physiopraxis 2017; 15(10): 48-49
DOI: 10.1055/s-0043-113982
Therapie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

Box and Block Test – Das grobe Geschick

Isabelle Lehmann
,
Markus Kraxner

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Publication History

Publication Date:
19 October 2017 (online)

 

Um die Grobgeschicklichkeit der Arme zu messen eignet sich der Box and Block Test. Er ist zuverlässig, gut erforscht und enthält umfangreiche Normwerte für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Außerdem kann man ihn leicht selbst herstellen.


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Isabelle Lehmann

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Isabelle Lehmann, MSc, ist Physiotherapeutin und arbeitet als Therapieexpertin in der akuten, subakuten und rehabilitativen Neurologie und Neurochirurgie am Universitätsspital Inselspital Bern. Markus Kraxner, Ergotherapeut aus Österreich, arbeitet in der Akutpsychiatrie sowie im neurologischen und geriatrischen Fachbereich. Er engagiert sich für www.handlungsplan.net – eine kostenfreie Internetplattform für Ergotherapeuten.

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Beim Box and Block Test haben Patienten eine Minute Zeit, um so schnell wie möglich einzelne Würfel auf der anderen Seite abzulegen.
Abb.: S. Gallbrunner, Klinik Judendorf-Strassengel

Der Box and Block Test (BBT) entstand bereits in der Mitte des 20. Jahrhunderts. In seiner Urform verwendete man zunächst eine Schüssel und Holzblöcke, um die grobe Geschicklichkeit als Teil der Armfunktion zu messen. Seine endgültige äußere Form als offene Holzbox mit zwei Fächern erhielt der BBT schließlich im Jahr 1957 durch Patricia Holser Buehler und Elisabeth Fuchs.

Einsatz in der Neuroreha

Ziel des Box and Block Tests ist es, die unilaterale Grobgeschicklichkeit zu messen. Hierfür muss eine Testperson würfelförmige Holzblöcke von einer Seite der Kiste auf die andere transportieren. Der US-amerikanische Ergotherapeut Virgil Mathiowetz ermittelte in den 1980er Jahren Normwerte für Kinder und Jugendliche von 6 bis 19 Jahren [6] und für Erwachsene ab 20 Jahren [5]. Die Stichprobengröße lag bei 471 beziehungsweise 628 Personen. Das standardisierte Messverfahren nutzen Physio- und Ergotherapeuten hauptsächlich in der neurologischen Rehabilitation, zum Beispiel bei Zerebralparese, Schlaganfall, Schädel-Hirn-Trauma und Multipler Sklerose. In der Leitlinie „Motorische Therapien für die Obere Extremität zur Behandlung des Schlaganfalls“ der Deutschen Gesellschaft für Neurologische Rehabilitation ist in Kombination mit anderen Tests der BBT empfohlen, um Armaktivitäten zu messen [12]. Für Patienten mit wenig Hand-Arm-Funktion besteht aber ein Bodeneffekt [12]. Nach Ansicht von Mathiowetz können Patienten mit eingeschränkter beziehungsweise geminderter Intelligenz und/oder eingeschränkter allgemeiner Geschicklichkeit den Test ebenfalls durchführen [5].

Der Box and Block Test eignet sich, um gemeinsam mit anderen Testverfahren Therapieerfolge sichtbar zu machen.


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150 Würfel und eine Minute Zeit

Die offene Holzbox können Physiotherapeuten selbst herstellen, allerdings müssen sie die genauen Abmessungen von Virgil Mathiowetz einhalten. Die Maße betragen 53,7 x 25,4 x 8,5 cm (Länge/Breite/Höhe). In der Mitte befindet sich eine 15,2 cm hohe Trennwand, welche die Seitenwände deutlich überragt. Außerdem gehören 150 lackierte Holzwürfel mit einer Kantenlänge von je 2,5 cm zum Material. Um den Lärmpegel während der Testung zu reduzieren, kann man die Unterseite zum Beispiel mit einem geräuschdämpfenden Schaumstoff beziehen.

Der Patient sitzt auf einem geeigneten Stuhl an der langen Seite eines Tisches in Standardhöhe. Direkt vor ihm befindet sich die Holzkiste, mit ihrer Längsseite parallel zur Längsseite des Tisches. Der Therapeut sitzt ihm gegenüber. Die Würfel befinden sich immer in der Hälfte der Box, die auf der Seite des zu testenden Arms liegt. Zuerst testet man den dominanten Arm. Dazu legt der Patient seine Hand zu Beginn neben die Kiste, mit der Handfläche nach unten auf den Tisch. Die Aufgabe besteht darin, innerhalb von einer Minute so viele Holzwürfel wie möglich einzeln über die Trennwand in die leere Hälfte der Box zu befördern. Der Therapeut demonstriert ein Mal die Aufgabenstellung und gibt die Anweisung: „Ich möchte feststellen, wie schnell Sie einzelne Blöcke mit Ihrer rechten (linken) Hand aufheben können.” Dann zeigt er auf die jeweilige Hand. Bevor es losgeht, muss der Patient einen fünfzehnsekündigen Probedurchgang mit jedem Arm durchführen. So ist sichergestellt, dass die Anweisungen verstanden wurden. Der Patient muss die Würfel nicht auf dem Boden der anderen Seite ablegen, sondern kann sie nach dem Überqueren der Trennwand fallen lassen. Sollten ihm dabei Würfel herunterfallen, wertet man sie trotzdem. Gewertet wird die Anzahl der über die Trennwand transportierten Würfel. Wenn jemand zwei oder mehr Holzwürfel auf einmal transportiert, wird dennoch nur einer gewertet.


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Therapieerfolge quantitativ abbilden

Die Ergebnisse gleicht der Therapeut mit der altersgruppenspezifischen Normwerttabelle ab (Normwerte). Die durchschnittlichen Normwerte liegen beispielsweise bei gesunden Männern von 50 bis 54 Jahren mit der rechten Hand zwischen 62 und 106 Würfeln (Mittelwert: 79). Die höchsten Leistungen erbringen Testpersonen im Alter von 20 bis 24 Jahren, mit einem Mittelwert von bis zu 88,2 Würfeln – abhängig von Geschlecht und dominantem Arm. Übrigens: Frauen erzielen in der Regel bessere Ergebnisse als gleichaltrige Männer. Der BBT gibt nicht vor, inwieweit man unterdurchschnittliche Werte interpretieren soll. Erreicht ein Patient die Normwerte nicht, weist das allerdings darauf hin, dass bei ihm eine Funktionsstörung der Grobgeschicklichkeit vorliegt. Damit ist der Test geeignet, um den Therapieerfolg einer Maßnahme quantitativ abzubilden. Der BBT kommt auch bei Kindern zum Einsatz, bei denen man zum Beispiel die Feinmotorik aus verschiedenen Gründen nicht sinnvoll testen kann. Der Test gibt dann zumindest einen Überblick über die Grobgeschicklichkeit.


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Gut erforscht

Das Assessment wurde in zahlreichen Forschungsarbeiten auf seine Reliabilität und Validität hin überprüft [1–4, 8, 9]. Die Test-Retest-Reliabilität und die Interrater-Reliabilität sind in mehreren Arbeiten als exzellent beschrieben, wobei geringe, krankheitsbildabhängige Unterschiede auftreten können. Der Korrelationskoeffizient liegt durchweg bei > 0,9 [2, 10, 11]. Demnach erzielen auch andere testende Personen bei wiederholter Durchführung vergleichbare Ergebnisse. Bei der Untersuchung der Kriteriums- und Konstruktvalidität zeigten sich, ebenfalls geringfügig abhängig vom vorliegenden Krankheitsbild, exzellente bis gute Werte [3, 4, 8–11]. Vor allem in Korrelation zu ähnlich gelagerten Testverfahren wie dem Nine-Hole-Peg-Test, dem Action-Research-Arm-Test (ARAT) und dem Fugl-Meyer-Assessment [3, 8–10].


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Nicht alleine einsetzen

Der BBT misst genau das, was er soll, nämlich die unilaterale Grobgeschicklichkeit. Er ist zuverlässig, gut erforscht und verfügt über umfangreiche Normwerte bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen.

Der Test ist rein auf die Arm-Hand-Funktion ausgerichtet. Als alleiniger Wirkungsnachweis für physiotherapeutische Interventionen ist er unserer Einschätzung nach daher nicht geeignet. Hilfreich ist er als Teil einer Basis- und Verlaufsdiagnostik zu motorischen Funktionen in alle Phasen der neurologischen Rehabilitation. Hier kann er dazu dienen, eine Funktionsstörung festzustellen und deren Verlaufsveränderungen genau zu dokumentieren.

Isabelle Lehmann und Markus Kraxner

Normwerte

Zum Download

Die Originalarbeiten von Mathiowetz inklusive der Normwerttabellen lassen sich kostenfrei im Internet abrufen:


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Beim Box and Block Test haben Patienten eine Minute Zeit, um so schnell wie möglich einzelne Würfel auf der anderen Seite abzulegen.
Abb.: S. Gallbrunner, Klinik Judendorf-Strassengel