Das „Gesetz zur Neuordnung des Rechts zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ionisierender
Strahlung" beschloss der Bundestag am 27.6.2017. Es soll den Strahlenschutz verbessern,
übersichtlicher gestalten und unnötige bürokratische Hemmnisse abzubauen. Zudem setzt
der Bundestag mit dem neuen Gesetz auch die Richtlinie 2013/59/Euratom des Europäischen
Rates vom 5.12.2013 um. Es wird überwiegend zum 1.10.2017 in Kraft treten und ersetzt
die bisher gültigen Bestimmungen der Röntgenverordnung, sowie der Strahlenschutzverordnung.
Prof. Dr. Peter Wigge
Zwar bleiben viele Paragrafen überwiegend identisch mit den bisherigen Regelungen
– doch einige Neuerungen wirken sich auch auf den medizinischen Bereich aus. Auf welche
Änderungen sich Radiologinnen und Radiologen, MTRA und Medizinphysikexperten einstellen
müssen, erläutert Rechtsanwalt Prof. Dr. Peter Wigge im folgenden Beitrag.
Einführung
Strahlenschutz ist fast so alt wie die von Wilhelm Röntgen am 8. November 1895 entdeckten
und nach ihm benannten Strahlen. Bereits kurze Zeit später erkannte man neben dem
großen medizinischen Nutzen auch die schädigende Wirkung der Röntgenstrahlung. Bisher
war der Strahlenschutz in Deutschland in den gefahrenabwehrrechtlichen Bestimmungen
der Röntgenverordnung (RöV, für den Bereich der Röntgendiagnostik und Strahlentherapie
unterhalb 1 MeV) sowie der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV, für den Bereich der
Strahlentherapie und Nuklearmedizin) geregelt. Am 27.6.2017 hat der Bundestag mit
Zustimmung des Bundesrates das Gesetz zur Neuordnung des Rechts zum Schutz vor der
schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung beschlossen (BGBl. I S. 1966). In Artikel
1 dieses Gesetzes hat der Gesetzgeber das Gesetz zum Schutz vor der schädlichen Wirkung
ionisierender Strahlung (Strahlenschutzgesetz – StrlSchG) geregelt, welches der Umsetzung
der Richtlinie 2013/59/Euratom des Europäischen Rates vom 5.12.2013 dient und überwiegend
zum 1.10.2017 in Kraft treten wird. Das neu eingeführte Strahlenschutzgesetz zielt
darauf ab, den Strahlenschutz zu verbessern, übersichtlicher zu gestalten sowie unnötige
bürokratische Hemmnisse abzubauen.
Das neue Strahlenschutzgesetz wird sich auch auf das Fachgebiet der Radiologie auswirken.
Zum einen fasst es als formelles Gesetz die Vorgaben zusammen, die bis dato in der
auf dem Atomgesetz basierenden Strahlenschutzverordnung, der Röntgenverordnung sowie
dem Strahlenschutzvorsorgegesetz geregelt waren. So werden zahlreiche Paragrafen identisch
oder weitgehend deckungsgleich zu den bisherigen Normen in das Strahlenschutzgesetz
inkorporiert. In formal-juristischer Hinsicht sind die Vorgaben daher nicht mehr nur
als untergesetzliche Normen einzustufen, sondern sie werden durch das Reformgesetz
normhierarchisch auf eine höhere Stufe verlagert. Dies hat Auswirkung auf die Auslegung
und Anwendung des Rechts. Kollidierten die Regelungen der Röntgenverordnung oder der
Strahlenschutzverordnung mit höherrangigem formellem Recht, mussten sie nach früherer
Rechtslage zurücktreten. Zukünftig stehen diese Regelungen auf der Ebene der Gleichordnung.
Zum anderem enthält das Gesetz zahlreiche Neuregelungen im medizinischen Bereich einschließlich
der medizinischen Forschung, die im Folgenden vorgestellt werden sollen. Neben dem
1. Teil („Allgemeine Vorschriften“, §§ 1 bis 5) ist speziell der 2. Teil („Strahlenschutz
bei geplanten Expositionssituationen“, §§ 6 bis 91), welcher mehrheitlich die Belange
medizinischer Strahlenexposition regelt, von Bedeutung.
Abgesehen von diesen Änderungen bestehen für das Fachgebiet der Radiologie die Regelungen
der Röntgenverordnung sowie der Strahlenschutzverordnung – nunmehr im Gewand des Strahlenschutzgesetzes
– weitgehend fort.
Zulässigkeit der Früherkennung asymptomatischer Patienten (§ 84 StrlSchG, § 25 Abs. 4a
SGB V n. F., vgl. auch Art. 55 Abs. 2 lit. h RL 2013/59/Euratom)
Zulässigkeit der Früherkennung asymptomatischer Patienten (§ 84 StrlSchG, § 25 Abs. 4a
SGB V n. F., vgl. auch Art. 55 Abs. 2 lit. h RL 2013/59/Euratom)
Die wichtigste Neuerung betrifft wohl die Zulässigkeit der Früherkennung von Erkrankungen
asymptomatischer Personen. Derzeit ist die Mammografie-Untersuchung zur Früherkennung
von Brustkrebs bei Frauen zwischen dem 50. und 69. Lebensjahr die einzige Reihenuntersuchung
zur Früherkennung in Deutschland, bei der Röntgenstrahlung eingesetzt wird. Nach dem
neuen Strahlenschutzgesetz sollen künftig auch individuelle Früherkennungsmaßnahmen,
mithin außerhalb von Screening-Programmen zugelassen werden können. Den Begriff der
Früherkennung wird § 4 Abs. 16 StrlSchG legal definiert als „Anwendung von Röntgenstrahlung
oder radioaktiven Stoffen im Rahmen einer medizinischen Exposition zur Untersuchung
von Personen, die keine Krankheitssymptome und keinen konkreten Krankheitsverdacht
aufweisen (asymptomatische Personen), um eine bestimmte Krankheit festzustellen“ Dazu
könnten etwa Verfahren zur Früherkennung von Lungenkrebs, verengten Herzkranzgefäßen
oder von Darmpolypen und Darmkrebs gehören. Zugleich werden jedoch hohe Anforderungen
an die Rechtfertigung und die Umsetzung solcher Untersuchungen gestellt. Grundsätzlich
steht der diagnostische und therapeutische Nutzen der betroffenen Person im Vordergrund.
Voraussetzung ist daher, dass der Nutzen das Risiko der eingesetzten Strahlung überwiegt.
Weiterhin muss die neuartige Früherkennungsuntersuchung
-
ein wissenschaftlich anerkanntes Untersuchungsverfahren darstellen,
-
zur Erkennung einer schweren Erkrankung im Frühstadium dienen und
-
eine effektive Therapieform verfügbar sein.
Ob und wann derartige Untersuchungen zur individuellen Früherkennung zugelassen werden,
hängt von der Entscheidung des Bundesministeriums für Umwelt, Bau, Naturschutz und
Reaktorsicherheit ab – das Gesetz enthält eine diesbezügliche Verordnungsermächtigung
– und der Bewertung des Bundesamts für Strahlenschutz ab (vgl. § 84 Abs. 2 und 3 StrlSchG).
Sofern sich beide für eine bestimmte Früherkennungsuntersuchung aussprechen, hängt
deren vertragsärztliche Erbringung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung
allerdings davon ab, dass der Gemeinsame Bundesausschuss eine dahingehende Richtlinie
bereits erlassen hat bzw. sie erlässt (§ 25 Abs. 4a SGB V n. F.). Ist eine Früherkennungsuntersuchung
nach dem Strahlenschutzgesetz zulässig, können Kliniken und Radiologie-Einrichtungen
eine zwingend auf fünf Jahre befristete Genehmigung bei der Strahlenschutzbehörde
erwirken. Diese wird ihnen eingeräumt, wenn die nötigen (Qualitäts-) Voraussetzungen
an Personal, Gerätetechnik etc. erfüllt sind (vgl. § 13 Abs. 3 StrlSchG).
Teleradiologie (§ 14 Abs. 2 StrlSchG)
Teleradiologie (§ 14 Abs. 2 StrlSchG)
Ebenso hat der Bereich der Teleradiologie durch das neue Strahlenschutzgesetz umfangreiche
Änderungen erfahren. Der Gesetzgeber hebt nunmehr den Aspekt der Regionalität hervor.
Dies verdeutlichen die Vorgaben betreffend die „besondere[n] Voraussetzungen“ (§ 14
Abs. 2 StrlSchG). Demgemäß muss u. a. ein Gesamtkonzept für den teleradiologischen
Betrieb vorliegen, das
-
die erforderliche Verfügbarkeit des Teleradiologiesystems gewährleistet,
-
eine im Einzelfall erforderliche persönliche Anwesenheit des Teleradiologen am Ort
der technischen Durchführung innerhalb eines für eine Notfallversorgung erforderlichen
Zeitraums ermöglicht; in begründeten Fällen kann auch ein anderer Arzt persönlich
anwesend sein, der die erforderliche Fachkunde im Strahlenschutz besitzt,
-
eine regelmäßige und enge Einbindung des Teleradiologen in den klinischen Betrieb
des Strahlenschutzverantwortlichen stattfindet, welche die erforderliche Untersuchungsqualität
auch bei komplexen und seltenen Untersuchungssituationen sicherstellt.
Intention des Gesetzes ist es mithin, das Regionalprinzip insgesamt zu stärken. Der
Teleradiologe soll (nach Möglichkeit) in der Region des Untersuchungsortes tätig sein,
damit er bei Bedarf persönlich verfügbar ist. Wo genau die örtliche Grenze zu ziehen
ist, lässt sich derzeit nicht bestimmen. Für den Teleradiologen (oder seinen Vertreter)
wird im Unterschied zur letzten RöV außerdem nicht mehr die volle Fachkunde mit 36
Monaten vorausgesetzt, sondern die erforderliche Fachkunde. Wie diese definiert wird,
ist zur Zeit noch offen.
Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/11 241, S. 255) soll auf diese Weise
die Untersuchungsqualität gesichert und die Ausfallsicherheit gewährleistet werden,
um eine kontinuierliche Patientenversorgung aufrechterhalten zu können. Daneben bezweckt
das sog. Gesamtkonzept die Förderung der Transparenz gegenüber der Genehmigungsbehörde
hinsichtlich der organisatorischen Strukturen (Aufgabenwahrnehmung, Zuständigkeiten
und Weisungsbefugnisse). Zusätzlich zu den Anforderungen an technische Komponenten
zum Informationsaustausch, die eine Datenübertragung nach dem Stand der Technik und
den medizinischen Erfordernissen sicherstellen, sind daher auch organisatorische Festlegungen,
die für den ordnungsgemäßen Betrieb und die Durchführung einer teleradiologischen
Untersuchung relevant sind, offenzulegen (vgl. BT-Drs. 18/11 241, S. 256).
Bewertungsverfahren Rechtfertigung (§ 6 Abs. 1 StrlSchG)
Bewertungsverfahren Rechtfertigung (§ 6 Abs. 1 StrlSchG)
Neue Verfahren, bei denen Mensch und Umwelt ionisierender Strahlung ausgesetzt sein
könnten – beispielsweise in der medizinischen Diagnostik –, müssen zukünftig das Bewertungsverfahren
der Rechtfertigung durchlaufen. Dabei soll ihr wirtschaftlicher, gesellschaftlicher
oder anderweitiger Nutzen abgewogen werden mit einer möglicherweise einhergehenden
gesundheitlichen Beeinträchtigung. Diese Vorgabe ist eine besondere Ausformung des
Rechtsfertigungsprinzips, welches das gesamte Strahlenschutzgesetz prägt. Die Einzelheiten
dieses Bewertungsverfahren werden erst der noch zu erlassenden Verordnung zu entnehmen
sein und lassen sich folglich gegenwärtig noch nicht abschätzen.
Einführung des Medizinphysikexperten in der Röntgendiagnostik (§ 14 Abs. 1 Nr. 2b
StrlSchG)
Einführung des Medizinphysikexperten in der Röntgendiagnostik (§ 14 Abs. 1 Nr. 2b
StrlSchG)
An der Forderung einer entsprechend dem radiologischen Risiko abgestuften Einbindung
und Verfügbarkeit eines Medizinphysikexperten hält das Gesetz fest. Das Strahlenschutz-gesetz
sieht nunmehr – zusätzlich – verpflichtend vor, einen Medizinphysikexperten auch bei
allen strahlendiagnostischen Untersuchungsverfahren und interventionsradiologischen
Anwendungen, die mit hohen Dosen der untersuchten Person verbunden sind, hinzuzuziehen.
Das Gesetz definiert den Begriff des Medizinphysikexperten in § 4 Abs. 24 StrlSchG
als „Person mit Masterabschluss in medizinischer Physik oder eine in medizinischer
Physik gleichwertig ausgebildete Person mit Hochschulabschluss, die jeweils die erforderliche
Fachkunde im Strahlenschutz besitzt“.
Demgemäß ist auch bei interventionsradiologischen und strahlendiagnostischen Verfahren
mit einer erheblichen Exposition der behandelten bzw. untersuchten Person ein Medizinphysikexperte
einzubinden. Die Neuregelung besagt jedoch nicht, dass er bei jeder Untersuchung zwingend
anwesend sein muss. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/11 241, S. 253)
ist vielmehr eine regelmäßige Hinzuziehung des Medizinphysikexperten zur Optimierung
und Qualitätssicherung der Anwendung und zur Beratung in Fragen des Strahlenschutzes
erforderlich. Da insbesondere bei Röntgen-einrichtungen in der interventionellen Radiologie
die genaue Art der durchzuführenden Anwendungen vielfach nicht bereits im Genehmigungs-
oder Anzeigeverfahren bekannt sein wird, dürfte es geboten sein, die Einbeziehung
des Medizinphysikexperten bereits zu fordern, wenn die Behandlung mit einer erheblichen
Exposition verbunden sein kann. Daher darf die Einbindung des Medizinphysikexperten
im Rahmen der interventionsradiologischen und strahlendiagnostischen Verfahren nicht
mit derjenigen des Strahlenschutzes verwechselt werden.
Eine noch zu erlassende Rechtsverordnung wird zu klären haben, „dass und in welchem
Umfang ein Medizinphysik-Experte entsprechend dem radiologischen Risiko der Strahlenanwendung
hinzuzuziehen ist sowie welche Untersuchungen mit radioaktiven Stoffen oder ionisierender
Strahlung mit einer erheblichen Exposition der untersuchten Person verbunden sein
können“ (§ 86 S. 2 Nr. 10 StrlSchG).
Da das Strahlenschutzgesetz der Umsetzung der Richtlinie 2013/59/Euratom dient, stellt
diese eine wichtige Auslegungshilfe dar. Gem. Art. 83 Abs. 2 der Richtlinie sollen
ihm u. a. folgende Aufgaben obliegen:
-
Verantwortung für die Dosimetrie, einschließlich der physikalischen Messungen zur
Bewertung der dem Patienten und anderen einer medizinischen Exposition ausgesetzten
Personen verabreichten Dosis
-
Optimierung des Strahlenschutzes
-
Festlegung, Durchführung und Überwachung der Qualitätssicherung
-
Kontrolle der Abnahmeprüfung
-
Überwachung medizinisch-radiologischer Anlagen
-
Schulung von medizinischen Fachkräften
-
Beratung zur medizinisch-radiologischen Ausrüstung.
Aller Voraussicht nach wird sich diese Neuregelung speziell für den Teilbereich der
Computertomografie und Strahlenanwendungen im Rahmen der interventionellen Radiologie
auswirken
Verlängerte Anzeigefrist (§ 19 Abs. 1i. V. m. § 20 Abs. 1 StrlSchG)
Verlängerte Anzeigefrist (§ 19 Abs. 1i. V. m. § 20 Abs. 1 StrlSchG)
Wer beabsichtigt eine Röntgeneinrichtung zu betreiben, die keiner Genehmigung bedarf,
muss dies der zuständigen Behörde nicht – wie bislang – spätestens zwei Wochen (§ 4
Abs. 1 RöV a.F.), sondern nunmehr spätestens vier Wochen vor dem beabsichtigten Beginn
schriftlich anzeigen.
Medizinische Forschung (§§ 31 bis 37 StrlSchG)
Medizinische Forschung (§§ 31 bis 37 StrlSchG)
Das neue Gesetz hält weiterhin Neuregelungen für das Genehmigungsverfahren beim Bundesamt
für Strahlenschutz für medizinische Forschung am Menschen vor. Im Schwerpunkt muss
die Behörde entscheiden, ob der Einsatz von Strahlen medizinisch und ärztlich vertretbar
ist. Jedoch sah die alte Rechtslage keine Fristen für die Entscheidung vor, infolgedessen
sich das Genehmigungsverfahren bis zu über einem Jahr hinzog. Das Strahlenschutzgesetz
sieht nunmehr konkrete Bearbeitungsfristen für den Genehmigungsantrag vor: Prüfung
der Vollständigkeit des Antrags binnen 21 Tagen und Entscheidung binnen weiterer 90
Tage, es sei denn die zuständige Behörde hält die Verlängerung der Frist um maximal
90 Kalendertage wegen der Schwierigkeit der Prüfung für erforderlich. Zudem differenziert
das Gesetz nunmehr zwischen dem Genehmigungsverfahren und dem bloßen Anzeigeverfahren.
Gem. § 31 Abs. 1 StrlSchG unterliegt die medizinische Forschung unter Verwendung radioaktiver
Stoffe grundsätzlich der Genehmigungspflicht, sofern sie nicht nur nach § 32 StrlSchG
anzeigebedürftig ist. Entscheidend ist mithin, welche Bedeutung und Rolle der Strahlenanwendung
im konkreten Forschungsvorhaben zuteil wird. § 32 StrlSchG erfasst demzufolge den
Fall der radiologischen Begleitdiagnostik. Auch hier hat der Gesetzgeber nunmehr eine
straffe Fristenregelung in § 33 StrlSchG normiert:
Aufzeichnungspflicht (§ 85 Abs. 1 Nr. 3 StrlSchG)
Aufzeichnungspflicht (§ 85 Abs. 1 Nr. 3 StrlSchG)
Das neue Strahlenschutzgesetz normiert im Vergleich zur bisherigen Rechtslage ferner
umfangreichere Aufzeichnungspflichten des Strahlenschutzbeauftragten. Neben den Angaben
zur rechtfertigenden Indikation, dem Zeitpunkt und der Art der Anwendung, dem erhobenen
Befund einer Untersuchung sowie dem Bestrahlungsplan und dem Bestrahlungsprotokoll
einer Behandlung müssen die Aufzeichnungen zusätzlich Angaben zur Exposition
-
der untersuchten oder behandelten Person oder zur Ermittlung dieser Exposition, einschließlich
einer Begründung im Falle der Überschreitung diagnostischer Referenzwerte, sowie
-
von Betreuungs- und Begleitpersonen, sofern ihre Körperdosis zu ermitteln ist,
enthalten.
Informations- und Meldesystem für Vorkommnisse (§ 90 StrlSchG)
Informations- und Meldesystem für Vorkommnisse (§ 90 StrlSchG)
Auf Grund der zunehmenden Anwendung ionisierender Strahlung und radioaktiver Stoffe
in der Medizin nimmt das Risiko von Fehlbestrahlungen und Unfällen zu. So kann es
aufgrund technischer Mängel oder menschlichen Versagens beispielsweise vorkommen,
dass ein Patient versehentlich mit einer zu hohen Dosis bestrahlt wurde und es in
der Folge zu stärkeren Nebenwirkungen kommt. Derartige Vorfälle waren nach der bisherigen
Rechtslage nur eingeschränkt meldepflichtig. Um die Patientensicherheit zu erhöhen
und die Qualitätssicherung zu verbessern, normiert § 90 StrlSchG nunmehr eine Meldepflicht
von sog. bedeutenden Vorkommnissen (vgl. auch Artt. 63 lit. a, c und e, 96 RL 2013/59/Euratom).
Auf diese Weise sollen Meldungen über Fehlbestrahlungen und Unfälle gesammelt, ausgewertet
und die daraus gewonnenen Erkenntnisse an andere Anwender weitergegeben werden. Ziel
ist es, Gefahren bereits im Vorfeld zu erkennen und gegebenenfalls frühzeitig Gegenmaßnahmen
einzuleiten. Das Problem an einem solchen Informations- und Meldesystem ist jedoch,
dass der Arzt seinen Behandlungsfehler in gewissem Umfang selbst eingestehen muss.
Ein derartiges „Selbstbezichtigungsrecht“ ist aber nur schwer in Einklang mit der
deutschen Rechtsordnung zu bringen, sodass begründete Zweifel an der Praktikabilität
bestehen. Zwar begründet das Strahlenschutzgesetz selbst keine Haftung des Arztes,
dem ein solcher Vorfall unterläuft. Jedoch ist nicht auszuschließen, dass der betroffene
Patient auf diese Weise von dem Zwischenfall erfährt und auf diesem Weg beweisrechtliche
Vorteile für eine zivilrechtliche Schadensersatzklage erlangt.
Einzelheiten zu dem Umfang der Meldepflicht, seinem Verfahren, zu ergreifende Maßnahmen,
etc. sieht das Gesetz nicht vor. Stattdessen verweist die Norm auf die noch zu erlassende
Rechtsverordnung. In der Rechtsverordnung kann insbesondere gem. § 90 StrlSchG festgelegt
werden,
-
dass und welche Maßnahmen der Strahlenschutzverantwortliche einzuleiten hat, damit
Expositionen bei einem solchen Vorkommnis so gering wie möglich gehalten werden,
-
dass und welche Maßnahmen der Strahlenschutzverantwortliche zu treffen hat, um solche
Vorkommnisse zukünftig zu vermeiden,
-
dass und auf welche Weise der Strahlenschutzverantwortliche ein Vorkommnis aufzuzeichnen
und zu untersuchen hat, dass und für welchen Zeitraum er diesbezügliche Aufzeichnungen
aufzubewahren hat,
-
dass und auf welche Weise der Strahlenschutzverantwortliche der Aufsichtsbehörde
-
ein Vorkommnis zu melden hat,
-
Informationen und Erkenntnisse über Ursachen und Auswirkungen des Vorkommnisses sowie
Maßnahmen zur Behebung oder Begrenzung der Auswirkungen des Vorkommnisses zu melden
hat und
-
Maßnahmen zur Vermeidung von Vorkommnissen zu melden hat.
Außerdem hat der Strahlenschutzverantwortliche dafür Sorge zu tragen, dass bei einem
derartigen Vorkommnis Name, Vornamen, Geburtsdatum und -ort, Geschlecht und Anschrift
sowie Daten zur Exposition einer durch das Vorkommnis exponierten Person sowie zu
den gesundheitlichen Folgen der Exposition unverzüglich aufgezeichnet werden. Diese
Dokumentationspflichten dienen dem Zweck, die Umstände des Vorkommnisses rekonstruieren
und die erforderlichen Schlüsse ziehen zu können. Sofern das Vorkommnis so gravierend
ist, dass es zu gesundheitlichen Folgen für eine der exponierten Personen kommt, sind
auch Angaben zu diesen Folgen aufzuzeichnen. Vorausgesetzt, dass es sich um ein meldepflichtiges
Vorkommnis handelt und Maßnahmen zum Schutz der exponierten Person erforderlich sind,
muss er die personenbezogenen Angaben zudem unverzüglich der zuständigen Behörde übermitteln.
Strahlenschutzregister (§ 170 StrlSchG)
Strahlenschutzregister (§ 170 StrlSchG)
Im Strahlenschutzregister werden Daten von Beschäftigten zusammengefasst und ausgewertet,
die in ihrem Beruf erhöhter Strahlung ausgesetzt sind. Dazu gehören unter anderem
auch Angehörige medizinischer Berufe. Das bestehende Register reicht bis in die 1990er
Jahre zurück und umfasst derzeit Angaben zu etwa 400 000 Personen, die strahlenschutzüberwacht
werden. Um auch bei einem Namens- oder Arbeitsplatzwechsel von Personen, die mit ionisierender
Strahlung umgehen, deren Schutz jederzeit lückenlos sicherstellen zu können, sieht
das neue Strahlenschutzgesetz die Einführung einer persönlichen Kennnummer vor, die
auch bei einem Namens- sowie Arbeitgeberwechsel erhalten bleiben.
Abschließendes Resümee
Die Neuregelungen dienen der Verbesserung des Schutzes vor der schädlichen Wirkung
ionisierender Strahlung und demzufolge der Patientensicherheit sowie der Qualitätssicherung.
Vom Strahlenschutz werden in verstärkten Maße zukünftig aber auch Personen erfasst,
die lediglich mittelbar in Kontakt mit ionisierender Strahlung gelangen, mithin das
ärztliche wie auch das nicht-ärztliche Personal. Dieses Verständnis wird daher von
entscheidender Bedeutung für die Auslegung und Anwendung des Gesetzes sein.
Die genauen Auswirkungen der Neuregelungen lassen sich derzeit noch nicht absehen,
da der Gesetzgeber die konkrete Ausgestaltung der einzelnen Normen auf die noch zu
erlassenden Rechtsverordnungen ausgelagert hat. Diese werden voraussichtlich erst
im Laufe des kommenden Jahres in Kraft treten. Das Strahlenschutzgesetz selbst tritt
hinsichtlich der Regelungen betreffend
-
die Reihenuntersuchung zur Früherkennung (§ 84 Abs. 2 und 3 StrlSchG),
-
den Erlass der Rechtsverordnung zum Bewertungsverfahren der Rechtfertigung (§ 6 Abs. 3
StrlSchG),
-
das Informations- und Meldesystem für Vorkommnisse (§ 90 Abs. 1 StrlSchG) sowie
-
den Erlass der Rechtsverordnung zum Strahlenschutzregister (§ 170 Abs. 10 StrlSchG)
am 1.10.2017 und im Übrigen, d. h. betreffend
-
der Teleradiologie gem. § 14 Abs. 2 StrlSchG,
-
des Bewertungsverfahrens der Rechtfertigung § 6 Abs. 1 und 2 StrlSchG,
-
der Einführung des Medizinphysikexperten in der Röntgendiagnostik gem. § 14 Abs. 1
Nr. 2 StrlSchG,
-
der verlängerten Anzeigefrist gem. § 19 Abs. 1i. V. m. § 20 Abs. 1 StrlSchG,
-
der medizinischen Forschung gem. §§ 31 ff. StrlSchG,
-
der Aufzeichnungspflicht gem. § 85 Abs. 1 Nr. 3 StrlSchG und
-
des Strahlenschutzregisters gem. § 170 Abs. 1 bis 9 StrlSchG,
am 31.12.2018 in Kraft.
Prof. Dr. Peter Wigge
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht
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