessertes
Outcome (klinisches Ansprechen, mikrobiologische Eradikation und infektionsassoziierte
Letalität) unter adjunktiver inhalativer Colistinapplikation bei allerdings geringem
Evidenzgrad und ohne Effekt auf die Gesamtsterblichkeit [263 ]. Eine weitere Metaanalyse von Zampieri et al. anhand von 12 Studien mit 812 Patienten
fand einen Vorteil hinsichtlich des klinischen Ansprechens bei allerdings erheblichen
methodischen Limitationen (Analyse underpowered) [264 ]. Die aktuelle Leitlinie der IDSA/ATS [2 ] empfiehlt eine inhalative Antibiotikatherapie zusätzlich zur systemischen Antibiotikatherapie
bei HAP/VAP durch gramnegative Erreger, die nur noch gegen Aminoglykoside und Polymyxine
sensibel sind, durch Carbapenem-resistente Erreger oder bei Nachweis von A. baumannii mit Sensibilität ausschließlich gegenüber Polymyxinen.
Durch die Aerosolierung von Antibiotika lassen sich hohe lokale Konzentrationen im
Bronchialsystem erreichen. Dies kann insbesondere bei Infektionen mit MRE vorteilhaft
sein, bei denen hohe Konzentrationen am Ort der Infektion erforderlich sind. Zudem
vermindert die lokale Applikation den Selektionsdruck auf die Darmflora und bietet
Vorteile hinsichtlich systemischer Nebenwirkungen, wie bei vorbestehender Niereninsuffizienz.
Andererseits ist die Penetration aerosolierter Antibiotika in das betroffene Lungenparenchym
unter klinischen Bedingungen unklar.
Derzeit kann eine Indikation zur inhalativen Antibiotikatherapie der VAP im Einzelfall
bei Patienten mit Nachweis von MRE erwogen werden, die systemisch nicht ausreichend
oder nur unter Inkaufnahme erheblicher Toxizitäten behandelbar sind. Auf den Einsatz
geeigneter Verneblersysteme sollte geachtet werden, um eine ausreichende Deposition
und eine optimale Tröpfchengröße zu gewährleisten. Zudem kann die effektive Dosierung
unter Beatmung erheblich differieren. Die inhalative Applikation kann ferner in Einzelfällen
zu Bronchospasmus und Husten führen.
Der Nutzen einer inhalativen Antibiotikatherapie ohne gleichzeitige systemische Antibiotikabehandlung
ist ebenfalls nicht hinreichend geklärt. Lu et al fanden in einer prospektiven Observationsstudie
an Patienten mit P. aeruginosa und A. baumannii, dass eine inhalative Colistintherapie in hoher Dosis (3 × 5 IE) +/− i. v. Aminoglykosid
über 3 Tage bei multiresistenten Stämmen hinsichtlich klinischer Heilung und Letalität
einer i. v. Standardtherapie (Betalaktam + Aminoglykosid oder Chinolon) bei sensiblen
Stämmen nicht unterlegen war [103 ]. Diese Daten begründen die Möglichkeit einer solchen inhalativen Monotherapie als
individuellen Heilversuch, wenn intravenöse Optionen nicht bestehen.
E23: Wie sieht die adäquate gezielte Therapie aus bei Nachweis von Infektionen mit:
MRSA – Pseudomonas aeruginosa – Acinetobacter baumannii – Stenotrophomonas maltophilia – ESBL-bildenden Enterobakterien – Carbapenem-resistenten Enterobakterien?
Bei der gezielten Therapie der HAP soll die Substanzauswahl nach den folgenden Kriterien
erfolgen:
Pneumonien durch multiresistente Bakterien gehen häufiger als bei anderen Erregern
mit einem Therapieversagen einher [219 ]
[224 ]
[265 ]
[266 ], v. a. bei inadäquater Therapie [227 ] oder verzögertem Therapiebeginn [212 ]. Für MRSA konnte jedoch gezeigt werden, dass bei angemessener Therapie die Letalität
im Vergleich zu MSSA nicht erhöht ist [267 ]
[268 ]. Eine Metaanalyse über Studien zu Linezolid vs. einem Glykopeptid ergab in der empirischen
Therapie keine klinische Überlegenheit einer der beiden Substanzen [269 ]. Nur in einer methodisch angreifbaren retrospektiven Analyse zweier gepoolter, prospektiver
Studien, die ebenfalls jeweils keine Überlegenheit von Linezolid gegenüber Vancomycin
aufwiesen, zeigten die Subkollektive von Patienten mit MRSA-Pneumonie unter Linezolid
eine höhere klinische Erfolgsrate und eine geringere Letalität [270 ]. Eine retrospektive Studie zu Patienten mit einer VAP zeigte einen Vorteil von Linezolid,
allerdings ist auch diese Studie methodisch angreifbar [271 ]. Bei Patienten mit kulturell gesicherter, vorwiegend nosokomialer MRSA-Pneumonie
zeigten sich in einer großen prospektiven, multizentrischen Studie mit dem Ziel, eine
Nicht-Unterlegenheit nachzuweisen (non inferiority design), keine Unterschiede zwischen
Vancomycin und Linezolid hinsichtlich der 60-Tage-Letalität. In der Per-protocol-Population
zeigte sich unter Linezolid ein besseres klinisches Ansprechen, allerdings mit weiten
Konfidenzintervallen der Signifikanz, sodass der tatsächliche Effekt fraglich bleibt
[272 ]. Risikofaktoren wie invasive Beatmung und Bakteriämie waren nicht gleich verteilt,
die erzielten Spiegel für Vancomycin waren nicht in allen Fällen ausreichend. Die
Nephrotoxizität war in dieser Studie in der Linezolid-Gruppe signifikant geringer
als in der Vancomycin-Gruppe. Auch eine Metaanalyse konnte keine Vorteile einer der
beiden Substanzen zeigen [273 ].
Die Bewertung der Ergebnisse dieser Studien wurde in der Leitliniengruppe kontrovers
diskutiert. Es bestanden unterschiedliche Auffassungen darüber, ob die insgesamt nicht
konsistenten Resultate hinsichtlich der Wirksamkeit und Nephrotoxizität der beiden
Vergleichssubstanzen den Schwierigkeiten in der Durchführung von Studien unter Einschluss
von Patienten mit nosokomialer MRSA-Pneumonie oder einer tatsächlich fehlenden Überlegenheit
von Linezolid zuzuschreiben ist. Insofern bleibt die bevorzugte Therapie von nosokomialen
MRSA-Pneumonien dem Ermessen des Klinikers und seiner Einschätzung der Studienlage
überlassen.
Im Hinblick auf die Pharmakokinetik und -dynamik von Vancomycin wurden Patienten mit
Bakteriämie oder Pneumonie durch MRSA in 2 Dosierungsmodi untersucht. Die kontinuierliche
Infusion mit einem Zielspiegel von 20 – 25 mg/l ergab im Vergleich zur Intervallgabe
alle 12 Stunden mit einem angestrebten Talspiegel von 10 – 15 mg/l gleiche klinische
und mikrobiologische Erfolgsraten [274 ]. Das frühere Erreichen des Zielspiegels, geringere Schwankung in der Serumkinetik
und die geringeren Kosten für Serumspiegelkontrollen und Medikamente können Argumente
für die kontinuierliche Applikation sein. Der Stellenwert einer Kombinationstherapie
aus Vancomycin und Rifampicin wurde in einer randomisierten monozentrischen Studie
geprüft [275 ]. Sie ergab eine Überlegenheit der Kombination im Hinblick auf die klinische Erfolgsrate
bei nachgewiesener MRSA-Infektion (primärer Endpunkt), weist allerdings eine Reihe
von Limitationen auf wie begrenzte Patientenzahl und inkonsistente Resultate bei verschiedenen
Endpunkten.
Weitere Antiinfektiva wie Fosfomycin und Co-Trimoxazol kommen als Kombinationspartner
bei nachgewiesener In-vitro-Aktivität in Frage, wurden jedoch in der Indikation HAP
nicht geprüft.
Telavancin, welches allerdings bei höhergradiger Nierenfunktion nicht eingesetzt werden
kann, zeigte sich dem Vancomycin gegenüber nicht unterlegen und ist für die Indikation
HAP zugelassen, wenn andere Therapien nicht erfolgreich waren [229 ]
[276 ]
Ceftobiprol ist eine Alternative für die Monotherapie von Pneumonien, wenn MRSA nachgewiesen
wurde und gleichzeitig kalkuliert unter Einschluss gramnegativer Erreger behandelt
werden soll [71 ]. Es besitzt die Zulassung für die Therapie von nosokomialen Pneumonien ohne invasive
Beatmung. Es sollte jedoch für ausgewählte Fälle als Reserveantibiotikum vorbehalten
bleiben.
P . aeruginosa : Ceftazidim, Cefepim, Piperacillin, die Carbapeneme Imipenem und Meropenem sowie
Ciprofloxacin und Levofloxacin sind wirksame Therapieoptionen. Bei Resistenz gegenüber
allen Standardsubstanzen sollte eine Therapie mit Colistin erfolgen; eine Kombinationstherapie
ist hierbei anzustreben, möglichst in Rücksprache mit einem Infektiologen/Mikrobiologen. Starke Empfehlung, Evidenz C
Während in der kalkulierten Initialtherapie die Kombination eines pseudomonaswirksamen
Betalaktams mit einem Aminoglykosid oder einem Fluorchinolon höhere Erfolgsraten durch
Erfassung von MRE ergibt, zeigen sich in der gezielten Behandlung von Erkrankungen
durch P. aeruginosa keine sicheren Vorteile der Kombination (siehe Empfehlung E14).
In einer großen nicht interventionellen Kohortenstudie war die Monotherapie mit einem
pseudomonaswirksamen Betalaktam oder Fluorchinolon der Kombinationstherapie (Betalaktam + Aminoglykosid
oder Fluorchinolon) nicht unterlegen [227 ]. Allerdings ging Meropenem gegenüber der Kombination von Ceftazidim und Tobramycin
in einer anderen Prüfung häufiger mit einem Therapieversagen einher, während zugleich
die klinische und mikrobiologische Heilungsrate bei Vorliegen anderer Erreger durch
Meropenem höher war [217 ]. Subgruppenanalysen von Studien bei Patienten mit Nachweis von P. aeruginosa ergaben für Imipenem eine höhere Rate von Therapieversagen gegenüber Ceftazidim oder
Piperacillin/Tazobactam [277 ]
[278 ]
[279 ]. Im Vergleich zwischen Imipenem und Ciprofloxacin fanden sich keine Unterschiede
in der Eradikation von P. aeruginosa
[219 ]. In einer weiteren Studie zeigten sich Imipenem, Meropenem und Doripenem äquipotent
bez. der Rezidivrate und der Letalität [280 ]. Bei Nachweis einer Multiresistenz gegenüber pseudomonaswirksamen Antibiotika oder
bei Therapieversagen wurden in kleineren Kohortenstudien erfolgreich Polymyxin B und
Polymyxin E (Colistin) eingesetzt, meist als Kombinationstherapie mit verschiedenen
Partnersubstanzen [95 ]
[96 ]
[97 ]
[281 ]. Die Bakterizidie von Colistin kann durch die Kombination mit anderen Substanzen
erhöht werden [282 ]. Adjunktiv zur systemischen Therapie wurde Polymyxin B in einer kleinen einarmigen
Kohortenstudie erfolgreich inhalativ eingesetzt [283 ].
ESBL-Stämme: Bei ESBL-positiven Enterobakterien sollen Carbapeneme eingesetzt werden. Starke Empfehlung, Evidenz C
CRE-Stämme: Bei zusätzlicher Resistenz gegen Carbapeneme kommt Colistin zum Einsatz,
möglichst in Kombinationstherapie nach Rücksprache mit einem Mikrobiologen/Infektiologen.
Als Kombinationspartner kommen nach In-vitro-Testung und unter Berücksichtigung des
Nebenwirkungsspektrums Aminoglykoside, Fosfomycin, ein Carbapenem und Ceftazidim/Avibactam
in Betracht. Starke Empfehlung, Evidenz C
Die Evidenz zur Therapie multiresistenter Enterobakterien beschränkt sich auf kleine
monozentrische Beobachtungsserien. Pneumonien durch ESBL-bildende Enterobakterien
(v. a. Klebsiella spp. und E. coli ) sind der Behandlung mit einem Carbapenem zugänglich [284 ]. Andere, in vitro wirksam getestete Antiinfektiva sollten wegen ungenügender klinischer
Wirksamkeit nur nach Rücksprache mit einem Infektiologen/Mikrobiologen eingesetzt
werden [285 ]. Meist in Kombination mit ESBL finden sich auch Carbapenemase-bildende Enterobakterien.
Sie wurden in Kasuistiken und kleinen Fallserien mit Colistin und Tigecyclin, zum
Teil in Kombination mit Aminoglykosiden, behandelt [281 ]
[286 ]. Eine gepoolte Analyse von 13 Therapiestudien zu Tigecyclin ergab allerdings für
Patienten mit VAP eine Exzessletalität im Vergleich zu den Komparatoren. Die Substanz
ist zur Therapie der HAP nicht zugelassen und sollte ausschließlich in der Salvage-Therapie
eingesetzt werden, wenn keine anderen Alternativen vorhanden sind. Die entsprechenden
FDA-Warnungen sind bei einer Anwendung im Einzelfall zu beachten (siehe Kapitel Antiinfektiva).
Bei Infektionen mit Carbapenem-resistenten Enterobakterien, die eine relativ niedrige
MHK von ≤ 8 mg/L für Imipenem oder Meropenem aufweisen (die MHK sollte mit einer Referenzmethode
überprüft werden), wie dies typischerweise bei E. coli - oder K. pneumoniae -Stämmen mit einer OXA-48 Carbapenemase der Fall ist, kommen auch Carbapeneme in hoher
Dosierung als Kombinationspartner in Frage. Ceftazidim/Avibactam hat 2016 in der Europäischen
Union die Zulassung zur Therapie nosokomialer Infektionen inklusive der HAP erhalten,
die der Zulassung bei Pneumonien zugrunde liegende Studie ist allerdings noch nicht
publiziert. Die Substanz sollte jedoch für ausgewählte Fälle mit Carbapenem-resistenten
Enterobakterien mit Nachweis einer KPC Carbapenemase vorbehalten sein.
Acinetobacter baumannii : Imipenem oder Meropenem sind in Deutschland meist noch wirksam und dann Mittel der
Wahl. Bei Carbapenemresistenz soll Colistin, möglichst in Kombination mit einer weiteren
in vitro wirksamen Substanz nach Rücksprache mit einem Mikrobiologen/Infektiologen
eingesetzt werden. Starke Empfehlung, Evidenz C
Stenotrophomonas maltophilia : Zunächst ist die klinische Relevanz des Isolats zu prüfen. Bei In-vitro-Empfindlichkeit
soll Co-Trimoxazol eingesetzt werden. Bei Resistenz gegenüber Co-Trimoxazol soll eine
ergänzende Sensibilitätsprüfung auf weitere Therapieoptionen nach Rücksprache mit
einem Mikrobiologen/Infektiologen erfolgen. Starke Empfehlung, Evidenz C
A. baumannii und S. maltophilia weisen regelmäßig eine Multiresistenz auf. Der Nachweis von S. maltophilia in respiratorischen Isolaten ist häufig die Folge einer prolongierten Therapie mit
einem Carbapenem. Die klinische Bedeutung ist oft zweifelhaft und sollte immer kritisch
geprüft werden [287 ]. Bei Therapiebedürftigkeit wurden Co-Trimoxazol und Tigecyclin [288 ] eingesetzt. A . baumannii weist sehr unterschiedliche Resistenzmuster auf und wird entsprechend dem Antibiogramm
behandelt. Die Isolate sind oft gegen Ampicillin/Sulbactam, Carbapeneme oder Tigecyclin
sensibel [289 ]. Die Testung auf Ampicillin/Sulbactam in der Routinediagnostik ist allerdings nicht
zuverlässig, sodass diese Option von der Leitliniengruppe nicht empfohlen wird.
Zur Therapie wurden lediglich kleine Fallserien publiziert. Dabei kamen Tetrazycline
[290 ], Tigecyclin [291 ]
[292 ], Ampicillin/Sulbactam [293 ]
[294 ]
[295 ], Meropenem [296 ] und Imipenem [295 ] zum Einsatz. Pneumonien durch Carbapenem-resistente Isolate werden mit Colistin
behandelt [95 ]
[297 ]
[298 ], ggf. auch inhalativ. In einer retrospektiven Studie zur Behandlung von multiresistenten
A. baumannii zeigte sich Tigecyclin dem Colistin unterlegen, wenn das Resistenzmuster nicht bekannt
war [299 ]. 2 retrospektive Analysen zu Infektionen durch A. baumannii brachten für Colistin/Sulbactam bzw. Colistin/Rifampicin lediglich eine Tendenz zu
besseren mikrobiologischen Heilungsraten für die Kombinationstherapie [300 ]
[301 ]
[302 ]. Eine Kombinationstherapie aus 2 empfindlich getesteten Substanzen erbrachte in
einer multizentrischen Studie keinen Vorteil gegenüber der Einzeltherapie [303 ].
Zur Therapiedauer siehe Empfehlung E19. Die Notwendigkeit einer generellen Kombinationstherapie
ist nicht etabliert. Angaben zu Dosierungen finden sich im Kapitel Antiinfektiva.
E24: Sollte bei nosokomialer Pneumonie eine prolongierte Applikation von Antiinfektiva
bevorzugt werden?
Bei Patienten mit sepsisassoziierter Organdysfunktion und normaler/hochnormaler Nierenfunktion
sollte nach initialer loading dose eine prolongierte Applikation von hierfür geeigneten
Betalaktamantibiotika bevorzugt eingesetzt werden. Schwache Empfehlung, Evidenz C
Experimentelle Studien belegen, dass die Wirksamkeit eines Antibiotikums am besten
durch die gleichzeitige Betrachtung pharmakodynamischer (= minimale Hemmkonzentration
des Erregers) und pharmakokinetischer (z. B. Spitzenkonzentration oder AUC) Parameter
vorhergesagt werden kann (Übersicht bei [304 ]). Diese Studien zeigen, dass Antibiotika nach PK/PD in 2 Gruppen unterteilt werden
können: 1) konzentrationsabhängig wirksame (Aminoglykoside, Fluorchinolone) und 2)
zeitabhängig wirksame Substanzen (Betalaktame, Glykopeptide). Während bei konzentrationsabhängig
wirksamen Substanzen ein hohes Verhältnis aus Spitzenkonzentration (Cmax) bzw. Area
under the curve (AUC) zu MHK (Cmax/MHK; AUC/MHK) eine gute Wirksamkeit bedingt, ist
bei zeitabhängig wirksamen Antibiotika die Zeit, in der der Plasmaspiegel des Antibiotikums
oberhalb der MHK liegt (T > MHK), von vorrangiger Bedeutung. Für Penicilline wurde
eine für die Wirksamkeit erforderliche T > MHK von mindestens 50 % des Dosisintervalls,
für Cephalosporine von 60 – 70 % und für Carbapeneme von mindestens 40 % ermittelt.
Bei zeitabhängig wirksamen Antibiotika bedeutet die Berücksichtigung von PK/PD in
der Praxis, nach Applikation einer loading dose eine möglichst lange Expositionszeit
mit ausreichenden Blut- und Gewebsspiegeln zu gewährleisten. Zur Expositionsverlängerung
durch prolongierte Infusionszeiten (z. B. Infusion von Meropenem über 3 oder 4 Stunden)
oder kontinuierliche Infusionen lagen bis vor wenigen Jahren nur klinische Daten aus
retrospektiven oder kleinen prospektiven Studien vor. Diese legten für Meropenem,
Ceftazidim, Ceftriaxon und Piperacillin/Tazobactam eine mindestens gleichwertige bis
tendenziell bessere Wirksamkeit, insbesondere bei höherer MHK des zugrunde liegenden
Erregers nahe. Umgekehrt wurde ein signifikant oder tendenziell besseres Ergebnis
durch die traditionelle Kurzzeitinfusion in keiner Studie gezeigt. Eine schlechtere
Gewebspenetration aufgrund der niedrigeren Spitzenspiegel bei kontinuierlicher Therapie
muss offensichtlich nicht befürchtet werden (Review bei [305 ]). Vorteile der kontinuierlichen Infusion können darüber hinaus bei Substanzen wie
Vancomycin in der besseren Steuerbarkeit der Serumspiegel liegen, ein besseres klinisches
Ergebnis durch kontinuierliche Gabe wurde allerdings nicht gezeigt [306 ]. Bei geplanter prolongierter Gabe sollte die erste Dosis als loading dose appliziert
werden, um eine schnelle Penetration des Antibiotikums in das Zielgewebe zu gewährleisten.
Bei Patienten mit septischem Schock/sepsisassoziierter Organdysfunktion legen die
wenigen Studien zur Pharmakokinetik von Antibiotika nahe, dass die vom Hersteller
angegebenen bzw. zugelassenen Dosierungen sowohl innerhalb der ersten 24 Stunden [307 ] als auch im steady state nach 3 Tagen häufig in insuffizienten Spiegeln resultieren
[308 ]. Daher sollte bei eingeschränkter Nierenfunktion zumindest über die ersten 24 Stunden
keine Dosisanpassung erfolgen. Darüber hinaus kann in der Initialphase eine höhere
Dosierung von Substanzen mit ausreichender therapeutischer Breite sinnvoll sein. Perspektivisch
ist bei kritisch kranken Patienten eine individuelle Steuerung der Dosierung durch
therapeutisches Drug-Monitoring nicht nur aus Gründen der Toxizität, sondern auch
der Effektivität zu wünschen. Eine retrospektive Kohortenanalyse an 638 Patienten
mit VAP zeigte, dass die individuelle Dosisanpassung zum Erreichen vorab definierter
Zielspiegel entsprechend PK/PD im klinischen Alltag realisierbar ist und mit besseren
klinischen Ergebnissen einhergeht (Letalität 10 % vs. 24 %) [309 ].
Eine Metaanalyse aus 3 neueren, randomisiert kontrollierten Studien [310 ]
[311 ]
[312 ]
[313 ] ergab für Piperacillin/Tazobactam und Meropenem mehr Evidenz für die Effektivität
der kontinuierlichen bzw. prolongierten Infusion vs. intermittierender Kurzzeitinfusion bei sepsisassoziierter Organdysfunktion/septischem
Schock, insbesondere für Patienten mit erhaltener oder supranormaler Nierenfunktion
(„augmented renal clearance“ = GFR ≥ 130 ml/min/m2 ).
Bei der Interpretation der Daten zur prolongierten Therapie sollte beachtet werden,
dass die Daten in der Regel nicht korrigiert sind für die MHK der zugrunde liegenden
Erreger, d. h. keine optimalen PK/PD-Verhältnisse zugrundeliegen. Dies erklärt wahrscheinlich
zu einem guten Teil die Diversität der Ergebnisse. Für eine optimale Dosierung ist
jedoch insbesondere die Kenntnis der MHKs der zugrunde liegenden Erreger relevant.
Eine kontinuierliche Gabe sollte soweit möglich unter Plasmaspiegelkontrolle erfolgen,
um die Gefahr eines dauerhaft unter der minimalen Hemmkonzentration liegenden Plasmaspiegels
zu vermeiden. Die Leitliniengruppe empfiehlt daher für die verlängerte Anwendung von
hierfür geeigneten Betalaktamantibiotika die Applikation als prolongierte Infusion
über 2 – 4 Stunden. Bei der Auswahl des Betalaktams ist auf die Stabilität bei Raumtemperatur
zu achten. Zur raschen Erzielung eines therapeutischen Wirkspiegels soll die Initialdosis
als Kurzinfusion gegeben werden. Einschränkend muss darauf hingewiesen werden, dass
lediglich Ceftobiprol die Zulassung zur prolongierten Infusion besitzt.
10 „Klug entscheiden“
Eine Arbeitsgruppe, die von der Konsensuskonferenz aus Mitgliedern der Leitliniengruppe
gebildet wurde, bewertete die Empfehlungen dieser Leitlinie auf der Basis der Initiative
„Klug entscheiden“. Es sollten jeweils 2 Positiv- und Negativempfehlungen im Sinne
der Initiative besonders hervorgehoben werden. Die Arbeitsgruppe kam nach Mehrheitsentscheidung
zu dem folgenden Ergebnis:
Positivempfehlungen
E7: Welche mikrobiologischen Untersuchungen sollten aus respiratorischen Materialien
durchgeführt werden?
Bei nosokomialer Pneumonie sollen quantitative Kulturen aus qualitativ hochwertigen
unteren Atemwegsmaterialien wie tracheobronchialem Aspirat (TBAS) oder bronchoalveolärer
Lavage (BAL) angelegt werden. Die resultierenden Keimzahlen haben orientierenden Wert
und sind nicht als unabhängige Prädiktoren des Vorliegens einer Pneumonie zu betrachten,
vielmehr im klinischen Kontext zu interpretieren. Starke Empfehlung, Evidenz B
Begründung: Mikrobiologische Diagnostik aus Atemwegsmaterialien bei allen Patienten
vor Antibiotikatherapie hilft ungezielte Breitspektrumtherapie zu vermeiden und ermöglicht
gezielte Deeskalation bzw. Fokussierung der Therapie.
E18: Wann und wie soll eine Deeskalation der Initialtherapie erfolgen?
Die Deeskalation soll 48 – 72 Stunden nach Therapiebeginn anhand der Ergebnisse der
Reevaluation (siehe E16) erfolgen. Bei klinischer Besserung, aber fehlendem Nachweis
eines respiratorischen Pathogens soll die Deeskalation auf eine Monotherapie mit dem
in der Initialkombination enthaltenen Betalaktamantibiotikum (1. Wahl) oder Fluorchinolon
(2. Wahl) erfolgen. Starke Empfehlung, Evidenz B
Begründung: Die Empfehlung gibt konkrete und praktisch relevante Hinweise für die
Durchführung der Deeskalation und Reevaluation während der antimikrobiellen Therapie.
Hiermit wird eine Überversorgung durch unnötige (fehlindizierte), nicht fokussierte
(deeskalierte) und zu lange Therapie vermieden.
Negativempfehlungen
E4: Welche Rolle haben Biomarker für die Diagnose der HAP?
Der generelle Einsatz von Biomarkern zur Diagnose der HAP ist derzeit nicht zu empfehlen,
da keine ausreichende Evidenz für eine zusätzliche, von anderen Parametern unabhängige
Aussagekraft vorliegt. Dagegen soll Procalcitonin bei Verdacht auf pneumogene Sepsis
im Rahmen der HAP als sensitiver Marker in der initialen Diagnostik eingesetzt werden.
Laktat soll zur Diagnose des septischen Schocks im Rahmen der HAP eingesetzt werden. Starke Empfehlung, Evidenz B
Begründung: Ein gezielter Einsatz von Procalcitonin bei V. a. pneumogene Sepsis unterstützt
den rationellen Umgang mit Biomarkern.
E10: Wann und wie soll eine mykologische Diagnostik erfolgen?
Auf eine gezielte Candidadiagnostik aus Atemwegsmaterialien soll bei HAP verzichtet
werden, da Hefepilzinfektionen als Ursache nosokomialer Pneumonien bei Patienten ohne
definiertes Immundefizit extrem selten sind. Starke Empfehlung, Evidenz B
Begründung: Der Candidanachweis aus nicht sterilem Atemwegsmaterial hat einen extrem
niedrigen prädiktiven Wert für behandlungsbedürftige Infektionen. Der Verzicht auf
gezielte Candida-Diagnostik hilft bei der Vermeidung unnötiger antimykotischer Therapie
und damit der Selektion Azol-resistenter Pilze