Key words vascular anomaly - center formation - interdisciplinary - epidemiology - interventional
radiology - minimally invasive therapy
Einleitung
Am 28. Februar 2017 jährte sich der internationale „Tag der Seltenen Erkrankungen“
bereits zum 10. Mal [1 ]. Von den ca. 30 000 weltweit bekannten Krankheiten gehören 5000 zu den seltenen
Erkrankungen. Eine Erkrankung ist definitionsgemäß selten, wenn weniger als 1/2000
Menschen betroffen sind [2 ]. Hierzu gehören auch angeborene Gefäßanomalien, zu denen Gefäßmalformationen und
seltene Gefäßtumoren zählen. Die zugrundeliegenden Fehlbildungen in der Angiogenese
und Vaskulogenese sind sehr variabel, können in jeder Körperregion auftreten und führen,
je nach Ausprägung, zu einer schweren Beeinträchtigung. Gefäßanomalien zählen zu den
schwierigsten Gefäßerkrankungen [3 ]
[4 ]. Gerade diese Vielgestaltigkeit der seltenen Erkrankung führte in der Vergangenheit
oftmals zu unpräzisen oder inkorrekten Bezeichnungen (beispielsweise „Hämangiom“ oder
„Angiom“) oder gar zu spezifischen Klassifikationen innerhalb einer Fachdisziplin,
die das Gesamtverständnis der Erkrankung eher behinderten und zu kasuistischen, dezentralen
Behandlungen führten.
Für Deutschland existieren keine genauen Daten zu der Anzahl an Patienten mit Gefäßanomalien;
Schätzungen zufolge haben alleine 300 000 Menschen eine venöse Malformation [1 ]. Betroffen sind vor allem sehr junge Menschen, die sich je nach Erkrankungsausmaß
und Begleitsymptomen, einer komplexen Diagnostik und Therapie unterziehen müssen [5 ]
[6 ]
[7 ]
[8 ]
[9 ]. Das diagnostische Prozedere und die Vielfalt an minimalinvasiven Behandlungstechniken
stellen eine große fachliche und technische Herausforderung dar. Jüngste Fortschritte
im Verständnis der Erkrankung führten in den letzten Jahren zu einem ständig zunehmenden
Interesse an dieser Erkrankung. Gleichzeitig wächst der Anspruch an Gefäßanomalie-Zentren
mit interdisziplinärer Vernetzung, die eine optimierte bedarfsgerechte Patientenversorgung
anbieten können [4 ]
[10 ]
[11 ].
Gemessen an der Anzahl von Patienten mit therapiewürdigen Gefäßanomalien, besteht
in Deutschland gegenwärtig eine Unterversorgung mit spezialisierten Zentren [1 ]. Eine umfassende gefäßmedizinische Versorgung dieser meist jungen Patienten ist
aus klinischen Gründen wichtig. Die Bündelung von Fachkompetenzen ist Voraussetzung
für eine effektive und effiziente Patientenversorgung gerade von seltenen Erkrankungen.
Die Radiologie verfügt für diese Fragestellungen über ein breites relevantes diagnostisches
Spektrum; zugleich kann die interventionelle Radiologie eine Vielzahl von Behandlungsmöglichkeiten
für diese sehr komplexen gefäßmedizinischen Erkrankungen anbieten, die in der großen
Mehrzahl minimalinvasiv zu therapieren sind [12 ]
[13 ]
[14 ]
[15 ]
[16 ]
[17 ].
Ziel dieser Übersichtsarbeit ist es, die Rolle der Radiologie, die als Querschnittsfach
über bildgestützte Diagnoseverfahren und spezielle endovaskuläre Therapien verfügt,
für die effektive und effiziente Behandlung von Patienten mit einer seltenen komplexen
vaskulären Erkrankung in einem Interdisziplinären Zentrum für Gefäßanomalien darzustellen.
Klassifikation der Erkrankung
Klassifikation der Erkrankung
Die im Jahre 1992 veröffentlichte, von einem internationalen Expertenteam verfasste,
ISSVA Klassifikation der Gefäßanomalien wurde 2014 grundlegend aktualisiert. Intention
ist die Erstellung einer einheitlichen Nomenklatur für alle im Behandlungsprozess
beteiligten medizinischen Fachdisziplinen, so dass Diagnose und Behandlung frühzeitig
symptomorientiert gestaltet werden können. Die zunehmende wissenschaftliche Auseinandersetzung
mit den zugrunde liegenden genetischen Mutationen bei der Entstehung von Gefäßanomalien
wird in Zukunft auch eine ursachenorientierte Behandlung zulassen [6 ]. Dies wird bereits in ersten Ansätzen in der fetomaternalen Medizin vorgenommen
[5 ].
Angeborene Gefäßanomalien sind selten. Gefäßanomalien, die mit Schmerzen, funktioneller
und kosmetischer Einschränkung einhergehen, sollten therapiert werden, um Betroffenen
eine gute Lebensqualität zu ermöglichen und sekundäre Komplikationen abzuwenden. Nach
ISSVA werden Gefäßanomalien in Gefäßtumore und Gefäßmalformationen unterteilt. Für
eine umfassende tabellarische Auflistung sei auf die Literatur verwiesen [6 ]. Sie basieren auf einer komplexen mesenchymalen Entwicklungsstörung einer oder einer
Kombination mehrerer Gefäßarten. Abhängig von der dominierenden Gefäßkomponente werden
Gefäßanomalien in einfache arterielle, venöse, kapilläre und lymphatische oder kombinierte,
also u. a. in arteriovenöse, kapillärvenöse und venolymphatische Läsionen unterteilt.
Neben der vaskulären Zusammensetzung ist auch die Flusscharakteristik der Gefäßanomalie,
also „fast-flow“ oder „slow-flow“, ausschlaggebend für die Therapie [6 ]
[7 ]
[15 ]. Es gibt allerdings keine allgemein anerkannte Definition für die Unterscheidung
zwischen langsam und schnell fließenden Malformationen. Die fehlende Signalauslöschung
im T2-Bild wird von Einigen als Indiz für eine „Slow-flow“-Läsion herangezogen [18 ]
[19 ]. Im Interdisziplinären Zentrum für Gefäßanomalien am Universitätsklinikum Mannheim
liegt der Anteil der Säuglinge und jungen Erwachsenen bis 18 Jahren bei 55 % im Verhältnis
zu 45 % Erwachsenen in den Altersgruppen von 20 – 70 Jahren.
Die neue, fachübergreifende Klassifikation dieser Seltenen Erkrankung meist junger
Patienten lässt uns das potenzielle Spektrum notwendiger interdisziplinärer Behandlungskonzepte
erahnen. Das Krankheitsbild kann mannigfaltige Symptome hervorrufen. Eine optimale
Versorgung erfordert interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen einzelnen Fachdisziplinen.
Erkrankungsvielfalt und Behandlungsspektrum
Erkrankungsvielfalt und Behandlungsspektrum
Das klinische Erscheinungsbild von Gefäßanomalien ist sehr vielfältig und ebenso die
Symptome der betroffenen Patienten. Neben druckschmerzhafter Schwellung, Hautdyskoloration
und Exulzeration können u. a. schwerwiegende Manifestationen an inneren Organen und
Gelenken vorliegen, somit kann jedes Körperteil betroffen sein. Entsprechend der Erkrankungsvielfalt
variiert auch das Behandlungsspektrum von konservativen Maßnahmen wie Kompressionstherapie,
Analgetika und Antikoagulantien bis hin zu minimalinvasiven und offenen chirurgischen
Maßnahmen wie u. a. Sklero- und Embolotherapie und plastischen Lappendeckungen.
Gemäß der ISSVA entfallen ca. 70 – 80 % auf venöse, ca. 5 – 15 % auf lymphatische
und ca. 2 – 10 % auf arteriovenöse Malformationen [5 ]
[6 ]. Dieses Verteilungsmuster spiegelt sich in der Tat auch in der Behandlungsfrequenz
der Gefäßanomalien wieder. Am häufigsten kommt die Behandlung einer symptomatischen
slow-flow venösen Malformation vor, die an allen Körperregionen manifest werden kann.
Leitsymptom ist meist ein lang anhaltender Schmerz mit Funktionseinschränkung durch
rezidivierende Thrombophlebitiden, der durch Analgetika und Antikoagulantien alleine
nicht beherrscht werden kann.
Die klinische Diagnose wird mithilfe der radiologischen Bildgebung, meist Ultraschall
in Kombination mit MRT, gesichert. Die perkutane Sklerotherapie mit Polidocanol ist
die am häufigsten zum Einsatz kommende Behandlung [20 ]. Kombiniert mit Sonografie und Fluoroskopie wird die venöse Malformation (VM) perkutan
punktiert und phlebografiert. Nach Ausschluss einer Kontrastmitteldrainage aus der
VM in Leitvenen wird aufgeschäumtes Polidocanol (Äthoxysklerol® , Fa. Kreussler, Wiesbaden/Deutschland) unter Durchleuchtungskontrolle in das dysplastische
Venenkonvolut eingebracht bis eine Verdrängung des Kontrastmittels aus der VM zu dokumentieren
ist. In Abhängigkeit von der Größe der VM können eine oder mehrere perkutane Nadelpositionierungen
notwendig werden. Die Ausbildung der therapeutisch erwünschten Fibrose setzt nach
6 – 10 Wochen ein. Zudem besteht eine Dosislimitation des Sklerosates pro Behandlungssitzung.
Somit können ausgedehnte venöse Malformationen multiple Behandlungssitzungen erfordern.
Klinische Diagnose, Therapie und Verlauf einer VM nach perkutaner Sklerotherapie werden
exemplarisch anhand einer Patientenkasuistik gezeigt ([Abb. 1a – f ]).
Abb. 1 Symptomatische venöse Malformation (VM) am Grundglied von Digitus IV der rechten
Hand bei einem 8-jährigen Patienten. Schwellung und Schmerzen beeinträchtigen den
Jungen beim Schreiben a . Sonografisch imponiert eine subkutane echoarme VM b . Perkutane Punktion der VM und Kontrastierung c . Sklerotherapie unter fluoroskopischer Kontrolle mit aufgeschäumtem Polidocanol bis
zur Verdrängung des Kontrastmittels aus der VM d . Sonografische Verifikation der Polidocanolverteilung in der VM, die jetzt echoreich
zur Darstellung kommt e . Outcome 8 Wochen nach Sklerotherapie: deutliche Regredienz der Schwellung an Digitus
IV; der Patient hat keinerlei funktionelle Einschränkung mehr. Eine kleine VM mit
Schwellung am Mittelglied von Digitus V wurde bei fehlender klinischer Symptomatik
nicht sklerosiert f .
Obwohl Polidocanol für die Sklerotherapie venöser Malformationen keine zugelassene
Substanz ist, hat es sich national und international für diese Indikation zu einem
medizinischen Standard etabliert [8 ]
[21 ]. Ursprünglich wurde Polidocanol für die Behandlung der Varikose zugelassen. Vor
allem ausgedehnte venöse und oberflächlich epifaszial lokalisierte Malformationen
lassen sich damit effizient und umfassend therapieren.
Ein für die Sklerotherapie von venösen Malformationen zugelassenes, CE-zertifiziertes
Medizinprodukt, ist ScleroGel® (ab medica Deutschland GmbH & Co. KG) [22 ]
[23 ]. Es handelt sich um eine gelifizierte Lösung aus Ethanol 96 % mit Ethylzellulose,
die aufgrund hoher Viskosität eine längere Kontaktzeit mit dem Venenendothel zulässt
und damit einen intensiveren Sklerosierungseffekt erzeugt. ScleroGel weist ein gutes
Sicherheitsprofil auf. Aufgrund seiner gelierten Eigenschaft zeigt es nahezu keine
Verschleppungstendenz. Im Gegensatz zu Polidocanol sind mit ScleroGel meist weniger
Behandlungssitzungen erforderlich, um einen intensiven Sklerosierungseffekt zu erzielen.
Gerade bei der Therapie pädiatrischer venöser Malformationen reduziert sich dadurch
Behandlungsfrequenz und ggf. notwendige Allgemeinanästhesie für den Patienten. Diese
Aspekte rechtfertigen den Einsatz von ScleroGel trotz der hohen Kosten [22 ]. Bei strenger Anwendung innerhalb der Beschreibung des Beipackzettels darf allerdings
nur ein Volumen von 2 ml (entspricht einer Ampulle ScleroGel) pro Behandlung gegeben
werden, was dann wiederum einige der oben erwähnten Vorteile aufhebt. Die Anwendung
höherer Dosen kann aber mittlerweile als gesicherter Standard gelten, weshalb in erfahrenen
Händen nach entsprechender Aufklärung auch mehr als eine Ampulle ScleroGel bei einer
Sitzung eingesetzt werden kann.
Die Sklerotherapie von lymphatischen Malformationen (LM) wird meist mit Picibanil
(OK-432), einem lyophilisierten Gemisch von niedrig-virulenten Streptokokkus-A Stämmen,
vorgenommen [24 ]. Die Injektion von OK-432 erfolgt nach Verdünnung von 0,1 mg Picibanil in 10 ml
0,9 % Kochsalz. Pro Behandlung sollten nicht mehr als 20 ml entsprechend 0,2 mg appliziert
werden. Picibanil kann nach Injektion eine Leukozytose auslösen. Gelegentlich erzeugt
es Fieber, welches meist am vierten postinterventionellen Tag spontan wieder abklingt.
Insbesondere makrozystische LM sprechen auf die minimalinvasive Behandlung an. Lymphatische
Malformationen werden ebenfalls unter sonografischer und fluoroskopischer Kontrolle
perkutan punktiert und die Kommunikation der einzelnen Makrozysten dargestellt. Nach
Abpunktion der Lymphe wird das abgelassene Volumen durch ein Gemisch von Picibanil
in Kochsalzlösung ersetzt. Bei größeren LM empfiehlt sich die Behandlung mit einem
Pigtailkatheter, dessen Seitlöcher sowohl die Darstellung der LM als auch die Instillation
des Sklerosates erleichtern.
Arteriovenöse Malformationen (AVM) machen einen kleineren Anteil der Gefäßanomalien
aus, stellen jedoch aufgrund ihrer vaskulären Komplexität hohe Ansprüche an das minimalinvasive
Behandlungsspektrum. In der Regel unterstützt die prätherapeutische transarterielle
oder auch transvenöse Katheterangiografie die anatomische Differenzierung zwischen
zuführenden Arterien und Drainagevenen. Diese fast-flow-Gefäßanomalien erfordern meistens
mehrere Embolisationsbehandlungen bis der Nidus der AVM verschlossen und der AV-Shunt
unterbunden werden kann. [Abb. 2 ] zeigt die transarterielle Embolisation einer fast-flow-AVM am Finger mit dem Flüssigembolisat
Ethylenvinyl-Alkohol-Kopolymer (Onyx® , Covidien/Medtronic, Deutschland) ([Abb. 2a – d ]). Neben der transarteriellen Embolisation mit flüssigen Embolisaten wird neuerdings
auch zunehmend die perkutane Direktembolisation und die retrograde transvenöse Katheterembolisation
von arteriovenösen Malformationen angewendet [14 ]
[25 ]. Gerade komplexe fast-flow-AVM lassen sich oftmals nicht über den arteriellen Zugang
alleine embolisieren. Zudem besteht aufgrund der arteriovenösen Shunts ein großes
Risiko der Embolisatverschleppung. Um den Nidus der AVM sicher zu erreichen, etabliert
sich zunehmend der transvenöse retrograde Zugang zur Gefäßanomalie [25 ]. Der Nidusverschluss über den venösen Zugang kann mit Onyx als gut sichtbares Embolisat
mit sicherer und kontrollierbarer Injektion erreicht werden. Das hohe Sicherheitsprofil
dieser Substanz rechtfertigt den Einsatz von Onyx in der Standardtherapie von arteriovenösen
Malformationen. Die postinterventionelle Resektion der verschlossenen AVM ist, wenn
anatomisch möglich, eine wichtige Komponente im Behandlungsspektrum. Denn insbesondere
bei ausgedehnten Nidusembolisationen in Gelenknähe kann der Ausguss der AVM durch
Onyx, eine funktionelle Bewegungseinschränkung für den Patienten darstellen. Ein Tätowierungseffekt
mit Diskoloration der Haut nach Onyxembolisation oberflächlich lokalisierter AVM,
kann ebenfalls Indikation für eine Nidusresektion sein.
Abb. 2 Arteriovenöse Malformation (AVM) an Digitus III der rechten Hand bei einer 26-jährigen
Patientin. Makrodaktylie, Schwellung, Überwärmung und erhebliche Pulsation beeinträchtigen
die Patientin a . Angiografisch imponiert eine fast flow AVM des Arcus palmaris b . Superselektive Positionierung des Mikrokatheters im Nidus der AVM und Embolisation
mit Onyx c . In der angiografischen Kontrolle imponiert eine Devaskularisation des Nidus der
AVM von Digitus III d .
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Standardtherapie der verschiedenen
Formen der Gefäßmalformationen eine Domäne der interventionellen Verfahren ist.
Notwendigkeit zur Zentrenbildung
Notwendigkeit zur Zentrenbildung
Bei einer geschätzten Prävalenz von 300 000 venösen Malformationen, die die häufigste
Erkrankung aus diesem Formenkreis darstellt, hat Deutschland gegenwärtig noch zu wenig
gut vernetzte Zentren mit spezialisiertem Versorgungsangebot, was entsprechend lange
Wartezeiten bedingt.
In Anbetracht der Tatsache, dass es sich meist um sehr junge Patienten mit einer chronischen,
oft schweren und unbehandelt progredienten Erkrankung handelt, ist es umso wichtiger,
dass Krankheitssymptome rasch und zusammenhängend analysiert und klassifiziert werden
um adäquat behandelt zu werden. Ein interdisziplinärer Zusammenschluss verschiedener
Fachdisziplinen ermöglicht individuell angepasstes Patientenmanagement mit den dazu
notwendigen personellen und technischen Voraussetzungen. Gesamtziel einer Zentrumsbildung
ist die Bereitstellung fachkompetenter Diagnostik- und Behandlungsstandards in einem
interdisziplinären Setting, eine Optimierung und Koordination des klinischen Workflows
und die Etablierung fachübergreifender wissenschaftlicher Aktivität. Die Seltenheit
der Erkrankung kann zu einer eher kasuistischen Behandlung eines betroffenen Patienten
in einer einzelnen Fachdisziplin führen, da sie an einer großen Klinik eher Einzelfälle
darstellen. Entsprechend ist der Aufbau von Erfahrung sehr schwierig. Bei weniger
erfolgreicher Therapie wird der Patient sicherlich auch überregional weitere Hilfe
suchen und somit im Verlauf kaum beurteilbar sein. Da alle Organsysteme und Extremitäten
betroffen sein können, verteilen sich die wenigen Patienten auch auf verschiedene
Fachkliniken, was die Erfahrung in einer einzelnen, nicht fachübergreifenden Disziplin
nochmals vermindert.
Zusammenfassend ist gerade bei diesen seltenen, vielgestaltigen und jedes Organ betreffenden
Erkrankungen junger Menschen eine interdisziplinäre Zentrumsbildung, die entsprechende
Erfahrungen aufbauen kann, medizinisch wie organisatorisch notwendig.
Ziele eines Interdisziplinären Zentrums
Ziele eines Interdisziplinären Zentrums
Die Gründung eines Interdisziplinären Zentrums für Gefäßanomalien vertritt folgende
Ziele:
Optimale Patientenbehandlung bestehend aus Diagnostik, Therapie und Patientenbetreuung
durch interdisziplinären Austausch und Sammlung von größerer klinischer Erfahrung
in allen Fachbereichen für Gefäßanomalien.
Einsatz individueller patientenspezifischer Ganzkörperdiagnostik in Anlehnung an Manifestation
und Ausdehnung des Krankheitsbildes.
Fachübergreifende Indikationsstellung zur Behandlung unter Berücksichtigung des minimalinvasiven
Methodenspektrums (Chancen- und Risikoabwägung).
Anwendung dedizierter spezifischer interventionell radiologischer Eingriffe.
Schaffung diagnostischer und therapeutischer Qualitätsstandards.
Hohe Patientenzufriedenheit mit konsekutiver regionaler und überregionaler Standortwahrnehmung.
Steigerung des ambulanten und stationären Patientenaufkommens und Schaffung von Ergebnisverbesserung
Interdisziplinäre Ausschöpfung vorhandener gerätetechnischer und wissenschaftlicher
Ressourcen.
Etablierung interdisziplinärer Forschungskooperationen (u. a. Antragsstellungen im
Rahmen der Drittmittelakquisition); Projektförderungen durch Industrie und Medizintechnik;
Standortsicherung.
Zusammenarbeit mit Stiftungen, Selbsthilfegruppen (u. a. dem Bundesverband für Gefäßanomalien
[2 ]).
Besonders die Radiologie vermag die oben genannten Ziele einer Zentrumsgründung in
umfassender Weise zu erfüllen.
Rolle der Radiologie in einem Interdisziplinären Zentrum
Rolle der Radiologie in einem Interdisziplinären Zentrum
Gerade bei diesem komplexen Krankheitsbild besteht der Hauptbehandlungsmodus aus spezifischer
Diagnostik und interventioneller Therapie, da offen chirurgische Verfahren zwar eine
Rolle spielen können, jedoch nur in einer Minderheit der Patienten durchgeführt werden.
Damit sind gerade die Kernkompetenzen einer interdisziplinär ausgerichteten Radiologie
hier gefragt. Diesen Kernkompetenzen (dedizierte, organübergreifende Diagnostik und
minimalinvasive Therapie für die Mehrzahl der Patienten) steht jedoch ein strukturelles
Defizit der Radiologie in der direkten Patientenversorgung gegenüber. Somit liegt
die Herausforderung für die Radiologie in einer aktiven Teilnahme am klinischen Patientenmanagement,
um zum Beispiel Informationsverluste zwischen der notwendigen Diagnostik und Therapie
und der direkten Patientenbetreuung zu vermindern. Diese direkte klinische Betreuung
bietet der Radiologie eine Chance, ihr Spektrum zum Wohle der klinischen Patientenversorgung
aus einer Hand einzubringen. Da nur die Radiologie die gesamte Diagnostik und minimalinvasive
Behandlungsmethoden durchführt, ist sie ideal für die Führung eines Interdisziplinären
Zentrums für Gefäßanomalien geeignet. Darüber hinaus ist die Radiologie, wie keine
andere Fachdisziplin, interdisziplinäres Arbeiten gewohnt, welches einen wesentlichen
Bestandteil eines solchen Zentrums ausmachen muss.
Erfahrung und Kompetenz in der diagnostischen Radiologie sind wertvoller Bestandteil
einer effektiven und effizienten Patientenversorgung. Hochauflösender Ultraschall
inklusive der Kontrastmitteltechniken, Computertomografie der neuesten Generation,
die Mehrkanal-Magnetresonanztomografie und die Katheterangiografie erfüllen die notwendigen
gerätetechnischen Voraussetzungen für die Diagnostik dieser multifaktoriellen Erkrankungen.
Expertise in endovaskulären Behandlungstechniken, einschließlich der Sklero- und Embolotherapie,
bildet einen wichtigen Baustein in der Therapie, berücksichtigt man, dass fast 90 %
aller Behandlungen dieser Patienten minimalinvasiv interventionell durchgeführt werden
können [15 ]
[17 ]
[25 ]. Das therapeutische Spektrum ist vielfältig, es umfasst die Sklerosierungsbehandlung
mit Alkohol, Polidocanol und Picibanil (OK-432), die endovaskuläre und perkutane Lasertherapie,
die Radiofrequenzablation, die transarterielle, transvenöse und perkutane Embolisation
oder sogar eine Kombination dieser Verfahren [21 ]
[26 ]
[27 ]. In ca. 10 % wird auch in dieser Kombination eine offene Operation angewandt, die
einen integralen Bestandteil des anzubietenden Behandlungsspektrums darstellt.
Die Präambel der Deutschen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie und minimalinvasive
Therapie (DeGIR) verankert den Stellenwert der Interventionellen Radiologie für Diagnostik
und Therapie unter Einsatz minimalinvasiver Verfahren [28 ]. In Hinblick auf Therapieerfolg und Komplikationsrate sind minimalinvasive bildgestützte
Behandlungsverfahren in diesem Feld den offenen chirurgischen Verfahren mindestens
ebenbürtig und meistens sogar überlegen. Die Akademie für Fort- und Weiterbildung
der Deutschen Röntgengesellschaft unterstützt die Aktivitäten der DeGIR. Nach Absolvierung
eines Ausbildungsprogrammes kann Kernkompetenz in „Diagnostischer Radiologie“, die
bereits grundlegende Kompetenz in interventionellen Verfahren beinhaltet, zu „Interventioneller
Radiologie“ erweitert werden. Ein zweistufiges Zertifizierungsprogramm der DeGIR ermöglicht
die Weiterbildung von Radiologen in interventionellen Methoden. Dabei wird eine Basiszertifizierung
Interventionelle Radiologie durch eine Spezialzertifizierung ergänzt; diese Zertifizierungen
kann man für verschiedene Module beantragen, die jeweils einem klar definierten Spezialgebiet
der Interventionellen Radiologie entsprechen. Die Qualifikation bekommt man nur bei
Beleg einer entsprechenden Expertise; diese Expertise erfordert eine ausreichende
klinisch praktische Erfahrung durch Nachweis einer Mindestanzahl von selbstständig
durchgeführten interventionellen Eingriffen. Außerdem muss eine streng reglementierte
Fachprüfung abgelegt werden, die aus Multiple-choice-Fragen und einer mündlichen Fachprüfung
mit Lösung von Fallbeispielen besteht. Darüber hinaus ist dann noch der Nachweis von
regelmäßigen Fortbildungen zum Thema der Interventionellen Radiologie notwendig [28 ]
[29 ]
[30 ]. Auch besteht für Zentren mit langjähriger Expertise in interventioneller Diagnostik
und Therapie die Möglichkeit, im Rahmen eines DeGIR Zertifizierungsverfahrens, den
Status eines DeGIR Ausbildungszentrums zu erlangen [30 ]. Somit wird ein qualitätsgesicherter Standard, sowohl für Diagnostik als auch Therapie
gewährleistet und aufrechterhalten, was einem Interdisziplinären Zentrum für Gefäßanomalien
sehr entgegenkommt.
Unabhängig von den von Fachgesellschaften geforderten Ausbildungsstandards, unterstützt
eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit mit allen Fachdisziplinen, die Patienten
mit Gefäßanomalien mit- und weiterbehandeln, das Behandlungskonzept. Intensiver Austausch
mit den kooperierenden Fächern Pädiatrie, Kinderchirurgie, Hals-Nasen-Ohrenheilkunde
und Kopf-Hals Chirurgie, Dermatologie, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, Gefäßchirurgie
sowie Hämostaseologie ist essenzieller Bestandteil der Patientenversorgung. Es darf
nicht unerwähnt bleiben, dass notwendige Fachkompetenz für eine Zentrumsbildung durch
die Möglichkeit von Hospitationen und klinischen Trainingseinheiten an ausgewiesenen
Zentren, national und international, erweitert werden kann. Das nationale Hospitationsnetzwerk
der DeGIR mit Integration europäischer Qualifizierungsinitiativen in Interventioneller
Radiologie bietet hierfür einen ebenso bedeutenden Ausbildungspfeiler, insbesondere
wenn die Diagnostik und Therapie von Seltenen Erkrankungen im Mittelpunkt steht [30 ].
Konkrete organisatorische Anforderungen an die Organisationsstruktur
Konkrete organisatorische Anforderungen an die Organisationsstruktur
Ein radiologisches Interventionszentrum, ausgestattet mit multimodaler Bildgebung,
einer räumlichen Einheit für Anamneseerhebung, klinischer Untersuchung und Ultraschall
sowie einem Besprechungsraum mit integrierten Hardware und Software-Installationen,
der auch für interdisziplinäre Fallkonferenzen genutzt werden kann, bilden eine mögliche
optimale Plattform für ambulante Patientenvorstellung und Koordination von stationärer
Aufnahme und interventioneller Behandlung ([Abb. 3 ]).
Abb. 3 Bausteine einer medizinisch optimalen und effizienten interdisziplinären Patientenbehandlung.
Patienten mit Gefäßanomalien sind in der Mehrheit junge Menschen, die keine oder kaum
Komorbiditäten aufweisen. Somit unterscheiden sie sich wesentlich von Patienten mit
anderen Gefäßprozessen und breitem kardiovaskulären Risikoprofil, wie z. B. die pAVK,
die u. a. mit koronarer Herzkrankheit, arterieller Hypertonie, Diabetes mellitus und
deren Folgeerkrankungen wie diabetischer Nephropathie vergesellschaftet ist. Im Falle
einer minimalinvasiven Therapie ist davon auszugehen, dass diese Patienten eine Krankenhausverweildauer
von 3 – 4 Tagen nicht überschreiten werden und in der Regel auch keine intensivmedizinische
Versorgung in Anspruch genommen werden muss. Die Sklerotherapie von Gefäßanomalien
ist ein elektiv planbarer Eingriff und erlaubt eine langfristige Planung der stationären
Aufnahme und somit eine Optimierung der Bettenbelegungskapazität einer Klinik weit
im Voraus.
Ein Anteil von Patienten, insbesondere Säuglinge und Kleinkinder, erfordert anästhesiologisches
Monitoring während der Behandlung und im Falle einer notwendigen Vollnarkose während
des Eingriffs auch eine postinterventionelle Überwachung.
Patientenakquisition, Behandlung und Nachsorge sind wichtige und zeitintensive Bestandteile
der Organisationsstruktur eines Interdisziplinären Zentrums für Gefäßanomalien. Dies
kann nur gewährleistet werden, wenn die ärztliche Tätigkeit durch eine administrative
Vollzeitkraft unterstützt wird. Neben der Regelversorgung muss sich ein Interdisziplinäres
Zentrum für Gefäßanomalien auch den Herausforderungen im Bereich der Außenwirkung
stellen. Dazu gehören u. a. zügige Patiententerminierung, schneller Versand von ausführlichen
Befundberichten und Abstimmung mit Selbsthilfegruppen, Stiftungen und wissenschaftlichen
Gremien. Gute Vernetzung und interdisziplinäre Zusammenarbeit tragen entscheidend
zu einer guten fachübergreifenden Patientenversorgung bei. Dazu zählt auch die Ausrichtung
von Fallkonferenzen, Symposien und Kongressen, wissenschaftlich publikatorische Tätigkeit
und die Generierung von Drittmitteln für Forschung und Lehre auf dem Gebiet der Gefäßanomalien.
Molekularbiologische In-vitro- und In-vivo-Untersuchungen von Gefäßanomalien mit immunhistochemischen
und histopathologischen Analysen sind zeitaufwendig und personal- und kostenintensiv,
aber notwendig, um einer effektiven und effizienten Patientenversorgung gerecht zu
werden. Alle Bausteine einer medizinisch optimalen und effizienten interdisziplinären
Patientenbehandlung wurden in einer Grafik zusammengefasst ([Abb. 3 ]). Die personelle Zusammensetzung eines Interdisziplinären Zentrums für Gefäßanomalien
erfordert eine Infrastruktur, die sowohl die Bezugspflege als auch das Case-Management
beinhalten. Nur dadurch kann eine qualitativ hochwertige Versorgung der betroffenen
Patienten gewährleistet werden. Somit sollte das medizinische Fachpersonal über Zusatzqualifikationen
u. a. in Wundmanagement, Schmerztherapie und Psychologie verfügen. Ebenso sollten
Fachkenntnisse im Aufnahme- und Belegungsprozess vorhanden sein. Aufgrund der bisherigen
Unterversorgung von Patienten mit Gefäßanomalien ist davon auszugehen, dass nach Etablierung
eines Zentrums die Patientenzahlen steigen. Normalerweise unterstützt die Klinikverwaltung
in der Anfangsphase strukturell, um bei erkennbarem Erfolg zusätzliche personelle
Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Die adäquate Abbildung der angesprochenen minimalinvasiven
Therapien im Rahmen des DRG-Systems sollte eine Refinanzierung des personellen Mehraufwandes
ermöglichen. Insgesamt ist eine ausreichende personelle Grundausstattung notwendig,
um regional eine adäquate Patientenversorgung anbieten zu können.
Radiologisches Patientenmanagement
Radiologisches Patientenmanagement
Seltene Erkrankungen wie Gefäßanomalien sind häufig dadurch charakterisiert, dass
Patienten entweder mit einer nicht zutreffenden, oder gar keiner Diagnose überwiesen
werden. Vielfache Vorbehandlungen und lange Anamnesen sind zu berücksichtigen. Im
Rahmen des Patientenmanagements kommt dem Interdisziplinären Zentrum eine wesentliche
Rolle bei der frühzeitigen korrekten Diagnosestellung und Behandlung zu, was weitreichende
Folgen für den gesamten Krankheitsverlauf, die Lebensqualität und sozioökonomische
Faktoren hat. Die Komplexität von symptomatischen Gefäßanomalien erfordert meist eine
multifaktorielle Behandlung – diese kann zeitaufwendig sein. Patienten profitieren
dabei sehr von einem effektiven Zusammenschluss von kooperierenden Fachrichtungen.
Das Netzwerk sollte in wöchentlichen bis monatlichen Fallkonferenzen den interdisziplinären
Austausch kontinuierlich sicherstellen und besonders komplexe Fälle gemeinsam diskutieren,
die nur von jeweils zugezogenen Fachvertretern mit Erfahrung gelöst werden können.
Die Zeit zwischen ambulanter Vorstellung, Diagnosefindung und Therapie wird verkürzt,
was einer effektiven und effizienten Betreuung des Patienten zugutekommt.
Eine zentrale Verwaltungsstelle für Terminkoordinierung, Diagnostik und ambulanter
Nachsorge sollte ebenfalls eingerichtet werden. Eine Koordinationsstelle, die bereits
im Vorfeld elektronisch eine Krankenakte mit relevanten Patienteninformationen, Vorbefunden
und Bildgebung zusammenstellt, beschleunigt das Patientenmanagement wiederum. Im Anschluss
an Patientenvorstellung und Beratung wird nicht nur dem Überweiser, sondern auch dem
Patienten ein dezidierter Befundbericht mit Diagnose und Therapie übermittelt.
Zu einer optimalen Versorgung des Patienten trägt auch die direkte Betreuung durch
den behandelnden interventionellen Radiologen bei. Dieser verfügt über ein breitgefächertes
Spektrum diagnostischer Verfahren und kann, je nach Krankheitsausprägung und Befundkonstellation,
dem Patienten fachkompetent ein individuelles minimalinvasives Therapiekonzept anbieten
und dabei auch gleichzeitig die Nachsorge sicherstellen. Radiologische Diagnostik,
minimalinvasive Therapie und Verlaufskontrolle sollten integraler Bestandteil einer
eigens dafür etablierten speziellen Ambulanzeinheit werden, in der Patienteninformationen
eingehen und straffe Terminkoordinierung im Sinne einer Primärversorgung gewährleistet
werden kann.
Stationäre Versorgung im Krankenhaus
Stationäre Versorgung im Krankenhaus
Komplexe Gefäßanomalien erfordern spezialisierte Maßnahmen. Gerade komplexe arteriovenöse
Malformationen, die durch Begleitsymptome wie Ulkusbildung und Superinfektion kompliziert
werden können, profitieren von einer stationären Versorgung auf einer spezialisierten
Station mit medizinischem Fachpersonal, das u. a. über Zusatzqualifikationen in Wundmanagement
und Schmerztherapie verfügt.
Die Variante einer eigenen bettenführenden Station in der Radiologie hat den Vorteil
hochspezialisierte Maßnahmen in hoher Qualität durch diejenigen anzubieten, die die
Diagnostik und Therapie tatsächlich durchführen. Der interventionelle Radiologe ist
dabei zu jedem Zeitpunkt der Behandlung in die Versorgung seines Patienten eingebunden.
Ebenso kann die Ausschöpfung von Ressourcen verbessert werden, da Patienten elektiv
nach Fallschwere und Notwendigkeit einer interventionellen Therapie planbar aufgenommen
werden. Dies wirkt sich entsprechend auf den „Diagnosis Related Groups“ Erlös (DRG-Erlös)
aus, der direkt der Radiologie als bettenführende Abteilung zugeordnet werden kann
[31 ]. Eine leistungsgerechte Vergütung durch „Radiologie-eigene“ Betten kann wiederum
in Erhaltung und Ausbau spezialisierter Infrastruktur für minimalinvasive Diagnostik
und Therapie investiert werden. An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass eine eigene
Bettenstation in der Radiologie, gerade in der gegenwärtigen Zeit knapper personeller
und ökonomischer Ressourcen, an Bedingungen geknüpft ist, die erfüllt sein müssen.
Neben der Personalbindung auf einer Station gilt es, ein Qualitätsmanagement aufrecht
zu erhalten, unter anderem für die Bereiche Hygiene, Transfusion und DRG-Kodierung.
Somit kann die stationäre Betreuung von Patienten mit Gefäßanomalien auf einer gemeinsamen
interdisziplinären Station eine sinnvolle Alternative zu eigenen rein radiologischen
Betten sein. Faktoren wie fehlende Komorbidität bei jungen Patienten, elektive Behandlungsplanung
und Möglichkeit der stationären Auslastung, verleihen Gefäßanomalien einen besonderen
Stellenwert in der stationären Versorgung.
Ökonomische Implikationen einer Zentrumsbildung
Ökonomische Implikationen einer Zentrumsbildung
Im Gegensatz zu kardiopulmonalen und onkologischen Erkrankungen, die fast regelhaft
einer sehr dringlichen Behandlung bedürfen, erfordert die Mehrzahl der Patienten mit
Gefäßanomalien eher eine elektive und damit planbare Behandlung. Termine für Ambulanzvorstellung
und stationäre Versorgung können mit ausreichend Vorlauf nach Eingang aller Vorinformationen
vorbereitet werden. Somit können viele Patienten zum Zeitpunkt der ambulanten Erstvorstellung
extern bereits durchgeführte Apparate- und Labordiagnostik sowie radiologische Bildgebung
vorlegen, so dass klinikinterne Ressourcen für dezidierte, die Behandlungsplanung
betreffenden Fragestellungen, zur Verfügung stehen. Diagnose, Therapie und postinterventioneller
Verlauf (Analgesie, Kompressionstherapie, Bettruhe) sind standardisiert, so dass die
ärztliche Dokumentation für den MDK (Medizinischer Dienst der Krankenkassen) vereinfacht
und plausibel wird.
Im ICD-10 Diagnosekatalog befasst sich das Kapitel XVII „angeborene Fehlbildungen,
Deformitäten und Chromosomenanomalien“ mit Gefäßanomalien [32 ]. Für die Diagnoseverschlüsselung von Patienten mit Gefäßanomalien kommen vor allem
folgende Kodierungen in Betracht:
Sonstige angeborene Fistel des Kreislaufsystems (Q28.81)
Sonstige nicht näher bezeichnete angeborene Fehlbildungen des Kreislaufsystems (Q28.88)
Angeborene Fehlbildung des Kreislaufsystems, nicht näher bezeichnet (Q28.9)
Angeborene Fehlbildung des peripheren Gefäßsystems, nicht näher bezeichnet (Q27.9)
Einen Großteil der Behandlungen bei Gefäßanomalien machen die OPS Prozeduren 8 – 836.9 D
(perkutan transluminale Gefäßintervention – selektive Embolisation mit Flüssigkeiten
– Gefäßmalformation) in Kombination mit 8 – 83b.20 (Zusatzinformation Material Art
der Flüssigkeiten zur selektiven Embolisation Ethylenvinylalkohol) und 8 – 836.9 D
(perkutan transluminale Gefäßintervention – selektive Embolisation mit Flüssigkeiten
–Gefäßmalformation) in Kombination mit 8 – 83b.22 (Zusatzinformation Material Art
der Flüssigkeiten zur selektiven Embolisation Ethylenvinylalkohol Copolymer) aus (OPS
Katalog 2016) [33 ].
In Kenntnis der Tatsache, dass venöse Malformationen mit über 70 % die häufigste Gefäßanomalie
ausmachen und diese meist mit Äthoxysklerol-Sklerosierung behandelt werden, so ergibt
sich bei einem aktuellen Fallgewicht von 1,84 eine Bewertung der Behandlung, die im
DRG Katalog (Diagnosis Related Groups) mit der F59B abgebildet wird und in Relation
zu den niedrigen Materialkosten gut bewertet wird [34 ]. In den Fällen, wo der medizinische Einsatz von teureren Embolisationsmaterialien
indiziert ist, stellt sich die Relation ungünstig dar.
Die elektive Planbarkeit der Therapie einer Gefäßanomalie, fehlende Komorbiditäten
der jungen Patienten und eine gute Bewertung der Behandlung venöser Malformationen
sind Argumente dafür, dass eine effektive und effiziente Patientenversorgung in einem
Interdisziplinären Zentrum für Gefäßanomalien realisiert werden kann.
Schlussfolgerung
Der Versorgungsbedarf von Patienten mit Gefäßanomalien ist national und international
weiterhin uneingeschränkt hoch. Aufgrund der Komplexität und Seltenheit der Erkrankung
sollten Diagnostik und Therapie in einem Interdisziplinären Zentrum mit Fachkompetenz
implementiert werden.
Die Radiologie als Querschnittsfach mit diagnostischen und minimalinvasiven therapeutischen
Möglichkeiten bildet eine optimale Schnittstelle für die Führung eines Interdisziplinären
Zentrums für Gefäßanomalien. Darüber hinaus ist die Radiologie, wie keine andere Fachdisziplin,
interdisziplinäres Arbeiten gewohnt, welches einen wesentlichen Bestandteil eines
solchen Zentrums ausmachen muss.