Pneumologie 2017; 71(09): 566
DOI: 10.1055/s-0043-114234
Pneumo-Fokus
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Pulmonale NTM-Erkrankungen bedeuten hohe Krankheitslast und Kosten

Diel R. et al.
Burden of non-tuberculous mycobacterial pulmonary disease in Germany.

Eur Respir J 2017;
49: pii 1602109
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Publication Date:
31 August 2017 (online)

 

    Durch nichttuberkulöse Mykobakterien (NTM) verursachte pulmonale Erkrankungen sind selten. Die Inzidenz dieser chronischen, langsam progressiven und auf lange Sicht sehr belastenden Erkrankungen steigt weltweit an. Die Bedeutung der Krankheitslast und krankheitsbedingter Kosten ist bisher nicht genau bekannt. Dass ihr Ausmaß beträchtlich sein kann, haben Diel et al. in einer umfangreichen retrospektiven Analyse festgestellt.


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    Für ihre Fall-Kontroll-Studie analysierten die Wissenschaftler Daten von etwa über 7 Millionen deutschen gesetzlich Krankenversicherten. Anhand des ICD-10-Codes A31.0 identifizierten sie für die Jahre 2010 – 2011 Patienten mit neu diagnostizierter pulmonaler NTM-Erkrankung. Die Patienten wurden über 3 Jahre nach dem Quartal nachbeobachtet, in dem erstmals A31.0 kodiert worden ist. Unter der Voraussetzung einer vollständig möglichen Nachbeobachtung von insgesamt 39 Monaten bezog sich die Inzidenzrate auf 4,8 Mio. Krankenversicherte. Passend zur Patientengruppe wurde die Kontrollgruppe im Verhältnis 1:10 gebildet. Der Einfluss von Komorbiditäten auf die Inanspruchnahme medizinischer Ressourcen war Teil der Analyse. Daten von Patienten und Kontrollpersonen mit Krankheiten, die die Therapieadhärenz beeinträchtigten, gingen nicht in die Auswertung ein. Dazu gehörten u. a. Alzheimerkrankheit, schwere Depression, Drogenabhängigkeit, Multiple Sklerose.

    Inzidenz

    Insgesamt 125 Patienten mit pulmonaler NTM-Erkrankung und 1250 Kontrollpersonen erfüllten die Studienkriterien. Das Durchschnittsalter der Patienten lag bei 49,8 Jahren und 50,4 % waren Frauen. Die kumulative Inzidenzrate erreichte 2,6/100 000 (Männer 2,67/100 000, Frauen 2,53/100 000). Für das Jahr 2010 betrug die Inzidenzrate 1,12 und 1,48 für 2011.

    Kosten

    Die gesamten direkten Ausgaben betrugen pro Patient über 39 Monate 39 559,60 € und pro Kontrollperson im selben Zeitraum 10 006,71 €. Daraus resultieren pro Jahr und Patient 9093,20 € der pulmonalen NTM-Erkrankung zurechenbare direkte Kosten. 63 % der Gesamtkosten entfielen auf die Versorgung im Krankenhaus – etwa 3-mal soviel wie für Kontrollpersonen. 21,8 % aller direkten Kosten entfielen auf Arzneimittelausgaben (kumuliert 6 454,70 €). Die Differenz des durchschnittlichen Produktivitätsverlusts zwischen einem Patienten und einer Kontrollperson erreichte 3968,40 € über 39 Monate oder 1221,05 € pro Jahr.

    Krankheitslast

    Verglichen mit der Kontrollgruppe hatten die Patienten im Beobachtungszeitraum 10 zusätzliche Arztbesuche, Besuche beim Lungenspezialisten waren 12-mal häufiger. Die pulmonale NTM-Erkrankung resultierte in 71,2 Arbeitsunfähigkeitstagen, in der Kontrollgruppe waren es 26,6 Tage. Innerhalb der 39 Beobachtungsmonate starben 22,4 % der Patienten und 6 % der Kontrollpersonen. Die Mortalität der Patienten war innerhalb des ersten Quartals der Diagnose 10-mal höher als bei den Nichterkrankten. Bei COPD-Patienten mit pulmonaler NTM-Erkrankung erreichte die Mortalität 41,5 %, bei COPD-Patienten ohne pulmonaler NTM-Erkrankung 15,9 %.

    74,4 % der Patienten erhielten während der Nachbeobachtung ein Antibiotikum, wobei die Therapie bei 54,4 % zum Zeitpunkt der Diagnose begann. Die Kombination Clarithromycin plus Ethambutol war mit 25,8 % die häufigste verschriebene Medikation.

    Fazit

    Diese Studie belegt, dass durch NTM verursachte pulmonale Erkrankungen erhebliche Krankheitslasten und Kosten zur Folge haben. Das Sterblichkeitsrisiko und die gesamten direkten Kosten sind bei den Patienten fast 4-fach erhöht. Nach Ansicht der Autoren ist es dringend nötig, die Patienten leitliniengerecht zu behandeln.

    Matthias Manych, Berlin


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