physiopraxis 2017; 15(10): 62
DOI: 10.1055/s-0043-113943
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

Die Rechtsfrage: Mein Patient raucht. Kann ich mich weigern, ihn zu behandeln?

Karsten Bossow

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Publication Date:
19 October 2017 (online)

 

„Bei einem Patienten, den ich zu Hause behandle, wird stark geraucht, auch während der Therapie. Ich finde das eklig und es schadet meiner Gesund-heit. Kann ich in Absprache mit meinem Chef etwas dagegen unternehmen?”

Therapeutin via Facebook


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Karsten Bossow

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Karsten Bossow ist seit 1999 Rechtsanwalt. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht und Medizinrecht beant-wortet seit 2012 Ihre Leserfragen.

Die Antwort unseres Experten

Der Arbeitgeber hat gemäß § 5 Arbeitsstättenverordnung die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die nicht rauchenden Beschäftigten in Arbeitsstätten – also in den Praxisräumen – wirksam vor den Gesundheitsgefahren durch Tabakrauch geschützt werden, bis hin zu einem Rauchverbot, das sich auf einzelne Bereiche der Praxis beschränken kann. Die Arbeitsstättenverordnung greift nach meiner Einschätzung aber nicht, wenn die Tätigkeit in den Räumlichkeiten des Patienten ausgeübt wird. Gerichtliche Auseinandersetzungen zu dieser Frage oder Urteile darüber sind mir bisher nicht bekannt.

Allerdings ist der Arbeitgeber gemäß Unfallverhütungsvorschriften und Arbeitsschutzgesetz auch bei der Arbeit seiner Mitarbeiter außerhalb der Praxisräume verpflichtet, die „erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes“ zu treffen. Die Arbeit ist dabei so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird. Um das sicherzustellen, ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitsplatz des Mitarbeiters auf Gefährdungen zu untersuchen und zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. Im Gesetz sind ausdrücklich chemische und biologische Einwirkungen am Arbeitsplatz als mögliche Gefährdungen benannt – das würde also auch die Gesundheitsgefahr durch Tabakrauch einschließen.

Beschäftigte sollen dem Arbeitgeber mitteilen, wenn sie Gefahren feststellen. Ignoriert der Arbeitgeber dies und ändert nichts an der gefährlichen Situation, können sich die Mitarbeiter an die zuständige Behörde wenden. Nachteile dürfen ihnen hieraus nicht entstehen.

Im Fall der Fragestellerin bedeutet dies, dass sie den Arbeitgeber über die Gesundheitsgefahren am konkreten Arbeitsplatz beim Patienten informieren sollte. Der Arbeitgeber muss dann die notwendigen Maßnahmen ergreifen, also in der Regel mit dem Patienten und seinen Angehörigen sprechen oder die Tour umstellen, sodass die Mitarbeiterin den Gesundheitsgefahren nicht mehr ausgesetzt ist. Letztlich könnte sie auch in einem Gerichtsverfahren feststellen lassen, dass ihr die Tätigkeit bei einem rauchenden Patienten unzumutbar ist. Dann kann sie die Arbeit bei diesem Patienten sogar verweigern, ohne ihren Lohnanspruch zu verlieren. Auf jeden Fall sollte sie sich in ihrem konkreten Fall anwaltlich beraten lassen.

Karsten Bossow


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