physiopraxis 2017; 15(09): 34-36
DOI: 10.1055/s-0043-110520
Therapie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

Arthrofibrose – Dehnen nicht erwünscht

Eric Röhner
,
Anke Mayfarth
,
Timo Zippelius

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
15. September 2017 (online)

 

Langwierig und äußerst schmerzhaft: Patienten, die nach einer Operation oder Verletzung eine Arthrofibrose entwickeln, brauchen Geduld. Denn die Pathogenese der schmerzhaften Beweglichkeitseinschränkung ist noch ungeklärt, sodass man in der Therapie rein symptomatisch vorgeht. Die Physiotherapie spielt dabei die wichtigste Rolle.


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PD Dr. med. Eric Röhner (links) ist Orthopäde und Unfallchirurg und arbeitet als Oberarzt am Waldkrankenhaus „Rudolf Elle“ in Eisenberg in Thüringen. Seine Spezialgebiete sind periprothetische Infektionen, Knie- und Hüftgelenksendoprothetik sowie Revisionsendoprothetik. Anke Mayfarth ist Physiotherapeutin, MA, und Klinikreferentin im Waldkrankenhaus „Rudolf Elle“. Dort arbeitet auch Dr. med. Timo Zippelius. Er ist Orthopäde und Unfallchirurg.

Bei der Arthrofibrose reichern sich vermehrt Bindegewebszellen in einem Gelenk an, was mit einer Entzündungsreaktion und schmerzhaften Einschränkung der Beweglichkeit einhergeht. Das Krankheitsbild kann in Folge einer Gelenkoperation oder nach Verletzungen auftreten [1]. Als klinisch relevant gelten ein Extensionsdefizit von 10 Grad oder mehr sowie eine Flexionsfähigkeit von weniger als 90 Grad. 2015 betrug laut dem deutschen Prothesenregister die Arthrofibroserate nach Implantation von Kniegelenkprothesen 3,8 Prozent [2]. Das deckt sich auch mit aktuellen Register- und Studiendaten, die zwischen 3 und 16 Prozent angeben [3, 4]. Damit ist die Arthrofibrose neben der aseptischen Lockerung, Infektionen und Instabilitäten eine wichtige Ursache für eine Revisionsoperation nach einer Knie-TEP-Implantation [4–6].

Die Physiotherapie zielt auf Entspannung und Verbesserung der Beweglichkeit ab.

Ursachen, Risikofaktoren und Differentialdiagnose

Bei der Arthrofibrose unterscheidet man eine primäre oder generalisierte Form von einer sekundären oder lokalisierten. Die primäre Arthrofibrose betrifft in der Regel das gesamte Gelenk. Es kommt zu einer generalisierten Bindegewebsvermehrung mit entzündlicher, fibrotischer Reaktion aller Binnenstrukturen des Gelenks [1, 7]. Eine eindeutige Ursache ist bis heute nicht nachgewiesen. Doch Infektionen und länger anhaltende Gelenksirritationen scheinen die Entstehung der generalisierten Form zu begünstigen. Auch systemische Erkrankungen des Bewegungsapparates (zum Beispiel Rheumatoide Arthritis), Diabetes mellitus oder eine Neigung zur Narbenbildung gelten als Risikofaktoren, welche die Ausbildung einer postoperativen Arthrofibrose begünstigen können [8, 9]. In der Kniegelenkendoprothetik spielt auch der präoperative Bewegungsumfang eine Rolle: Patienten, die bereits vor der Prothesenimplantation eine eingeschränkte Beweglichkeit aufweisen, haben in der Regel postoperativ ein schlechteres Ergebnis als Patienten mit normalem Bewegungsumfang. Ein weiterer Risikofaktor scheint ein überdurchschnittlicher postoperativer Schmerz zu sein [8, 10].

Meist ist der Verlauf einer primären Arthrofibrose langwierig und kann sich über Jahre hinziehen [7]. Klinisch zeigen die Patienten ein geschwollenes, teilweise druckschmerzhaftes Gelenk mit Hypertrophie der Gelenkkapsel und des Hoffa’schen Fettkörpers [7]. In der Regel haben sie ein kombiniertes Flexions- und Extensionsdefizit mit endgradig „hartem Anschlag“ [7]. Die generalisierte Arthrofibrose zeigt einen rezidivierenden Verlauf.

Die sekundäre Arthrofibrose entsteht aufgrund einer meist lokal begrenzten mechanischen Ursache. Durch Protheseninstabilität oder Fehlpositionierung einzelner Komponenten kann es zum Beispiel zu einer Impingementsymptomatik kommen, wodurch sich die Kapsel lokal verdickt. Im Gegensatz zur generalisierten Form lässt sich die lokalisierte Arthrofibrose gut behandeln, indem der Auslöser beseitigt wird. Daher ist sie zeitlich begrenzt [7].


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Differentialdiagnose und Pathogenese

Postoperative Bewegungseinschränkungen nach einer Knie-TEP-Implantation können aber auch andere Ursachen haben. Differentialdiagnostisch gilt es daher, eine periprothetische Infektion oder muskuläre Ursachen auszuschließen. Daher wird der Begriff Arthrofibrose nur für Bewegungseinschränkungen verwendet, die durch eine pathologische Bindegewebsvermehrung mit inflammatorischer Begleitreaktion verursacht werden. Dies sind die Anhaltspunkte, die pathogenetisch sicher feststehen, denn die genaue Entstehung ist bislang noch nicht geklärt [11]. Die meisten Hypothesen stützen sich darauf, dass es durch Trauma oder Operation in das betroffene Gelenk einblutet, woraus sich eine Hypoxie im intraartikulären Gewebe entwickelt. Das wiederum kann zu einem interstitiellen Ödem führen, wodurch die Beweglichkeit schmerzbedingt eingeschränkt ist. Durch inflammatorische Prozesse bildet sich Granulationsgewebe und vermehrt auch Kollagen 6, das sich vor allem in der Extrazellulärmatrix befindet. So entwickelt sich die Gelenkfibrose [4,12]. Andere Modelle erklären die Fibrose als pathologische Wundheilung, die durch eine gestörte und unausgewogene Zytokin-Regulation entsteht [1].

Ein Extensionsdefizit von 10 Grad oder mehr sowie eine Flexionsfähigkeit von weniger als 90 Grad gelten bei einer Arthrofibrose als klinisch relevant.

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ABB. Die gestörte Trophik ist auf einen Blick zu erkennen.
Abb.: E. Röhner

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Therapie

Bei einer sekundären Arthrofibrose steht an erster Stelle, die mechanische Ursache zu beseitigen. Im weiteren Verlauf sowie in der Behandlung einer primären Arthrofibrose besteht die Herausforderung darin, die Patienten nur symptomatisch zu behandeln, da die Pathogenese noch nicht vollständig geklärt ist (PATIENTENINFORMATION, S. 36). Die Physiotherapie mit paralleler Schmerztherapie spielt dabei eine entscheidende Rolle. Die Ziele sind Schmerzreduktion, Resorptions- und Stoffwechselförderung, Sympathikusinhibierung sowie Narbenbehandlung [14]. Daher eignen sich Manuelle Lymphdrainage, myofaszialer Release, Autogenes Training und andere Entspannungstechniken [14]. Die Motorschiene kann durch die passiven, kontinuierlichen Bewegungen unterstützen, vorausgesetzt sie bereitet dem Patienten keine Schmerzen. Einen klaren Nachweis für deren Nutzen gibt es jedoch nicht. Auch Akupunktur und eine Kortisonbehandlung in niedriger Dosierung können den Verlauf begünstigen.

Der Verlauf einer primären Arthrofibrose ist langwierig. Teilweise zieht sich die Behandlung über Jahre.

Zu vermeiden sind möglichst alle Behandlungsmethoden, die in den Bewegungsschmerz hineinarbeiten. Daher ist parallel zur Physiotherapie eine adäquate Schmerztherapie empfehlenswert. Da es sich bei einer Arthrofibrose nicht um verkürzte Muskulatur handelt, sind passive und aktive Dehnübungen bis zum Schmerzreiz nicht empfehlenswert. Auch Kompressionstherapien, ausgedehnte Traktionsbehandlungen, ausgiebiges Muskelaufbautraining sowie forcierte Mobilisation des betroffenen Gelenkes sind kontraproduktiv [14].

Bei der generalisierten Arthrofibrose ist die konservative Therapie in der Regel nur mäßig erfolgreich. Bleibt der Therapieerfolg über mehrere Monate aus, empfiehlt sich etwa nach einem Jahr Therapieresistenz eine Arthroskopie oder eine offene Arthrolyse. Aufgrund der hohen Rezidivrate empfehlen die meisten Autoren eine vollständige Resektion des narbigen Bindegewebes, um einen dauerhaften Therapieerfolg zu erzielen [2, 7, 13]. Nach dem Eingriff sind die Motivation und Compliance des Patienten eine Grundvoraussetzung, um die gewonnene Beweglichkeit dauerhaft zu erhalten [3, 13].

Bis vor einigen Jahren galt die Narkosemobilisation als Therapiemaßnahme. Doch davon kommt man mehr und mehr ab, da ein dauerhafter Therapieerfolg meist nicht eindeutig belegt ist und die Mobilisation mit einem hohen Komplikationsrisiko behaftet ist.

Eric Röhner, Anke Mayfarth, Timo Zippelius


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ABB. Die gestörte Trophik ist auf einen Blick zu erkennen.
Abb.: E. Röhner