Fallbeispiel
Einsatzmeldung
Sonntagvormittag. Die Besatzung des Rettungswagens ist auf dem Weg zu einer bevorstehenden
Geburt. Die Einsatzmeldung der Leitstelle lautet: „Patientin in der 38. Schwangerschaftswoche,
beginnende Wehentätigkeit, liegender Transport in die geburtshilfliche Abteilung des
Kreiskrankenhauses.“
Vor dem Einfamilienhaus werden Sie bereits von dem aufgeregt winkenden Ehemann erwartet.
Dieser schildert, die Fruchtblase sei mittlerweile geplatzt und seine Frau habe den
Eindruck, die Geburt stehe kurz bevor. Das Team entscheidet, neben dem Standardequipment
auch den Kindernotfallrucksack mit Geburtsset mitzunehmen.
Lagebeurteilung
Die Ehefrau sitzt im Bademantel im Wohnzimmer auf dem Sofa. Die Wehen scheinen im
Augenblick etwas nachgelassen zu haben. Die Kollegin notiert sich die Zeit. Das Gesicht
der Kreißenden wirkt entspannt.
Die werdende Mutter schildert dem Team kurz die Situation: Die Wehen hätten vor rund
zwei Stunden mit einem Ziehen im Rücken begonnen. Da die Geburt sich beim letzten
Mal über 10 Stunden hingezogen habe, habe sie sich in aller Ruhe bereitgemacht und
sich in der Klinik angemeldet. Diese habe wegen des Fruchtwasserabgangs den Rettungswagen
verständigt. Ihren dreijährigen Sohn habe die Schwiegermutter bereits vor einigen
Stunden abgeholt.
Während der Schilderungen setzt die Wehentätigkeit erneut ein. Ein Blick auf die Uhr
zeigt, dass seit dem Eintreffen knapp 2 Minuten vergangen sind. Der Notfallsanitäter
legt seine Hand sanft auf den Unterarm der Kreißenden und tastet dabei den Puls an
der A. radialis.
Bevorstehende Geburt
Während er den Puls tastet, leitet er die Patientin dazu an, die einsetzenden Presswehen
durch gleichmäßige, tiefe Atemzüge zu lindern. Der Puls ist regelmäßig und gut tastbar,
die Frequenz mit 120 Schlägen pro Minute tachykard.
Aufgrund der Schilderungen der Frau und der regelmäßigen Wehentätigkeit rechnet das
Team mit einer bevorstehenden Geburt ([Abb. 1]). Während sich die Kollegin um die Betreuung der Kreißenden kümmert und sich den
Mutterpass geben lässt, hat ihr Kollege im Wohnzimmer Platz geschaffen, die Heizung
hochgedreht und auf dem Boden alles für die Geburt vorbereitet. Auf mehreren Lagen
frischer Badetücher hat er ein Einmallaken ausgebreitet. Im Bereich des Beckens liegt
zusätzlich eine saugstarke Unterlage.
Abb. 1 Algorithmus Bevorstehende Geburt – Transportentscheidung. Quelle: Deutscher Berufsverband
Rettungsdienst e. V.
Die Gebärende wird gebeten, sich auf die am Boden ausgebreiteten weichen Badetücher
zu setzen. Ihr Partner kniet sich hinter sie und stützt ihren Oberkörper in leicht
erhöhter Position. Um es der Frau zusätzlich bequem zu machen, wird der Rücken durch
ein Kissen gepolstert.
Informationen aus dem Mutterpass
Die Frau ist zweitgebärend; die erste Geburt verlief ohne Komplikationen. Auch die
aktuelle Schwangerschaft gibt keinen Hinweis auf Schwierigkeiten; die letzte Eintragung
der Frauenärztin stammt vom Vortag, und die festgestellte Schädellage des Kindes bestärkt
das Team in der Entscheidung, die Geburt vor Ort abzuwarten.
Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse
Während einer Pause zwischen den Wehen bespricht sich das Team des Rettungswagens
kurz und fasst die Untersuchungsergebnisse strukturiert zusammen.
A-irway
Die Atemwege sind frei. Deutlich sichtbar hebt und senkt sich der Brustkorb der Gebärenden.
Die Frau ist wach und voll orientiert.
B-reathing
Die Atemfrequenz variiert zwischen 15 Atemzügen pro Minute in den Wehenpausen und
bis zu 30 Atemzügen während der Presswehen. Die Atmung ist regelmäßig und ausreichend
tief. Der angelegte Fingerclip des Pulsoxymeters zeigt einen SpO2 von 98 %.
C-irculation
Der periphere Puls lässt sich an der A. radialis gut tasten. Die Frequenz ist mit
120 Schlägen pro Minute zwar tachykard, aber den Umständen angemessen. Dies gilt auch
für den Blutdruck von 115/70 mm Hg.
D-isability
Die Gebärende ist wach und voll orientiert. Auf neurologische Defizite gibt es keinen
Hinweis.
E-xposure
Mittlerweile war die Kollegin der Frau behilflich, den Slip auszuziehen. Der Anus
ist weit vorgewölbt und auch die Vulva der Patientin ist bereist leicht gedehnt. Das
Team rechnet jederzeit mit der Geburt.
SAMPLER-Schema
Die Vervollständigung der Anamnese mithilfe des SAMPLER-Schemas ergibt keinen auffälligen
Befund.
Aufklärung der Kreißenden
Die Kollegin wirkt weiterhin beruhigend auf die Kreißende und den werdenden Vater
ein. Dabei erläutert sie, dass die Geburt vor Ort durch das Rettungsdienstpersonal
begleitet werden soll. Ihr Kollege habe bereits alles vorbereitet und werde ihr zur
Sicherheit nun einen venösen Zugang legen und eine Infusion anschließen.
Da die Frau bereits ein Kind geboren hat und während der Schwangerschaft regelmäßig
an Geburtsvorbereitungsseminaren teilgenommen hat, ist nur wenig Anleitung durch das
Rettungsdienstpersonal erforderlich. Mittlerweile ist der kindliche Schädel in der
Vulva deutlich auszumachen ([Abb. 2]).
Abb. 2 Algorithmus Einsetzende Geburt. Quelle: Deutscher Berufsverband Rettungsdienst.
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Für die Rubrik „Fit für den Notfallsanitäter“ verwenden wir die unterschiedlichsten
Algorithmen und SOPs aus dem gesamten Bundesgebiet. Deshalb würden wir an dieser Stelle
gern auch einen Ihrer Algorithmen vorstellen. Senden Sie uns Ihre regionalen Algorithmen,
Handlungsanweisungen und SOPs an retten@thieme.de.
Unterstützung bei der Geburt
Als sich die nächste Wehe ankündigt, wird die Patientin aufgefordert, dem Pressdrang
nachzugeben und mit der Wehe mitzuschieben. Die Kollegin schützt den Damm mit der
linken Hand und reguliert mit der anderen Hand die Durchtrittgeschwindigkeit des kindlichen
Kopfes ([Abb. 3a]). Der Kopf durchtritt nun mit Blick in Richtung Anus der Mutter den Beckenausgang.
Sanft unterstützt die Kollegin das seitliche Drehen des Kopfes.
Abb. 3 a Durchtritt des kindlichen Kopfes. b Entwicklung der vorderen Schulter. c Entwicklung der hinteren Schulter.
Nun wird die Patientin angeleitet, nicht mehr zu pressen und die Wehen durch langsame
und tiefe Atemzüge zu verhecheln. Die Notfallsanitäterin sucht den Blickkontakt zur
Gebärenden und lächelt ihr aufmunternd zu: „Der Kopf ist bereits geboren und das Schlimmste
geschafft. Wir machen eine kleine Pause und mit der nächsten Presswehe kommt das Kleine
zur Welt.“
Geburt des kindlichen Körpers
Mit Beginn der nächsten Wehe führt die Kollegin den Kopf des Kindes sanft nach unten
und entwickelt die vordere Schulter ([Abb. 3b]). Nachdem der Oberarm bis zur Mitte sichtbar ist, wird die Gebärende noch einmal
aufgefordert mitzupressen. Nun geht alles sehr schnell: Durch Anheben des Kopfes entwickelt
sich die hintere Schulter ([Abb. 3c]) und das Neugeborene gleitet aus dem Geburtskanal.
Während der ganzen Zeit hat die Helferin dabei darauf geachtet, keinen Zug auf das
Kind auszuüben und lediglich sanft zu unterstützen.
Fortsetzung folgt
In der nächsten Ausgabe von retten! führen wir den Fall mit der Versorgung des Neugeborenen fort.
Der Algorithmus
In der Bundesrepublik werden pro Jahr knapp 700 000 Kinder geboren. Nur ein kleiner
Teil der Geburten wird außerhalb der Klinik als geplante Hausgeburt oder ungeplante
Notgeburt im Rettungsdienst durchgeführt. Legt man diesen Zahlen Erfahrungsdaten aus
verschiedenen Rettungsdienstbereichen zugrunde, werden wahrscheinlich ca. 1200 Geburten
pro Jahr von Rettungsdienstpersonal begleitet.
Bei Mehrgebärenden ist der Zeitraum zwischen Geburtsbeginn und Austreibungsphase in
der Regel sehr viel kürzer als bei Erstgebärenden. Dies wird von den werdenden Müttern
mitunter unterschätzt und es kommt viel rascher zur Geburt als erwartet.
Die ungeplante Hausgeburt im Rettungsdienst ist ein eher seltener Notfall. Umso wichtiger
ist es, sich mit dem Ablauf und den notwendigen Maßnahmen regelmäßig zu beschäftigen.
Das Team im oben beschriebenen Fall nutzt bei der Versorgung der Kreißenden die Muster-Algorithmen
des DBRD in der Version 2.0 von 2017.
Laden Sie sich kostenfrei die Algorithmen des Deutschen Berufsverbands Rettungsdienst
(DBRD) unter www.dbrd.de herunter.
Transportentscheidung
Die Entscheidung, ob die Kreißende noch transportiert werden kann oder ob die Geburt
vor Ort abgewartet werden sollte, ist für das Rettungsdienstpersonal oft schwierig
zu treffen. In der Literatur wird auf die vaginale Beurteilung des Muttermundes verwiesen.
Bei einer bevorstehenden Geburt ist der Muttermund 10 cm weit geöffnet – ein Transport
sollte dann nicht mehr angegangen werden.
Aufgrund der fehlenden Routine des Rettungsdienstpersonals erscheinen die vaginale
Inspektion und die Beurteilung des Muttermundes allerdings wenig geeignet. Einfacher
ist es, regelmäßige Wehen im Abstand von weniger als 2 Minuten, den Beginn von Pressdrang
und Presswehen und das Hervortreten des Anus als Indikatoren für die Entscheidung
heranzuziehen.
Nicht vergessen werden sollte in diesem Zusammenhang die Einschätzung der werdenden
Mutter. Steht eine Geburt kurz bevor, weiß dies die Mutter oft sehr genau (besonders
bei Mehrgebärenden) und kann dies auch klar äußern.
Bevorstehende Geburt
Im beschriebenen Fall kam es bereits zum Blasensprung und die Frau hat regelmäßige
Wehen mit Pressdrang im Abstand von unter 2 Minuten. Da im Mutterpass eine Schädellage
beschrieben ist, entscheidet das Team, die Geburt vor Ort abzuwarten, und bereitet
dazu alles Notwendige vor. Die Entscheidung, die Geburt im Wohnzimmer auf dem Boden
vorzunehmen, hat vor allem wegen des großzügigen Platzes Vorteile: Die Helferin kann
sich ohne Probleme im Bereich des Beckens positionieren und so ideal bei der Geburt
unterstützen. Der Helfer kann die Geräte und das notwendige Material in unmittelbarer
Nähe der Gebärenden bereitstellen.
Das Legen eines peripher venösen Zugangs ist zu diesem Zeitpunkt nicht zwingend notwendig.
Da es im Rahmen der Geburt und in der Nachgeburtsperiode jedoch zu Komplikationen
kommen kann, sollte ein Zugang zeitnah gelegt werden. Die unterstützenden Maßnahmen
bei der Geburt und die anschließende Versorgung des Neugeborenen haben allerdings
Vorrang.
Hat die Kreißende vor der Geburt nicht abgeführt, ist es typisch, dass mit den Presswehen
Stuhl abgeht. Ein wasserundurchlässiges Einmallaken und eine dickere saugstarke Unterlage
verhindern ein Verschmutzen des Teppichs und können nach der Geburt einfach entsorgt
werden.
Geburt
Nachdem das Team alle notwendigen Vorbereitungen für die Geburt getroffen hat, unterstützt
es die Gebärende in der Austreibungsphase. Im beschriebenen Fall ist die Geburt des
Kindes komplikationslos.
Sollten Sie in Ihrem Rettungsdienstbereich ein abweichendes Konzept nutzen, strukturieren
Sie das beschriebene Fallbeispiel anhand des bei Ihnen eingesetzten Algorithmus und
arbeiten Sie die Unterschiede heraus.
Prüfungsfragen
NOTFALLMEDIZIN
Beschreiben Sie das für eine Notgeburt und die Versorgung des Neugeborenen notwendige
Material. Welches Material benötigen Sie zwingend, und woran sollten Sie außerdem
denken?
Für die Geburt des Kindes genügen Einmalhandschuhe für den Helfer sowie eine saugfähige
Unterlage. Ideal sind zudem weiche Unterlagen und die Möglichkeit, die Gebärende mit
leicht erhöhtem Oberkörper zu lagern.
Wenn möglich, sollte noch vor der Geburt ein venöser Zugang etabliert werden. Zur
Überwachung der Vitalparameter sind eine Blutdruckmanschette und ein Stethoskop sowie
eine Pulsoxymetrie ausreichend.
Für die Versorgung des Neugeborenen wird ein Orosauger benötigt, mit dem die Atemwege
freigemacht werden können. Zwingend ist ein Babybeatmungsbeutel mit Reservoir und
Sauerstoff, um bei Bedarf sofort mit der Beatmung beginnen zu können. Für die Abnabelung
des Kindes werden zwei Nabelklemmen sowie eine sterile Schere bzw. ein Skalpell benötigt.
Zur taktilen Reizung des Neugeborenen ist ein weiches Handtuch oder (wenn nicht vorhanden)
ein Verbandtuch sinnvoll. Mit ihm wird das Neugeborene vorsichtig getrocknet. Wird
das Kind mit einer sogenannten Glückshaube (geschlossene Fruchtblase) geboren, kann
diese am einfachsten mit einer sterilen Klemme eröffnet werden.
Mögliche weitere Fragen:
Welche Informationen erhalten Sie aus dem Mutterpass?
Bei welchen Kindslagen sollten Sie einen Transport in die Klinik anstreben?
Beschreiben Sie in groben Zügen die Geburt und nennen Sie typische Geburtskomplikationen.
KOMMUNIKATION
Wie könnte sich der Einsatz bei einer strenggläubigen muslimischen Familie verändern?
Worauf würden Sie besonders achten?
Die Geburt eines Kindes ist auch im Islam ein freudiges Ereignis für die ganze Familie.
Eine Geburt innerhalb der eigenen vier Wände hat in der Familie durchaus Tradition,
wenngleich in der westlichen Gesellschaft die Geburt in der Klinik üblich ist. Begleitet
werden die Gebärenden durch erfahrene Frauen aus der Familie und Nachbarschaft. Dass
die werdenden Väter bei der Geburt anwesend sind, ist selten und bleibt eher modernen
muslimischen Paaren vorbehalten. Die Teilnahme fremder Männer an der Geburtsbegleitung
ist nicht üblich und könnte zu Problemen führen.
Wie bei allen Notfallsituationen sollte das Rettungsdienstpersonal durch sein kompetentes
und sicheres Auftreten mögliche Fragen gleich zu Beginn mit den Beteiligten klären.
Ideal ist es, den Angehörigen die notwendigen Schritte zu erläutern. Durch Hinzuziehen
einer oder mehrerer weiblicher Vertrauenspersonen können die Vorbehalte meist gut
ausgeräumt werden.
Wenn möglich, ist es für die Frauen einfacher, wenn sie durch eine weibliche Notfallsanitäterin
betreut werden. Auch dabei gilt selbstverständlich der Grundsatz, dass das am besten
ausgebildete und geburtserfahrenste Personal bei der Geburt unterstützen sollte.
Nach der Geburt und dem Abnabeln sollte der Mutter oder einem Angehörigen die Möglichkeit
gegeben werden, dem Neugeborenen nach alter Tradition das Glaubensbekenntnis ins rechte
Ohr zu flüstern. Zudem kommt der Nabelschnur im Islam eine besondere Bedeutung zu.
Aus diesem Grund sollte diese nicht unbeachtet entsorgt werden. Am besten bespricht
man sich darüber nach der Geburt mit dem frischgebackenen Vater.
Mögliche weitere Fragen:
Was würden Sie im Umgang mit Sprachbarrieren besonders beachten?
Welche Hilfsmittel können helfen, mit dem Patienten nonverbal zu kommunizieren?
Welche Ängste und Sorgen bewegen die werdenden Eltern in dieser Situation? Reflektieren
Sie deren Bedürfnisse und Wünsche.
RAHMENBEDINGUNGEN
Welche organisatorischen Maßnahmen treffen Sie, wenn Sie sich für eine Notgeburt vor
Ort entschieden haben? Begründen Sie Ihre Entscheidungen.
Bei einer Notgeburt sollte zum Notarzt in jedem Fall ein zweites Rettungsmittel mit
angefordert werden. Ideal wäre ein Fahrzeug mit einem Inkubator, das zudem mit einem
Pädiater oder Gynäkologen besetzt ist.
Kommt es während der Geburt zu Komplikationen, sieht sich das Team plötzlich mit zwei
Patienten konfrontiert. Sind nicht genügend Helfer und Transportmöglichkeiten vor
Ort, kann dies rasch zu einer problematischen Situation führen. Bei Zwillings- oder
Mehrlingsgeburten sind entsprechende Kapazitätsanpassungen vorzunehmen. In der Regel
empfiehlt es sich in diesen Fällen, die Geburt in die Klinik zu verlagern.
Verläuft die Geburt ohne Schwierigkeiten, werden Mutter und Kind zusammen in einem
Fahrzeug transportiert. Damit die Geburt nicht gestört wird, sollte die zweite Besatzung
bei unproblematischem Geburtsverlauf im Wartestatus vor dem Haus bleiben.
Mögliche weitere Fragen:
Ist ein Transport von Mutter und Kind in einem RTW zulässig? Begründen Sie Ihre Auffassung.
Welchen Stellenwert hat die Dokumentation im Rettungsdienst?
von Dr. med. Wolfgang C. G. von Meißner, MHBA
Eine Geburt im Rettungsdienst gehört zu den seltenen und zugleich spannendsten Notfalleinsätzen.
Oft bestehen Unsicherheiten bei den beteiligten Rettungskräften. Die wenigsten Rettungsassistenten
und Notfallsanitäter werden während ihrer Ausbildung die Gelegenheit gehabt haben,
bei einer physiologischen Geburt im Kreißsaal dabei gewesen zu sein. Es gibt auch
Notärzte, die noch nie eine physiologische Geburt im Krankenhaus miterlebt haben.
Dies liegt auch daran, dass in der modernen Geburtshilfe die Geburt so natürlich und
intim wie möglich in angenehmer Umgebung für die Eltern stattfinden soll.
Immer beliebter werden auch die sogenannten Hebammenkreißsäle. Dort können die Frauen
mit Unterstützung einer Hebamme im Krankenhaus ihr Kind auf die Welt bringen. Ärztliche
Geburtshelfer werden nur bei Komplikationen hinzugezogen. Auch dabei gilt, dass das
Prinzip der Betreuungskontinuität im Geburtsprozess keinen Raum für die Notfallsanitäterausbildung
in der Geburtshilfe lässt.
Auch wer selbst schon Kinder auf die Welt gebracht hat oder physiologische Geburten
als Vater oder andere(r) Angehörige(r) erleben durfte, sollte sich im Rahmen eines
Simulationstrainings mit dem natürlichen Geburtsverlauf und den möglichen Komplikationen
beschäftigen.
Grundsätzlich gilt, dass es fast nie ein Fehler ist, die schwangere Frau in den Rettungswagen
zu bringen und wenn möglich den Transport in die geburtshilfliche Klinik zu beginnen.
Gerade bei vorzeitigem Blasensprung und noch nicht im Becken festsitzendem Kopf sollte
der Transport liegend erfolgen, sonst besteht die Gefahr eines Nabelschnurvorfalls.
Geburtsunmögliche Kindslagen müssen unverzüglich ins Krankenhaus transportiert werden.
Ein Transport sollte grundsätzlich immer angestrebt werden, wenn der Wehenabstand
noch größer als 2 Minuten ist.
Gerade in ländlichen Regionen wurden in den vergangenen Jahren viele geburtshilfliche
Abteilungen geschlossen, was zu langen Transportwegen in das nächste geeignete Krankenhaus
führen kann. Auch nach der Geburt kann es zu Notfallsituationen kommen; im Fall z. B.
einer atonen Nachblutung ist ein schneller Transport in die Klinik für die Mutter
lebensrettend.