Raff AB.
et al.
A predictive model for diagnosis of lower extremity cellulitis: A cross-sectional
study.
J Am Acad Dermatol 2017;
76: 618-625
Sie analysierten retrospektiv Patienten, die zwischen 2010 und 2012 in der Notaufnahme
ihres Krankenhauses mit der Diagnose Cellulitis der unteren Extremität aufgenommen
worden waren. Nicht einbezogen wurden Patienten, die eine Cellulitis an einer anderen
Lokalisation aufwiesen, nicht primär die Notaufnahme aufgesucht hatten oder gleichzeitig
Herde anderer Hauterkrankungen zeigten, z. B. Abszesse, penetrierendes Trauma, Verbrennungen
etc. Auch Patienten mit einer vorangegangenen Operation innerhalb der letzten 30 Tagen
oder einer Antibiotikatherapie in den letzten 48 Stunden wurden ausgeschlossen.
Von den verbleibenden 259 Patienten wurden diejenigen, für die bei Entlassung laut
der Klinikdatenbank weiterhin als Diagnose eine Cellulitis aufgeführt war, als Patienten
mit definitiver Cellulitis gewertet. Bei allen anderen wurde eine Pseudocellulitis
angenommen. Das betraf 79 Patienten (30,5 %).
Modell mit 4 Variablen entwickelt
Die Autoren ermittelten bivariate Assoziationen zwischen verschiedenen möglichen Einflussfaktoren
und der endgültigen Diagnose. Im finalen Modell wiesen 4 Faktoren eine klare Assoziation
mit einer definitiven Cellulitisdiagnose auf: Asymmetrie (Cellulitis nur einseitig),
Leukozytose (≥ 10 000 Leukozyten/µl), Tachykardie bei Notaufnahme (Herzrate ≥ 90 Schläge
pro Minute) und Alter ≥ 70 Jahre. In der Gewichtung des von den Autoren entwickelten
ALT-70-Scores gehen diese Faktoren mit folgenden Punktwerten ein:
Bei einem anzustrebenden negativen bzw. positiven prädiktiven Wert von jeweils mindestens
80 % legten die Autoren als Skalierung fest:
-
0 – 2 Punkte: mit ≥ 83,3 % Wahrscheinlichkeit liegt eine Pseudocellulitis vor.
-
3 – 4 Punkte: unklar, weitere Abklärung notwendig.
-
≥ 5 Punkte: mit ≥ 82,2 % Wahrscheinlichkeit handelt es sich um eine Cellulitis, eine
empirische antibiotische Therapie ist angezeigt.
Die 4 identifizierten Faktoren, die für eine Cellulitis der unteren Extremität sprechen,
unterscheiden sich von denen an anderer Stelle berichteten wie Cellulitis in der Anamnese
oder Komorbiditäten, die nach dieser Auswertung keine entscheidende Rolle spielen.
Die Autoren empfehlen vor der breiten klinischen Anwendung zunächst eine prospektive
Evaluierung des Scores, hoffen aber, mit ihrem Modell die Zahl der Fehldiagnosen einer
Cellulitis senken zu können.
Friederike Klein, München