Suchttherapie 2018; 19(02): 90-98
DOI: 10.1055/s-0043-104455
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Netzwerk 40+: Vernetzung von Sucht- und Altenhilfe zur Versorgung älterer Drogengebraucher

– eine Studie zur Ermittlung der Quote einer Klientel mit Doppelbelastung (Alter in der Suchthilfe, Sucht in der Altenhilfe) sowie der Bedarfe von Mitarbeitern beider HilfesystemeNetwork 40+: Forging links between addiction services and services for the elderly to provide care for elderly drug users– a study conducted to determine the percentages of clients fulfilling both criteria (elderly people in services for drug users, drug use in users of services for the elderly) and the staff requirements of the two care systems.
Florian Schäffler
1   Condrobs e.V., Netzwerk 40+, München
2   Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften, Hochschule München, München
3   Fliedner Fachhochschule, Düsseldorf
,
Monika Thym
1   Condrobs e.V., Netzwerk 40+, München
,
Davor Stubican
4   Paritätischer Wohlfahrtsverband, Landesverband Bayern e.V., München
,
Manuela Bolz
5   mudra-Drogenhilfe e.V., Projekt 40+, Nürnberg
,
Sylvia Braasch
5   mudra-Drogenhilfe e.V., Projekt 40+, Nürnberg
,
Ulrich Körner
6   Drogenhilfe Schwaben gemeinnützige GmbH, Augsburg
,
Gudrun Kolb
1   Condrobs e.V., Netzwerk 40+, München
,
Klaus Fuhrmann
1   Condrobs e.V., Netzwerk 40+, München
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
06 July 2017 (online)

Zusammenfassung

Ziel des Projekts war es, den Anteil von Klientel mit Doppelbelastung (altersassoziierte Problemlagen in der Suchthilfe, Sucht in der Altenhilfe) zu ermitteln sowie die Bedarfe von Mitarbeitenden beider Hilfesysteme zu eruieren.

Hierzu sind zunächst 7 explorative Experteninterviews geführt worden, deren Ergebnisse sodann Grundlage für die Entwicklung zweier elektronischer Erhebungsinstrumente waren. Die so konstruierten Fragebögen wurden im Rahmen einer quantitativen Querschnittsstudie an einem Stichtag per Email an die Mitarbeitenden der Münchner Sucht- und Altenhilfe versendet.

Im Rahmen beider Untersuchungsschritte wurde insbesondere deutlich, dass das Thema Alter bzw. Pflegebedürftigkeit und der Konsum illegaler Drogen bislang in der Suchthilfe eine deutlich größere Bedeutung erfährt als in der Altenhilfe. Im Rahmen der Fragebogenerhebung zeigte sich zudem ein in beiden Hilfesystemen bestehender Bedarf an gegenseitigem Austausch und wechselseitiger Unterstützung sowie Interesse an Informationen und Fortbildungen. Das bisherige Regularium der Substitutionsbehandlung wurde in beiden Hilfesystemen als Problem benannt.

Aufgrund geringer Fallzahlen von Drogenkonsumenten im Altenhilfesystem ist derzeit (noch) davon auszugehen, dass die Thematik „Abhängigkeit von illegalen Substanzen“ dort nicht explizit, sondern höchstens im Kontext legaler Drogen aufgegriffen wird. Nachdem die Zielgruppe somit auch weiterhin schwerpunktmäßig in der Suchthilfe betreut werden wird, sind Fortbildungsangebote zu alters- und pflegerelevanten Themen, sowie der Ausbau bedarfsgerechter Versorgungskonzepte (z. B. Betreute Wohnangebote für ältere Süchtige) überfällig.

Summary

The aim of the project was to determine the percentage of clients with problems in both of 2 areas (persons in addiction care with age-related problems or elderly people in addiction services) and to establish the needs of staff in both care systems.

To this end 7 exploratory expert interviews were first carried out. The results were then employed as a basis for developing two electronic data collection instruments. The questionnaires thus constructed were dispatched by e-mail on a date fixed in advance to all staff working in addiction care and geriatric care services in Munich. The study was designed as a cross-sectional quantitative study.

In both steps of the study it became evident especially that the issue of age or need for nursing care and the consumption of illegal drugs had in the past received greater attention in addiction services than in institutions providing care for old people. The questionnaire survey also revealed an existing need in both care systems for reciprocal exchange and support and also an interest in receiving more information and further training.

The staff of both care systems mentioned the previously valid rules for substitution treatment as being a problem.

Since few users of geriatric services use illegal drugs it can currently (still) be assumed that the issue of “addiction to illegal substances” is not dealt with explicitly but only, if at all, in the context of discussions on addiction to legal drugs.

Since care for this target group thus continues to be provided mainly in services for addiction, further training on issues of relevance to age and nursing care and the development of needs-based care programmes (e. g. supported living for elderly addicts,) is long overdue.

 
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