In einer prospektiv-randomisierten Studie (RCT) wurde die Wirkung von Desmopressin
gegen Placebo getestet, bei Männern mit LUTS, die unter einer medikamentösen Therapie
mit einem Alpha-Blocker an einer persistierenden Nykturie litten. Primärer Endpunkt
war die Verringerung der Anzahl der Nykturie-Episoden. Die Autoren fanden eine Überlegenheit
von Desmopressin gegen Plazebo bezüglich des primären Endpunktes (– 1,13 ± 0,92 vs.
– 0,68 ± 0,79, p = 0,034). Auch verringerte sich das nachts produzierte Urinvolumen
und die Scores zur subjektiven Symptomatik, u. a. IPSS. Die Autoren schlussfolgern,
dass Desmopressin bei Männern im Alter von 40 bis 65 Jahren, die wegen LUTS mit einer
Alpha-Blocker-Monotherapie behandelt werden, und deren Nykturie unter der Therapie
persistiert, mit Zugabe von Desmopressin effektiv und sicher behandelt werden können
[1].
Wie bereits eine frühere RCT bei Patienten mit BPH [2] und eine case-control-Studie
bei Patienten mit LUTS [3] ist auch die o. g. Studie [1] nicht ausgelegt, nur Patienten
mit nächtlicher Polyurie einzuschließen. Vielmehr werden aus einem differentialdiagnostisch
nicht abgeklärten Patientenkollektiv mit LUTS diejenigen Patienten zusätzlich mit
Desmopressin behandelt, deren Nykturie unter Tamsulosin-Medikation persistierte. Mit
der Kombination von Tamsulosin und Desmopressin verabreichen die Autoren ihrem Studienkollektiv
zwar zwei Medikamente, die jeweils die Häufigkeit der Nykturie verringern können,
die jedoch bei unterschiedlicher Indikation wirken. Tamsulosin ist aufgrund der Blockade
der Alpha-Rezeptoren indiziert zur symptomatischen Therapie des benignen Prostatasyndroms
(BPS) bzw. „LUTS suggestive of BPH“, Tamsulosin adressiert die nächtliche Pollakisurie.
Desmopressin hat aufgrund seines antidiuretischen Effekts eine deutliche Wirkung auf
die Nykturie und ist indiziert bei nächtlicher Polyurie [4].
Natürlich ist es möglich, dass sich aus einem Kollektiv mit LUTS durch Beseitigung
bzw. Persistenz der Nykturie aufgrund der Gabe von Tamsulosin diejenigen Patienten
identifizieren lassen, bei denen die Nykturie durch eine nächtliche Polyurie verursacht
wird, auch wenn ein Miktionsprotokoll dies zweifelsfreier zu leisten vermöchte. Andererseits
gibt es wahrscheinlich viele Patienten ohne nächtliche Polyurie, deren nächtliche
Pollakisurie auf Tamsulosin nicht ausreichend anspricht. Da diese Patienten von Desmopressin
nicht profitieren können, ist die Medikation nicht indiziert.
Der Schlussfolgerung der Studie kann nicht widersprochen werden, eine Interpretation
dahingehend, dass bei BPS-bedingten LUTS mit unzureichender Wirkung von Tamsulosin
auf die Nykturie die Kombination mit Desmopressin indiziert sei, jedoch nicht statthaft.
Der Autor
Prof. Dr. Dr. med. Rolf Muschter, Urologisches Zentrum Lübeck
Literatur
[1] Kim JC, Cho KJ, Lee JG, et al. Efficacy and Safety of Desmopressin Add-On Therapy
for Men with Persistant Nocturia on α-Blocker Monotherapy for Lower Urinary Tract
Symptoms: A Randomized, Double-Blind, Placebo Controlled Study. J Urol 2017; 197:
459 – 464
[2] Bae WJ, Bae JH, Kim SW et al. Desmopressin Add-On Therapy for Refractory Nocturia
in Men Receiving α-Blockers for Lower Urinary Tract Symptoms. J Urol 2013; 190: 180 – 186
[3] Wang CJ, Lin YN, Huang SW et al. Low Dose Oral Desmopressin for Nocturnal Polyuria
in Patients with Benign Prostatic Hyperplasia: A Double-Blind, Placebo Controlled,
Randomized Study. J Urol 2011; 185: 219 – 223
[4] Cvetkovic RS, Plosker GL: Desmopressin in Adults with Nocturia. Drugs 65 (2005)
99 – 107