Z Sex Forsch 2017; 30(02): 161-182
DOI: 10.1055/s-0043-109083
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Delinquenz, Geschlecht und die Grenzen des Sagbaren. Sexualwissenschaftliche Diskursstränge zur Pädophilie in ausgewählten Periodika, 1960-1995

Jan-Henrik Friedrichs
a   Institut für Erziehungswissenschaft, Stiftung Universität Hildesheim
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Publikationsdatum:
23. Juni 2017 (online)

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Der Beitrag untersucht den sexualwissenschaftlichen Diskurs um Pädophilie zwischen 1960 und 1995 beispielhaft anhand der Schriftenreihe „Beiträge zur Sexualforschung“ sowie der Fachzeitschriften „Sexualmedizin“ und „Journal of Sex Research“. Die Disziplin der Sexualwissenschaft erscheint dabei – so die zentrale These – als ein Feld, in dem Forderungen nach einer Legalisierung pädosexueller Handlungen zwischen Beginn der 1970er- und Anfang der 1990er-Jahre relativ widerspruchsfrei geäußert werden konnten. Dabei wendet sich der Beitrag gegen ein Narrativ der Liberalisierung und betont demgegenüber die Bedeutung der empirischen Wende in der Sexualwissenschaft. So drehte sich die Debatte um pädosexuelle Kontakte weitgehend um den empirischen Nachweis ihrer (Un-)Schädlichkeit. Beim Blick auf vergeschlechtlichte Vorstellungen von Normalität und Devianz, von der Persönlichkeit des Pädophilen, der Rolle von Kindern in pädosexuellen Verhältnissen und der Frage danach, woran genau sich eine mögliche Schädlichkeit dieser Beziehungen bemessen lasse, werden vielfältige Verschiebungen innerhalb des Sexualitätsdispositivs über den Gegenstand der Pädophilie hinaus deutlich.