Pathogenese
Pathohistologisch sind gutartige Neoplasien (Adenom) und adenomatöse Hyperplasien
sowie bei ca. 2 %
der Katzen mit Schilddrüsenüberfunktion ein Karzinom zu finden [[8]]. Bei der felinen Hyperthyreose ist aber bis jetzt keine ursächliche Noxe
beschrieben.
Häufig werden die veränderten Lebensumstände der Katze diskutiert v. a. die Fütterung
mit
kommerziellem Futter in Verbindung mit erhöhter Jodaufnahme, aber auch die Aufnahme
von PCBs
(polychlorierten Biphenylen).
Häufigkeit
Die Auswertung der bei Laboklin gemessenen T4-Konzentrationen eines 1/2
Jahres zeigen, dass der Prozentsatz älterer Katzen mit erhöhten Werten im 2-stelligen
Prozentbereich liegt (▶
Abb.
[
1
]
).
Abb. 1 Auswertung der gemessenen T4-Konzentrationen bei Katzen (n = 1803): der
Prozentsatz an Tieren mit erhöhten Schilddrüsenwerten liegt bei Katzen > 10 Jahren
im 2-stelligen Prozentbereich. (© Laboklin)
Symptomatik und Veränderung der Laborwerte
Symptomatik und Veränderung der Laborwerte
T4 und T3
90 % der sezernierten Schilddrüsenhormone ist T4. T4 ist primär eine proteingebundene
zirkulierende Reserve der Schilddrüsenhormone im Blut. In Leber, Nieren, Herz und
Hypothalamus wird T4 zu T3 deiodiniert und so in die aktive Form transformiert.
T3 ist für die Schilddrüsenhormonwirkung verantwortlich.
Physiologisch erhöhen die Schilddrüsenhormone den Grundumsatz. Dies zeigt sich
in:
Stoffwechselwirkung
T3 aktiviert im Fettstoffwechsel die Lipolyse, den Auf- und Abbau von Cholesterin und
beschleunigt die Freisetzung von Glycerin und freien Fettsäuren. Im
Kohlenhydratstoffwechsel stimuliert T3 die hepatische Glukoneogenese, den Glykogenabbau
und fördert intestinal die Glukoseresorption. Gleichzeitig hemmt T3 die Speicherung
von
Kohlenhydraten. Katzen sind aufgrund ihrer Nahrungszusammensetzung mit einem geringen
Kohlenhydratanteil enzymatisch auf einen ausgeprägten Proteinumsatz ausgelegt, hier
spielen die Schilddrüsenhormone im Kohlenhydratstoffwechsel eine entscheidende Rolle.
Bei steigenden Hormonkonzentrationen zeigen viele Katzen Polyphagie. Eine
Hypermoltilität des Darms – T3 stimuliert die Darmmotilität durch Aktivierung der
glatten
Muskulatur – zeigt sich in frequenterem Kotabsatz mit breiiger Konsistenz. Zusammen
mit der Wirkung auf den Glukose- und Fettstoffwechsel ist ein Abmagern trotz
gesteigerter Futteraufnahme die Folge. Es kommt aber nicht nur zum Abbau der Fettdepots.
Bei der Hyperthyreose ist die Schilddrüsenhormonwirkung im Protein- und Muskelstoffwechsel
über die gesteigerte Gluconeogenese aus glukoplastischen Aminosäuren katabol [[4]], es kommt zur Reduktion der Muskelmasse, die Tiere wirken
mager. Aufgrund der glukoplastischen Wirkung bleibt die Glukosekonzentration trotz
erhöhten Bedarfs im Normbereich. Durch den erhöhten Proteinumsatz sinken auch die
Fruktosamin- [[3], [5]] und
Albuminkonzentrationen ab. Eine Beurteilung des Langzeitblutzuckerspiegels ist bei
diesen
Patienten somit nicht möglich.
Die Kreislaufwirkung von T3 ist vielfältig, kardial vor allem positiv inotrop und
chronotrop. Peripher sinkt der Gefäßwiderstand. Bei der Hyperthyreose erscheinen die
Katzen häufig aktiver und munterer, was von den Besitzern eher positiv gesehen wird.
Viele
Patienten sind aber unruhig, hyperaktiv, auskultatorisch tachykard und
zeigen Hypervokalisation. Der systolische Blutdruck steigt bei sinkendem
diastolischem Blutdruck. Diese Dauerbelastung des Myokards führt zu einem Anstieg
der
cTroponin-I- und pro-BNP-Konzentration [[2], [6]]. cTroponin-I ist bei erhöhten Blutkonzentrationen ein
sensibler Marker für die kardiale Schädigung.
Polyurie und Polydypsie sind häufige Symptome der Hyperthyreose. Mit steigendem
Blutdruck kommt es renal zur Hyperfiltration mit steigender glomerulärer Filtrationsrate
bei sinkender tubulärer Rückresorption. Der Laborbefund ist gekennzeichnet durch
unauffällige Harnstoff- und Kreatininkonzentrationen [[7]].
Bei folgender Schädigung der Glomerula kommt es zur Proteinurie. Steigende
BNP-Konzentrationen führen zur forcierten Natriurese.
Viele Katzen wirken struppig, da sie sich nicht mehr pflegen, aber auch, weil der
Haarzyklus beschleunigt ist. Die Haare werden dünner und das Haarkleid wirkt licht.
Über den direkten Einfluss der Schilddrüse auf die Thermoregulation steigt die
Körpertemperatur subfebril.
Ein hoher Prozentsatz der Katzen > 9 Jahre leidet an einer Organvorschädigung, wie
z. B.
einer reduzierten Leberleistung. Vorgeschädigte Organe reagieren nicht immer adäquat.
So
ist Polyphagie nicht das Kardinalsymptom bei allen Katzen, nicht alle sind hyperaktiv
oder
zeigen PU/PD.
Differenzialdiagnosen und Folgeerkrankungen
Differenzialdiagnosen und Folgeerkrankungen
Klassische Differenzialdiagnosen sind je nach Symptomatik Pankreasinsuffizienz, Diabetes
mellitus,
Kardiomyopathien, Enteropathien, Nephropathie und Tumorosen.
Die Hyperthyreose kann massive Schäden an den Organen verursachen. Kardiomyopathien,
Nierenschädigung, Pankreatitiden und Hepatopathien sind häufige Folgeerkrankungen.
Erstere sind
zumeist durch den erhöhten Blutdruck bedingt, letztere durch die forcierte Stoffwechselleistung
der Leber.
Einige hyperthyreote Katzen sind anorektisch, auffallend ruhig und zeigen ein normales
Harn-
und Kotabsatzverhalten – trotz Fehlens der typischen Symptomatik kann eine Hyperthyreose
vorliegen.
Labordiagnostik
Neben der Klinik gibt der Laborbefund erste Hinweise oder sichert über die Bestimmung
der
Schilddrüsenhormone T4, TSH und bei grenzwertigen Ergebnissen auch fT4, die Diagnose. Die
Bestimmung der T3-Konzentration ist möglich, aber eine moderate Erhöhung kann ebenso
durch den
Transport und die Aufregung bedingt sein.
Labordiagnostisch sollte aufgrund der gravierenden Auswirkungen der Hyperthyreose
auf die
Organsysteme ein klinisch-chemisches Screening durchgeführt werden. Mit den Ergebnissen
können
mögliche Differenzialdiagnosen ausgeschlossen werden. ProBNP, cTroponin-I sowie Harnstoff
und
Kreatinin dienen nicht der Diagnose selbst, sind aber wichtige Parameter in der Beurteilung
der
Schwere der Erkrankung und den Spätfolgen trotz Therapie.
Therapie
Mit der Therapie sollte umgehend nach der Diagnosestellung begonnen werden, um weitere
Schäden an
den Organen zu verhindern. Welche Art der Medikation – Thyreostatika, Radiojodtherapie
oder
jodfreies Futter – gewählt wird, ist abhängig vom Patienten, dem Alter, dem Erkrankungsstadium
und der Compliance der Besitzer. Letztendlich ist es auch immer eine finanzielle
Entscheidung.
Therapiekontrolle – und was bleibt übrig?
Therapiekontrolle – und was bleibt übrig?
Die erste Therapiekontrolle sollte nach 2–4 Wochen erfolgen und neben der klinischen
Untersuchung
und der Messung der Schilddrüsenhormone auch immer eine Messung der bereits erwähnten
Parameter
beinhalten. Dies ermöglicht eine objektive Beurteilung der Organsituation. Normalisieren
sich
unter der Therapie die vorher veränderten Parameter nicht, besteht erweiterter
Therapiebedarf.
Anders bei den Nierenparametern: steigen die Werte unter Therapie deutlich an oder
überschreiten den Referenzbereich, liegt eine durch die Hyperthyreose kaschierte
Niereninsuffizienz vor, die entsprechend therapiert werden muss.
Bei einer durch die Hyperthyreose kaschierten Niereninsuffizienz ist es keine Option,
die
Schilddrüsentherapie zu reduzieren, um die Nierenwerte wieder in die Norm zu bekommen.
Eine weitere Schädigung der Niere mit Ausfall weiterer Glomerula wäre die Folge und
es droht auf
Dauer ein Nierenversagen. Die spezifische Nierentherapie ist daher unumgänglich.
Tab. 1
Bei einem Verdacht auf eine Hyperthyreose zu bestimmende Blutparameter inklusive
möglicher Veränderungen und Differenzialdiagnosen.
Organsystem
|
Parameter
|
Veränderungen bei Hyperthyreose
|
Differenzialdiagnose
|
Schilddrüse
|
T4
TSH
T3
fT4
|
erhöht
erniedrigt
erhöht oder normal
erhöht
|
|
Leber
|
ALT, GLDH, AP,
Gesamteiweiß und Albumin
|
erhöht
erniedrigt
|
|
Nieren
|
Harnstoff, Kreatinin, SDMA (symetrisches Dimethylarginin),
Na, K, Ca und PO4
|
niedrig normal
Kontrolle
|
erhöht bei Niereninsuffizienz
|
Herz/Kreislauf
|
pro-BNP und cTroponin I
|
erhöht
|
|
Pankreas
|
pankreatische Lipase,
TLI
|
erhöht
|
TLI: erniedrigt bei Pankreasinsuffizienz
|
Kohlenhydratstoffwechsel
|
Fruktosamin, Glukose
|
erniedrigt
|
erhöht bei Diabetes
|