physiopraxis 2017; 15(07/08): 48-49
DOI: 10.1055/s-0043-108056
Therapie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

Knee injury and Osteoarthritis Outcome Score (KOOS) – Für alle Pathologien am Kniegelenk

Omega E. Huber

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Publication Date:
21 July 2017 (online)

 

Der KOOS besticht durch seine umfassenden Einsatzmöglichkeiten bei Kniebeschwerden und erfüllt die Gütekriterien in einem guten Maß. Er fragt Patienten nach ihren Symptomen und beurteilt, inwieweit sie in den ADLs und ihrer Lebensqualität eingeschränkt sind. Ein sehr empfehlenswertes Assessment.


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Prof. Dr. phil. Omega E. Huber

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Prof. Dr. phil. Omega E. Huber ist Leiterin der Weiterbildung und Dienstleistung am Institut für Physiotherapie des Departements Gesundheit an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Sie arbeitet seit 2011 an der ZHAW und hat mit ihrem Team ein umfassendes professionelles und interprofessionelles Angebot entwickelt. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt in der muskuloskeletalen Gesundheit mit Fokus auf Kniearthrose/Knieprothese.

Zu Kniebeschwerden können ganz verschiedene Ursachen führen. Aus einer Unfallverletzung in jungen Jahren kann sich zum Beispiel eine schwere Arthrose in einer späteren Lebensphase entwickeln. Daher sollte ein beschwerdeumfassendes Instrument sowohl junge, körperlich aktive Patienten abdecken als auch ältere Patienten mit chronischen Beschwerden und einem inaktiveren Lebensstil. Bei Patienten mit Kniebeschwerden liegt der Messfokus auf der körperlichen Funktion, die sich in der ICF der WHO den Dimensionen „Aktivität und Partizipation“ zuordnen lässt [1]. Ein Test beschränkt sich oft auf einen Teil einer Dimension, zum Beispiel auf „Beweglichkeit“ oder „Kraft“ für die Funktion und auf „Aufstehen vom Stuhl“, „Kniebeugen im Stand“ oder „Gehen“ für die Aktivität. Daher eignet sich ein Patientenfragebogen bei Kniebeschwerden besser, da er in der Regel alle Dimensionen der Funktionsfähigkeit (Funktion, Aktivität und Partizipation) misst.

Patienten können den KOOS innerhalb von fünf Minuten problemlos selbstständig ausfüllen.

Für jegliches Alter und jegliche Kniebeschwerden geeignet

Ein sehr bekannter Fragebogen ist der Western Ontario and McMaster Universities Osteoarthritis Index (WOMAC) [2]. Er erfasst den Langzeitverlauf bei Arthrose, bezieht sich auf die untere Extremität und ist nicht kniespezifisch. Der Knee injury and Osteoarthritis Outcome Score (KOOS) ist eine Erweiterung des WOMAC. Dieser gelenkspezifische Fragebogen ist für jedermann kostenlos unter www.koos.nu zugänglich, ebenso ein Benutzermanual (User’s Guide 2012). Patienten können den KOOS in etwa fünf Minuten problemlos selbstständig ausfüllen, da er selbsterklärend ist. Auch Follow-up-Befragungen sind daher gut möglich.

Den KOOS gibt es in über 40 Sprachen. Die deutsche Version haben Stefan Kessler und Kollegen 2003 entwickelt und validiert [4]. Der Fragebogen wurde mit dem Ziel entwickelt, in einem Messinstrument unterschiedliche Knieverletzungen sowie verschiedene Grade der Kniearthrose abzudecken. Der Fragebogen eignet sich, um Kurzzeit- und Langzeitveränderungen zu erfassen. So misst er, was sich in der physiotherapeutischen Behandlung von Woche zu Woche verändert, zum Beispiel nach Kreuzbandrekonstruktionen, Meniskektomie, Mikrofrakturen, tibialer Osteotomie oder Gelenkersatz. Zudem hält er den Verlauf einer sich über Jahre entwickelnden posttraumatischen oder primären Kniegelenkarthrose fest [3].


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Die fünf Subskalen lassen sich einzeln bewerten

Der KOOS sammelt Daten anhand von fünf patientenzentrierten Subskalen mit insgesamt 42 Fragen („AUSZUG AUS DEM KOOS“) [3]:

  1. Symptome (7 Fragen): Symptome wie eingeschränkte Beweglichkeit, Schwellung und mechanische Symptome

  2. Schmerz (9 Fragen)

  3. Aktivitäten des täglichen Lebens (17 Fragen): Einschränkungen auf der Ebene der Alltagsaktivitäten

  4. Sport und Freizeit (5 Fragen): Einschränkungen auf einer körperlich anspruchsvolleren Ebene als die der Alltagsaktivitäten

  5. Beeinflussung der Lebensqualität durch das betroffene Knie (4 Fragen): mentale und soziale Aspekte, zum Beispiel Bewusstsein und Lebensstilveränderungen

Zu jeder Frage gibt es fünf standardisierte Antwortmöglichkeiten. Für die Auswertung kann sich der Therapeut von der Webseite ein Excel-Dokument sowie eine Anleitung (scoring instructions) herunterladen. Jeder Antwort ist ein Wert zwischen 0 und 4 zugeordnet (Likert-Skala). Der Therapeut überträgt diese Werte aus dem Fragebogen in die Excel-Datei, welche die Punktzahl dann pro Subskala automatisch berechnet. Die fünf Subskalen werden unabhängig voneinander bewertet und in eine Skala von 0 (schwerste Probleme) bis 100 Punkte (keine Probleme) umgerechnet. Eine Gesamtpunktzahl aus allen fünf Subskalen gibt es beim KOOS nicht. Das hat den Vorteil, dass Therapeuten nicht immer den gesamten Fragebogen anwenden müssen.


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Gütekriterien: valide und zuverlässig

Der KOOS ist in allen Settings valide und empfindlich genug, um Veränderungen (Responsivität) aufzuzeigen [8, 9]. Die Inhaltsvalidität (content validity) für Meniskektomie, Kreuzbandrekonstruktionen und leichte bis milde Kniearthrose konnten Studien ebenso bestätigen wie die Validität für Patienten auf einer Warteliste für einen Kniegelenkersatz [7, 10]. Der Intraclass Correlation Coefficient (ICC), ein Maß für die Zuverlässigkeit (Reliabilität) eines Messin struments, lag für die fünf Subskalen bei Knieverletzungen bei folgenden Werten: Symptome 0,83–0,95; Schmerz 0,85–0,93; Aktivitäten des täglichen Lebens: 0,75–0,91; Sport und Freizeit 0,61–0,89; Lebensqualität 0,83–0,95. Bei Kniearthrose kamen die Untersuchungen zu ähnlichen Ergebnissen: Symptome 0,74–0,94; Schmerz: 0,8–0,97; Aktivitäten des täglichen Lebens 0,84–0,94; Sport und Freizeit 0,65–0,92; Lebensqualität 0,6–0,91. Damit sind die Werte ausreichend (0,6) bis sehr gut (> 0,9).

Die fünf Subskalen werden separat bewertet, sodass der Therapeut nicht den gesamten Fragebogen anwenden muss.

Für Therapeuten ist es hilfreich zu wissen, wie groß die Diff erenz (minimal important diff erence, MID) zwischen zwei Erhebungen sein muss, damit man von einer klinisch relevanten Verbesserung sprechen kann. In der Literatur wird beschrieben, dass bei Fragebogen eine Veränderung von zwölf Prozent und mehr als klinisch relevant gilt [5]. Auf der Webseite des KOOS sind acht bis zehn Scorepunkte Diff erenz angegeben. Wichtig festzuhalten ist allerdings, dass es nicht einen MID pro Instrument gibt. Dieser Wert ist abhängig von Faktoren wie Patientengruppe, Intervention und Zeitpunkt des Follow-up [6].

Die Akzeptanz des KOOS seitens der Patienten ist hoch, was sich in einer kleinen Zahl unbeantworteter Fragen widerspiegelt. Bei körperlich wenig aktiven Patienten, zum Beispiel mit schwerer Kniearthrose, kann es in der Subskala Sport und Freizeit zu Bodeneff ekten kommen. In diesem Fall unterschreitet die Messgröße die Empfindlichkeit des Fragebogens, sodass Therapeuten auf die Sport- und Freizeit-Subskala verzichten können [7].

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