Aktuelle Dermatologie 2017; 43(07): 312-315
DOI: 10.1055/s-0043-103022
Kasuistik
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Rosazea mit eosinophilen Follikulitiden als „presenting sign“ bei einer HIV-infizierten Patientin

Rocacea with Eosinophilic Folliculitis as „Presenting Sign“ of an HIV Infection
M. Noll
Dermatologisches Zentrum, Klinikum Stuttgart
,
M. Wurster
Dermatologisches Zentrum, Klinikum Stuttgart
,
P. von den Driesch
Dermatologisches Zentrum, Klinikum Stuttgart
› Author Affiliations
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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Peter von den Driesch
Dermatologisches Zentrum
Klinikum Stuttgart
Priessnitzweg 24
70374 Stuttgart

Publication History

Publication Date:
12 July 2017 (online)

 

Zusammenfassung

Wir stellen eine 58-jährige Patientin mit disseminierten papulo-pustulösen Hautveränderungen im Gesichts-Halsbereich vor. In der Biopsie zeigte sich eine klassische sog. eosinophile Follikulitis, welche im Verlauf schnell auf die systemische Behandlung mit Antibiotika und lokalem Metronidazol ansprach. Serologisch stellten wir erstmals das Vorliegen einer HIV-Erkrankung fest. Rosazea-artige eosinophile Follikulitiden im Gesichtsbereich können also auch „presenting sign“ einer HIV-Infektion sein.


Abstract

We present a 58-year-old patient which suffered from disseminated papules and pustules affecting the head and neck. A biopsy specimen revealed a classical so-called eosinophilic folliculitis. The clinical symptoms underwent a rapid remission after treatment with antibiotics and topical metronidazol. By serology the presence of HIV infection was revealed for the first time. Thus rosacea-like eosinophilic folliculitides affecting the face could be a presenting sign of an HIV infection.


Falldarstellung

Einleitung

Eine Reihe von Haut- und Schleimhautmanifestationen können einen Hinweis für eine HIV-Infektion darstellen. In erster Linie sind diesbezüglich das Kaposi-Sarkom, die Hairy-leukoplakia sowie ein hartnäckiges seborrhoisches Ekzem bekannt. Auch rezidivierende Follikulitiden, die sich histologisch eosinophilenreich („eosinophile Follikulitis“) zeigen, sind beschrieben [1] [2]. Der vorliegende Fall präsentiert eine Patientin, bei der sich eine therapieresistente Rosazea unter dem histologischen Bild von eosinophilen Follikulitiden zeigt und bei der dann eine HIV-Infektion festgestellt wurde.


Anamnese

Eine 58-jährige Frau wurde an unsere Klinik überwiesen mit neu aufgetretenen Hautveränderungen an Gesicht und Hals. Sie berichtete, dass die Hautveränderungen seit ca. 3 Wochen neu aufgetreten seien. In der Vergangenheit seien ihr keine Rosazea-artigen Hautveränderungen aufgefallen. Eine systemische oder topische Behandlung mit Kortikosteroiden war nicht erfolgt.


Klinischer Befund

Bei der Untersuchung zeigten sich multiple Papeln und follikulär gebundene Pusteln auf erythematösem Grund im Gesicht und Nacken ([Abb. 1]). Es gab keine Beteiligung der Augenlider oder Augen und keine Teleangiektasien.

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Abb. 1 Hautbefund bei Aufnahme: follikulär gebundene Papeln und Pusteln.

Diagnostik und Histologie

Bakterielle und mykologische Kulturen von Hautabstrichen zeigten einzelne Streptokokken und Staphylokokken, der Inhalt der Pusteln zeigte sich steril.
Die Histopathologie einer Stanzbiopsie vom Nacken zeigte massive entzündliche Infiltrate intra- und perifollikulär, durchsetzt mit zahlreichen Eosinophilen ([Abb. 2]).

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Abb. 2 In der Übersicht die pustulär-fibrinöse Kuppe des Follikels, darunter immer wieder perifollikulär granulomatöses Infiltrat mit auffallend vielen Eosinophilen.

Die von uns mit Einverständnis der Patientin veranlasste HIV-Untersuchung bestätigte das Vorliegen einer HIV-Infektion mit zweifach positivem Immuno-Blot für HIV 1/2 mit GP120, GP41, p51, p31, GP36 positiv sowie in der folgenden ambulanten Diagnostik zeigte sich ein Virusload von 700 000 Kopien/ml vom Subtyp HIV1 Typ CRF02_AG mit einer CD4-Zahl von 260 Zellen/mm³ vor antiviraler Therapie.



Therapie

Es erfolgte eine systemische Behandlung mit Clindamycin 600 mg i. v. dreimal täglich und Metronidazol 500 mg i. v. zweimal täglich sowie topische Behandlung mit Metronidazol 2 %-Creme und einer Schwefel (3 %)-Zink-Salben-Paste ergänzt durch antiseptische Umschläge.

Im Verlauf von 7 Tagen zeigte sich der Hautbefund der Patientin deutlich gebessert ([Abb. 3]). Die ambulante Behandlung wurde topisch mit Metronidazol, Schwefel-Zink-Paste und Tacrolimus fortgesetzt und nach Konsil mit einer HIV-Schwerpunktpraxis eine antivirale HIV-Behandlung mit Triumeq® (Dolutegravir, Abacavir, Lamivudin) einmal tgl. eingeleitet.

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Abb. 3 Hautbefund bei Entlassung.

Diskussion

Während die genaue Ätiologie der eosinophilen Follikulitiden unbekannt ist, zeigt sich in der klinischen Praxis, dass die Erkrankung häufig im Zusammenhang mit Immundefizienzen auftritt. Eine Infektion dient hier möglicherweise als Auslöser [1] [2].

Zu den möglichen Ursachen des spezifischen Entzündungsmusters gibt es verschiedene Hypothesen [3]: So wurde beispielsweise die Rolle von Demodex bei der Pathogenese evaluiert [4] [5]. Studienergebnisse an 18 Patienten zeigten allerdings, dass nur in 4 Fällen Demodex-Milben auffindbar waren. Ein klarer örtlicher Zusammenhang zur Entzündungsreaktion konnte in keinem der Fälle festgestellt werden [4] [5].

Auch die Hypersensitivitätsreaktion auf Pityrosporum-Hefe wurde in der Vergangenheit bereits als als Ursache eosinophiler Follikulitiden evaluiert. Bei einer entsprechenden Untersuchung von 70 Fällen konnte Pityrosporum jedoch nur in einem Fall nachgewiesen werden [6] [7].

Aufgrund der grundsätzlichen Befundverbesserung unter einer antibiotischen Behandlung z. B. mit Metronidazol wurde zusätzlich die klinische Hypothese einer möglichen bakteriellen Infektion diskutiert [6] [8]. Ein signifikanter Zusammenhang zwischen den bakteriologischen Befunden der Patienten und den positiven Effekten durch eine Behandlung konnte allerdings nicht nachgewiesen werden. Auch die zeitlich begrenzte Verbesserung der Symptome unter antibiotischer Behandlung spricht gegen diese Hypothese [6]. Eine weitere Möglichkeit stellt eine Autoimmunreaktion auf Talgdrüsen oder die Umgebung der Talgdrüsen im Zusammenhang mit der HIV-Infektion dar [6].
Erstmalig wurde die eosinophile Follikulitis bei HIV-positiven Patienten im Spät-Stadium der Krankheit bei AIDS [9] beschrieben. Darüber hinaus wurden weitere Fälle erfasst, bei denen Patienten eine CD4-Zellzahl unter 250 Zellen/mm³ [1] vorwiesen. Auch Fälle mit einer mittleren CD4-Zahl von 64 Zellen/mm³ in einer Fallserie von 18 Patienten [10] sowie mit einer mittleren CD4-Zahl von 116 Zellen/mm³ bei einer Fallserie von 57 Patienten [11] sind beschrieben. Eosinophile Follikulitis wurde zusätzlich als Reaktion einer Erhöhung der CD4-Zahlen unter antiviraler Therapie, im Sinne eines „immune reconstitution inflammatory syndrome“, beschrieben [12]. Im Falle unserer Patientin zeigten sich 260 Zellen/mm³ vor antiviraler Therapie, da die Therapie bei einer Erstdiagnose noch nicht eingeleitet war. Fist-Line-Therapie stellt im Regelfall die Therapie der Grunderkrankung mit Beginn einer antiretroviralen Therapie dar.

Eine topische Behandlung kann mit Metronidazol [6] und einer lokalen Immunsuppression durch topische Kortikosteroide erreicht werden [13]. Um mögliche Atrophie zu vermeiden, stellt lokales Tacrolimus eine Alternative dar [14].

Zudem kann eine Lichttherapie mit UVB zu einer Befundbesserung führen, allerdings ist nach dem Ende dieser Therapie eine erneute Verschlechterung des Befundes möglich [15].

Interessant ist an unserer Patientin der klinische Befund einer schweren Rosazea. Das Auftreten von Rosazea bei HIV-Infektion wurde durchaus schon beschrieben, aber nicht unbedingt unter dem histologischen Befund eosinophiler Follikulitiden [16].



Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Peter von den Driesch
Dermatologisches Zentrum
Klinikum Stuttgart
Priessnitzweg 24
70374 Stuttgart


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Abb. 1 Hautbefund bei Aufnahme: follikulär gebundene Papeln und Pusteln.
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Abb. 2 In der Übersicht die pustulär-fibrinöse Kuppe des Follikels, darunter immer wieder perifollikulär granulomatöses Infiltrat mit auffallend vielen Eosinophilen.
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Abb. 3 Hautbefund bei Entlassung.