Belastbare Untersuchungen zur Fertilität nach Torsion oder anderen Hodenerkrankungen
sind naturgemäß nicht Gegenstand der Kinder- und Jugendmedizin. So stützt sich auch
eine aktuelle Leitlinie bei der Zusammenfassung prognostischer Daten nach Hodentorsion
auf Untersuchungen Erwachsener, die, vergleichbar dieser Arbeit, z. T. älteren Datums
sind, aber anderen Quellen entspringen. Danach scheint die verringerte Gesamtmenge
an Keimepithel der eigentliche Faktor zu sein [1, 2]. Die resultierende Subfertilität
wurde in 36 – 39 % von Patienten nach Hodentorsion beschrieben; normale Untersuchungsbefunde
des Ejakulates fanden sich in weniger als der Hälfte der Fälle im Langzeit-Follow-up
[1]. In Vergleichen mit der Normalpopulation waren Hinweise auf temporär oder permanent
erhöhte Spiegel an Auto-Antikörpern gegen Spermien nach durchgemachter Torsion widersprüchlich
und am Ende statistisch nicht signifikant; gleiches gilt für Untersuchungen zum Hormonstatus
(FSH, LH und Testosteron) [2, 4, 5]. Aufgrund der geringen Inzidenz der Hodentorsion
und des zu berücksichtigenden Salvage-Effektes durch zeitgerechte Detorsion wurde
der durch sie bedingte Anteil an der männlichen Infertilität letztlich mit unter 1 %
angegeben [6].
Die Daten der vorliegenden Studie scheinen dies zu bestätigen, indem sich die Rate
einer in fester Partnerschaften realisierten Schwanger- (oder besser?) Vaterschaft
sowohl nach einseitiger Orchiektomie als auch nach Detorsion und Pexie eines torquierten
Hodens nicht von der Normalpopulation unterscheidet. Berücksichtigt man religiöse
und soziale Argumente der Autoren gegen etablierte Untersuchungen auf der Basis von
Spermiogrammen, so scheint mit der Schwangerschaftsrate ein alternativer, wenig invasiver
Parameter gefunden. Sind die Aussagen jedoch vergleichbar? Bei kleiner Fallzahl fallen
bereits 80 % der Patienten heraus, die zu jung und/oder nicht verheiratet sind bzw.
nicht in einer festen Partnerschaft leben. Die zunächst bei ca. 10 % der verbleibenden
Kohorte ausbleibende Vaterschaft kann am Ende durch In-vitro-Fertilisation der Partnerinnen
realisiert werden. Dem gehen, wie auch bei der anderen Hälfte vermutlich infertiler
Patienten, Spermiogramme voraus, die die tatsächliche Fertilität beurteilen.
Der von den Autoren gut begründete Weg, die Schwangerschaft der Partnerin als Indikator
für die männliche Fertilität zu wählen, benötigt offensichtlich einen langen Atem,
was die Bildung ausreichend große Kohorten mit statistischer Aussagekraft betrifft.
Und sie verzichtet am Ende doch nicht auf das Spermiogramm. Man wünschte sich Daten
von höherer Vorhersagekraft, um die Fertilität der zahlenmäßig begrenzten Gruppe von
Patienten nach Hodentorsion besser zu erfassen. Dass entsprechende Parameter existieren,
zeigen aktuelle Arbeiten aus der Reproduktionsmedizin [7]. Auch ist die Bewertung
einer Subfertilität mit Blick auf den realisierten Kinderwunsch im Fluss. Solche systematische
Nachuntersuchungen wären nicht nur von individuellem Interesse betroffener Patienten.
Im Rahmen des Akutereignisses einer Torsion könnten die Ergebnisse auch helfen, die
Dringlichkeit aller Bemühungen um einen Hodenerhalt zu untermauern.
Der Autor
Prof. Dr. med. Christian Lorenz, Klinik für Kinderchirurgie und -urologie, Klinikum Bremen-Mitte
Literatur
[1] Ferreira U et al. Comparative study of the fertility potential of men with only
one testis. Scand J Urol Nephrol 1991; 25: 255 – 159
[2] Schütte B et al. Exocrine and endocrine testicular function following unilateral
torsion – a retrospective clinical study of 36 patients. Urologe A 1986; 25: 142 – 146
[3] Visser AJ, Heyns CF. Testicular function after torsion of the spermatic cord.
BJU Int 2003; 92: 200 – 203
[4] Arap MA et al. Late hormonal levels, semen parameters, and presence of antisperm
antibodies in patients treated for testicular torsion. J Androl 2007; 28: 528 – 532
[5] Romeo C et al. Late hormonal function after testicular torsion. J Pediatr Surg
2010; 45: 411 – 413
[6] Turner TT, Brown KJ. Spermatic Cord Torsion: Loss of spermatogenesis despite return
of blood flow. Biol Reprod 1993; 49: 401 – 407
[7] Lotti F et al. Semen quality impairment is associated with sexual dysfunction
according to its severity. Hum Reprod 2016; 31: 2668 – 2680