Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2017; 24(04): 161-162
DOI: 10.1055/s-0043-113753
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

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Unn Klare
1   Behnkenhagen
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25 August 2017 (online)

 

Choleraepidemie im Jemen

Der Jemen leidet derzeit unter einem der größten Choleraausbrüche der jüngeren Geschichte: Innerhalb von nur 3 Monaten erkrankten fast 420 000 Menschen, mindestens 1992 von ihnen verstarben an den Folgen der Infektion. Zum Vergleich: Im Jahr 2015 (das letzte Jahr, für das vollständige Zahlen vorliegen) wurden weltweit 172 450 Cholerafälle gemeldet – ein Wert, der im Jemen schon nach 7 Wochen erreicht und innerhalb von 11 Wochen verdoppelt wurde.

Epidemie verläuft ungebremst

Bereits im Herbst letzten Jahres war es im Jemen zu einem Choleraausbruch gekommen, der aber über den Winter abgeklungen war. Nach starken Regenfällen und mit dem Ansteigen der Temperaturen wurden dann Ende April aus der Hauptstadt Sanaa und der etwas südlich davon gelegenen Provinz Ibb jedoch erneut erste Fälle gemeldet. Innerhalb kürzester Zeit breitete sich dieser Ausbruch zu einer landesweiten Epidemie aus. Die Region Haddscha im Nordwesten des Landes ist derzeit am stärksten betroffen. Einzig aus der Provinz Sokotra – einem mehr als 350 km vor der jemenitischen Küste liegendem Archipel – wurden bisher keine Fälle gemeldet.

Ein Abflauen des Ausbruchs ist immer noch nicht zu beobachten – auch im Juli wurden nach wie vor täglich mehr als 7000 Neuinfektionen gemeldet. Allerdings ist es mit dem Einsetzen der internationalen Hilfe gelungen, die Letalität deutlich zu senken: Verstarben bis Mitte Mai noch 1,7 % der Erkrankten, so lag der Wert Mitte Juli bei unter 0,5 %.


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Jemen benötigt Hilfe

Nichtsdestotrotz ist das seit Jahren von Konflikten und Bürgerkrieg zerriebene Land nach wie vor mit der Epidemie komplett überfordert. Das Gesundheitssystem lag schon vor dem Ausbruch am Boden: In den vergangenen Jahren sind circa 300 Krankenhäuser bei Kämpfen beschädigt oder zerstört worden. Derzeit sind nur noch circa 45 % aller medizinischen Einrichtungen geöffnet und auch in diesen verbliebenen Institutionen fehlt es an Medikamenten, Ausrüstung und medizinischem Personal. Viele der noch geöffneten Krankenhäuser fungieren mittlerweile als reine Cholerazentren, für andere Erkrankungen oder Verletzungen sind schlicht keine Ressourcen vorhanden.

Eine Eindämmung des Ausbruchs ist unter den herrschenden Bedingungen ausgesprochen schwierig. Denn nicht nur das Gesundheits-, sondern auch das Sanitärsystem im Land ist großteils zerstört. Die Mehrheit der Bevölkerung hat keinen Zugang zu sicherem Trinkwasser, viele sind von Hunger bedroht und etwa 3 Mio. Jemeniten sind innerhalb des Landes auf der Flucht. Ohne verstärkte internationale Hilfe wird dieser Ausbruch in den kommenden Monaten nicht unter Kontrolle zu bringen sein.


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Schwarze Witwen in Venezuela

Schon der Name „Schwarze Witwe“ klingt Respekt einflößend. Und tatsächlich besitzen zumindest die amerikanischen Vertreter dieser nur etwa einen (mit Beinen 4) Zentimeter großen Spinnen ein potenziell für den Menschen tödliches Gift.

Allerdings sind Schwarze Witwen längst nicht so gefährlich wie oft angenommen. Sie sind eher scheu, beißen nur, wenn sie sich in akuter Lebensgefahr wähnen (sogar wenn man sie mehrfach mit dem Finger anstupst, laufen sie lieber davon) und sind selbst dann mit ihrem Gift recht sparsam. Gelangt dieses Gift – ein Neurotoxin – jedoch in den menschlichen Körper, kommt es zu krampfartigen Bauchschmerzen und zu unbehandelt oft tagelang andauernden, starken Muskelschmerzen. Schwere Verläufe sind recht selten – von den 1866 Personen, die im Jahr 2013 in Amerika von Schwarzen Witwen gebissen wurden, zeigten nur 14 schwere Symptome. Vor allem für Kinder, Ältere und Kranke ist ein Biss potenziell aber auch lebensbedrohlich. Seitdem in Nordamerika ein Antiserum zur Behandlung verfügbar ist, gab es jedoch praktisch keine Todesfälle in Nordamerika mehr.

Tote durch fehlendes Antiserum

Das natürliche Verbreitungsgebiet aller 3 amerikanischen Arten von Schwarzen Witwen ist auf den Norden des Kontinents beschränkt und erstreckt sich von Guatemala bis nach Kanada. Seit einigen Jahren tritt die Südliche Schwarze Witwe (Latrodectus mactans) jedoch auch in Venezuela auf, wo sie sich vor allem in den Andenregionen und den westlichen Landesteilen stetig weiter verbreitet. Wie die Art nach Südamerika gelangte, ist unklar, vermutet wird eine Einfuhr über Kolumbien und Panama.

Mit der Ausbreitung in Venezuela kommt es dort auch zu einer steigenden Anzahl von Spinnenbissen – und zwar auch mit letalen Folgen. Denn weil die Schwarze Witwe in Venezuela nicht endemisch ist, besitzt das Land auch keine Antiserumvorräte. Im Notfall muss das Serum aus Mittel- oder Nordamerika eingeflogen werden. Das kostet Zeit – um eine gute Wirkung zu entfalten, sollte es jedoch innerhalb von 6 Stunden nach einem Biss verabreicht werden.

So kommt die Hilfe für einige Patienten zu spät: Allein dieses Frühjahr sind 2 junge Männer im Nordwesten des Landes an den Folgen eines Spinnenbisses gestorben. Mindestens 5 weitere Personen überlebten hier den Biss einer Schwarzen Witwe. Es bleibt zu hoffen, dass das venezolanische Gesundheitswesen reagiert und dazu übergeht, Notfallreserven des Antiserums im Land aufzubewahren.


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Gelbfieberausbruch in Brasilien beendet

Der Südosten Brasiliens meldete in den vergangenen Monaten den größten amerikanischen Gelbfieberausbruch des letzten Jahrzehnts. Seit Dezember 2016 waren hier 784 humane Infektionen mit 267 Todesfällen registriert worden. Mittlerweile scheint der Ausbruch aber unter Kontrolle zu sein. Seit Ende Mai traten keine Neuinfektionen mehr auf.

In der Nachbereitung dieses Ausbruchs wird einmal mehr auf die Gefahren einer weltweiten Verschleppung von Krankheitserregern in der heutigen, globalisierten Welt aufmerksam gemacht: So kam es in den USA, in Argentinien, Uruguay, Spanien, Italien und auch Deutschland zu jeweils mindestens einem Gelbfieberimportfall im Zuge dieses Ausbruchs.

In den 3 amerikanischen Staaten sind diese Importfälle besonders gefährlich, weil dort ein wichtiger Vektor des Gelbfiebers, die Mückenart Aedes aegyti, ebenfalls verbreitet ist. Auf dem europäischen Festland ist diese Mückenart nicht endemisch, wohl aber die nahe verwandte Ae. albopictus. Auch wenn bisher weltweit noch keine Belege dafür vorlegen, dass dieser Vektor unter natürlichen Bedingungen tatsächlich das Gelbfieber überträgt, so weiß man doch, dass er potenziell dazu in der Lage ist.


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Botulismus in der Ukraine

Seit Beginn des Jahres erkrankten in der Ukraine bereits 76 Menschen an Botulismus, mindestens 8 von ihnen verstarben an den Folgen der Lebensmittelvergiftung. Die meisten der Infektionen erfolgten durch den Konsum von verdorbenem, getrockneten Fisch, der das Botulinumtoxin Typ E enthielt.

Problematisch bei diesem Ausbruch war das Fehlen von Antitoxinen gegen Botulismus in der Ukraine: Im Jahr 2014 war eine Lizenz für das dort gebräuchliche Antitoxin aus russischer Produktion abgelaufen, seither konnten die Vorräte nicht mehr aufgestockt werden. Das hatte zur Folge, dass bis Mitte 2017 in den meisten Krankenhäusern kein Antitoxin mehr vorhanden war und Patienten nicht adäquat versorgt werden konnten.

Erst Anfang Juli erreichte durch ein UN-Programm eine Lieferung eines kanadischen Antitoxins die Ukraine, sodass die Behandlung zumindest für die nähere Zukunft wieder gewährleistet ist.


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Pflichtimpfungen in Frankreich und Italien

Seit Januar 2016 erkrankten in Europa mehr als 14 000 Menschen an den Masern, 35 verstarben an den Folgen der Infektion. In Italien erkrankte ein Junge an Tetanus und jedes Jahr sterben auch in Europa Kinder am Keuchhusten (weltweit sind es fast 200 000). Alle diese Fälle sind vermeidbar. Die Menschheit besitzt das Wissen und die Möglichkeiten, einige dieser Krankheiten sogar komplett auszurotten. Aber die Bekämpfung der Krankheiten stagniert. In einigen Weltregionen liegt dies an Kriegen, fehlenden Ressourcen und Strukturen – in Europa hauptsächlich an der Impfverweigerung oder -müdigkeit der Bevölkerung.

Dies hat in den vergangenen Monaten Diskussionen um die Wiedereinführung einer Impfpflicht in Deutschland befeuert (seit dem Ende der Pockenpflichtimpfung 1976 gibt es hier wie auch in der Schweiz und Österreich nur noch Impfempfehlungen). In anderen europäischen Ländern ist man weiter, so besteht unter anderem in Belgien, Italien, Frankreich und Ungarn schon seit Längerem eine Impfpflicht für bis zu 4 Krankheiten.

Als Reaktion auf den anhaltenden europäischen Masernausbruch haben Italien und Frankreich diese Regelung nun weiter verschärft: Zukünftig müssen alle Kinder bei Schuleintritt gegen Polio, Diphtherie, Tetanus, Mumps, Masern, Rötel, Pertussis, Hepatitis B, Haemophilus influenzae Typ b, Pneumokokken und Meningokokken C geimpft sein. In Italien kommen noch die Windpocken hinzu. Es drohen Strafgelder, ungeimpfte Kinder dürfen weder Kindergärten noch Schulen besuchen und sogar Beschränkungen der elterlichen Rechte durch das Jugendamt sind möglich. Gleichzeitig sollen Informationskampagnen über die Wichtigkeit von Impfungen gestartet werden.


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Tote durch unsachgemäße Impfungen im Südsudan

Im Südsudan sind die Masern weit verbreitet, seit Beginn des Jahres 2016 erkrankten hier etwa 3000 Menschen, mindestens 29 von ihnen verstarben an den Folgen der Infektion. Mit einer landesweiten Impfaktion sollten nun etwa 2 Mio. Kinder erreicht werden, um sie vor den Masern zu schützen.

Dabei ist es allerdings zu einer Tragödie gekommen: Bei einer für 300 Kinder ausgelegten Impfkampagne in der Kleinstadt Kapoeta wurde für alle Kinder dieselbe Nadel verwendet und der Impfstoff über die Dauer der 4-tägigen Aktion nicht gekühlt. In der Folge verstarben 16 Kinder an einer Blutvergiftung, 32 weitere litten unter Fieber, Erbrechen und Durchfall. Da anscheinend die finanziellen Mittel zur Ausbildung von Mitarbeitern der Impfteams gefehlt hatten, waren die Impfungen teilweise von ungelernten Freiwilligen verabreicht worden. Darunter sollen auch Kinder im Alter von nur 12 oder 10 Jahren gewesen sein.

Quelle: promed


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