Zeitschrift für Klassische Homöopathie 2017; 61(03): 115
DOI: 10.1055/s-0043-101008
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Homöopathie in der Palliativmedizin

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Publication Date:
26 September 2017 (online)

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Der Anwendung einer homöopathischen Arznei im palliativmedizinischen Bereich verdanke ich mein erstes Erfolgserlebnis als junger Homöopath: vor rund 30 Jahren wurde ich abends zu einer Familie gerufen, weil der Vater, an seine Grundkrankheit kann ich mich nicht erinnern, offenbar im Sterben liege. Ich fand ihn in erbarmenswertem Zustand: schwer atmend, äußerst unruhig, offensichtlich von riesiger Angst geplagt. Die Unruhe habe am Abend begonnen und nehme stündlich zu. Die Familie hatte irgendwie erfahren, dass ich mich – seit etwa einem halben Jahr! – in klassischer Homöopathie auszubilden begonnen hatte und wünschte nun klar „etwas Homöopathisches“. Glücklicherweise hatte ich einige Wochen vorher den Grundkurs über Arsenicum album besucht, wo mein Lehrer Martin Furlenmeier im Rahmen seiner hervorragenden Darstellung des Arzneibildes auch über die Anwendung am Sterbebett gesprochen und genau diesen Zustand geschildert hat: extreme Unruhe, extreme Angst, nächtliche Verschlimmerung etc. Arsenicum „könne die Schwelle erniedrigen und den Übergang erleichtern“. Also bat ich eine Tochter, mich in die Praxis zu begleiten, wo ich ihr aus meiner neu erstandenen homöopathischen Apotheke eine Einmaldosis Ars-alb C200 übergab und mich auf den Heimweg machte. Zu Hause angekommen teilte mir meine Frau mit, ich müsse mich gleich wieder auf den Weg machen, die Familie habe angerufen – es war natürlich in der Vor-Mobiltelefon-Ära –, der Patient sei verstorben. Dort angekommen erfuhr ich, dass der Vater praktisch unmittelbar nach Einnahme des Mittels sich zurückgelegt und entspannt habe und nach 5 bis 10 Minuten ruhig im Kreise der dankbaren Familie eingeschlafen sei.

Dieses Heft befasst sich mit Aspekten der homöopathischen Palliativmedizin. Uwe Friedrich gibt Hinweise zur homöopathischen Schmerzbehandlung mit Arzneien, die allein durch die Schmerzsymptomatik bestimmt werden und damit meist „nur“ palliativ wirken. Außerdem zeigt er an 2 Fällen, wie palliative homöopathische Mittel postoperative Folgezustände günstig beeinflussen können. Monika Grasser befasst sich mit der homöopathischen Begleitung in der Kinderpalliativmedizin und bespricht die wichtigsten homöopathischen Mittel in der Betreuung und Begleitung sterbender Kinder und Jugendlicher, illustriert durch 2 Fallbeispiele. Jutta Gnaiger-Rathmanner beobachtet bei einer Patientin mit schwerer Atopie, die sich aus eigener Initiative sowohl der Kortison- wie auch der homöopathischen Therapie entzog, die bekannten Phänomene einer chronischen Erkrankung mit Aspekten von Psora, Suppression, Organwechsel, Palliativbehandlung und regulativen Therapiefolgen.

Mein bescheidener Aufruf im Editorial des letzten Heftes hat erfreulicherweise ein erstaunliches Echo ausgelöst: zahlreiche positive und negative Kritiken, Anregungen, Kommentare sind uns zugegangen, Beispiele finden sich bei den Leserbriefen. Auf Grund der vorwiegend positiven Rückmeldungen haben wir uns entschlossen, die von Norbert Winter angebotene Arbeit über Homöopathie und Wissenschaft weiter zu publizieren; im aktuellen Teil befasst er sich mit „Quantenphysik und Wirklichkeit“. Jens Behnke beleuchtet die leider sehr aktuelle Thematik der „Skeptikerbewegung“, welche derzeit im Rahmen von Medienkampagnen die Homöopathie systematisch diskreditiert, indem er ihre Entwicklung in den USA, ihre Verbindungen zu medizinischen Gesellschaften, industriellen Geldgebern und politischen Institutionen analysiert. Christian Thoma schließlich stellt uns als Verfasser der neu revidierten Allium-cepa-Monografie Charakteristika dieser Arznei zur Verfügung, welche sich bei der Bearbeitung herauskristallisiert haben.

Ich wünsche gute Lektüre und vor allem im Bereich der Palliativmedizin so erfreuliche Erfolge, wie mir durch das „Anfängerglück“ beschert worden ist.

Peter Minder