Handchir Mikrochir Plast Chir 2017; 49(04): 238-244
DOI: 10.1055/s-0043-118598
Originalarbeit
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Schlichtungsverfahren nach Mammaaugmentationen – eine Analyse der Eingriffe mit Behandlungsfehler und Haftungsanspruch der Norddeutschen Schlichtungsstelle

Conciliatory proceedings of a German mediation center after breast augmentations
Sixtus Allert
1   Sana Klinikum Hameln Pyrmont, Plastische und Ästhetische Chirurgie, Handchirurgie
,
Celeste Flechtner
2   Ev. Lungenklinik Berlin Buch
,
Peter M. Vogt
3   Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Plastische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Zentrum für Schwerbrandverletzte
,
Christian Herold
4   HPC Oldenburg und DIAKO Bremen
› Institutsangaben
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Publikationsverlauf

06/16/2017

08/10/2017

Publikationsdatum:
28. September 2017 (online)

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Zusammenfassung

Einleitung Als Deutschlands größte Schlichtungsstelle ist die Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern, kurz: Norddeutsche Schlichtungsstelle für insgesamt zehn Bundesländer zuständig (Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, das Saarland, Schleswig-Holstein Anhalt, das Saarland, Schleswig-Holstein und Thüringen) zuständig. Ihr Datenmaterial bietet Einsicht in die Fehlerquellen von Behandlungsabläufen bei Mammaaugmentationen.

Material und Methodik Analysiert wurden Antragsschreiben der Patientinnen, im Auftrag der Schlichtungsstellte von unabhängigen Ärzten erstellte Gutachten und die abschließenden Schlichtungsbescheide der 66 von der Norddeutschen Schlichtungsstelle in den Jahren 2000 bis 2007 geführte Schlichtungsverfahren nach Mammaaugmentationen. Um mögliche juristische Auseinandersetzungen abzuwarten, verstrich eine Fünfjahresfrist. Diese Daten ermöglichen die Untersuchung jedes Falles aus unterschiedlichen Perspektiven. Für die Auswertungen wurde zudem auf die von der Schlichtungsstelle im MERS-Kodierungssystem (Medical Error Reporting System) eingepflegten statistischen Daten zurückgegriffen.

Ergebnisse Der Anteil der Fälle, in denen die Kausalität zwischen einem Behandlungsfehler und einem Gesundheitsschaden bejaht und damit ein Haftungsanspruch des Patienten gegenüber dem Arzt bestätigt wurde, liegt bei 44 % und somit über der durchschnittlichen Quote von ca. 24 % in den gesamten Schlichtungsverfahren der Norddeutschen Schlichtungsstelle. Unter den 66 Fällen nach Mammaaugmentationen fanden sich 29 Eingriffe mit Haftungsanspruch (FMH). In 86 % dieser Fälle lagen nach Auffassung der Gutachter Mängel bei der OP-Planung und -Durchführung vor, insbesondere bei der OP Planung (72 %) und Schnittführung (45 %). Die am häufigsten vorgetragenen Mängel laut Gutachter waren eine falsche Präparation der Implantattasche (28 %), Wahl der falschen Operationsmethode (31 %), falsche Implantatgröße (17 %), sowie ausgelassenen Straffung bei ptotischer Brust, ebenso wie fehlende Nachvollziehbarkeit, warum zweizeitig operiert wurde (je 10 %). Die Patientinnen störten sich am häufigsten an Asymmetrien (79 %) oder der Implantatlage (62 %), die Brustgröße gefiel 38 % der Patientinnen postoperativ nicht.

Diskussion Bei Mammaaugmentationen handelt es sich häufig um Selbstzahlereingriffe, und die Erwartungshaltung der Patientinnen an das Ergebnis ist hoch. Entsprechend hoch sind die Anforderungen an den Plastischen Chirurgen bei Planung, Durchführung und Nachsorge dieser Eingriffe.

Abstract

Introduction The requested by the “Norddeutsche Schlichtungsstelle [“North German Mediation Centre”] reveal the complications and problems of breast augmentation. The North German Mediation Centre is responsible for ten federal states in Germany (Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Western Pomerania, Lower Saxony, Saarland, Saxony-Anhalt, Schleswig-Holstein and Thuringia) and is thus the largest mediation centre in Germany

Material and Methods We analysed requests from patients, expert reports ordered by the North German Mediation Centre and the final verdicts of mediations after breast augmentations between 2000 and 2007. This approach has the advantage that it addresses the topic from different viewpoints. Furthermore we analysed the statistical data provided by the mediation centre.

Results In 44 % of the patient´s requests, a causal relationship was confirmed between the damage caused to the patient‘s health and malpractice. This is much greater than the overall figure for the mediation centre, which is that a causal relationship was confirmed in only 24 % of cases. The 66 patient requests after breast augmentations included 29 cases with liability. In 86 % of the cases, the expert opinions concluded that mistakes were made during planning (72 %). Most frequently, surgical incisions were incorrect (45 %), followed by the preparation of the pocket (28 %), the surgical approach (31 %) and the implant size (17 %). The patients mainly complained about asymmetry (79 %) and the position of the implants (62 %) or the size of the breasts after surgery (38 %).

Discussion The greater frequency of a causal relationship between the damage caused to patient health and malpractice - in comparison to the general statistics - may be due to the greater complexity of breast augmentation than generally expected. Not only the surgery itself, but - to an even greater extent - adequate planning and aftercare are of predominant importance in satisfying the patient. All these factors and the high expectations of the patients lead to a higher request rate.