physiopraxis 2017; 15(11/12): 70
DOI: 10.1055/s-0043-113965
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Die Rechtsfrage: Muss Fahrzeit wie Arbeitszeit vergütet werden?

Karsten Bossow

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Publikationsdatum:
24. November 2017 (online)

 

„Ich arbeite an zwei Standorten eines Reha-Zentrums. Mein Arbeitgeber verlangt, dass ich für die Fahrt von einer Einrichtung zur anderen nur 30 Minuten berechne. Tatsächlich benötige ich mit den Öffentlichen 1,5 Stunden. Muss ich dafür wirklich meine Freizeit opfern?”

Therapeutin aus Nordrhein-Westfalen


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Karsten Bossow ist seit 1999 Rechtsanwalt. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht und Medizinrecht beantwortet seit 2012 Ihre Leserfragen.

Die Antwort unseres Experten

Grundsätzlich umfasst die vergütungspflichtige Arbeitszeit die Zeit, in der der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber vertragsgemäß zur Verfügung zu stellen hat. Dauer und Lage der Arbeitszeit bestimmt der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktions- bzw. Weisungsrechts, genau wie die vom Arbeitnehmer zu erledigenden Aufgaben und die Art und Weise ihrer Ausführung.

Im Fall der Leserin übte der Arbeitgeber sein Direktionsrecht zunächst aus, indem er ihr die einzelnen Patienten und somit Arbeitsorte sowie die einzuhaltenden Termine zugewiesen hat. Der Arbeitgeber kann und muss zudem auch die Lage und Dauer der Ruhepausen vorgeben. Möglich sind jedoch auch Vereinbarungen, wonach der Arbeitnehmer je nach Arbeitsanfall die Lage der Ruhepausen selbst bestimmt. Während einer solchen Pause ist die Arbeitszeit unterbrochen. Der Arbeitnehmer muss in dieser Zeit weder Arbeit leisten noch sich für Arbeit bereithalten. Erforderlich ist, dass der Arbeitnehmer spätestens zu Beginn der Pause weiß, wie lange sie dauert, ab wann er sich also wieder zur Arbeit bereithalten muss. Da der Arbeitnehmer in der Pause keine Arbeitsleistung erbringen muss, hat er für diese Zeit auch keinen Vergütungsanspruch. Fraglich ist nun, ob auch Wegezeiten als Arbeitszeit zu berücksichtigen und zu bezahlen sind.

Grundsätzlich wird auf dem Weg zur Arbeit keine Arbeitsleistung erbracht. Allerdings muss der Arbeitgeber nicht nur die eigentliche vertragliche Tätigkeit vergüten, sondern auch jede andere von ihm im Rahmen des Arbeitsverhältnisses verlangte Tätigkeit, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. Dazu gehören auch die Wegezeiten zwischen den angeordneten Arbeitsorten, sofern diese im Laufe des Arbeitstags anfallen. Es können in bestimmten Fällen sogar der Weg von der Wohnung zum ersten Arbeitsort und vom letzten Arbeitsort zur Wohnung als Arbeitszeit anzusehen sein. Auch wenn der Arbeitnehmer also im Bus sitzt, um von einem Arbeitsort zum anderen zu gelangen, handelt es sich nicht um eine Pause. Wartezeiten zwischen zwei Bussen können hingegen je nach Länge als Pause anzusehen sein.

Wie sind nun diese Wegezeiten zu vergüten? Arbeitgeber und Arbeitnehmer könnten für Wegezeiten eine andere Vergütungshöhe vereinbaren als für Behandlungszeiten – was allerdings mit erheblichem Verwaltungsaufwand verbunden wäre. Gibt es keine gesonderte Vereinbarung, schuldet der Arbeitgeber die vereinbarte Vergütung auch für die Wegezeiten zwischen den Einsatzorten.

Karsten Bossow


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