Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2017; 24(05): 213-214
DOI: 10.1055/s-0043-119845
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ausgewählte Meldungen und aktuelle Entwicklungen

Neues aus der Reisemedizin
Unn Klare
1   Behnkenhagen
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Publication Date:
20 October 2017 (online)

 

Human-pathogene Vogelgrippe weltweit

Weltweit zirkulieren etwa 40 bekannte Subtypen aviärer Influenza, die von symptomlosen Infektionen bis hin zu Massensterben unterschiedliche Auswirkungen auf die Vogelpopulationen haben. Ein knappes Dutzend dieser Subtypen kann nachgewiesenermaßen auch Menschen infizieren, wobei die Pathogenität gegenüber Vögeln keinen Hinweis auf die Gefährlichkeit für den Menschen liefert.

Subtyp A/H7N9

Das größte Pandemierisiko besitzt eine erst im Jahr 2013 entdeckte Variante des Subtyps A/H7N9. Dieses vor allem unter Hühnervögeln zirkulierende Virus verursachte bisher 1562 humane Erkrankungen, von denen fast 40 % letal verliefen. Das Verbreitungsgebiet ist derzeit auf China, Macao und Hongkong beschränkt und die H7N9-Infektionen folgen einem deutlichen saisonalen Zyklus mit Höhepunkt im Januar und Februar.

Besorgniserregend ist, dass während der diesjährigen, insgesamt fünften Infektionswelle in etwa so viele Fälle registriert wurden wie in allen vorangegangen 4 Jahren zusammen: 764 humane Infektionen, darunter 283 Todesfälle, wurden in China allein dieses Jahr gemeldet. Etwa zeitgleich mit dem Höhepunkt der diesjährigen Infektionswelle wurden außerdem mehrere Mutationen sowohl in den beim Menschen als auch in den bei Vögeln gefundenen Viren festgestellt. Diese führten zu einer deutlich erhöhten Letalität unter den Tieren – bisher hatte das Virus bei Vögeln keinerlei Symptome hervorgerufen – und einer geringeren Empfindlichkeit gegenüber Virostatika.

Auf den Infektionsweg scheinen die beobachteten Mutationen keinen Einfluss zu haben: Nach wie vor infizieren sich im Durchschnitt etwa 90 % der Betroffenen durch direkten Kontakt zu Geflügel. Allerdings sind auch Mensch-zu-Mensch-Übertragungen möglich: So wurden dieses Jahr 14 Cluster nachgewiesen, bei denen Patienten mindestens eine Kontaktperson angesteckt hatten.


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Subtyp A/H5N1

Der Subtyp A/H5N1 war schon Mitte des 20. Jahrhunderts als gering pathogene aviäre Influenza bekannt. Ab 1996 verursachte dann eine neu entstandene, hoch pathogene Virusvariante vor allem bei Zuchtgeflügel zunächst erhebliche Verluste.

Ein Jahr später erkrankten erstmals 18 Menschen. Die nächsten humanen Fälle traten erst im Jahr 2003 auf. Seither wurden weltweit 859 Infektionen gemeldet. Die Letalitätsrate liegt bei 53 % (wobei jedoch diskutiert wird, dass es vermutlich auch zahlreiche asymptomatische Infektionen gibt und die Letalität somit deutlich geringer ist). Ägypten ist mit 359 bestätigten Infektionen und 120 Todesopfern besonders stark betroffen, gefolgt von Indonesien, welches mit 200 Infektionen und 168 Todesopfern zwar weniger Fälle, dafür aber eine deutlich höhere Letalitätsrate aufzuweisen hat.

Seit 2 Jahren ist ein deutlicher Rückgang an humanen Infektionen zu beobachten: Wurden allein 2015 noch 145 Infektion gemeldet, so waren es seither insgesamt nur noch 14.


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Weitere Subtypen

Darüber hinaus gibt es weitere aviäre Influenzaviren, die zwar auch beim Menschen schwere Krankheitsverläufe verursachen können, aber bisher nur ausgesprochen selten aufgetreten sind. So wurden beispielsweise erst 16 humane Infektionen mit einem A/H5N6-Virus nachgewiesen (alle in China seit 2014), die Sterblichkeit liegt aber mit 38 % recht hoch.

Infektionen mit dem Subtyp A/H10N8 verliefen sogar in 2 der bisher erst 3 nachgewiesenen Fälle tödlich – auch diese Infektionen wurden bisher ausschließlich in China beobachtet, sie traten alle seit 2013 auf.

Andere Subtypen scheinen dagegen in der Regel höchstens milde Krankheitssymptome beim Menschen hervorzurufen. So erkrankten bei einem relativ großen A/H7N7-Ausbruch in den Niederlanden vor 14 Jahren mindestens 89 Menschen – vor allem Mitarbeiter von Geflügelfarmen aber vereinzelt auch deren Angehörige. Serologische Untersuchungen deuten darauf hin, dass hier tatsächlich sogar bis zu 2000 Menschen infiziert gewesen sein könnten. Es gab auch kleinere Ausbrüche in Italien und Großbritannien. Die Symptome beschränkten sich aber fast ausschließlich auf Bindehautentzündungen. Lediglich ein Tierarzt zeigte auch respiratorische Symptome, die schließlich zu seinem Tod führten.

Auch der Subtyp A/H9N2, der seit Ende des 20. Jahrhunderts bei etwa 50 Personen – meist Kindern – in China, Ägypten und Bangladesch nachgewiesen wurde, führt meist nur zu milden Atemwegserkrankungen. Todesfälle traten noch nicht auf.

Darüber hinaus gibt es eine Handvoll weitere Subtypen, die bisher in Einzelfällen zu milden oder auch asymptomatischen, humanen Infektionen geführt haben: Die Virusvarianten H7N2, H7N3 und H11N9 in Nordamerika, H6N1 in Taiwan und H10N7 in Ägypten. In Anbetracht der oft eher zufälligen Nachweise dieser milden Infektionen kann angenommen werden, dass diese tatsächlich weit häufiger vorkommen als bekannt ist.


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Authochtone Malaria in Italien

Anfang September verstarb in der Lombardei ein 4-jähriges Mädchen an den Folgen einer zerebralen Malaria. Diese norditalienische Region gilt – wie das ganze Land – seit über 50 Jahren als malariafrei, die genauen Umstände der Infektion sind noch ungeklärt.

Bekannt ist, dass sich das Mädchen bis Mitte August in Bibione, einem Ferienort in der Provinz Venedig, aufgehalten hatte. In einem dortigen Krankenhaus wurde bei ihr Diabetes mellitus diagnostiziert, woraufhin die Familie 3 Tage später in ihre Heimat Trient zurückkehrte. Dort folgte ein 5-tägiger Krankenhausaufenthalt zur Behandlung des Diabetes. Zeitgleich wurden in diesem Krankenhaus auch 2 Kinder aus Burkina Faso mit importierter Malaria tropica behandelt. Drei Tage nach der Entlassung aus dem Krankenhaus entwickelte das Mädchen erste Fieberschübe aufgrund der Malaria, 6 Tage später verstarb es an den Folgen der Infektion.

Auch wenn zunächst der Verdacht naheliegt, es bestünde ein Zusammenhang zu den Malariapatienten aus Burkina Faso, so ist dies doch bei genauerer Betrachtung recht unwahrscheinlich: Alle 3 Kinder waren am selben Tag in das Krankenhaus in Trient eingeliefert worden, ihr Aufenthalt dort überschnitt sich dann um 5 Tage – der Entwicklungszyklus der Plasmodien in Mücken dauert jedoch mindestens 8 Tage. Anophelesmücken als Vektoren innerhalb des Krankenhauses scheiden also aus. Darüber hinaus lagen die Nachttemperaturen in Trient im relevanten Zeitraum teilweise bei nur 13 °C – eine Temperatur, bei der die sexuelle Entwicklungsphase in den Mücken nicht mehr stattfinden kann. Eine Übertragung durch einen Mückenstich außerhalb des Krankenhauses in Trient kann also ebenfalls ausgeschlossen werden. Auch eine nosokomialen Infektion erscheint unwahrscheinlich, da die Patienten auf unterschiedlichen Stationen untergebracht waren, sich die Behandlung von Malaria und Diabetes grundlegend unterscheidet und das später verstorbene Mädchen auch keine Bluttransfusionen erhalten hatte.

Die Alternative wäre, dass die Infektion bereits vorher, während der Ferien in der Provinz Venedig erfolgt war: Die dortigen Temperaturen lagen deutlich höher, eine Entwicklung von Sporozoiten in Anophelesmücken nach dem Stich eines unbekannten asymptomatischen Gametocytenträgers war dort also möglich. Ähnliche Fälle sind in den vergangenen Jahren bereits unter anderem in Spanien, Frankreich und Griechenland aufgetreten. Auch außerhalb des Endemiegebiets sollte Malaria daher nicht grundlegend als Differenzialdiagnose ausgeschlossen werden.


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Chikungunya in Frankreich

Im August wurden aus Südostfrankreich 4 bestätigte, autochthone Infektionen mit dem Chikungunyafieber gemeldet. Darüber hinaus gibt es 9 weitere Verdachtsfälle. Alle Infektionen traten in der nur gut 4000 Einwohner zählenden Gemeinde Cannet des Maures in der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur auf.

Diese Fälle außerhalb des eigentlichen Endemiegebiets sind zwar ungewöhnlich, kommen aber nicht völlig überraschend: Das Verbreitungsgebiet des Vektors Aedes (Stegomyia) albopictus (Asiatische Tigermücke) hat sich in den vergangenen Jahren über das gesamte Mittelmeergebiet und darüber hinaus ausgeweitet. So sind dies auch nicht die ersten autochthonen Fälle in Frankreich: Im Jahr 2010 erkrankten nur 40 km entfernt vom jetzigen Ausbruch 2 und 2014 in Montpellier 11 Personen.

Malaria im Südsudan

Der kriegsgebeutelte Südsudan leidet derzeit unter einer der schlimmsten Malariasaisons der vergangenen Jahre. In dem Zeitraum von Februar bis Anfang August dieses Jahres wurden hier mehr als 4000 Todesopfer registriert, über 900 000 Menschen erkrankten. Dies sind mehr als doppelt so viele Todesfälle wie im gesamten Vorjahr. Malariainfektionen sind damit verantwortlich für etwa 76 % aller krankheitsbedingten Todesfälle im Land.

Dieser dramatische Anstieg der Fallzahlen ist zum großen Teil hausgemacht: Der anhaltende Bürgerkrieg verhindert den Aufbau eines auch nur ansatzweise funktionierenden Gesundheitssystems. Und Maßnahmen der Malariabekämpfung, die in den vergangenen Jahren ausschließlich in den Händen internationaler Hilfsorganisationen lagen, können aufgrund der unsicheren Lage nicht fortgeführt werden.


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Gelbfieber in Französisch-Guayana

Erstmals seit 1998 erkrankte in Französisch-Guayana wieder eine Person am Gelbfieber. Die Frau infizierte sich wahrscheinlich in einem Wald im Grenzgebiet zu Brasilien. Sie überlebte die Infektion nicht.

Das benachbarte Brasilien litt in den vergangenen Monaten unter dem größten amerikanischen Gelbfieberausbruch der letzten 10 Jahre – 777 Menschen waren erkrankt und 261 von ihnen an den Folgen der Infektion verstorben. Der brasilianische Bundesstaat Amapá, der an Französisch-Guayana grenzt, war jedoch von diesem Ausbruch nicht betroffen. Es scheint also keinen Zusammenhang zwischen den Ausbrüchen zu geben.

Cholera im Jemen

Die Choleraepidemie im Jemen, über die wir bereits in der letzten Ausgabe berichteten, dauert immer noch an. In den vergangenen 2 Monaten erhöhten sich die Fallzahlen weiter von 420 000 auf 777 250, mehr als 2130 Menschen verstarben bereits an den Folgen der Infektion.

Zwar melden einige der am stärksten betroffenen Regionen mittlerweile deutlich zurückgehende Fallzahlen, in anderen Regionen scheint der Höhepunkt der Epidemie aber noch nicht erreicht, hier steigen die Fallzahlen weiter. Nach wie vor werden landesweit täglich etwa 3000 Neuinfektionen registriert.

Quellen: promed, WHO


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