Einleitung
Die neuroendokrine Zellhyperplasie (NEHI) ist eine erstmalig 2005 durch Deterding
(Deterding RR et al. Pediatr Pulmonol 2005; 40: 157 – 165) beschriebene diffuse parenchymatöse
Lungenerkrankung des frühen Kindesalters. Ätiologie und Inzidenz sind unbekannt, die
Erkrankung wird bisher selten diagnostiziert.
Betroffen sind Kinder unter 2 Jahren, insbesondere im Alter unter 6 Monaten. Klinische
Charakteristika sind ein schleichender Beginn mit Tachydyspnoe (> 60/min), Knisterrasseln,
persistierenden Einziehungen und Hypoxämie (Young LR et al. Chest 2011; 139: 1060 – 1071).
Histologisch geht die NEHI mit einer erhöhten Anzahl pulmonaler neuroendokriner Zellen
(PNECs) im Epithel der distalen Atemwege einher. Ob diese Zellen Ausdruck von Unreife
oder ein Marker einer zugrundeliegenden Störung sind bzw. über Peptidhormone wie Bombesin
und Serotonin selbst zur Pathogenese beitragen, ist bisher umstritten (Yancheva SG
et al. Histopathology 2015; 67: 501 – 508, Young LR et al. Chest 2011; 139: 1060 – 1071).
Für die Diagnose geben die typischen Symptome und die Computertomografie entscheidende
Hinweise (Brody AS et al. Am J Roentgenol 2010; 194: 238 – 244). Die Erkrankung hat
generell eine gute Prognose mit einem selbstlimitierenden Verlauf. Die Therapie erfolgt
supportiv.
Fallbeschreibung
Ein 5 Monate alter weiblicher Säugling wurde mit seit 8 Wochen bestehender Tachydyspnoe
mit 70/min, Knisterrasseln und Gedeihstörung (BMI < 1. Perzentile) vorstellig. Trotz
externer antibiotischer Therapie bei Verdacht auf Pneumonie, kam es im Verlauf zu
einer klinischen Verschlechterung. Eine Röntgenaufnahme zeigte beidseits eine diffuse,
zentral betonte pulmonale Verschattung mit unscharfen, verwaschenen Hilusstrukturen
([Abb. 1]).
Abb. 1 Röntgen-Thorax a. p.: Diffuse, interstitiell anmutende Transparenzminderungen ohne
klaren Segment- oder Lappenbezug, mit zentraler Betonung (Pfeile).
Das Differenzialblutbild, Entzündungsmarker, Autoantikörper sowie Bronchoskopie und
bronchoalveoläre Lavage waren unauffällig. Die Langzeitrespirografie bestätigte die
Hypoxämie mit mittlerer Sättigung von 88 %.
Die in Low-dose-Technik mit iterativer Rekonstruktion durchgeführte High-resolution-Computertomografie
ergab mattglasartige, geografisch verteilte Verdichtungen in allen Lappen, bevorzugt
perihiliär im Mittellappen sowie der Lingula, geringer auch in den dorsomedialen Unterlappen-
und Oberlappensegmenten ([Abb. 2], [3]). Bildmorphologisch lag das Bild einer pulmonalen neuroendokrinen Zellhyperplasie
vor.
Abb. 2 Native, Low-dose-CT-Thorax, koronare MPR: Multifokales Mattglasphänomen bds. im Bereich
der Hili sowie der Lingula (Pfeile), dazwischen Lungenareale ohne interstitielle Beteiligung.
Abb. 3 Native, Low-dose-CT-Thorax, axiale MPR: Multifokales Mattglasphänomen der Lingula
und dorsalen Lungenarealen bds. (Pfeile), dazwischen Areale ohne interstitielle Verdichtung.
A Axialschnitt nativ auf Höhe der Unterlappen. B Axialschnitt nativ auf Höhe der der Pulmonalvenen.
Zur Diagnosesicherung bei neu erkannter Hypoxämie erfolgte eine thorakoskopische Lungenbiopsie
aus der Lingula. Die Histologie zeigte regelrechtes Lungenparenchym. In der Immunhistochemie
stellten sich in den Bronchioli terminales und den Bronchioli respiratorii deutlich
vermehrte neuroendokrine Zellen dar ([Abb. 4]), womit das Vorliegen einer NEHI bestätigt wurde.
Abb. 4 Lungenbiopsie, Immunhistochemische Färbung mit Synaptophysin, Bronchiolusanschnitt,
Anfärbung der neuroendokrinen Zellen (Pfeile).
Diskussion
Diffuse parenchymatöse Lungenerkrankungen (DPLD) bei Kindern sind eine heterogene
Gruppe seltener pulmonaler Erkrankungen. Die NEHI geht im Säuglingsalter mit den typischen
Symptomen einher: persistierende Tachydyspnoe, thorakale Einziehungen, Knisterrasseln
unabhängig von einer respiratorischen Infektion sowie eine Hypoxämie (Rauch D et al.
Am J Respir Crit Care Med 2016; 193: 438 – 447). Differenzialdiagnostisch kommen eine
pulmonale interstitielle Glykogenose und andere Entitäten mit ähnlichem Phänotyp (childhood
ILD syndrome) in Betracht. Zwar gibt es keine spezifische Therapie, jedoch ist eine
supportive und präventive Behandlung oft sinnvoll. Diese beinhaltet eine Vermeidung
von schädlichen Einflüssen wie Tabakrauchexposition, Sauerstoffsupplementation bei
Hypoxämie, hochkalorische Ernährung bei Gedeihstörung, und Therapie eines möglichen
Asthmas. Ferner sind Impfungen gegen Influenza und Pneumokokken sowie gegebenenfalls
auch eine passive Immunisierung gegenüber RSV zu empfehlen (Kurland et al. Am J Respir
Crit Care Med 2013; 188: 376 – 394). Die NEHI zeigt einen prognostisch günstigen Verlauf
mit Abklingen der Symptome im Median nach 18 Monaten (Lukkarinen H et al. Arch Dis
Child 2013; 98: 141 – 144).
Einen entscheidenden Beitrag in der Diagnostik der NEHI kann die Computertomografie
leisten. Hauptkriterium ist, wie auch im vorliegenden Fall eine landkartenartige Mattglasverschattung
in mindestens vier Lungenlappen, die jedoch vornehmlich im Mittellappen und der Lingula
besteht.
Ebenfalls aussagekräftige Kriterien sind Air-trapping-Phänomene in In- und Expirations-CT-Untersuchungen
und ein daraus resultierendes Mosaikmuster (Brody AS et al. Am J Roentgenol 2010;
194: 238 – 244). Laut Literatur tritt dieses Charakteristikum in 6 von 7 Fällen auf,
im vorliegenden Fall konnte es nicht nachgewiesen werden. Gelegentlich können zusätzliche
Pathologien wie Bronchialwandverdickungen, Bronchiektasen, Konsolidierungen, lineare
und retikuläre Verdichtungen, Noduli und Honigwabenmuster nachweisbar sein. In einer
Analyse von Brody et al. zeigte die CT gegenüber der Biopsie als Referenz eine Sensitivität
und Spezifität von mindestens 78 bzw. 100 %. Die Durchführung der CT-Untersuchung
in Low-dose-Technik mit iterativer Rekonstruktion zeigt die genannten Veränderungen
gut, sie sollte bei Kindern als Standard verwendet werden. Ob eine weitere Dosisreduktion
in den sogenannten Ultra-low-Dosisbereich die interstitiellen Veränderungen noch ausreichend
gut zeigt, ist bisher noch nicht systematisch untersucht worden.
Bei der Diagnosestellung kann nach einem Algorithmus von Gomes et al. vorgegangen
werden (Gomes et al. J Bras Pneumol 2013; 39: 569 – 578). Danach sollten Kinder mit
den bereits genannten Symptomen einer persistierenden Tachydyspnoe, Einziehungen und
Hypoxämie eine Röntgenaufnahme erhalten, andere Ursachen der respiratorischen Symptomatik
ausgeschlossen und anschließend mittels CT untersucht werden. Zeigen sich in der CT
die typischen Befunde von Mattglasphänomen in mindestens 4 Lungenlappen (inklusive
Mittelappen und Lingula) sowie Air-trapping kann die Diagnose einer NEHI nicht invasiv
mit hinreichender Sicherheit gestellt werden. Im Falle atypischer oder unklarer CT-Befunde
sollte eine zusätzliche Biopsieentnahme mit Anfärbung der neuroendokrinen Zellen erfolgen.
Die Indikation zur thorakoskopischen Biopsie wurde im vorliegenden Fall aufgrund einer
neu erkannten Hypoxämie gestellt.
Liegen keine Warnkriterien vor, ist der Verzicht auf eine Biopsie möglich und anzustreben,
um so die Zahl der Lungenbiopsien im Säuglingsalter in Zukunft verringern zu können.
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Charakteristische radiologische Kennzeichen der NEHI sind segmentale Mattglasverschattungen,
insbesondere in Mittellappen und Lingula, sowie Air-trapping.
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Sichere Diagnosestellung in Zusammenschau von Klinik, Alter und CT-Befunden ohne Biopsie
möglich.
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Gute Prognose mit Regredienz der Symptome im Alter von 1,5 – 2 Jahren.