physiopraxis 2017; 15(06): 40-45
DOI: 10.1055/s-0043-108043
Therapie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

Tapen an der Hand – Klebe-Refresher

Svenja Wittek

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Publication Date:
23 June 2017 (online)

 

Trotz dürftiger Studienlage greifen Therapeuten häufig zum Kinesiotape, um ihre Behandlung zu unterstützen. Svenja Wittek stellt altbekannte und selten geklebte Techniken vor, die sich an Arm und Hand als sehr wirksam erweisen.


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Svenja Wittek

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Svenja Wittek ist Ergotherapeutin, BSc, Bobath-Therapeutin, zertifizierte Handtherapeutin und FH-Dozentin der Akademie für Handrehabilitation (AFH). Sie arbeitet in einer Praxis mit den Schwerpunkten Neurologie und Orthopädie.

Ob unelastisches Sporttape, elastisches Kinesiotape oder eine Kombination aus beiden – beim Tapen haben Therapeuten viele Möglichkeiten, ihre konventionelle Behandlung zu unterstützen [1]. Je nachdem, welche Struktur sie beeinflussen wollen, applizieren sie das Tape mit maximalem Zug wie bei der Ligamenttechnik, mit wenig Zug wie beim Faszien- oder teilweise beim Korrekturtape oder ohne Zug wie beim Muskeltape. Bringen sie die Haut vor dem Kleben zudem in Vordehnung, bilden sich Convolutions wie beim Lymphtape, die bei Bewegung die Haut permanent gegen das Unterhautgewebe verschieben [2]. Die Enden des Tapes kleben sie grundsätzlich ohne Zug, so bleiben die Streifen länger auf der Haut haften.

Derzeit gibt es noch keine ausreichende Studienlage, die die Wirksamkeit des Tapens belegt. Es existieren jedoch unterschiedliche Wirkungshypothesen, die in der Praxis genutzt werden [3]. Der Saugglockeneffekt, der durch das Tape entsteht, soll beispielsweise das darunterliegende Gewebe entlasten. Zudem haben die Streifen die Eigenschaft, die Faszien mechanisch zu verschieben und dadurch Schmerzen zu reduzieren und die physiologische Gewebespannung wiederherzustellen.

Kontraindiziert sind Tapes bei großflächigen Hautverletzungen und -erkrankungen, offenen Wunden mit Infektionsgefahr, allergischen Hautreaktionen und neurologischen Pathologien. Zudem sollten Tapes nicht bei malignen Tumoren, Gefäßpathologien wie frischen Thrombosen, Kortisoneinnahme und bei allen diagnostisch nicht abgeklärten Verletzungen und Erkrankungen zum Einsatz kommen.

Svenja Wittek

Schmerzkreuz (Spacetape)

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Schmerzkreuz auf einem Triggerpunkt des M. extensor digitorum
Abb.: S. Wittek

Ein Schmerzkreuz bringt der Therapeut in vorgedehnter Position des Gewebes auf einen Schmerz- oder Triggerpunkt auf. Nicht immer muss der Schmerz dabei muskulär bedingt sein [4]. Auch bei Überlastungssyndromen wie einem Tennisarm oder einer Sehnenscheidenentzündung kommt das Tape zum Einsatz. Appliziert der Therapeut das Kreuz paravertebral, kann er damit Head'sche Zonen und somit innere Organe beeinflussen [4].

Beim Schmerzkreuz klebt der Therapeut drei bis vier elastische I-Strips mit maximalem Zug (Enden ohne Zug) in Form eines Sterns auf. Der Schmerzpunkt sollte dabei in der Mitte des Sterns liegen. Durch den sogenannten Saugglockeneffekt entlastet das Tape das darunterliegende Gewebe, die Nozizeption nimmt ab und die Schmerzwahrnehmung sinkt [5].

Alternativ kann der Therapeut auf einen Trigger- oder Schmerzpunkt auch ein Cross Tape applizieren. Diesem unelastischen Tape wird eine energieflussbedingte Haftungsausrichtung zugesprochen. Es zieht sich selbstständig durch elektrostatische Aufladung an die Haut und unterstützt punktuell die Regeneration des Körpers [6].


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Faszientape

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Faszientape bei einer Epicondylitis lateralis
Abb.: S. Wittek

Ein Faszientape, das unter anderem Muskelhüllen, Sehnen, Bänder, Gelenkkapseln, Membranen und Retinacula beeinflusst, kann der Therapeut isoliert oder in Kombination mit einem Muskeltape (S. 42) applizieren. Es kommt beispielsweise bei Muskelverletzungen oder Überlastungssyndromen wie einem Tennisarm oder einer Sehnenscheidenentzündung zum Einsatz.

Der Therapeut bringt das Tape grundsätzlich quer zum Muskelverlauf, in Y-Form und in entspannter Position des Muskels an. Die beiden Strips des Y-Zügels appliziert er so, dass sie den Schmerzpunkt bzw. die Pathologie umfließen [1]. Dabei klebt er das Tape abwechselnd mit und ohne Zug, um eine pulsierende Anlagetechnik zu erreichen. Vor dem Kleben sollte der Therapeut die Spannung der entsprechenden Faszie testen. Die Richtung, in die sich diese leichter verschieben lässt, gibt die Zugrichtung des Tapes an. Durch die pulsierende Zugtechnik wird die darunterliegende Faszie mechanisch verschoben. Ziel ist es, Schmerzen zu reduzieren, Verwachsungen aufzulockern und die physiologische Gewebespannung wiederherzustellen.


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Korrekturtape

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Korrekturtape bei einer Rhizarthrose
Abb.: S. Wittek

Mithilfe eines Korrekturtapes lässt sich der Patient aus einer meist knöchernen Fehlhaltung bringen, die eine einseitige Be- oder Überbelastung und damit Verspannungen oder Atrophien verursachen. Ein Korrekturtape kommt auch als Memorytape zum Einsatz, um den Träger an die richtige Haltung zu erinnern. Durch den Zug bewirkt das Tape eine leichte mechanische Korrektur und durch den rezeptorischen Reiz auf den Muskel-Sehnen-Apparat eine Schmerzlinderung.

Abhängig von der Anatomie appliziert der Therapeut einen Y- oder I-Zügel mit maximalem Zug auf die zu korrigierende Struktur. Bei einer Rhizarthrose hilft das Korrekturtape, den ersten Mittelhandknochen zum Os trapezium richtig zu positionieren, um eine Luxation und ligamentäre Instabilitäten zu verhindern. Während der Daumen in Abduktion ist, klebt der Therapeut hier die Basis des Y-Zügels (orange) proximal des Sattelgelenks. Der radiale Zügel führt dann mit maximalem Zug über das Gelenk, der ulnare Zügel mit wenig Zug um den Daumen. Um das Sattelgelenk weiter in Abduktion zu stabilisieren, appliziert er anschließend zwei I-Zügel (rot und gelb) leicht versetzt mit maximalem Zug über das Gelenk.


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Ligamenttape

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Ligamenttape bei einer Instabilität des Handgelenks
Abb.: S. Wittek

Ein Ligamenttape unterstützt Bänder und Sehnen bei Verletzungen, Überlastungen oder Instabilitäten des Kapsel-Band-Apparates. Ziel dieser Technik ist es, die Bänder und Sehnen zu entlasten, Schmerzen zu reduzieren und dadurch die Rehabilitationszeit zu verkürzen.

Bei der Ligamenttechnik appliziert der Therapeut das Tape als Y- oder I-Zügel mit maximalem Zug. Vorher stellt er das betroffene Gelenk des Patienten so ein, dass er die überdehnten Bänder in Vorspannung bringt und das Tape im Bandverlauf anlegt. Wichtig ist, dass der Therapeut nie zirkulär klebt, um ein Ödem oder eine Quetschung zu vermeiden. Da Ligament und Tape dieselbe Spannung haben, kann das Tape das Band in der Bewegung unterstützen. Bei der Bewegung kommt es zudem zu einer Verschiebung der Haut, wodurch auch hier ein rezeptorischer Reiz entsteht und Schmerzen reduziert werden [4].

An Körperstellen mit hoher mechanischer Belastung, wie der Hand, empfiehlt es sich, Tapes aus widerstandsfähigen und wasserabweisenden Materialien zu wählen [6].


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Muskeltape

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Muskeltape bei einem Hypertonus im dritten palmaren Sehnenfach
Abb.: S. Wittek

Hat ein Patient eine kleine Muskelverletzung wie Zerrungen oder klagt er über allgemeine Beschwerden am Muskel, eignet sich ein Muskeltape. Dieses appliziert der Therapeut in maximal vorgedehnter Position und ohne Zug. Je nach Muskel eignet sich ein I- oder ein Y-Zügel, das der Therapeut im Muskelverlauf klebt. Detonisierend appliziert er es von Punctum mobile zu Punctum fixum – tonisierend von Punctum fixum zu Punctum mobile. So entstehen unterschiedliche Rückstellkräfte [4].

Bei einer Muskeltapeanlage sollte der Therapeut grundsätzlich die Schmerzgrenze des Patienten berücksichtigen. Ziel ist die Bildung von Convolutions (Faltenbildung) des Tapes bei Kontraktion des Muskels [5]. Bewegt sich der Patient, entsteht so eine permanente Mikromassage (Mechanozeption), da sich die Haut permanent gegenüber des Unterhautgewebes verschiebt. Durch die zusätzliche Bewegung im Gewebe lassen sich durch den Gate-Control-Mechanismus Schmerzen reduzieren und der Stoffwechsel lässt sich aktivieren [3].

Besonders bei Überlastungssyndromen wie einem Tennis- oder Golferarm sowie Kompressionssyndromen durch einen partiellen Muskelhypertonus etwa bei einem Pronator-teres-Syndrom kann das Tape tonusregulierend wirken. Nicht zum Einsatz kommen sollte es bei kompletten Muskelfaserrissen, massiven Muskelquetschungen, ausgedehnten Muskelentzündungen, großen Muskelhämatomen, stark blutenden Muskelverletzungen und Weichteilrheumatismus.


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Lymphtape

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Lymphtape bei postoperativem Lymphödem nach Radiusfraktur
Abb.: S. Wittek

Das Lymphtape kommt bei postoperativen und posttraumatischen Ödemen oder Hämatomen zum Einsatz – an der Hand etwa bei postoperativem Lymphödem nach einer Radiusfraktur. Das Tape legt der Therapeut unter maximaler Vordehnung der Haut und ohne Zug an. Dazu verwendet er sehr schmale I-Zügel oder ein Fächertape. Beide Techniken vergrößern die Oberfläche und erzeugen unterschiedliche Druckverhältnisse auf das Lymphsystem. In der Regel klebt der Therapeut die Basis auf die Lymphknoten, um diese zu aktivieren, und den Verlauf von proximal nach distal. Andersherum verläuft es auf dem Handrücken, auf dem sich die konventionelle Klebemethode im Alltag schnell lösen würde. Absolute Kontraindikationen für ein Lymphtape sind eine Herzinsuffizienz oder erkrankte Lymphgefäße.

Auch hier ist das Ziel, dass sich Convolutions bilden. Diese entstehen durch die Vordehnung der Haut in der Bewegung. Die Haut wird unter dem Tape etwas angehoben und das Bindegewebe wird gelockert. Dadurch minimiert sich der Druck auf das Lymphsystem und die initialen Lymphklappen öffnen sich, wodurch gestaute Lymphflüssigkeit schneller abfließen kann. Durch die Tapestrips entstehen veränderte Druckverhältnisse, was den Lymphabfluss anregt. So bewirkt das Tape eine schnellere Weiterleitung der Lymphe [4].

Eine Alternative zum herkömmlichen Kinesiotape sind Stripes mit vorgefertigtem Lochmuster. Das vergrößert die Oberfläche und intensiviert die Druckunterschiede auf der Haut [7].


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Schmerzkreuz auf einem Triggerpunkt des M. extensor digitorum
Abb.: S. Wittek
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Faszientape bei einer Epicondylitis lateralis
Abb.: S. Wittek
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Korrekturtape bei einer Rhizarthrose
Abb.: S. Wittek
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Ligamenttape bei einer Instabilität des Handgelenks
Abb.: S. Wittek
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Muskeltape bei einem Hypertonus im dritten palmaren Sehnenfach
Abb.: S. Wittek
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Lymphtape bei postoperativem Lymphödem nach Radiusfraktur
Abb.: S. Wittek