Sportphysio 2017; 05(02): 52-56
DOI: 10.1055/s-0043-105604
Sportphysio
Research
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

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Publication Date:
12 May 2017 (online)

Patellofemoraler Schmerz

EMPFEHLUNGEN FÜR UNTERSUCHUNG UND THERAPIE Im Frühjahr 2016 wurden im British Journal of Sports Medicine zwei „Consensus Papers“ zum patellofemoralen Schmerz – „patellofemoral pain“, kurz „PFP“ – veröffentlicht. PFP kommt bei 7 bis 28% der Jugendlichen vor. Schätzungen besagen, dass 11 bis 17% der Knieschmerzpatienten, die einen Arzt aufsuchen, ein PFP haben. Außerdem gibt es immer mehr Hinweise darauf, dass die Beschwerden nicht wie früher immer gedacht von selbst ausheilen. In einer aktuellen Studie von Rathleff stellten die Forscher fest, dass 65% der Jugendlichen mit PFP nach zwei Jahren immer noch dieselben Beschwerden hatten.

Grund genug für Wissenschaftler aus aller Welt, sich alle zwei Jahre zu treffen, Forschungsergebnisse auszutauschen und sich abzustimmen. Ziel ist es auch, eindeutige Empfehlungen für Diagnostik, Therapie und Forschung zu geben. Die Resultate des letzten Treffens in Manchester sind hier in Auszügen zusammengefasst:

Im Kern wird die Diagnose PFP klinisch gestellt: Zentrales Kriterium ist ein Schmerz an oder hinter der Patella, der durch Kniebeugen, langes Sitzen, Joggen oder Springen provoziert wird. Andere Symptome wie Krepitation („Sandgefühl hinter der Patella“), Druckschmerz beim Palpieren der Patellafacetten, leichter Gelenkerguss oder Schmerz beim Strecken nach langem Sitzen sind typisch, aber nicht essenziell, um die Diagnose zu stellen.

Die körperliche Untersuchung, um die Vermutung PFP zu bestätigen, sollte aus folgenden Punkten bestehen:

  • Provokation von ventralem Knieschmerz bei einer Squat-Bewegung. PFP liegt bei 80% der Patienten vor, die bei diesem Test Schmerzen angeben.

  • Die körperliche Untersuchung kann eventuell noch ergänzt werden durch Palpation der Patella: Druckschmerz bei Palpation ist bei 71 bis 75% der Patienten mit PFP anwesend. Der Apprehension-Test ist wiederum wenig sensitiv und hat dementsprechend in der klinischen Praxis nur einen geringen Nutzen.

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Squats sind eine der Bewegungen, die Patienten mit PFPS häufig Beschwerden machen. (Foto: istockphoto.com/ g-stockstudio)

Die Rehabilitation von Patienten mit PFP sollte im Kern aus Übungs- und Trainingstherapie bestehen. Sowohl Literatur als auch die Experten waren sich darüber einig, dass dies kurz-, mittel- und langfristig die Schmerzen reduziert und die Funktion verbessert. Die Übungs- und Trainingstherapie sollte auch die Hüftmuskulatur mit einbeziehen.

Fußorthesen, z. B. „Einlegesohlen“, können zumindest kurzfristig zur Schmerzlinderung beitragen. Dagegen werden patellofemorale, tibiofemorale und lumbale Mobilisationen sowie physikalische Anwendungen nicht empfohlen.

Für die tägliche Arbeit in der Praxis sind diese Empfehlungen sehr hilfreich. Hierbei muss man sich vor Augen führen, dass zunächst nur Studien mit mittlerer und hoher Qualität mit einbezogen wurden und dass die Forscher sehr gut sind, aber nicht alle Kliniker. Im Umkehrschluss ist es nicht möglich zu sagen, ob in der täglichen Arbeit mit einem PFP-Patienten nicht vielleicht doch auch das patellofemorale Gelenk mobilisiert werden sollte. Aus dem hier vorliegenden Konsensuspapier lässt sich nur ableiten, dass zu der Effektivität dieser Behandlung noch zu wenig bekannt ist. Andersherum ist es allerdings wohl so, dass zu einer guten Reha auch Training von Knie- und Hüftmuskulatur gehört. Das sollte sich jeder (Sport-)Physiotherapeut zu Herzen nehmen. mo

BJSM 2016; 50: 839–843