manuelletherapie 2017; 21(02): 52-53
DOI: 10.1055/s-0043-105159
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Freiburger Knorpeltage vom 20.–21.01 2017

Kristin Knisel
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Publication Date:
19 May 2017 (online)

Wie in den Vorjahren fanden auch die 6. Freiburger Knorpeltage im Konzerthaus Freiburg statt. Das Motto war in diesem Jahr „Operative versus konservative Therapie“. Schwerpunktthemen waren neben der Kreuzband-, Meniskus- und Knorpelchirurgie die Patella-Instabilität sowie Umstellungsosteotomien.

Hier konnten sich 312 Teilnehmer, bestehend aus Ärzten und Physiotherapeuten über aktuelle Trends und Fortschritte informieren, diskutieren und in den „Meet-the-Expert“-Sessions in kleinerer Runde direkt mit erfahrenen Chirurgen austauschen.

Die 1. Session beschäftigte sich mit der Thematik Kniegelenkerhalt: PD Dr. Götz Welsch (UKE Athleticum Hamburg) gab Einblicke in die Nachbehandlung nach Knorpelzelltransplantation. Interessant war z. B. die Beurteilung des MRT nach Knorpelzelltransplantation. Um eine Fehlinterpretation zu vermeiden, empfiehlt es sich, frühestens nach 6–12 Monaten Verlaufsbilder zu erstellen und diese von erfahrenen Knorpelspezialisten beurteilen zu lassen. Eine zu frühe Darstellung hat keine Aussagekraft bezüglich des Behandlungserfolgs. Eine autologe Chondrozyten-Transplantation (ACT) stellt jedoch nicht immer die optimale Therapieform dar. So ist sie z. B. im Profifußball unangebracht, da sie die Profis zu lange aus dem Sport ausschließt.

In einem der Firmenworkshops wurden die Techniken der Autologen Matrixinduzierten Chondrogenese (AMIC) und der Mikrofrakturierung anhand neuester Resultate verglichen. An präparierten Schweineknien konnten die Techniken direkt „Hands-on“ getestet werden.

Am Nachmittag ging es mit dem oberen Sprunggelenk (OSG) weiter. Dr. Mellany Galla (Chirurgie im Medicinum Hildesheim) präsentierte einen Überblick der aktuellen Therapieprinzipien akuter und chronischer Instabilitäten des OSG. Bei akuten Sprunggelenkdistorsionen bewährt sich nach wie vor die konservative Behandlung [5], da das langfristige Ergebnis dem bei einem operativen Eingriff entspricht. Eine OP-Indikation besteht lediglich bei entsprechenden Begleitverletzungen (Läsionen Grad III) oder bei „High-Level-Athleten“. Ausschlaggebend ist, dass eine OP zeitnah zu einer höheren Stabilität führt und somit eine schnellere Rückkehr in den Sport ermöglicht. Chronisch funktionelle Instabilitäten werden primär konservativ und chronisch-mechanische meist operativ mittels Sehnentransfer (z. B. Semitendinosus- oder Gracilissehne) versorgt.

PD Dr. Matthias Aurich (Klinikum Borna) stellte aktuelle Behandlungsstrategien bei osteochondralen Läsionen vor, welche hauptsächlich traumatisch (Supinationstraumata) bedingt sind. Hier wird je nach Alter des Patienten, Größe des Defekts und Beteiligung des Knorpels entschieden, ob eine OP-Indikation vorliegt.

Prof. Dr. Markus Walther (Schön Klinik München Harlaching) zeigte in seinem Vortrag zu gelenknahen Osteotomien, dass der Anteil an posttraumatischen Arthrosen im OSG deutlich höher ist als z. B. in Knie- und Hüftgelenk. Als ursächliche Problematik einer Arthrose im OSG stellte er statisch bedingte Fehlbelastungen, meist varische Achsfehlstellungen in den Vordergrund, die durch einen erhöhten Zug der Achillessehne zusätzlich verstärkt werden.

Nach der Vorstellung der Besonderheiten eines Impingement-Syndroms im OSG durch Dr. Rüdiger Ahrens (Roland-Klinik Bremen) widmete sich Dr. Jens Mainzer (Schulthess Klinik Zürich) der Frage nach dem Stellenwert der Arthrodese im OSG. Er präsentierte Kriterien zur Indikation (Alter > 55 Jahre, gute Mobilität, primäre Arthrose) und Kontraindikation (mediale ligamentäre Instabilität, nicht korrigierbare knöcherne Fehlstellungen) einer OSG-Prothese.

Matthias Keller (OS Institut München) rundete Session 2 mit einem eindrucksvollen Vortrag zum Thema „Return to Sports“ ab. Er verdeutlichte die Relevanz, den funktionellen Status nach einer OSG-Verletzung zu erfassen, um eine optimale Belastungsdosierung zu gewährleisten. Die Beurteilungskriterien orientieren sich hierbei am funktionsbasierten Return-to-Acitivity-Algorithmus [4]. Die durch solche Testverfahren gewonnene Objektivität kann die interdisziplinäre Zusammenarbeit erleichtern und den Fortschritt sowohl für den Patienten als auch den Therapeuten messbar machen.

Mit einem „Get Together“ im Konzerthaus am Freitagabend ging ein intensiver und spannender 1. Kongresstag zu Ende.

Der Samstagmorgen startete mit Session 3 und dem Schwerpunkt Hüftgelenk. Den Einstieg bildete der Vortrag von PD Dr. Oliver Hauschild (Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Freiburg) zur Relevanz der klinischen Untersuchung bei Hüftpathologien wie Femoroazetabuläres lmpingement (FAI). Er zeigte, dass die Evidenz klinischer Tests wie Flexion Adduction Internal Rotation (FADDIR) oder Flexion Abduction External Rotation (FABER) sowohl eine geringe Spezifität aufweist als auch die augenscheinlich hohe Sensitivität der Tests keinen diagnostischen Mehrwert bietet. Bereits die Symptomatologie ist zur diagnostischen Abklärung ähnlich informativ und passt zu den Ergebnissen, die mittels spezifischerer bildgebender Diagnostik erlangt werden.

Nach diesem aufschlussreichen, aber eher enttäuschenden Urteil zur Relevanz klinischer Tests bei Hüftpathologien fokussierte PD Dr. Florian Naal (Schulthess Klinik Zürich) die Besonderheit extraartikulärer Syndrome als Ursache für eine Impingement-Symptomatik des Hüftgelenks. Er betonte, dass nicht jeder Hüftschmerz bei jungen und aktiven Patienten ein klassisches FAI sei („FAI als Modediagnose“), sondern immer auch verschiedene extraartikuläre Syndrome als Ursache infrage kommen. Dies ist aus physiotherapeutischer Sicht besonders auch für eine manualtherapeutische Intervention relevant.

Den aktuellen Stand zu CAM- und Pincer-Impingement zeigte Dr. Gregor Möckel (Arthropädicum Berlin) und betonte den fast „zu hohen“ Bekanntheitsgrad. Besonders für Sekundärpathologien sei die FAI-Chirurgie ein etabliertes Standardverfahren, wobei das Outcome stark vom Ausmaß der Degeneration abhängt. Da starke Hinweise für einen kausalen Zusammenhang mit der Entwicklung einer Koxarthrose vorliegen, wird bei klinisch unauffälligen Verläufen deutlich von einer prophylaktischen Operation abgeraten. Hierbei ist eine gute Aufklärung und regelmäßige Beobachtung unabdingbar.

Die 3. Session wurde durch Vorträge zur operativen Knorpeltherapie am Hüftgelenk (PD Dr. Stefan Fickert, Sporthopaedicum Straubing), dem Stellenwert von Osteotomien bei Pathologien des Hüftgelenks (Dr. Lorenz Büchler, Spitalzentrum Centre hospitalier Biel-Bienne) sowie der Vermeidung und Behandlung von persistierenden Schmerzen und Komplikationen nach arthroskopischen Hüftoperationen (Prof. Dr. Michael Dienst, OCM Klinik München) abgerundet.

Zeitgleich startete das Satellitensymposium Physiotherapie. Zum Thema Knie nahe Osteotomie verdeutlichte Prof. Dr. Philipp Niemeyer (OCM Klinik München), dass vor einer Valgisation eine valgisierende Schiene zur Testung der zu erwartenden Schmerzreduktion eingesetzt werden sollte (Brace-Test), bevor es zur OP-Entscheidung kommt. Ein Abstandhalter der winkelstabilen Platte vermeidet eine mögliche Beeinträchtigung des Pes anserinus durch die Valgisation.

Anschließend präsentierte Prof. Dr. Gian M. Salzmann (Schulthess Klinik Zürich) die Knorpelchips-Plastik und betonte die Bedeutung einer frühen Intervention, da sich das Gelenkmilieu mit Fortschreiten der Arthrose verschlechtert. Nachdem PD Dr. Oliver Hauschild (Universitätsklinikum Freiburg) die Arthroskopie eines Hüft-Impingements am Videobeispiel veranschaulichte, ging es am Mittag in der „Meet-the-Expert“-Session mit einer lebhaften Diskussion mit Prof. Dr. Hermann O. Mayr (Schön Klinik München Harlaching) zum Thema Management von VKB-Verletzungen weiter.

In Part 2 des Satellitensymposiums kamen Experten der Physiotherapie zu Wort. Wolfgang Schoch (PULZ Freiburg) begann mit der Frage: „Sport macht Arthrose oder Sport statt Arthrose?“. Hierbei spielen Risikofaktoren wie ein hoher BMI, eine Varusstellung und ein Kraftdefizit des M. quadriceps eine große Rolle. Ein genereller Zusammenhang von Arthroserisiko und Trainingsumfang sowie -intensität lässt sich anhand der aktuellen Studienlage nicht nachweisen [6].

„Femoropatellares Schmerzsyndrom, was hilft wirklich?“ fragte Christian Garlich (PULZ Freiburg). Als wichtiger Test zur Diagnostik dienen hierbei die Squats mit einer hohen Sensitivität (98 %) und Spezifität (50 %). Einlagen sind nur eine kurzfristige Lösung. Ein kombiniertes Training der Hüft- und Kniemuskulatur ermöglicht hingegen einen langfristigen Therapieerfolg und ist deshalb das Mittel der Wahl. Für eine erfolgreiche Therapie ist eine frühzeitige Aufklärung der Patienten über die Therapiedauer (mindestens 12 Wochen) unabdingbar [1]. Stephanie Moers (PULZ Freiburg) stellte Kritik und Ziele der International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) dar und zeigte, wie wichtig ein patientenzentriertes Management ist.

Dr. Claus Beyerlein (Physiotherapie Beyerlein Ulm) präsentierte Behandlungstechniken und eine korrigierende Tape-Anlage aus dem Mulligan-Konzept Mobilisation mit Bewegung (Mobilisation with Movement, MWM) bei Patienten mit Inversionstrauma. Der Talar-Tilt-Test und der Anterior-Drawer-Test sind hierbei von klinischer Relevanz. Untersuchungen von Hubbard et al. [3] zeigten, dass bei rezidivierenden Supinationstraumata die Fibula signifikant weiter ventral positioniert ist [3], was die Behandlung mittels korrigierender Tape-Anlage begründet.

Abschließend beschrieb Frank Diemer (Fortbildungen für orthopädische Medizin und Manuelle Therapie Stuttgart) zum Thema FAI die Relevanz der folgenden Trias für die Diagnostik: die Bewegungsstörung mit Symptomatik, klinische Zeichen und der radiologische Befund [2]. Insgesamt sollte die konservative Behandlung bei einem FAI 6–12 Wochen Schmerztherapie, Modifikation bestimmter Bewegungen (keine forcierte Hüftflexion) und angepasstes Training beinhalten.

Am Samstagabend ging im Konzerthaus eine sehr gelungene, chirurgisch geprägte Veranstaltung zu Ende. Nach vielen spannenden Vorträgen und interessanten Diskussionen bleibt festzuhalten, dass dem Aspekt der Physiotherapie gerade bei einer physiotherapeutisch relevanten Thematik wie „operativ versus konservativ“ hoffentlich auch in Zukunft mehr Bedeutung zukommt.

 
  • Literatur

  • 1 Crossley KM, van Middelkoop M, Callaghan MJ. et al. 2016 Patellofemoral pain consensus statement from the 4th International Patellofemoral Pain Research Retreat, Manchester. Part 2: Recommended physical interventions (exercise, taping, bracing, foot orthoses and combined interventions). Br J Sports Med 2016; 50: 844-852
  • 2 Griffin DR, Dickenson EJ, O’Donnell J. et al. The Warwick Agreement on femoroacetabular impingement syndrome (FAI syndrome): an international consensus statement. Br J Sports Med 2016; 50: 1169-1176
  • 3 Hubbard TJ, Hertel J, Sherbondy P. Fibular Position in Individuals with Self-Reported Chronic Ankle Instability. J Orthop Sports Phys Ther 2006; 36: 3-9
  • 4 Keller M, Kurz E, Schmidtlein O. et al. Interdisziplinäre Beurteilungskriterien für die Rehabilitation nach Verletzungen an der unteren Extremität: Ein funktionsbasierter Return to Activity Algorithmus. Sportverletzung Sportschaden 2016; 30: 38-49
  • 5 Kerkhoffs GM, Handoll HH, de Bie R. et al. Surgical versus conservative treatment for acute injuries of the lateral ligament complex of the ankle in adults. Cochrane Database Syst Rev 2007; CD000 380
  • 6 Tran G, Smith TO, Grice A. et al. Does sports participation (including level of performance and previous injury) increase risk of osteoarthritis? A systematic review and meta-analysis. Br J Sports Med 2016; 50: 1459-1466