Z Orthop Unfall 2017; 155(04): 391-392
DOI: 10.1055/s-0043-112299
Für Sie gelesen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Bedeutung des anterolateralen Ligaments bei der vorderen Kreuzbandplastik

Noyes FR. et al.
Is an anterolateral ligament reconstruction required in ACL reconstructed knees with associated injury to the anterolateral structures? A robotic analysis of rotational knee stability.

Am J Sports Med 2017;
45: 1018-1027
Weitere Informationen

Dr. Christoph Harms, Rostock


Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
16. August 2017 (online)

 

    Noyes FR et al. Is an anterolateral ligament reconstruction required in ACL reconstructed knees with associated injury to the anterolateral structures? A robotic analysis of rotational knee stability. Am J Sports Med 2017; 45: 1018 – 1027


    #

    Über die Frage einer primären Bandplastik des anterolateralen Ligaments (ALL) und des iliotibialen Bandes (ITB) im Rahmen einer Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes (ACL) wird kontrovers diskutiert.

    Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Fragestellung, inwieweit einerseits das Fehlen des ALL beim ACL-rekonstruierten Gelenk die Stabilität beeinträchtigt und wie sich andererseits die Stabilität und die Belastung auf das ACL durch Rekonstruktion des ALL verändert.

    Zoom Image
    Abb. 1 Das vordere Kreuzband (ACL) verläuft vom Condylus ossis femoris lateralis nach anteromedial zur Area intercondylaris tibiae. Es besteht aus 2 funktionellen Bündeln, dem anteromedialen (AM-) und dem posterolateralen (PL-)Bündel. Quelle: Welsch F et al. Komplexe Kniebandinstabilitäten einschließlich Luxation – Teil 1. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 2016; 11: 379 – 403.

    Im Rahmen einer kontrollierten experimentellen Studie wurden 7 präparierte Kniegelenke 5 Messzyklen unterworfen. Die Stabilität der Kniegelenke wurde nacheinander mit intaktem ACL, mit durchtrenntem ACL, mit BTB-rekonstruiertem ACL, mit durchtrenntem ALL/ITB und mit rekonstruiertem ALL gemessen. Die BTB-Plastik wurde mit einem 10-mm-Transplantat durchgeführt, welches femoral mit einer Interferenzschraube und tibial über eine Messeinrichtung fixiert wurde, sodass die auf das Transplantat wirkende Spannung ermittelt werden konnte. Die ALL-Plastik erfolgte mit einem Gracilis-Transplantat, welches anatomisch mit definierter Spannung fixiert wurde. Ein Messzyklus umfasste die Ermittlung der medialen und lateralen Kompartmenttranslation und der Innenrotation unter Lachmann-Bedingungen. Zusätzlich erfolgte die Messung mit Innenrotationstress und mit 2 Pivot-Shift-Manövern.

    Die Rekonstruktion des ACL stellte die Stabilität des Kniegelenkes sowohl beim Lachmann-Test als auch unter Innenrotationsstress wieder her. Die Durchtrennung von ALL und ITB führte zu einer moderat vermehrten Innenrotation bei Belastung. Die Translation des lateralen Kompartiments vermehrte sich dabei um weniger als 2 mm. Durch die anschließende Rekonstruktion des ALL konnte die Stabilität bei Innenrotationsstress nahezu wiederhergestellt werden. Die auf die ACL-Bandplastik ausgeübte Belastung reduzierte sich durch die ALL-Plastik signifikant bei den Pivot-Shift-Tests und beim Innenrotationsstresstest.

    Obwohl die Bandplastik des ALL die geringe Innenrotationsinstabilität korrigierte, hatte die ALL-Bandplastik doch keinen Effekt auf die tibiofemorale Translation beim Pivot-Shift-Test.

    Dementsprechend ist zu hinterfragen, ob eine ALL-Plastik die Pivot-Shift-Instabilität behebt. Die geringe Zunahme der Rotationsinstabilität bei durchtrenntem ALL lässt eine ALL-Plastik im Rahmen einer primären ACL-Plastik nicht sinnvoll erscheinen. Ausnahmen sehen die Autoren bei hochgradiger Pivot-Shift-Instabilität und in der Revisionschirurgie.

    Fazit

    Die Arbeit ist eine experimentelle Studie einer Reihe ähnlicher Studien dieser Art, die die Stabilitätszunahme durch eine ALL-Plastik nach ACL-Rekonstruktion differenziert betrachtet.

    Die vorgestellte Arbeit erscheint unter Berücksichtigung ihres experimentellen Charakters wegweisend für die Bedeutung des anterolateralen Ligaments in der Kreuzbandchirurgie. Weitere Untersuchungen sind jedoch nötig, um die Indikation einer derartigen Prozedur im Klinikalltag zu überprüfen.


    #

    Dr. Christoph Harms, Rostock



    Zoom Image
    Abb. 1 Das vordere Kreuzband (ACL) verläuft vom Condylus ossis femoris lateralis nach anteromedial zur Area intercondylaris tibiae. Es besteht aus 2 funktionellen Bündeln, dem anteromedialen (AM-) und dem posterolateralen (PL-)Bündel. Quelle: Welsch F et al. Komplexe Kniebandinstabilitäten einschließlich Luxation – Teil 1. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 2016; 11: 379 – 403.